KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

KPÖ.Frauen.Pro.Grammatisches

(24.11.2014)

Frauenprogrammatische Grundlage der KPÖ, beschlossen vom 36. Parteitag, 18./19.Oktober 2014 durch die Frauenversammlung. Unter dem Titel Frauen.pro.grammatisches ist dieses frauenpolitisches programmatisches Dokument der KPÖ als Broschüre erschienen. Die Broschüre mit 56 S. beinhaltet zusätzlich Kurzbiographien von 43 Frauen mit Portraitzeichnungen von Tatjana Danneberg und kann unter bundesvorstand@kpoe.at bestellt werden (Spendenempfehlung: Druckkostenbeitrag € 3,-) bzw. steht unter folgendem Link zum Download zur Verfügung: pdf (1,3 mb)

KPÖ.Frauen.Pro­.Grammatisches

Einleitung

Auch die nun vorliegende überarbeitete dritte Fassung eines frauenpolitischen programmatischen Dokuments der KPÖ kann nur den momentanen subjektiven Wissensstand all jener erfassen, die daran mitgearbeitet haben. Und auch wenn es unsere Ziel- und Leitvorstellungen zusammenführt, haben wir uns entschieden, es nicht Frauenprogramm zu nennen, weil wir den Text nicht als abgeschlossen, sondern als Anregung für weitere Reflexionen und Diskussionen betrachten. Er ist ein Beitrag der KPÖ-Frauen, um der nach wie vor vorhandenen Geschichts-, Theorie- und Politiklosigkeit entgegenzuwirken, indem wir sowohl die Lebensbedingungen von Frauen als auch Frauen als handelnde Subjekte im 21. Jahrhundert in den Mittelpunkt des Denkens und Handelns rücken.

Die Geschichte des Frauenprogramms ist nicht zu trennen von der Geschichte einer grundlegenden Erneuerung der KPÖ. Der Zusammenbruch des „Realsozialismus“ 1989/1990 bedeutete für die KPÖ den Verlust eines jahrzehntelang geltenden Bezugspunktes. Eingebettet in die Tradition und das Selbstverständnis des sowjetisch geprägten Sozialismusver­ständnisses teilte und verteidigte die KPÖ aus falsch verstandener Solidarität viele Entwicklungen und Ereignisse, die aus heutiger Sicht wesentliche Ursachen für das Scheitern des „Realsozialismus“ waren. Dennoch entschied sich die Mehrheit der KPÖ weder für Auflösung noch Umbenennung ihrer Partei, sondern für den mühsameren Weg der Kontinuität und Erneuerung, zur Schaffung einer kommunistischen Partei, in der die Werte der Demokratie, des Feminismus und der Emanzipation eines kritischen Marxismus aufgehoben werden, in der Überzeugung, dass es eine linke Alternative geben muss, der Kapitalismus nicht das Ende der Geschichte ist. Die schonungslose Aufarbeitung stalinistischer Verbrechen war dabei ebenso bedeutend wie der konkrete Kampf zur Überwindung verinnerlichter Haltungen und Verhaltensweisen. Die Enteignung der KPÖ durch die deutsche Treuhand beschleunigte den Prozess, in dem sie die KPÖ zur AktivistInnenpartei machte. Denn wo es keine bezahlten Funktionen mehr gibt, bleibt nur die Überzeugung, dass eine andere Welt möglich ist als Motivation des Denkens und Handelns – und darin üben sich KommunistInnen tagtäglich.

Als die KPÖ im Juni 1990 auf einer frauenpolitischen Konferenz als erste Partei ein Frauenprogramm beschloss, konnte sie auf die Erfahrungen eines jahrzehntelangen Engagements von Genossinnen für Frauenrechte und bereits vorhandene Resolutionen sowie aktionspolitische Orientierungen aufbauen. In vielen Fragen aber waren es die feministischen Theorien, Diskussionen und Praxen seit den 70er Jahren, die uns in die Lage versetzten, „Geschlecht“ ebenso wie „Klasse“ als soziale Strukturkategorie zu begreifen, die soziale Ungleichheiten und Machtverhältnisse, Privilegien und Diskriminierungen in allen gesellschaftlichen Dimensionen beschreibt und, wenngleich mit der Klassenstruktur vielfältig verwoben, gegenüber dieser Eigenständigkeit besitzt. Wir kamen zum Schluss, dass so wie die antikapitalistische auch die antipatriarchale und die antirassistische Orientierung in einer gemeinsamen Strategie aufgehoben werden müssen. Die Aufkündigung des historischen Geschlechterkom­promisses, „Schulter an Schulter“ mit den Genossen Kämpfe zu führen, in denen Geschlechterver­hältnisse unbesprochen und unberührt bleiben, ist eine Voraussetzung für grundlegende Veränderungen. Ohne den politischen Kampf gegen Männerprivilegien kann sich die weibliche Subjektwerdung nicht entfalten. Der Geschlechterkampf braucht weiblichen Raum, weibliche Identität, Eigenständigkeit, Parteilichkeit und Autonomie.

Um ein kleines Stück der Vielfalt von Frauengeschichte sichtbar zu machen, haben wir auf den kommenden Seiten Biographien von Frauen zusammengetragen, denen die Erkenntnis gemeinsam ist, dass wir politische Subjekte werden müssen, wenn wir Veränderung wollen. Eine Frau möchten wir prominent an dieser Stelle würdigen, die Ehrenvorsitzende der KPÖ und des Bundes Demokratischer Frauen Österreichs, Irma Schwager, die bis heute an unserer Seite kämpft und deren heute 94-jähriges Leben durch ein unermüdliches und mutiges Engagement für eine gerechtere Welt, für Frauenrechte, gegen Krieg und Faschismus gekennzeichnet ist.

