KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

NACHKLANG-WIDERHALL

(19.3.2008)

Der Kulturverein Kult-Ex errichtete in Leonding (Oberösterreich) ein Denkmal zur Erinnerung an die Verfolgung, Vertreibung, Vernichtung und den Widerstand von Jüdinnen und Juden, Roma, Sinti und Jenischen, behinderten Menschen, Angehörigen von Religionsgeme­inschaften, Deserteuren, Homosexuellen, Kriegsdienstver­weigerern, Kriegsgefangenen, politischen GegnerInnen, ZwangsarbeiterInnen und allen anderen Opfern des Nationalsozia­lismus. 39 AutorInnen stellten dafür Texte zur Verfügung, die beim Denkmal abgespielt werden. Zusätzlich sind alle Texte auf Doppel-CD erhältlich und über nachklang-widerhall.at abrufbar.

Warum Leonding?

In Leonding stehen zwei Kriegerdenkmale für die Gefallenen und Vermissten des Zweiten und auch des Ersten Weltkriegs an einem symbolträchtigen Ort: Mitten im Zentrum, am alten Kirchenplatz, der unmittelbar in den Eingang zum Friedhof mündet, wo sich das Grab von Hitlers Eltern – eine Pilgerstätte der Neonazis – befindet und in unmittelbarer Nähe des Wohnhauses, wo Adolf Hitler von 1898 bis 1904 lebte.

Was fehlte, war eine symbolische Imagination der historischen und gesellschaftlichen Realitäten des Nationalsozialismus und seiner Menschen verachtenden Verfolgungs- und Vernichtungspo­litik. Diese hat vor allem in Oberösterreich mit dem Konzentrationslager Mauthausen und den vielen Nebenlagern sowie mit der Tötungsanstalt Hartheim nachhaltige Spuren hinterlassen. Im Gedächtnis der Stadt Leonding fanden die Opfer bis zur Eröffnung des Denkmals Nachklang-Widerhall keinen Platz – die Leidensgeschichten, der Widerstandskampf und die Warnung an die Nachgeborenen warteten auf eine deutlich wahrnehmbare Erzählung.

Re-Konkretisierung der Vergangenheit

Die Zukunft der historischen Erinnerung hängt von ihrer Fähigkeit ab, sich stets zu erneuern und Identifikation­smöglichkeiten zu schaffen. Denkmäler und Gedächtnisorte dienen der Vergegenwärtigung von Vergangenheit. Sie schaffen vielfältige Perspektiven, suchen die Kontroverse und verstehen sich als Einschreibungen in den öffentlichen Raum. Die Geschichtswis­senschaften sorgen für die Rekonstruktion der Vergangenheit. Zusätzlich bedarf es aber immer wieder der Re-Konkretisierung, die nicht zuletzt in künstlerischen Werken sowie durch kulturelle und multimediale Vermittlungsformen zum Ausdruck kommen muss. Darin liegt auch die Herausforderung: Historische Erinnerung darf nicht an Spezialistinnen und Spezialisten ausgelagert werden, sondern ist an individuelle Alltagserfahrungen, persönliche Lebensgeschichten und authentische Orte anzuknüpfen.

Insbesondere von den Frauen, die Opfer des Nationalsozialismus waren, ist in der österreichischen Erinnerungskultur wenig zu hören. Dies betrifft vertriebene und ermordete Jüdinnen, ermordete und zwangssterilisierte Romnia, Sintiza und Jenische, behinderte Frauen, verschleppte Zwangsarbeite­rinnen, Frauen die Opfer organisierter Vergewaltigung in so genannten „Wehrmachtsbor­dellen“ wurden, ebenso wie Widerstandskämpfe­rinnen und Partisaninnen.

Hörbare Textskulptur als Denkmal

NACHKLANG-WIDERHALL ist ein Denkmalprojekt, das auf Sichtbarkeit abzielt (Entwurf Stele: Georg Lindorfer; Keramik: Monika Hinterberger) und diese um akustische Wahrnehmungszugänge erweitert. Mit Unterstützung der Stadt Leonding, des Zukunftsfonds Austria, der Bundeskunstsektion und des Landes Oberösterreich errichtete der Verein Kult-Ex am alten Kirchenplatz, den die Pfarre Leonding – St. Michael zur Verfügung stellte, mit einer etwa drei Meter hohen Klangsäule eine künstlerisch gestaltete Installation, die sich dem flüchtigen Blick widersetzt. Gesprochene Beiträge der folgenden am Projekt beteiligten Literatinnen und Literaten bilden eine hörbare Textskulptur, die von den Gräueln und der Deportation der NS-Jahre erzählt und zugleich ermuntert, dass Widerstand und politisches Handeln in Zeiten extremer Repression notwendig und auch möglich sind: Michael Amon, Heimrad Bäcker, Bogdan Bogdanovic, Franzobel, Karl-Markus Gauß*, Eva Geber, Elfriede Gerstl*, Sabine Gruber, Henriette Haill*, Josef Haslinger, Elfriede Jelinek, Eugenie Kain, Franz Kain, Leo Katz*, Alois Kaufmann, Ruth Klüger*, Walter Kohl, Traude Korosa, Theodor Kramer*, Ludwig Laher, Gitta Martl, Martin Pollack, Christian Qualtinger, Doron Rabinovici, Schoschana Rabinovici, Elisabeth Reichart, Erwin Riess, Kathrin Röggla, Stella Rotenberg*, Gerhard Ruiss, Robert Schindel, Simone Schönett, Ceija Stojka, George Tabori, Peter Turrini*, Vladimir Vertlib, Susanne Wantoch*, ruth weiss und Rosa Winter*.

*Gelesen von: Ilse M. Aschner, Siglinde Bolbecher, Eva Geber, Konstantin Kaiser, Gitta Martl, Otto Tausig (alle anderen AutorInnen lesen selbst).

Moderation Klangsäule: Johanna Tomek, Musik: Christof Dienz.

Der Verein Kult-Ex hat 2007 für dieses Projekt den Kleinen Landeskulturpreis OÖ erhalten.

Informationen: Auf der Website sind neben Hintergrundinformationen zum Projekt sämtliche Texte der AutorInnen hör- und lesbar. Im Rahmen des Projekts ist ein Hörbuch (Doppel-CD) mit den Texten der AutorInnen erschienen (ISBN: 978-3-200-00877-9). Bestellungen: Dokumentationsarchiv (Publikationen; Widerstand und Verfolgung) oder ORF-Shop (01 / 501 70 373, orfshop@orf.at). Der Erlös aus dem CD-Verkauf geht an drei Flüchtlings- bzw. Obdachlosenorganisationen.