KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Ist Gesundheit ein Kostenproblem?

Von Landeskonferenz der KPÖ-NÖ (22.4.2006)

Seit das Kapital und dabei wieder in erster Linie das Finanzkapital die Möglichkeit bekommen hat, alles der Verwertungslogik zu unterwerfen, werden nicht nur Lebensweisen radikal verändert, sondern auch die Sozialsysteme der Profitlogik untergeordnet. Weltweit werden alle staatlichen Sozialsysteme der neuen Kapitaloffensive unterworfen: „Jeder ist für sich selbst verantwortlich, und der Markt ist der Regulator.“

Unter diesem Gesichtspunkt bedeutet die neoliberale „Gesundheitsreform“ ähnlich wie bei der Pensionsreform die Privatisierung der Lebensrisiken. Generell geht es darum den „Gesundheitsmarkt“ kapitalistischer Geschäftemacherei auszuliefern. Versicherungskon­zerne, Pharmaindustrie, Technologiekonzerne und einige Ärzte mit profitablen Privatkliniken wittern hier sagenhafte Profitmöglichke­iten.

Gesundheit ist – nach einer Definition der Weltgesundheit­sorganisation (WHO) – ein Zustand körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens. Also ein grundlegendes Menschenrecht. Niederösterreichs Landespolitike­rInnen behaupten, den Menschen und seine Gesundheit in den Mittelpunkt zu stellen, um dann einzuschränken, dass es um die Effizienz der medizinischen Versorgung unter optimalen wirtschaftlichen Bedingungen gehe. Somit ist auch erklärlich, dass jeder Vorschlag und jede Entscheidung der Regierung – gleich ob es sich um eine rot/schwarze, schwarz/blaue oder schwarz/orange handelt – und der Landesregierung beim Kostenproblem anlangt.

Der Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandspro­dukt (BIP) hat sich in den letzten 20 Jahren kaum verändert. Mit einem Anteil von 8,3% am BIP liegt Österreich im Durchschnitt der EU-Staaten. Die Einnahmenssituation verschlechtert sich trotz wachsender Beschäftigtenzahlen auf Grund der hohen Arbeitslosigkeit, dass wir bereits annähernd eine Million atypisch Beschäftigte haben und dass bisherige Vollarbeitsplätze rasant in Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigungsver­hältnisse umgewandelt werden. Und nicht zu vergessen die Reallohnverluste. Wären in Österreich Löhne und Gehälter analog dem Bruttoinlandspro­dukt gestiegen, gäbe es auf Grund der sich daraus ergebenden Mehreinnahmen der Kassen, trotz Leistungsauswe­itungen kaum ein Kassendefizit. Dazu kommen hohe Rückstände der Unternehmen bei der Abfuhr von Sozialversiche­rungsbeiträgen – also auch jener Gelder, die sie bereits von den Lohnabhängigen eingehoben haben.

Eine Möglichkeit zur Verbesserung der Einnahmen ist die Anhebung der Höchstbeitrag­sgrundlage in der Sozialversicherung.

Eine Anhebung der Höchstbeitrag­sgrundlage, derzeit 3.750 Euro, auf 5.000 Euro bringt Mehreinnahmen in der Höhe von brutto 435 Millionen Euro. Entscheidend ist letztlich aber die auch vom Wiener Politologen Emmerich Talos ausführlich begründete Notwendigkeit, die Finanzierungsbasis des Sozialsystems dadurch zu verstärken, dass nicht nur die Lohnsumme, sondern auch Kapitalerträge, Gewinne und Einkünfte aus Miete oder Pacht herangezogen werden. Eine zukunftsweisende Finanzierung des Gesundheits- und Sozialsystems auf einer solidarischen Grundlage ist letztendlich nur durch eine solche Wertschöpfungsab­gabe möglich, die angesichts der Wirtschaftsleistung auch leistbar ist.

