KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Wir haben gelernt ...

Von Melina Klaus (15.3.2008)

… Die Aufmerksamkeit für und die Ablehnung von Missachtung der Menschenrechte oder Menschenwürde muss radikal und konsequent sein.

Melina Klaus, Bundessprecherin der KPÖ, bei der Gedenkkundgebung der KPÖ, am Denkmal gegen Faschismus und Krieg, Wiener Albertina:

Die KPÖ hat in der Nacht vom 11. zum 12. März 1938 die Bevölkerung zum Widerstand aufgerufen! „Hitler hat mit militärischer Gewalt Österreich unter sein Joch gebracht. … Volk von Österreich! Wehr dich. Leiste Widerstand den fremden Eindringlingen und ihren Agenten. Schließt euch zusammen, Katholiken und Sozialisten, Arbeiter und Bauern.“

Die KPÖ war am 26. Mai 1933 verboten worden. Von der Niederschlagung der ArbeiterInnen­bewegung durch den Austrofaschismus ('33 und '34) führt ein gerader Weg zur Annexion Österreichs durch Hitlerdeutschland.

Der 12. März kam nicht überraschend, Österreich, die Menschen wurden nicht überrumpelt. Der Austrofaschismus hat den deutschen Nationalsozialismus hereingeholt, in Regierung und Verwaltung, hat Versammlungen, Demonstrationen und Schlägertrupps toleriert und genehmigt.

Bei Jura Soyfer, der im Februar 1939 in Buchenwald umgekommen ist, können wir nachlesen, wie er schon 1932 fast täglich in seinem „Zwischenruf links“ in der Arbeiterzeitung vor dieser Politik warnt. Seine tagesaktuellen Gedichte sind Warnung vor den braunen Flecken, vor Schlägern, vor Hitler, Dollfuß, Faschisten und vor dem Krieg!

Doch der eingangs zitierte war der einzige Appell einer Partei Widerstand zu leisten.

Der einzige. Der Sozialdemokrat Karl Renner „begrüßte freudigen Herzens“ den Anschluss, die Bischöfe „erkennen freudig an, dass die nationalsozia­listische Bewegung … Hervorragendes geleistet hat und leistet.

Zweimal ‚Freude‘, auf die ich – wenn wir bedenken was gewesen war und was noch geschehen sollte – in die historischen Dokumenten blicke, als wären sie unfassbar. Ich weiß nicht wohin mit meinem Unverständnis, ich versuche zu begreifen … doch es gelingt nicht.

Freude, Jubel … das ist die eine Seite des März 38, die in mir als Nachgeborene aufgehoben ist. … Die Bilder, Ernst Jandls Heldenplatz, die Erzählungen von ZeitzeugInnen, die Aufarbeitung von Nachkommen haben diesen Jubel aufgehoben. Als Mahnung, als Dokument.

Als Mahnung auch gegen die Geschichte vom Opfer Österreich.

Und wieder unfassbar: Der Umgang mit der Geschichte, das Porträt des Austrofaschisten Engelbert Dollfuß im ÖVP-Parlamentsclub, die versucht ihre klerikalfaschis­tischen Vorläufer als Widerstandskämpfer gegen Hitler darzustellen.

Der Heldenplatz, die blumengeschmückten Straßen, die Fähnchen. Wie hätte ich mich durch diese Stadt bewegt?

Die Katastrophe, die Verfolgung, der Krieg … das ist eine andere Seite des März 1938, die aufgehoben ist. Schon am 11. März drangen SA, SS und Gendarmerie in hunderte Wohnungen ein um zu rauben; Juden wurden durch die Straßen gehetzt, Politische inhaftiert. Am 1. April 1938 wurde der erste Transport in das Konzentrationslager Dachau zwangsverschickt. Das Denkmal bei dem wir hier stehen, die Erzählungen von ZeitzeugInnen, die Aufarbeitung von Nachkommen haben diese Katastrophe aufgehoben. Als Mahnung, als Dokument.

Der Widerstand – das ist auch der März 1938, der in mir als Nachgeborene aufgehoben ist.