1938 floh sie vor den marschierenden Nazitruppen und den ihnen zujubelnden Menschen nach Belgien, dann weiter nach Frankreich, wo sie zuerst in einem Internierungslager festgehalten wurde. Erst nach mehreren Fluchtversuchen konnte sie nach Paris geschleust werden und erhielt die Aufgabe, deutsche Soldaten durch Gespräche und Agitationsmaterial von der Sinn- und Ausweglosigkeit des Krieges zu überzeugen. Eine Aufgabe, die mit Folter und Tod hätte enden können und für nicht wenige junge Frauen auch geendet hat.

1945 kehrte sie nach Wien zurück und musste in den darauffolgenden Jahren erleben, wie einerseits Nazis und Antisemiten in führenden Positionen verblieben und andererseits der Antikommunismus geschürt wurde. Letzteres ist sicher ein Grund, warum sie erst 2014 in hohem Alter mit dem Preis für Zivilcourage des österreichischen Frauenringes eine öffentliche Ehrung erfuhr.

Irma Schwager hat jahrzehntelang in leitenden Gremien der KPÖ die Partei mitgeprägt und für Frauenpolitik und weibliche Lebenszusammenhänge sensibilisiert. Sie war an der Erarbeitung und Diskussion des ersten Frauenprogramms intensiv beteiligt.

Als verantwortliche Sekretärin im Bund Demokratischer Frauen und ab 1972 als dessen Vorsitzende leistete sie Entscheidendes im Kampf um Frauenrechte, zum Beispiel für die Reform des Familienrechts und die Fristenregelung.

Besondere Bedeutung hat für sie bis heute der Internationale Frauentag, zu dem jedes Jahr in Wien und oft auch in anderen Städten in Österreich zu Demonstrationen aufgerufen wird. Anfang der 80er Jahre gelang es erstmals gemeinsam mit vielen anderen Organisationen, eine breite Plattform für diese Demonstrationen zu bilden, auch daran war Irma Schwager maßgeblich beteiligt.

Wir möchten uns an dieser Stelle bei Irma Schwager – stellvertretend für alle unsere Vorkämpferinnen – aufrichtig bedanken.

Heidi Ambrosch, Frauenvorsitzende der KPÖ

Kapitel 1
Frauen in aller Welt

Frauen leisten zwei Drittel der Arbeit, produzieren die Hälfte der Lebensmittel, verfügen aber nur über zehn Prozent des weltweiten Einkommens und ein Prozent des Vermögens. Fast zwei Drittel der Armen auf der Welt sind Frauen, und Frauen sind überdurchschnit­tlich oft erwerbsarbeitslos. Diese nüchternen Angaben der UNO verdeutlichen ökonomische und patriarchale Machtverhältnisse als globales Problem.

Bereits vorhandene Ansätze, patriarchale Vormacht zurückzudrängen, fallen zunehmend dem im Zeichen von Neoliberalismus und internationaler Konkurrenz stehenden Gesellschaftsumbau und der entsprechenden Wirtschaftspolitik zum Opfer. Die Folgen dieses Wandels und dadurch ausgelöster Verunsicherungen bei vielen Menschen zeigen sich unter anderem im Erstarken nationalistischer, religiös-fundamentalis­tischer Bewegungen, biologistischer oder antifeministischer Ideologien, antiislamischer Hetze und in der Zunahme neofaschistischer, rechtsradikaler, antiziganistischer und antisemitischer Tendenzen.

Frauen kämpfen gegen patriarchale Strukturen, Sexismus, Rassismus und anhaltenden Kolonialismus

Die Welt von heute ist in dreierlei Hinsicht durch Ausbeutung und Herrschaft gespalten: durch das Patriarchat, den Kapitalismus und den wirtschaftlichen, politischen und militärischen Kolonialismus, das heißt durch Plünderung der natürlichen Ressourcen und die Ausbeutung der Menschen des globalen Südens durch die Zentren des kapitalistischen Reichtums und der militärischen Macht im Norden.

Kapitalismus besteht in der Verwandlung der Mehrheit der Bevölkerung in Arbeitskräfte, in Waren, die auf einem Markt, dem Arbeitsmarkt, gehandelt werden. Doch zwischen VerkäuferInnen und KäuferInnen der Ware Mensch besteht keine Chancengleichheit. Die einen verkaufen ihre Arbeitskraft, um zu leben. Und die anderen kaufen sie, um sie in der Produktion anzuwenden und aus dem Absatz des Produzierten mehr Wert zu erlösen, als sie für den Kauf der Arbeitskräfte eingesetzt haben. Die einen arbeiten, um zu leben; die anderen lassen arbeiten, um mit Profit zu verkaufen! Kapitalismus ist also diejenige Gesellschaftsform, in der Besitz von Kapital Wenigen die Macht einräumt, Profit aus der Aneignung fremder Arbeit zu ziehen: sei es der in Betrieben und Dienststellen erbrachten oder im Rahmen prekärer Werkverträge oder scheinselbständiger Tätigkeit geleisteten oder aber der von Frauen vornehmlich unentgeltlich erbrachten Arbeit zur Bereitstellung und Aufrechterhaltung der Arbeitskraft, der „Reproduktion­sarbeit“.