Aber schon die alten Chinesen wussten, dass Krankheiten zu verhindern immer besser ist, als sie später zu heilen. Zum Beispiel belegen Studien, dass rund 50% aller Erkrankungen ihre mittelbare oder unmittelbare Ursache in der Arbeitswelt haben. Die Hauptprobleme arbeitsbedingter Krankheit liegen vor allem im Bereich der körperlichen wie auch der psychosozialen Belastungen (Stress). Durch betriebliche Prävention und Gesundheitsförde­rung könnten jedoch in Niederösterreich etwa 700 Millionen Euro pro Jahr eingespart werden.

Stattdessen zielt die auf Veranlassung der Regierung erfolgte Information der Versicherten über die von ihnen verursachten Kosten offensichtlich darauf ab, ein schlechtes Gewissen zu erzeugen und die Bereitschaft für mehr Eigenleistungen zu erhöhen. Bereits jetzt ist aber der Anteil von Selbstbehalten und Eigenleistungen sehr hoch. Damit wird eine Kostenabwälzung über Rezeptgebühr, Spitalsteuer, Krankenscheingebühr und Eigenleistungen bei bestimmten medizinischen Leistungen oder Inanspruchnahme von WahlärztInnen betrieben.

Außerdem unterwandern die jährlich steigenden und neuen Selbstbehalte wie der Spitalskosten­beitrag, die Krankenschein und neuerdings Chipkartengebühr sowie die Medikamentengebühr das System des solidarisch finanzierten Gesundheitswesens. SPÖ, ÖVP, FPÖ und die Grünen stehen fest auf dem Boden der neoliberalen Wirtschaftspolitik. Der einzige Unterschied ist das Tempo, in dem sie vorgehen wollen, um „Weniger Staat, mehr privat!“ zu verwirklichen.

Eine der wichtigsten Errungenschaften der österreichischen Krankenversicherung war die freie Arztwahl. In manchen Facharztbereichen ist die Situation so fatal, dass für zehntausende Menschen nur ein bis zwei Vertragsärzte zur Verfügung stehen und so die freie Arztwahl illusorisch ist.

Von zunehmender Bedeutung ist bedingt durch die steigende Lebenserwartung der Pflegesektor. Ältere Menschen wollen ihr gewohntes Umfeld nicht verlassen. Die zunehmende Orientierung auf mobile Betreuung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die öffentliche Hand sich nicht nur aus der gesellschaftspo­litischen Verantwortung stiehlt, sondern sich aus budgetären Zwängen aus der Finanzierung der Pflege zurückzieht und diese auf ehrenamtliche Arbeit von Vereinen, billige Zivildiener oder pflegende Angehörige abschieben will. Landesseitig gefördert wird nur ein Pflegeplatz in einem Heim. Das als letzte große sozialpolitische Errungenschaft 1993 eingeführte Pflegegeld wurde bislang nur dreimal erhöht und bleibt weit hinter der Inflationsentwic­klung und auch hinter den Pensionserhöhungen zurück.

Diese Ausdünnung einerseits und die Debatte über eine Pflegeversicherung zielen auch darauf, den parteipolitisch orientierten Hilfsorganisationen wie Volkshilfe oder Hilfswerk große Teile des Pflegesektors zu übertragen.

Eine der wichtigsten Errungenschaften der Arbeiterklasse waren und sind die selbstverwalteten Sozialversiche­rungen. Der ‚Österreichische Strukturplan Gesundheit’ der Regierung als Fortsetzung der „Reform“ des Hauptverbandes zielt auf die Entmachtung der als Selbstverwaltun­gskörper geführten Sozialversiche­rungsträger. Derzeit werden aber zwei Drittel der Mittel des Gesundheitswesens durch die Beitragszahlerlnnen der Sozialversiche­rungsträger aufgebracht. Diese haben bislang eine verfassungsrechtlich garantierte große Autonomie in ihrem Verantwortungsbe­reich.

Ureigene Probleme Niederösterreichs im Gesundheitsbereich?

Neben der allgemeinen Entwicklung leiden die Niederösterre­icherInnen noch unter den Problemen der landeseigenen Gesundheitsver­sorgung.