Dem Widerstand gedenken bedeutet ‚niemals vergessen!‘ Doch beim ‚Offiziellen Gedenken‘ verkommt „aus der Geschichte lernen“ zur Phrase und Plattitüde, wenn wir sehen, wie dieser Widerstand ausgeblendet wird.

Die Kraft, die politische Überzeugungskraf­t(!) sich dagegen zu stellen, das Desertieren aus dem System, … das wird nicht gern gesehen. Gepaart mit Antikommunismus tut sich das offizielle Österreich offensichtlich schwer dem die nötige Achtung zu schenken. Aber wenn dieses sich dagegen stellen in den Schulbüchern, parlamentarischen Gedenkfeiern, weiten Teilen der Medien ausgeblendet wird – WAS sollen dann diejenigen, die zu wenig davon wissen aus der Geschichte lernen? Und was lernen wir?

Zwar wird manchmal die rührige Legende von den Wiedervereinten Pfarrern, Sozialdemokraten, Kommunisten im KZ gepflegt, aber der kommunistische Widerstand oder Deserteure, Saboteure, Homosexuelle, Sinti, Roma, sog. Asoziale, der bewaffnete jüdische Widerstand oder der Widerstand von Frauen mussten um ihre Anerkennung ringen! Um ihr Gedenken musste gekämpft werden sowie auch um die Würdigung ihres Anteils am Widerstand!

Also was sollen wir lernen? Denn Hand in Hand mit dieser Verdrängungspolitik gehören nach wie vor Rassismus und Fremdenfeindlichke­it und Antisemitismus zum politischen Alltag. Von einer Bewältigung der Vergangenheit kann keine Rede sein.

Wir haben etwas gelernt! – Wenn die KPÖ aufgerufen hat alle „die ihr Österreich liebt und entschlossen seid, für seine Freiheit und Unabhängigkeit mutig und kompromisslos zu kämpfen“, dann wissen wir heute von den Aufarbeitungen und den ZeitzeugInnen, dass es nicht nur darum gegangen ist Österreich zu lieben, sondern: Alle, die ihr das Leben liebt und die Menschen. Es war ein mutiger, kompromissloser Kampf für die Menschenwürde, Menschenrechte, Solidarität, Demokratie und Freiheit!

Gedenken bedeutet niemals Vergessen! Doch gerade wenn wir die Berichte von Zeitzeugen und Zeitzeuginnen lesen oder hören, dann hören wir auch nie wieder! Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit kann uns Geist, Kopf und Herz öffnen! Zum Beispiel dafür, dass die Aufmerksamkeit für und die Ablehnung von Missachtung der Menschenrechte oder Menschenwürde radikal und konsequent sein muss!

An Tagen wie dem März 2008 bin ich überzeugt, dass es richtig ist, Forderungen und Utopien wie zB offene Grenzen in die Diskussionen einzubringen! Denn ich sehe keine Alternativen. Wie können wir Menschen selektieren? Nach welchen Gesichtspunkten dürften wir Rechte teilen? Wie könnten wir Menschen teilen und trennen? Wie kann man Recht schaffen und daneben extra ein Fremdenrecht?

Gedenken bedeutet niemals vergessen und auch nie wieder! Unser heutiges Gedenken ist Dank, Erinnerung und das Versprechen, zu versuchen etwas zu lernen und Wachsam zu sein und dass wir versuchen nach Kräften nicht zu verdrängen! Den Kampf für Menschenwürde, Rechte und Freiheit in uns aufzuheben.

Zum Schluss nochmal zu Jura Soyfer, der gegen Faschisten und Krieg geschrieben und gekämpft, und mit dem Leben bezahlt hat. Am 11. September 1932 schreibt er gegen die Nationalen, und den Nationalismus. Und wir haben etwas gelernt! Wer uns mit Stolz, Nationalismus und Grenzen kommt und damit trennt und verfolgt, dem trauen wir nicht!

„Ob ihr Weizen mäht, ob ihr Kohle brecht.

Ihr dient einem Kapitale.

Ob ihr deutsch, japanisch, englisch sprecht,

Wißt: Es erkämpft das Menschenrechte

Die Internationale!“