Seit 300 Jahren beherrscht dieses Prinzip die Welt. In dieser historisch kurzen Periode wurde die Erde im Guten wie im Schlechten verändert. Großem technologischem Fortschritt steht große Zerstörung durch Kriege und Umweltschäden gegenüber; zivilisatorische Errungenschaften werden durch Entfremdung und Entmenschlichung der Beziehungen entwertet. Die jüngste große, 2008 einsetzende Weltwirtschaf­tskrise zeigt ebenso wie das Elend im globalen Süden und die drohende Ökokatastrophe, dass menschlicher Fortschritt die Überwindung des kapitalistischen Prinzips der Gesellschaften verlangt.

Den kolonialen, patriarchalen Strukturen und Traditionen ausgeliefert zu sein, heißt für viele Frauen und Mädchen, mit Gewalt in unterschiedlichen Formen konfrontiert zu werden. Frauen und Mädchen können sich in vielen Teilen der Welt nicht nach ihren Vorstellungen und Potenzialen entwickeln und ein Leben in Würde und Unversehrtheit leben – sie werden durch wirtschaftliche, politische und soziale Strukturen eingeschränkt.

Auch die Porno-Industrie schöpft Gewinne aus der Armut von Frauen und Kindern. Renommierte Konzerne vor allem der Pharma-, Chemie- und Nahrungsmitte­lindustrie nutzen die Abhängigkeit und patriarchale Strukturen für ihre Profite: Frauen werden für Massenexperimente (z.B. Empfängnisver­hütung) missbraucht oder durch Programme zur Geburtenkontrolle zur Sterilisation gezwungen. Ebenso werden neue Reproduktionstechno­logien als Werkzeug der Frauenverachtung eingesetzt: Zwangsabtreibung weiblicher Föten, Geschäfte mit der Leihmutterschaft, Fortpflanzungs-Experimente mit dem „Rohstoff Frau“. Ins Extrem getrieben, werden Kinder als „Rohstofflager“ für Organtransplan­tationen verstümmelt.

Weite Teile von Ländern wie Thailand oder die Philippinen wurden für einen internationalen Prostitutionstou­rismus von Männern aus den Industrienationen zu Bordellen degradiert. Ein umfangreicher Menschenhandel mit Frauen und Mädchen aus Entwicklungsländern und Osteuropa schafft ständigen „Nachschub“ für Zuhälterkartelle und Mafia in den kapitalistischen Metropolen. Für viele Frauen ist der Verkauf ihres Körpers einzige Überlebensmöglich nicht nur in den Ländern des globalen Südens, sondern zunehmend auch in den neuen EU-Ländern und in Österreich. Die Aufmerksamkeit darf sich nicht auf restriktive Verbote richten, die in die Illegalität führen, sondern sie muss abgesicherte Arbeits- und Lebensbedingungen von Sexarbeiterinnen im Blick haben. Die Frauenbewegung hat dieses Problemfeld erkannt und diskutiert Lösungsmöglichke­iten in unterschiedlichen Ansätzen.

Jedoch in allen Ländern der Welt gibt es Widerstand gegen Ausbeutung und Unterdrückung.

Frauen wollen selbst entscheiden, ob und wie viele Kinder sie bekommen; sie verlangen den Zugang zu Verhütungsmitteln und die Möglichkeit, Schwangerschaf­tsabbrüche durchzuführen, sie fordern ein Ende der Genitalverstümme­lung und protestieren gegen unfreiwillige Sterilisation (Women’s Global Network for Reproductive Rights).

Frauenbewegungen des Südens kämpfen für Arbeitsrechte, sei es im formellen oder im informellen Wirtschaftssektor. Organisationen aus Bangladesch, China oder Kambodscha kooperieren mit Organisationen und Kampagnen im Norden, wie z. B. mit der Clean Clothes Kampagne, und fordern existenzsichernde Löhne und die Freiheit, sich zu organisieren.

Migrantinnen, die in privaten Haushalten arbeiten, kämpfen im International Domestic Workers Network für ihre Rechte als Haushaltsarbe­iterinnen, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus.

Internationale Netzwerke wie DAWN verlangen soziale und ökonomische Gerechtigkeit; die indische Organisation SEWA organisiert als Gewerkschaft hunderttausende Arbeiterinnen. La Strada International ist eine der internationalen Organisationen, die gegen Menschenhandel vor allem in Osteuropa kämpfen. Tampep (European Network for HIV/STI Prevention and Health Promotion among Migrant Sex Workers) fordert bessere Bedingungen für SexarbeiterInnen.

Globale Entwicklungen

Im 21. Jahrhundert ist ein tiefgreifender Wandel der globalen kapitalistischen Dynamik zu verzeichnen, der durch die neuen Mächte unter den Entwicklungsländern herbeigeführt wird. So hat China Japan als zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt überholt. Laut der Zukunftsprognosen des 2013 erschienenen UNO-Berichtes über die menschliche Entwicklung wird 2020 die Wirtschaftsleistung von den drei führenden Entwicklungsländern – Brasilien, China und Indien – die Gesamtproduktion von Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Großbritannien und den USA übersteigen. Aber Wirtschaftswachstum lässt sich nicht automatisch als Fortschritt der menschlichen Entwicklung interpretieren. Ein Blick in die Welt zeigt, dass Zuwächse beim Human Development Index auch einhergehen mit größerer Einkommensungle­ichheit, nicht nachhaltigem Konsum und hohen Militärausgaben. Die Gefahr kriegerischer Auseinanderset­zungen in den armen Ländern wird durch wachsende Ungleichheit und durch die anhaltende Ernährungskrise geschürt. Die dramatische Klimaentwicklung erfordert ein Umdenken über Wachstum vor allem in den bereits entwickelten Industrienationen, da die globalen Herausforderungen für nachhaltige Entwicklung immer komplexer werden und grenzüberschre­itend sind.