Hier nur sechs Beispiele:

Notärzte

Zu Jahresbeginn 2006 erklärte die NÖ Gebietskranken­kasse, dass sie die Kosten für jene Rettungsfahrten mit NotärztInnen, bei denen keine unmittelbare Lebensgefahr besteht, nicht mehr übernehmen wird. Das hätte bedeutet, dass tausende Patienten für Notarzteinsätze zwischen 70 und 150 Euro hätten zahlen müssen. Ungefähr 20% der rund 26.000 Notarztau­sfahrten im Jahr werden von der Krankenkasse als „geringfügig“ eingestuft. Das Unverständliche dabei ist, dass solche als „geringfügig“ eingestufte Einsätze, die statt vom Notarzt von HausärztInnen durchgeführt werden, weiter von der Krankenkasse bezahlt worden wären und werden – bis hin zum Kilometergeld. Unter dem Druck der Bevölkerung berief die Landesregierung alle am Rettungswesen beteiligten Organisationen zu einem Gipfelgespräch. Das Ergebnis: für 2006 werden die Patienten – noch – nicht zur Kassa gebeten. Für 2007 ist noch alles offen, es muss wieder neu verhandelt werden.

Krankentransporte

Auch die Rettungshelikop­tereinsätze werden jetzt von der NÖ Gebietskrankenkasse genau geprüft. Der Rechnungshof hat darauf aufmerksam gemacht, dass Rettungs-Hubschrauber-Einsätze nur dann von der NÖ Gebietskrankenkasse bezahlt werden dürfen, wenn sie unbedingt erforderlich sind. Das heißt, nachträglich wird die Sinnhaftigkeit eines Einsatzes beurteilt. Ist die Verletzung nicht schwer genug, wird nicht bezahlt. Der ÖAMTC-Flugrettungsdienst ist so immer mehr auf private Sponsoren angewiesen.

Aber grundsätzlich droht dem NÖ Rettungswesen der finanzielle Kollaps, es gibt keine finanzielle Absicherung. Dass das Rettungssystem in Niederösterreich überhaupt funktioniert, ist den mehr als 14.000 Freiwi­lligen, die in 107 Rettungsdi­enststellen mitarbeiten, zu verdanken. Massive Leistungskürzung durch die Sozialversicherung, stagnierende Finanzmittel des Landes und der Gemeinden, steigende Kosten z. B. für Benzin und zusätzliche Aufgaben belasten die Rettungsdienste dramatisch.

Krankenhäuser

Egal ob die niederösterre­ichischen Krankenhäuser unter der Oberhoheit vom Land oder einer Gemeinde stehen, das Problem der Bettenzahl verschärft sich weiter. Es kann doch nicht sein, dass in einem der reichsten Länder der Welt Patienten tagelang auf den Gängen liegen müssen, dort medizinisch „versorgt“ werden und ihre Mahlzeiten in aller Öffentlichkeit einnehmen!

Arbeitssituation des Spitalspersonals am Beispiel der SpitalsärztInnen Während sich der NÖ Gesundheitsre­ferent, Landesrat Emil Schabl, damit brüstet, dass durch die Verdichtung der Grundversorgun­gsleistungen und die Spezialisierung der Krankenhäuser die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel bestens eingesetzt werden und die Leistungen in den Spitälern in den vergangenen fünf Jahren um 31% zugenommen haben, proben die SpitalsärztInnen mit einem 10-Punkte-Programm den Aufstand, weil sie das Risiko für die Patienten und für sich selbst nicht mehr tragen wollen und können.

Die Mängel, die sie bei den Krankenhausstruk­turen aufzeigen, gründen auf organisatorische Gegebenheiten, gesetzlichen Vorgaben und organisatorischen Bedingungen und sind zu untragbaren Arbeitsbedingungen angewachsen. Zum Beispiel sind in den meisten Krankenhäusern Niederösterreichs Arbeitszeiten von bis zu 100 Stunden pro Woche keine Seltenheit.

