KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Verabschiedung von Gerti Schindel

Gerty Nürnberger-Schindel, 5. Jänner 1913 - 11. März 2008

Von Michael Graber (27.3.2008)

Lieber Robert, liebe Freundinnen und Freunde, Genossinnen und Genossen von Gerti, werte Damen und Herren!

Wir haben uns heute zusammengefunden, um von Gerti Schindel-Nürnberger Abschied zu nehmen. Gerti Schindel ist Teil meiner frühesten Kindheitserin­nerungen. Oft begleitete ich meinen Vater, wenn er in der KPÖ Heinrich Fritz, seinen Freund und Genossen aus der gemeinsamen Zeit in den Internationalen Brigaden aufsuchte. Und da war „Tante“ Gerti, die sich bemühte, mir die Zeit zu verkürzen, während die beiden Männer ihr Gespräch führten.

Erst viele Jahre später sollte ich entdecken, wer Gerti war, warum so viele Interbrigadisten immer wieder mit großer Hochachtung und Zuneigung über sie sprachen.

Am 5. Jänner 1913 geboren, wuchs Gerti Schindel gemeinsam mit ihren Brüdern Georg und Erich in einer Leopoldstädter jüdischen Familie in ärmlichen Verhältnissen auf. Ihr Vater Salomon war Buchhalter und lange Zeit arbeitslos. Sie erlernte den Beruf einer Gärtnerin und trat 1927 dem Kommunistischen Jugendverband bei.

Anfang der 30er Jahre ging sie mit ihrem damaligen Freund Anton Reisinger in die Sowjetunion. Ihre ersten Jahre in der kommunistischen Bewegung verliefen nicht ganz konfliktfrei, vertrat Gerti doch schon sehr früh die Position einer Einheitsfront-politik gegen den aufkommenden Faschismus, die erst einige Jahre später durch Georgi Dimitroff durchgesetzt wurde.

Noch vor den Februarkämpfen 1934 kehrte sie im Auftrag der Partei nach Wien zurück. Damit begannen elf lange Jahre politischer Verfolgung. Im Winter 1935 zum ersten Mal verhaftet und zu sechs Wochen Arrest verurteilt, wurde sie nur wenige Monate später mit einer ganzen Gruppe wegen Verbreitung kommunistischer Druckschriften neuerlich festgenommen. Flankiert von zwei Polizisten gestattete man ihr die Teilnahme am Begräbnis ihrer Mutter Irene.

1937 wurde Gerti von der Partei nach Paris geschickt, um dort in der Transportorga­nisation für die österreichischen Spanienkämpfer mitzuarbeiten. Viele von ihnen gelangten über diese Zwischenstation zu den Internationalen Brigaden. So erzählt Fritz Geissler in seinen Erinnerungen, daß er im Café Gryson einen gewissen José kontaktieren sollte. Und er war sehr überrascht, als statt eines Mannes plötzlich eine kleine, zarte Frau vor ihm stand – Gerti!

Der Kontakt mit österreichischen Interbrigadisten blieb auch nach dem spanischen Bürgerkrieg bestehen. Viele von ihnen lebten so wie Gerti illegal in Südfrankreich und waren im Widerstand tätig.

In diese Zeit fällt auch die Rettung der Fahne der 11. Internationalen Brigade, die das österreichische Bataillon „12. Februar“ als Auszeichnung bekommen hatte. Von Franzi Gruber in eine Decke eingenäht, konnten Mali Fritz und Gerti Schindel die so getarnte Fahne auf ihrem Weg durch französische Gefängnisse und Lager in Sicherheit bringen.

Im Mai 1942 kehrte sie nach Paris zurück. Dort begegnete sie dem Wiener René Hajek, der in Belgien emigriert und danach im französischen Lager Gurs interniert gewesen war. Für kurze Zeit sollte sie wieder einen Gefährten nicht nur für die politische Arbeit, sondern auch für das gefährliche gemeinsame Leben finden. Beide beschlossen, Gerti bereits in anderen Umständen, im September 1943 als französische Fremdarbeiter getarnt nach Österreich zurückzukehren, um dort im Widerstand aktiv zu werden. Als Französin unter dem Namen Susanne Soel arbeitete Gerti zuerst in einer Gastwirtschaft in Linz und später als Dolmetscherin. Am 4. April 1944 wurde Sohn Robert geboren. Nur wenige Monate danach wurden René und Gerti von der Gestapo verhaftet und nach wochenlangen Verhören nach Auschwitz gebracht. Ihr fünf Monate alter Sohn Robert wurde ihnen weggenommen.

Knapp vor Kriegsende wurde Gerti ins Konzentrationslager Ravensbrück überstellt, wo man sie noch Mitte März zur Hinrichtung holen wollte. Frauen des illegalen Lagerkomitees versteckten sie, sie konnte mit einem Arbeitstransport als Französin getarnt fliehen und schließlich durch das Rote Kreuz nach Schweden entkommen.

1945 kehrte sie nach Wien zurück. Ihr Bruder Georg und ihr Vater Salomon lebten nicht mehr, sie waren 1941 nach Riga deportiert worden; René Hajek ein Monat vor der Befreiung im Konzentrationslager Dachau hingerichtet worden. Sie suchte nach ihrem Sohn Robert und konnte ihn aufgrund eines Leberflecks und des Geburtsdatums wiederfinden. Er hatte – wie, wird sich wohl nie ganz klären lassen – überlebt!

Bis zur Pensionierung arbeitete Gerti in der Internationalen Abteilung der KPÖ. Im ehemaligen Spanienkämpfer Georg „Schurl“ Nürnberger sollte sie nochmals einen Gefährten für ihr weiteres Leben finden.

Im Namen der KPÖ und der Vereinigung der Spanienkämpfer möchte ich Gerti für alles, was sie getan hat, danken. Ihre gelebte Solidarität hat vielen das Überleben in den Jahren des faschistischen Terrors ermöglicht.

Und so wollen wir uns mit ihren eigenen Worten von Gerti Schindel verabschieden, die gleichsam ein Appell an uns alle sind.

Befragt über die riskante Rückkehr ins faschistische Österreich sagte sie einmal: „Ja, ich kann mich an sehr viele, nächtelange Diskussionen erinnern, sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, nach Nazi-Deutschland zu gehen. Ich muß dazu sagen, die Einstellung war: Tätig zu sein, nicht einfach überleben, sondern aktiv gegen Faschismus und Krieg tätig zu sein.“

Bild-Quelle: Internetseite Robert Schindel

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