Wesentliches Merkmal der neoliberalen Globalisierung ist der Abbau von Regelungen aller Art zugunsten der Akkumulations- und Wachstumstendenzen von Kapital und Wirtschaft. Durch die Liberalisierung der Finanzmärkte wurde der Prozess der zunehmenden Abkopplung des Finanzkapitals von den Realwirtschaften beschleunigt, die Finanzmärkte wurden Motor und Zentrum des globalen, unregulierten Kapitalismus.

Internationale wie europäische Finanz- und Währungsinsti­tutionen und staatliche Regulierung dienen den Interessen einiger weniger Finanz- und Industriegiganten. Die finanziellen Transaktionen und Spekulationen dehnten sich in gewaltigen Dimensionen und in rasantem Tempo aus, erzeugten immer größere Spekulationsblasen, deren Platzen zu weltweiten wirtschaftlichen und sozialen Erschütterungen führte.

Die Finanzmärkte sind ein Reservat patriarchaler Verhältnisse. Prinzipiell ist die Partizipation von Frauen dort, wo die Einkommen überdurchschnit­tlich hoch sind, nach wie vor gering. Frauen werden im Finanzsektor vor allem als Teilzeitbeschäftig­te und Niedrigentlohnte im Kundendienst von Banken und Versicherungen einbezogen. Die Chefinnen der US-amerikanischen Notenbank und des IWF sind die Ausnahme, die zu keiner generellen Veränderung führen werden und wollen.

Weltbank und Weltwirtschaf­tsforum haben die neuen weiblichen Akteurinnen auch auf andere Weise wahrgenommen und folgern, dass kein Land, das auf dem Weltmarkt konkurrieren will, es sich leisten kann, das „Human- und Sozialkapital“ seiner Frauen zu vernachlässigen und ungenutzt zu lassen. So wurden auch frauenspezifische Finanzmarktin­strumente erfunden wie Mikrokredite für „arme“ Frauen zunächst in den Ländern des globalen Südens, inzwischen auch im Norden. Dazu zählen z.B. auch die Subprime-Hypothekenkredite für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen in den USA, die sehr häufig von Frauen in Anspruch genommen und zur Schuldenfalle wurden, als die Blase der verbrieften Hypothekenkredite platzte.

Die Nord- und Südperspektive auf Krisenrealitäten

Als unmittelbar von der Krise Betroffene standen zunächst die KreditnehmerInnen, AnlegerInnen und FondseignerInnen der insolventen Banken als „VerliererInnen“ im öffentlichen Interesse, später aber auch Entlassene aus diesen Branchen.

Vor allem die Exportsektoren litten unter sinkenden Investitionen und sinkender Nachfrage. Im Norden traf das die männlich dominierten Schlüsselindustrien wie die Automobilproduk­tion, Maschinenbau und Stahlindustrie, aber auch Banken und die IT-Branche; im Süden die arbeitsintensiven frauendominierten Verarbeitungsin­dustrien wie Textil- und Elektronikher­stellung. In den USA waren 80 % der Entlassenen Männer, in Kambodscha waren es zu 90 % Frauen.

Privatisierung von Lasten durch Sozialabbau und das Abwälzen von Kosten auf die Bevölkerungen zieht zusätzliche Versorgungsarbeiten in den Haushalts- und Gemeindeökonomien nach sich. Sie werden jedoch in keiner Statistik sichtbar, weil überwiegend Frauen sie unbezahlt, ehrenamtlich und auf Selbsthilfebasis leisten.

Für Frauen im Süden verschärft die globale Krise ihre permanente Überlebensnot. Ernährungsengpässe, Umweltschäden, Krankheiten und das Schrumpfen des öffentlichen Sektors verlangen ihnen immer neue Überlebensküns­te ab.

Die konjunkturpoli­tischen Maßnahmen, Bankenrettungsschir­me und Wirtschaftsförde­rungspakete der Regierungen verpflichteten diese in erster Linie der Reparatur des von Industrie- und Finanzkapital dominierten Systems, das auf dem Modell vom „Ernährermann“ basiert. Nach dem Kriterium der Systemrelevanz – „Too big to fail“ („Zu groß, um zu scheitern“) – stellen die Regierungen Milliarden an Steuergeldern für insolvente Banken und Überproduktion­sindustrien bereit. Im Namen der Stabilisierung betreiben sie damit in einem immensen Ausmaß Umverteilung von unten nach oben, während gleichzeitig Verluste und Risiken von oben nach unten verschoben und sozialisiert werden.

Diese Orientierung zeigte sich am Beispiel der Abwrackprämie in Deutschland, während die weiblich dominierten Branchen der sozialen Infrastruktur nicht gefördert, sondern unter dem Druck angeblich leerer öffentlicher Kassen ausgehungert werden.

Damit ignoriert die Politik die Krise der sozialen Reproduktion. Statt sozialpolitische Ziele von Anfang an in die Konjunkturpakete einzubauen und soziale Dienstleistungen als Zukunftsbranchen zu entwickeln, werden sozialstaatliche Strukturen abgebaut und zerstört.