Ärztedichte

Vor den Gemeinderatswahlen 2000 erhob die SPÖ-NÖ, dass es in Niederösterreich an rund 400 Facharztstellen fehlt. Seither ist nur wenig geschehen, damit es zu einer besseren fachärztlichen Versorgung kommt. In manchen Bezirken gibt es in einigen Fachbereichen nur mehr eine Facharztpraxis. Freie Arztwahl wird so illusorisch.

Pensionisten-Pflegeheime

Statistisch gesehen gibt es in Niederösterreich genügend Pflegeplätze. Regional gesehen sieht das anders aus. In Ballungszentren gibt es Probleme. Außerdem ist noch der Ausbau von Tages-Sozialzentren notwendig. Für die Betroffenen bleibt aber die Kostenfrage für einen menschenwürdigen Lebensabend in einem Pensionistenoder Pflegeheim Priorität.

Was will die KPÖ-NÖ

Mit der Gesundheit der Bevölkerung darf nicht Spekulation und Geschäftsmacherei betrieben werden. Die Probleme des Gesundheitswesens in Niederösterreich und Österreich können nur im Rahmen eines Gesundheitsdienstes in öffentlicher Hand gelöst werden. Wir sind für ein demokratisches Gesundheitswesen. Die Erhaltung und Hebung der Volksgesundheit ist eine unabdingbare gesellschaftliche Verpflichtung.

Wir KommunistInnen fordern

Wir verlangen von der öffentlichen Hand ein Ende des Kompetenzendschun­gels und eine gesunde organisatorische und finanzielle Basis für einen modernen Gesundheitsdienst, bei dem alle hier lebenden Menschen auf unkompliziertem Weg und ohne Selbstbehalte zur optimalen, zeitgemäßen medizinischen Betreuung kommen.

Vorsorgemedizin ist der beste Schutz für die Gesundheit und verhindert teure Behandlungs- und Folgekosten. Daher sind entsprechende fachärztliche Untersuchungsmet­hoden zu finden, damit dies vom Kleinkindalter bis ins hohe Alter garantiert werden kann. Die Mutter-Kind-Pass-Untersuchung, der schulärztliche Dienst, die Lehrlings- und Jungendlichenun­tersuchungen und die Gesundenunter­suchung müssen daher für die Bevölkerung attraktiver und effizienter werden.

Wir verlangen die Errichtung von Ambulatorien der Krankenkassen für alle Fachbereiche der Medizin in allen Hauptorten der Bezirke bzw. Öffnung und Ausbau der bestehenden Spitalsambulatorien für alle Menschen, die ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen müssen.

Wir sind gegen Schließung oder Privatisierung von Krankenhäusern.

Kleinere Krankenhäuser haben eine Art Nahversorger-Funktion und sind besonders in entlegenen Gebieten wichtig. Sie müssen für Grundversorgung erhalten bleiben und können sich in einer bestimmten Sparte in Abstimmung mit anderen Krankenhäusern spezialisieren.

Wir sind für ein System der selbstverwaltenden Sozialversiche­rungen, verlangen aber den rigorosen Privilegienabbau und eine demokratische Offensive in Richtung „Mehr Mitbestimmung“ durch gewählte Versichertenver­treter und die freie Arztwahl. Die Versicherten müssen bei der Inanspruchnahme von Information und Leistungen als Miteigentümer und nicht als Bittsteller behandelt werden.

Wir sind für die Anstrengungen der Kassen, dass Ärzte gedrungen werden, kostengünstigere Medikamente gleicher Qualität zu verschreiben, verlangen aber gleichzeitig die Reduzierung der Medikamenten-, Heilbehelfs- und Heilgerätekosten durch Mehrwertsteuer­befreiung und durch eine staatliche Preiskontrolle oder -regelung. Außerdem verlangen wir die Kostenübernahme alternativer Heilmethoden und homöopathischer Medikamente, die oft billiger sind als pharmazeutische Produkte.

Wir verlangen eine Finanzpolitik, die garantiert, dass mit einer Umverteilung von „Oben nach Unten“ auch das Menschenrecht auf Gesundheit garantiert wird!

Broschüre zum download (280 kb)

Programm Sonntag 1. September 2013


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