KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Gequirlter Blödsinn zur Rehabilitierung stalinistischer Dogmen?

Von Didi Zach (1.2.2014)

Kürzlich feierte die so genannte Kommunistische Initiative (KI), die Basisorganisation der PdA (Partei der Arbeit), Ihre Heroes Mao Tse-tung und Stalin. Eine kleine Replik von Didi Zach.

Gutmütige Menschen werden als erstes vielleicht ins Treffen führen, dass die KI ja nur einen Artikel von einem Herrn Hans Heinz Holz wiedergibt, welcher – wie am Ende des Beitrags zu lesen ist – 1999 in einer Zeitung der DKP erschienen ist. Meine Antwort: wer so einen Artikel ohne irgendeine Anmerkung veröffentlicht, der wird schon seine Gründe haben.

Aber zum Text: Holz beginnt mit dem empirisch wahrscheinlich gesicherten Faktum, dass nicht nur in Moskau, sondern auch in Paris Menschen weinten, als Stalin starb. Welch großartiges Argument: Als der Massenmörder Hitler sich ins Jenseits beförderte, haben sicherlich nicht nur seine engen Mitarbeiter geheult, sondern hunderttausende begeisterter Nazis wären wahrscheinlich sofort dem Beispiel des GRÖFAZ gefolgt, wenn sie es zu diesem Zeitpunkt gewusst hätten. Als Pol Pot starb, haben sicherlich auch tausende Menschen geheult. Und haben nicht auch beim Tod von Kaiser Franz Joseph Zehntausende geweint? A ja – als ein gewisser Jörg Haider starb, da ist in einem südlichen Bundesland sogar die Sonne vom Himmel gefallen. Was also, Herr Holz bzw. Friends, ist mit solch einem Argument bewiesen?

Aber seien wir korrekt, lassen wir Herrn Holz seinen Gedanken ausführen: „Es war die Generation, für die die Sowjetunion, mit Stalin an der Spitze, Hoffnung und Stütze im Kampf gegen den Faschismus gewesen war. Die Stabilität der Sowjetunion hatte für sie Priorität, für diese Stabilität stand Stalin.“ Genau – und daher haben auch viele geweint. Aber hätten so viele geweint, wenn Ihnen bekannt gewesen wäre, was am 20. Parteitag der KPdSU enthüllt worden ist? Hätten so viele geweint, wenn klar gewesen wäre, dass ein Grund für die militärischen Niederlagen am Beginn des Zweiten Weltkriegs die „Enthauptung der Roten Armee“ durch Stalin gewesen ist? Hätten so viele KommunistInnen überall auf der Welt geweint, wenn allgemein bekannt gewesen wäre, dass Stalin die Ermordung hunderttausender KommunistInnen zu verantworten hatte?

Holz plädiert für eine „historisch-kritische Auseinandersetzung mit der Aufbauphase der Sowjetunion“. Verklärung wie Verdammung wären beide „Verdrängung und Verzicht auf die historisch-materialistische Methode, die wir auch auf unsere eigene Geschichte anwenden müssen.“ Ich stimme, so allgemein, durchaus zu. Was ist aber nun – laut Holz – Ergebnis solch einer angeblich „historisch-materialistischen“ Untersuchung?

Holz: Die „drei Hauptaufgaben – Industrialisierung, Veränderung der Klassenverhältnisse auf dem Lande, Aufbau des Schul- und Bildungswesens – wurden in der kurzen Zeit zwischen 1925 und dem Überfall Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion 1941 in erstaunlicher Weise bewältigt. Die grundsätzlichen Entscheidungen (Hervorhebung – D.Z.), die in dieser Zeit von Stalin und seinen Mitarbeitern in der Partei getroffen wurden, sind, meine ich, richtig gewesen und haben die Bewährungsprobe bestanden, als die Sowjetunion im 2. Weltkrieg dem Angriff widerstehen und die Hauptlast der Niederwerfung des deutschen Faschismus tragen konnte, ja sogar gestärkt als zweite Weltmacht aus diesem Kampf auf Leben und Tod hervorging. Es ist kaum vorstellbar, daß mit den alternativen Konzepten, sei es Trotzkis, Sinowjews oder Bucharins, das gleiche Ergebnis erreicht worden und die Sowjetunion überlebensfähig geblieben wäre.“