Die Krise wird als Treibsatz des neoliberalen Umbaus genutzt: mehr Deregulierung durch Prekarisierung der Arbeitsverhältnis­se, weitere Liberalisierung durch neue Freihandelsverträge und mehr Privatisierung durch Auslagerung, um den öffentlichen Sektor zu reduzieren und auf Sparkurs zu bringen. Die Krise demontiert dabei das traditionelle Modell des männlichen Ernährers auf dem Markt der Erwerbsarbeit, da sie den „Familienlohn“ als Existenzsicherung aller Familienmitglieder de facto abschafft. Erwerbsarbeit durch Frauen erlangt mehr Bedeutung und nimmt vom Ausmaß her weiter zu, allerdings bei gleichzeitiger Kontinuität struktureller Diskriminierungen und Ungleichheit.

Ein Zeichen, um auf die in der Entlohnung bestehende Kluft zwischen Männern und Frauen am Erwerbsarbeitsmarkt aufmerksam zu machen, ist der „Equal Pay Day“, der internationale Aktionstag für Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen. Er ist in Österreich 2013 für den 8. Oktober berechnet worden. Demnach leisten Frauen 85 Tage Gratis-Erwerbsarbeit im Jahr.

Frauen zwischen Ausbeutung und Empowerment

Frauen sind auf den Märkten immer noch die „anderen“, minderbewerteten und deshalb minderbezahlten Akteurinnen. Nach neoliberaler Diktion würden ihnen aber als freie und gleiche Subjekte gleiche Chancen zum individuellen Aufstieg durch Leistung offenstehen. Feministische Zielorientierungen wie wirtschaftliche Unabhängigkeit, gleiche Karrierechancen und individuelle Autonomie scheinen sich damit zunächst mit den zentralen Prinzipien der neoliberalen globalen Märkte von Eigenverantwortung, Selbstständigkeit und Selbst-UnternehmerInnentum zu treffen. Da diese „Unternehmerinnen ihrer selbst“ aber sehr ungleich mit Kapital, Ressourcen und Potentialen ausgestattet sind, haben sie höchst unterschiedlichen und meist keinen Einfluss darauf, wie sie als Ressource genutzt und in die kapitalistische Verwertung auf den globalen Märkten einbezogen werden.

Das „ökonomische Empowerment“ durch Lohnarbeit, Mikrokredite und andere Marktinstrumente, das mit der Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung einhergeht, gibt Frauen keine Macht, ökonomische und soziale Verhältnisse anders zu gestalten, sondern integriert sie und steigert sowohl die Konkurrenz als auch die Effizienz auf den Märkten.

Auf der anderen Seite ist die Beteiligung an Erwerbsarbeit für Frauen und das damit erzielte Einkommen selbst dann ein emanzipatorischer Schritt heraus aus der Abhängigkeit vom „Ernährermann“, wenn sie für eine selbstständige Existenzsicherung nicht ausreicht.

Weltweit steigt der Frauenanteil an den Beschäftigten weiter an, ihr Anteil am gesamten Erwerbsarbeit­svolumen stagniert aber seit den 90er Jahren. Die Zahl der berufstätigen Frauen nimmt also zu, während Vollzeitstellen stark sinken.

Das Projekt Europa

Das Projekt eines gemeinsamen Europa ist in einer allgemeinen gesellschaftlichen, politischen und moralischen Krise. Der europäische Integrationsprozess war zu keiner Zeit seit 1945 gesichert. Zuerst – im Ergebnis des 2. Weltkriegs – nach zwei völlig verschiedenen Systemen hin ausgerichtet, dominiert jetzt die unter der Hegemonie des Kapitalismus stehende Entwicklung. Trotz des offensichtlichen und weiter forcierten Machtzuwachses der EU werden die schweren sozialen, humanitären und ökologischen Defizite dieser Integration immer deutlicher. Das Grundproblem ist, dass die durch die EU-Verträge liberalisierten Märkte und insbesondere die europäischen Finanzmärkte keiner demokratischen Kontrolle unterliegen.

Die 2008 ausgelöste Krise hat die Grundlagen der europäischen Integration zutiefst erschüttert und stellt die Sozialsysteme bzw. den Sozialstaat fundamental in Frage. Dabei setzt die europäische Oligarchie zunehmend autoritäre Methoden ein, um das neoliberale Regime zu erhalten, ungeachtet breiten Protestes und Widerstands in vielen Ländern der EU. Demokratie und Frieden sind in Gefahr. Die religiös, rassistisch, homophob, sexistisch und nationalistisch motivierte Diskriminierung nimmt zu, obwohl Antidiskrimini­erungsgesetze dem entgegen wirken sollen.

Das gemeinsame Haus Europa entwickelt sich für einen Großteil der Bevölkerung zu einem Armenhaus: Fast jeder und jede vierte EinwohnerIn der Europäischen Union – 115 Millionen Menschen – waren 2010 von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Insbesondere Alleinerziehende, MigrantInnen und Jugendliche sind stark betroffen. Das Anwachsen von Armut und sozialer Ausgrenzung ist nicht einfach ein Ergebnis der wirtschaftlichen Krise, sondern die Folge einer gezielten Politik der nationalen Regierungen der Mitgliedsländer und den Institutionen der Europäischen Union. Trotz der alarmierenden Zahlen fahren diese fort, Sozialausgaben zu streichen, das Pensionsalter hinaufzusetzen, öffentliche Arbeitsplätze abzubauen und den Niedriglohnsektor auszuweiten – alles Maßnahmen, die die Armut ausdehnen und vertiefen.

