KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Geld für alle – die Verwirklichung einer Utopie

Von Christiane Maringer (19.3.2009)

In einem namibischen Dorf in Südafrika erhält jedeR EinwohnerIn ein monatliches Einkommen ohne Bedingung oder Forderung nach einer Gegenleistung. Eine Revolution in der Armutsbekämpfung, gleichzeitig das erste Pilotprojekt eines bedingungslosen Grundeinkommens weltweit.

Otjivero ist ein 1200-Menschen-Dorf östlich von Namibias Hauptstadt Windhuk. Die Siedlung liegt inmitten des von Weißen betriebenen privaten Farmlands. Selbst Holz zu sammeln ist den BewohnerInnen der Siedlung bei Strafe verboten. Die Menschen in Otjivero sind arm und haben praktisch keine Chance, sich aus eigener Kraft aus dieser Armut zu befreien. Soweit die Ausgangslage im Dezember 2007.

Die Idee für ein Grundeinkommen ist in Südafrika nicht neu. Bereits 1976 hat Martin Luther King die Forderung nach einem solchen erhoben. 1996 wurde ein Grundeinkommen als Notwendigkeit einer Gesellschaft ohne Apartheidsystem in die Verfassung Südafrikas aufgenommen. 2002 wurde entschieden, dass Südafrika dafür noch nicht bereit sei. Die Pläne wurden allerdings nicht aufgegeben, aber vorerst auf Namibia verschoben.

In Namibia tagte 2002 eine Steuerkommission, die von der Regierung eingerichtet wurde. Sie sollte prüfen, wie man das Steuersystem verändern könne, damit es wirtschaftliches Wachstum ohne Armut und Ungleichheit garantiere. Die beste Methode der Veränderung wäre ein universales Einkommen. Die Kommission hat auch ausgerechnet, dass Namibia sich ein solches leisten könnte. Die Regierung hat darauf aber nicht reagiert. Die Kirche hat daraufhin Umfragen organisiert, um zu erheben, was die Bevölkerung denkt. Dabei ist herausgekommen, dass Einkommenssicher­heit für die Menschen ein sehr wichtiger Faktor ist.

2005 gründet sich die „Basic Income Grant Coalition“ (BIG) mit dem Ziel, ein Pilotprojekt zu starten. Der Zusammenschluss aller wichtigen Dachverbände wie dem Kirchenrat, dem Gewerkschaftsver­band, der NGO-Dachorganisation und NANASO, den Aids-Organisationen, ist die größte zivilgesellschaf­tliche Koalition gegen Armut seit den Zeiten der Apartheid. Der Regierung Namibias liegen Berechnungen vor, nach der sich ein Grundeinkommen wirtschaftlich rentieren würde und über Steuern finanzierbar wäre. Otjivero wurde aufgrund seiner isolierten und damit für die Menschen besonders hoffnungslosen Situation als Pilotprojekt ausgewählt.

Seit Jänner 2008 bekommen alle BewohnerInnen bis 59 Jahren zwei Jahre lang monatlich einhundert Namibische Dollar; ab 60 gibt es für alle eine staatliche Rente. Kinder unter 21 kriegen das Geld über einen „Primary Care Giver“, meistens die Mutter. Die Auszahlung erfolgt einmal im Monat. Das Ziel ist es, der Regierung Namibias mit dem Pilotprojekt Argumente zu liefern, wonach ein bedingungsloses Grundeinkommen Sinn macht. Der erste Zwischenbericht gibt jetzt Hoffnung, dass die Zweifel zerstreut werden können.

Das Grundeinkommen hat positive Auswirkungen

Wie erwartet wirkt das Grundeinkommen umverteilend und über die Einkommenssicher­heit kurbelt es die Wirtschaft in der Siedlung an. Das Geld wird für Ernährung, Bildung und Gesundheit ausgegeben, außerdem für Kleidung und Wohnen. Entgegen allen Unkenrufen aber kaum für Suchtmittel und nur anfangs für Statussymbole, etwa einem neuen Handy.

Die Ernährungssicher­heit stieg von zwanzig auf sechzig Prozent an. Das Einkommen der kleinen Klinik in Otjivero verfünffachte sich. Doppelt so viele Eltern wie vorher zahlen die Schulgebühren, die Leistungen der Kinder verbesserten sich, auch, weil am Unterricht zu fünfzig Prozent mehr teilgenommen wird.

Das Grundeinkommen kurbelt die regionale Wirtschaft an: Die Einkommen aus Lohnarbeit wuchsen um sieben Prozent, die aus selbständiger Arbeit um dreihundert Prozent. Wer seine kleine Anbaufläche nicht mehr selbst bestellen kann, hat heute Geld, den Nachbarn für diese Arbeit zu bezahlen. Der Laden hat ebenso plötzlich zahlende KundInnen, wie der Besitzer des Kleintransporters, der Botenfahrten anbietet. Die Frauen müssen sich Freitagabend nicht mehr prostituieren, um das eigene Überleben und das der Kinder zu ermöglichen. Dass es den BewohnerInnen gelungen ist, mit ihrer Arbeit ein Gesamteinkommen zu erzielen, das über die Summe des ausgezahlten Grundeinkommens geht, ist ein wichtiges Argument der Koalition im ersten Zwischenbericht im Juni 2008. Das Grundeinkommen wirkt nachhaltig!

Das Netzwerk BIG sieht die Theorie, nach der „Hunger ökonomisch keinen Sinn macht“ bestätigt. „Nur wer nicht hungert, wird wirtschaftlich aktiv und kann sich selbst aus der Armut befreien.“ Eigentlich eine einleuchtende Weisheit, die sich bis zum Internationalen Währungsfonds aber noch nicht durchgesprochen hat. Dort hält man es nach wie vor mit reinem Marktdenken: „Du erhältst das Geld nicht, weil du ein Mensch bist, sondern weil du etwas leistest. Ohne Gegenleistung auch kein Geld.“ Menschenrechte finden beim mächtigsten Gegner des Grundeinkommens kein Gehör, der seinen Einfluss gegenüber der Namibischen Regierung mit falschen Karten durchzusetzen versucht. Hauptargumente der Regierung sind, dass das Grundeinkommen zu teuer sei und dass es Abhängigkeiten schaffen würde. Der IWF hatte die Regierung beraten, mussten allerdings in der Folge zugeben, dass die Berechnungen falsch, die Kosten künstlich hochgehalten waren. Warum? Ein Mitarbeiter des IWF gegenüber einer AktivistIn von BIG: „Wir sind halt gegen das Prinzip.“

Ein Jahr nach Einführung des Grundeinkommens ist sehr viel passiert. Die Erwartungen wurden total überschritten. Den Leuten konnte ihre Würde zurückgegeben werden, sie sind nicht mehr nur Bettler. Gleichzeitig ist der Kapitalismus international in die Krise geschlittert. Während weltweit lächerliche 85 Milliarden gegen Hunger ausgegeben werden, um jeden einzelnen Euro erbittert gestritten werden muss, standen alleine in Österreich über Nacht 300 Milliarden zur Sicherung der Banken zur Verfügung. Wer einen Beleg dafür brauchte, dass es eine politische Frage ist, ob etwas geschieht oder nicht, hat ihn damit – am Vorhandensein von Geld mangelt es jedenfalls nicht.

Warten wir gespannt auf den ersten Jahresbericht nach Einführung des Grundeinkommens in Otijivero. Wir halten Sie am Laufenden.

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