Wir lernen: Die historisch-materialistische Untersuchung, korrekt angewandt a la Holz, bringt hellseherische Fähigkeiten (es ist kaum vorstellbar, dass Trotzki, Sinowjew, …). Warum Herr Holz – trotz dieser außerordentlichen Fähigkeiten – weder Breschnew noch Gorbatschow davon überzeugen konnte, seinen Fähigkeiten und Ratschlägen zu vertrauen, bleibt unklar. Ah: waren wahrscheinlich beide Revisionisten, die seine Dienste gar nicht in Anspruch nehmen wollten.

Aber weiter im Text: „Diese Leistung Stalins (die richtige und erfolgreiche Bewältigung der 3 Hauptaufgaben laut Holz – Anmerk. D.Z.) bestimmt den Charakter der ersten dreißig Jahre der Sowjetgesellschaf­t.“ Die Frage, ob nicht der „Terror“ bestimmendes Moment der mehr als 20jährigen Stalinschen Herrschaft über Partei und Gesellschaft war, welche aufgrund vorgefundener Unzulänglichkeiten, durch Fehlentscheidungen der Partei und durch das Tolerieren unakzeptabler Entwicklungen durch die Gesellschaft ermöglicht wurden, kann damit gekonnt unter den Tisch gekehrt werden.

„Industrialisi­erung, Veränderung der Klassenverhältnisse auf dem Lande, Aufbau des Schul- und Bildungswesens“ – all dies hat Stalin, so das alt-bekannte Argument, wenn schon nicht höchstpersönlich so doch qua seinen unglaublichen theoretischen, organisatorischen und kommunikativen Fähigkeiten im riesigen Lande bewirkt. Und den Sieg im Kampf gegen den Nazi-Faschismus hat Stalin fast allein und höchstpersönlich errungen und nicht 20 Millionen tote SowjetbürgerInnen. Blöd nur, dass Stalin sich weigerte, Hitlers Hass auf die sowjetischen Untermenschen wahrzunehmen. Und blöd auch, dass Stalin sogar KommunistInnen, u.a. den Mitbegründer der KPÖ, Franz Koritschoner, ohne jede Notwendigkeit an die Nazi-Schergen auslieferte.

Aber was kümmert den Philosophen Hans Heinz Holz all dies. Was kümmert Holz z.B. der alte Brecht, der einst einen lesenden Arbeiter fragen lies: „Wer baute das siebentorige Theben? In den Büchern stehen die Namen von Königen. Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt? (…)Der junge Alexander eroberte Indien. Er allein? Cäsar schlug die Gallier. Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich? “

Holz weiter: „Die sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft konnte nicht ohne harte Klassenauseinan­dersetzungen vorangetrieben werden. Stalin hatte richtig vorausgesagt, daß sich der Klassenkampf nach dem Sieg des Sozialismus in einem Lande verschärfen würde.“ Holz verteidigt also, ohne wenn und aber, die an den Haaren herbeigezerrte, jenseitige stalinistische Schutzbehauptung, dass sich der Klassenkampf nach dem Sieg des Sozialismus verschärft.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Nicht alles, was Holz in seinem Text ins Treffen führt, ist Käse. Ja, es stimmt schon, dass „Besonderheiten der russischen Geschichte“ nachwirkten, die z.B. die „unglückseeligen Prozesse“ (sic!) begünstigten. Doch so zu tun, als ob Generalissimus Stalin „nur“ nicht anders konnte, weil sich der Klassenkampf angeblich verschärfte bzw. so zu tun, als ob Stalin von nichts wußte, ist das Letzte vom Letzten.

Zu behaupten, ein abstraktes, namenloses System habe „dabei zahllose unschuldige Opfer und überflüssige Härten in Kauf genommen“, ist in seiner Verharmlosung jenseits jedes kritischen Verständnis von irgendwas. Es gab nicht nur „zahllose“ (sic!) unschuldige Opfer, sondern es wurde ein System des Terrors aufgerichtet. Und es gab nicht nur „überflüssige Härten“ (sic!), sondern planvollen Terror gegen alles, was sich widersetze bzw. zu widersetzen versuchte bzw. sich potentiell widersetzen hätte können.