Die europäischen Märkte müssen demokratischer Regulierung und Kontrolle unterworfen werden, dies ist nur auf europäischer Ebene möglich. Um den zerstörerischen Wettbewerb zu unterbinden, in den der Neoliberalismus die europäischen Gesellschaften hetzt, ist erforderlich, auf EU-Ebene soziale und ökologische Mindeststandards und Gewinnsteuern durchzusetzen. Notwendig ist eine Kapitaltransak­tionssteuer (Tobin-Tax). Die Europäische Zentralbank, das Herzstück des europäischen Finanzsystems, muss zu einem Instrument bei der Finanzierung der öffentlichen Dienste und des ökologischen Umbaus werden. Dazu muss die EZB demokratisch kontrolliert werden. Ziel der Wirtschaftspolitik muss ein armutsfestes Sozial-, Bildungs- und Gesundheitssystem sein, eine ökologisch nachhaltige Entwicklung und Beschäftigungsver­hältnisse, die allen zugänglich und durch hohe Mindeststandards und starke Rechte der Beschäftigten reguliert sind.

Diese Kämpfe sind sowohl in den einzelnen EU-Ländern als auch auf der europäischen Ebene zu führen. Deshalb ist für uns die Zusammenarbeit mit anderen Linken in Europa von großer Bedeutung, die KPÖ ist Mitglied der Europäischen Linkspartei und aktiv in ihrem feministischen Netzwerk.

Militarisierung der Gesellschaften

Militarisierung und Ausbau der Überwachung begleiten den neoliberalen Umbau der Gesellschaften. Mit den Anschlägen am 11. September 2001 im Herzen von New York, durch die 2.753 Menschen getötet wurden, begann mit dem Titel „Krieg gegen den Terror“ ein ungeheurer Schub an weltweiten Kriegseinsätzen, Rüstungsentwic­klungen und neuen Überwachungsmet­hoden. Dabei werden immer mehr militärische Produkte unter dem Aspekt der „Sicherheit“ eingesetzt. Der hohe Grad an privater elektronischer Vernetzung, spezielle Überwachungstechni­ken wie zum Beispiel Drohnen, die Liberalisierung der entsprechenden gesetzlichen Schutzbestimmungen und die schrankenlose Ausweitung geheimdienstlicher Befugnisse unterhöhlen die demokratischen Voraussetzungen der Gesellschaften.

Auch in der EU schreitet die Militarisierung voran. Seit dem Vertrag von Lissabon im Jahr 2009 wird nicht mehr nur die sogenannte Sicherheitsfor­schung aus dem EU-Haushalt finanziert, sondern auch direkte Militärausgaben und Rüstungsforschung.

Frauen auf der Flucht

Hier zeigt sich eine völlig falsche Entwicklung in den letzten Jahren. Bedingt durch die Asylpolitik der europäischen Länder, gibt es keine legale Möglichkeit zur Einreise in viele Länder der Europäischen Union. Die Möglichkeit eines Asylantrages in den Botschaften wurde vor Jahren abgeschafft. Gerade für Frauen – deren Fluchtgründe vielfältig sind und deren Verfolgung oft ganz andere Gründe hat – wird es dadurch noch schwieriger, in ein sicheres Land zu kommen. Hier muss es endlich zu einer gendergerechten Judikatur kommen, die es Frauen ermöglicht, ein selbstbestimmtes Leben in einer sicheren Umgebung zu führen. Des Weiteren müssen die Dubliner Abkommen sofort außer Kraft gesetzt werden.

Der Abschottung der EU-Außengrenzen, die im Schengener Abkommen geregelt ist, werden Menschrechte und einfache humane Werte geopfert. Nicht erst die erschütternden Bilder der ertrunkenen Flüchtlinge aus Afrika in Lampedusa zeigten die Unmenschlichkeit der international herrschenden Ungleichheit und des Einwanderungsre­gimes der EU.

Die damit verbundene massive Entdemokratisierung wird auch durch die Grenzschutzagentur Frontex verdeutlicht. Diese Institution ist vom EU-Parlament nicht kontrollierbar. Die Entscheidungsmacht liegt allein bei der EU-Kommission und dem EU-Rat, die wiederum aus den nationalen Regierungschefs bestehen, wodurch sich die Interessen der großen Staaten – Deutschland, Frankreich und Großbritannien – durchsetzen.

Österreichs „Sicherheits“po­litik

In der 2013 beschlossenen „Sicherheitsstra­tegie“ des Parlaments erklärten SPÖ, ÖVP und FPÖ ihr ausdrückliches Bekenntnis zur Teilnahme an der EU-Militarisierung „in allen ihren Dimensionen“. Diesem Papier zufolge soll Österreich als Mitglied der EU die „Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik“ (GASP) aktiv mitgestalten und sich an allen EU-Militärmissionen sowie finanziell an allen strategischen EU-Rüstungsprojekten beteiligen. Der NATO-Beitritt Österreichs wird nun auch von den früheren Verfechtern kaum noch thematisiert: die europäische „Nato-Partnerschaft für den Frieden“ und die österreichische Beteiligung an „EU-Battle-Groups“ reichen auch den militaristischen Hardlinern aus.

