KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Macht und Strafe

Von Anja Danneberg (1.2.2011)

Ausgrenzung geht flott: Ein ausgestreckter Zeigefinger kann schon reichen. Und wo nicht, hilft das Gesetz nach …

Ich sitze in einem Lokal am Naschmarkt und muss folgende Szene beobachten: Ein Augustin-Verkäufer betritt gerade das Lokal durch die gläserne Eingangstür.

Die Kellnerin, die uns gerade so nett bedient hat, sitzt mit einer Kollegin an einem Nebentisch und springt auf, als sie den Mann bemerkt. Sie geht schnell, mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die Eingangstür deutend, auf den Augustin-Verkäufer zu und verweist ihn, energisch mit der anderen Hand auf seinen Oberarm klopfend, aus dem Lokal „Orient-Occident“.

Alles ohne Worte. Leichter Widerstand seitens des Augustin-Verkäufers. Aber durch die Macht, die diese junge Frau in ihrer ganzen Körperhaltung ausdrückt, gibt er entwürdigt und gedemütigt nach und verlässt das Lokal, noch ehe er es richtig betreten hat.

Dieses Bild hat sich mir schmerzvoll eingeprägt. Ein kleiner Augenblick – von den meisten Menschen hier unbemerkt –, der so viel aussagt: Über die Macht der Gesetzgebung, die Menschen dazu legitimiert, andere aus der Gemeinschaft zu weisen. Und über die Ohnmacht jener, die aus den gesellschaftlichen öffentlichen Räumen immer häufiger verdrängt und unsichtbar gemacht werden.

Ein Gesetz, das es jenen, die es in vorauseilendem Gehorsam befolgen, erleichtert, endlich ohne ein schlechtes Gewissen oder zumindest zwiespältiges Gefühl zu haben, der Armut gegenüber zu stehen und diese aus dem Blickfeld zu weisen.

Angesichts der Tatsache, dass Armut täglich zunimmt und jeder Mensch unverhofft selbst davon betroffen werden könnte, und angesichts der nicht mehr zu übersehenden Armut im Alltagsbild, kann niemand mehr so leicht wegschauen. So sind nicht wenige Menschen froh, dass es auf einmal das Gesetz des Bettelverbots gibt, das einem Volk gesetzlich befiehlt, die Menschen, die vom Betteln oder, wenn sie Glück haben, vom Augustinverkaufen leben müssen, den Weisel zu geben. Jetzt kann man ohne schlechtes Gewissen der Armut die Tür weisen. Solange, es einem selber noch gut geht. Ich wünsche der Kellnerin trotzdem, dass sie nicht so schnell ihren Job verliert und vielleicht selbst einem ausgestreckten Zeigefinger begegnet.