Die Frage, um es nochmals zu wiederholen, ob nicht der „Terror“ bestimmendes Moment war, kann meiner Meinung nach ohne Zweifel mit ja beantwortet werden. Damit wir uns auch hier nicht verstehen. Zu behaupten, die Staatsorgane hätten sich zu Unterdrückungsor­ganen gewandelt, welche der politischen Führung und Stalin entglitten sind, widerspricht jeder ernsthaften geschichtlichen Untersuchung. Tatsache ist, dass die Partei und die Staatsorgane sich zu willenlosen ausführenden Gremien Stalinscher Verbrechen degradieren ließen, über welche Stalin (und seine Mitarbeiter, die aber jederzeit ebenfalls als Konterrevolutionäre gebrandmarkt und liquidiert werden konnten) die volle Kontrolle hatte. Womit ich die Verbrechen an Millionen Menschen nicht auf Stalins Wahnsinn reduzieren will. Wenn von Stalinismus gesprochen wird, so ist damit ein System-Mechanismus gemeint, welcher u.a. die Unterwerfung des ZKs unter das PolBüro und der Gesellschaft unter die Partei beschreibt. Und es geht um den Wahn der Allwissenheit und um die Etablierung von Strukturen und Abhängigkeitsver­hältnissen auf allen Ebenen, welche statt Emanzipation das Gegenteil von Emanzipation ermöglichten und bewirkten.

Zurückzuweisen ist auch das Verteidigungsar­gument von Holz, „Revolutionäre Umbrüche sind in der Geschichte stets mit Verletzung der Rechtsordnung und mit Gewalttaten verbunden gewesen, doch meist in relativ kurzen Zeiträumen.“ Ja, auch die französische Revolution war gewalttätig. Ja, eine Revolution ist – um einen berühmten Ausspruch zu zitieren – kein Spaziergang am Newski-Prospekt. Aber nein: das autoritäre, paternalistische, tödliche System des Stalinismus beging seine Verbrechen an Millionen von Unschuldigen und gegenüber hunderttausenden, wenn nicht Millionen überzeugten Kommunisten und Kommunistinnen – über mehr als 2 Jahrzehnte hinweg. Der ehemalige KPÖ-Vorsitzende Walter Baier schrieb 2001 in einem Artikel: „Zu konstatieren ist, dass die opferreichste KommunistInnen­verfolgung des 20. Jahrhunderts tragischerweise im Zeichen des "Aufbaus des Sozialismus in einem Land“ entfesselt wurde."

All diese Verbrechen – so wie Holz es tut – als ungewollte „Verlängerung der repressiven Phase der Revolution über zwei Jahrzehnte hinweg“ zu charakterisieren, der Stalin mit einer/seiner Verfassung angeblich entgegen wirken wollte, hat die Qualität der Aussage eines Massenmörders, der seine bestialischen Verbrechen als konsequente Anwendung und Umsetzung der Ideale Mahatma Gandhis verteidigt.

Mein unzweideutiges Resümee lautet daher: Gequirlter Blödsinn zwecks Rehabilitierung stalinistischer Dogmen ist auch nur Blödsinn – wenn auch schön verpackt!

Didi Zach?, Landessprecher der KPÖ-Wien

Zum Thema siehe z.B. auch Die Toten packen die Lebenden 

KPÖ-Analyse(n) zu den Themen Stalinismus und „Realsozialismus“

Wer Lust hat die Holzschen Ergüsse wortwörtlich nachzulesen kann dies auf der Website von Kominform gerne tun.

Nachtrag: Hans Heinz Holz mag – wie mir eine Ex-Genossin, die nun meines Wissens bei der KI aktiv ist, schon vor vielen Jahren in Verteidigung solch kruder Argumente vorgeworfen hat, – seine Verdienste haben. Ob er im Jahr 1999, als er diesen grauenhaften Artikel publizierte, noch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war, kann ich aber selbstredend nicht beantworten. Was die Bewertung dieser Ausführungen von Holz betrifft, ist es auch absolut irrelevant.

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