Für Auslandseinsätze werden bereits seit einigen Jahren österreichische Soldatinnen und Soldaten im Rahmen dieser „Battle-Groups“ ausgebildet. Diese sollen flexibel und innerhalb kürzester Zeit für Einsätze im Umkreis von 6000 Kilometern rund um Brüssel zur Verfügung stehen. Explizit sollen diese Einheiten auch zur „Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung beim Auftreten von Unruhen“ eingesetzt werden. Dies könnten z. B. auch Großdemonstrationen oder Streiks in den europäischen Ländern nach brutalen Sparmaßnahmen und massiven Verschlechterungen von Arbeitsbedingun­gen sein.

Militärische Interventionen außerhalb Europas sollen dazu dienen, den Zugang zu Ressourcen wie Energie und Rohstoffen aus der ganzen Welt unter den gegebenen ungerechten Weltwirtschaf­tsbeziehungen durchzusetzen.

Alle Meinungsumfragen seit 25 Jahren und nicht zuletzt die Volksbefragung zu Beginn des Jahres 2013 zeigen den klaren und eindeutigen Wunsch einer breiten Mehrheit der Menschen in Österreich nach Aufrechterhaltung der immerwährenden Neutralität. Diese verpflichtet Österreich, auf die Anwendung militärischer Gewalt bei der Verfolgung wirtschaftlicher und politischer Interessen zu verzichten. Sie erfordert, bereits in Friedenszeiten alles zu unternehmen, um nicht in kriegerische Auseinanderset­zungen einbezogen zu werden.

Die antimilitaristische Haltung der KPÖ hat eine lange Tradition. Schon für die Gründung der selbstständigen kommunistischen Bewegung war ausschlaggebend, dass die Sozialdemokratie am Vorabend des 1. Weltkrieges ihre internationalis­tische Politik den nationalen Regierungen und ihren Kriegsbestrebungen unterordnete. Nach dem 2. Weltkrieg kämpfte die KPÖ gegen die Re-Militarisierung Österreichs und orientierte auf eine unbewaffnete Neutralität. Sie unterstützte 1972 ein Volksbegehren und 1991 die Bewegungen zur Abschaffung des Österreichischen Bundesheeres unter dem Titel „Öster/Reicher ohne Heer“. Heute vertritt die KPÖ die Forderung, das Bundesheer aufzulösen und Katastrophenschutz und zivile Hilfsdienste auszubauen.

Unsere Orientierungen:

Der real existierende Kapitalismus verfügt über kein menschengerechtes Zukunftsprogramm. Er kann sich nicht den neuen Herausforderungen der Menschen- und Naturverträglichke­it anpassen, sondern verlangt von den Menschen, sich an seine Mängel anzupassen und zerstört die natürlichen Grundlagen. Ein Systemwechsel ist notwendig.

Wir sehen die „Solidarische Gesellschaft“ als aktuelle strategische Herausforderung. Sie verlangt die Verwirklichung all jener gesellschaftlichen Voraussetzungen und Garantien, die solidarisches Zusammenleben ermöglichen und erfordern. Die Solidarische Gesellschaft ist kein Traum, der auf ein zukünftiges Paradies verweist, sondern wird aus der Notwendigkeit geboren, ein überlebtes System hier und jetzt zu überwinden. ??Internationale Frauensolidarität ist uns ein zentrales Anliegen. Weltweit sind Frauen Aktivistinnen von Friedens-, Bürgerrechts- und Umweltbewegungen. Sie fordern den schonenden Umgang mit der Natur und soziale Verantwortung beim Einsatz und der Entwicklung neuer Technologien. In Gewerkschaften und in sozialen Bewegungen kämpfen Frauen um eine gerechtere Verteilung der Einkommen und Güter und setzen der internationalen Kumpanei der Konzerne ihre Solidarität entgegen. Eine gemeinsame Grundlage der weltweiten Kämpfe um Geschlechterge­rechtigkeit ist die internationale „Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frauen“ (CEDAW).

„Der Friede bleibt erstes Menschenrecht und ist Voraussetzung für die Emanzipation der Frau, für sozialen Fortschritt und Demokratie", hielt die UNO-Weltfrauenkonferenz 1985 in Nairobi fest. Abrüstung dient der globalen Sicherheit und setzt enorme materielle Mittel frei für die Bekämpfung von Hunger, Umweltzerstörung, Armut, Krankheiten und Analphabetismus. In diesem Sinne setzen wir uns für die Ächtung des Krieges und für weltweite atomare, biologische, chemische und konventionelle Abrüstung ein. Wir wirken für alle Formen und Möglichkeiten, um die internationale Zusammenarbeit im Sinne von Abrüstung und Friedenssicherung zu stärken.

Wir kämpfen gemeinsam mit allen, die sich für eine solidarische Gesellschaft einsetzen, die frei ist von Ausbeutung, Gewalt, Unterdrückung und Erniedrigung. Wir kämpfen für ein soziales Europa, in welchem die Arbeits- und Lebensinteressen der Menschen im Mittelpunkt stehen. Wir orientieren uns an demokratischen, antifaschistischen Gesellschaftsen­twürfen und sind verbunden mit den Frauen der ganzen Welt im Kampf für Emanzipation, eine humanistische Menschheitskultur, Frieden und soziale Gerechtigkeit.

Unser Engagement richtet sich auf sozial gerechte und ökologisch vertretbare internationale Handels- und Wirtschaftsbe­ziehungen, die den sofortigen Erlass der Schulden der Entwicklungsländer beinhalten, und wendet sich gegen Freihandelsverträge wie das TTIP, die den großen Konzernen dienen und die von vielen Gewerkschaften bekämpft werden.

