KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Barbara und ihre soziale Hängematte

Löhne und Pensionen zum Leben – bei radikaler Arbeitszeit- und Lebensarbeitszeitverkürzung. Eine Forderung der KPÖ deren Umsetzung immer brisanter wird!

Von Rosmarie Thüminger (9.2.2010)

In Tirol leben cirka 10.000 SozialhilfeempfängerInnen. Meine Freundin Barbara ist eine von ihnen. Sie hat, nachdem ihre zwei Kinder das Schulalter erreicht hatten, stundenweise in verschiedenen Hotels und Gasthäuser geputzt, alles was gerade anfiel, Fremdenzimmer, Küchen, Toiletten, hat zusätzlich Geschirr gespült und Backöfen gescheuert.

Etwas später war ihr Mann, inzwischen nicht schlecht verdienender Bankangestellter, dem Leiden seiner Mitlifecrises und dem Charme einer jüngeren Kollegin erlegen und hat sich, mit dem Versprechen, seine fast erwachsenen Kinder allwöchentlich in ein Restaurant einzuladen und mit viel Bedauern und allen guten Wünschen aus der Ehe verabschiedet. Den Anspruch auf Unterhalt seiner ehemaligen Frau hat sein Anwalt erfolgreich abgewehrt.

So ist meine Freundin, für sie völlig überraschend und aus heiterem Himmel, zu einer Rentnerin geworden, die sich mit einer Pension von 680 Euro im Monat über Wasser halten muss. Ein geradezu klassisches Schicksal, über das mann keine Worte zu verlieren bräuchte.

Barbara ist eine starke Frau. Sie versucht, sich nicht unterkriegen zu lassen, besucht Vorträge, die kostenlos angeboten werden, geht wandern, im Rucksack ein paar Brote und heißen Tee und zu Weihnachten hat sie sich von den Kindern gute Sportschuhe gewünscht und läuft sich nun Kummer und Frust von der Seele.

Sie ruft mich selten an, auch beim telefonieren lässt sich’s sparen, aber gestern gegen elf läutete das Telefon. Ich las gerade in dem wunderbaren Buch „Ich schüttelte einen Liebling“ von Friederike Mayröcker, und, obwohl ich Barbara sehr mag, konnte ich mich zuerst gar nicht freuen, ihre eifernde Stimme zu hören. Aber eine Freundin ist da, um Freud und Leid zu teilen. Basta!

Sie berichtete von dem Informationsabend, den sie eben verlassen hatte, um so rasch als möglich nach Hause zu eilen und mir, ihrer Vertrauten, ihre Empörung und ihre Wut mitzuteilen. Das Thema Staatsverschuldung, Gegenmaßnahmen und notwendige Einsparungen, hätte sie interessiert, man wolle ja schließlich wissen, was auf einem zukommen werde in nächster Zukunft.

Nichts Gutes, sie habe es ja geahnt, aber nicht geahnt habe sie, was in der anschließenden Diskussion von dem teuer gekleideten und mit klotzigen Uhren und funkelnden Schmuck verziertem Publikum zu hören gewesen sein: Feurige Aufforderungen, den Sozialschmarotzern den Garaus zu machen, endlich die unseligen Debatten, die Mindestsicherung aus erzieherischen Gründen um Gottes willen nicht vierzehnmal, sondern nur zwölfmal im Jahr auszuzahlen, im Sinne der Wirtschaft zu beenden und alles zu unternehmen um die faulen und unfähigen Leute aus ihren sozialen Hängematten zu vertreiben. Platter habe da letztlich einen begrüßenswerten Vorstoß gewagt, um den Berufsschutz aufzuheben.

„Weißt du eigentlich, dass laut EU das Jahr 2010 im Zeichen der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung stehen soll?“, fragt sie wutschnaubend.

Ich wusste es nicht, ist noch nicht zu mir vorgedrungen, die Medien haben ja unterhaltenderes zu berichten.

„Aber du hast ihnen deine Meinung gesagt.“

Barbara schnaubt. „Nicht nur ich, aber was hilft’s? Der Diskussionsleiter hat volles Verständnis für unser Anliegen gezeigt, und dann sind alle aufgestanden und an der Garderobe haben mich die Herren einfach auf die Seite geschoben und sich vorgedrängt, damit ihre Damen möglichst rasch zu ihren Mänteln kämen.