Entwicklungspo­litische Projekte müssen dem Gesichtspunkt der Frauenförderung Rechnung tragen. Das erfordert die Bereitstellung entsprechender Mittel und deren Vergabe unter demokratischer, öffentlicher Kontrolle.

Wir fordern dringend europaweite Maßnahmen, die die Menschen vom Druck der Finanzmärkte und der Austeritätspolitik befreien. Haushalts-, Steuer- und Geldpolitik müssen grundlegend geändert werden, um der Schuldenfalle zu entkommen. Wir verlangen gemeinsam mit vielen Bewegungen, NGOs, Gewerkschaften und linken Parteien in Europa die sofortige Annullierung der EU-„Memoranden“, die überschuldeten Ländern von der Troika aufgezwungen wurden, und die Streichung eines erheblichen Teils der öffentlichen Schulden ohne Verletzung der berechtigten Interessen der KleinanlegerInnen, KleinsparerInnen und RentnerInnen. Die Banken und der gesamte Finanzsektor sowie die kleine Schicht von sehr reichen Menschen in den EU-Ländern müssen ihren Anteil an den Verlusten tragen. Für die Länder Europas, deren Bevölkerungen besonders unter der Schuldenlast leiden, ist zur Reorganisierung der wirtschaftlichen Grundlagen eine Art „Marshall-Plan“ zu entwickeln.

Aus der tragischen Erfahrung zweier Weltkriege hat Österreich 1955 aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität erklärt. Es hat völkerrechtlich verbindlich erklärt, sich keinem Militärbündnis anzuschließen und keine Stützpunkte fremder Streitkräfte auf seinem Territorium zuzulassen. 1995 ist es als neutraler Staat der EU beigetreten. Mit dem Vertrag von Lissabon hat die Europäische Union die Neutralität Österreichs und anderer Mitgliedsstaaten anerkannt. Damit bestehen weiterhin die Möglichkeit und die Verpflichtung zu einem selbstständigen, nicht-militärischen Beitrag für Frieden und Sicherheit. Wir lehnen den Ausbau der EU zu einer Militärmacht ebenso ab wie die Beteiligung Österreichs an militärischen Einheiten und Rüstungsvorhaben im Rahmen der EU. Solange die NATO europäische Staaten militärisch an die USA bindet und nicht durch ein System gemeinsamer Sicherheit auf unserem Kontinent ersetzt ist, bleibt die Neutralität ausschlaggebend für die österreichische Außen- und Sicherheitspolitik.

Nicht die Öffnung des Heeres für Frauen, sondern der schrittweise Abbau aller militärischen Strukturen bis hin zur Abschaffung des Bundesheeres und die Umverteilung der freiwerdenden Mittel für soziale und demokratische Reformen schaffen bessere Bedingungen für Gleichberechtigung.

Als Partei, deren weibliche Mitglieder überproportional und aktiv am Kampf gegen den Faschismus teilgenommen haben und bei dem viele Genossinnen ihr Leben lassen mussten, fühlen wir uns in besonderer Weise dem Kampf gegen wiederauflebenden Faschismus und Rechtsextremismus verpflichtet sowie dem Kampf gegen Rassismus, Gewalt, Antisemitismus, Antiziganismus, islamischer Hetze und Sexismus.

Wir treten dafür ein, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt, zur sozialen Absicherung und zu sozialen und politischen Rechten unabhängig von Aufenthaltstiteln und Familienstand für alle in Österreich lebenden Menschen gleichermaßen gilt.

Unser politischer Kampf für das Selbstbestimmun­gsrecht der Frauen über ihren Körper richtet sich gegen alle Formen sexueller Ausbeutung, Menschenhandel, medizinischer Versuche und gentechnologischer Entwicklungen, die auf Kosten der Gesundheit von Frauen gehen und auf die Kontrolle ihres Gebärvermögens abzielen.

Kapitel 2
Arbeit und Bildung im 21. Jahrhundert

Arbeit ist ein zentrales Feld gesellschaftlicher Austauschbezi­ehungen. Sie verbindet Menschen miteinander, ist Zweck und Mittel ihrer Kooperation. In der Arbeit vergegenständlichen sich Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten und besondere Talente. So führt Arbeit zu Wertschätzung. Seit jeher diente Arbeit der Existenzsicherung – der Reproduktion im unmittelbaren und erweiterten Sinn. Alle Klassengesellschaf­ten haben gemeinsam, dass Menschen sich die Ergebnisse der Arbeit anderer Menschen aneignen, in der kapitalistischen Gesellschaft in Form der Lohnarbeit. In ihr wird nur die Erwerbsarbeit/Loh­narbeit tatsächlich wertgeschätzt. Die Reproduktionsarbeit (Haushaltsarbeit, Kinder versorgen und erziehen, alte und kranke Familienmitglieder pflegen und ihr Leben teilen, nachbarschaftliche Unterstützung und Fürsorge) ist, solange sie in der Familie geleistet wird, nicht bezahlt und damit gesellschaftlich wenig bis gar nicht wertgeschätzt. Traditionell wird diese Reproduktionsarbeit den Frauen zugewiesen.

Als Erwerbsarbeite­rinnen waren Frauen zunächst in der kapitalistischen Gesellschaft willkommen, wo nicht ausreichend männliche Arbeitskraft zur Verfügung stand, abhängig von der Konjunktur: bei Tätigkeiten mit geringer Qualifikation, in Kriegszeiten, wenn Männer Soldaten sein mussten, in staatlich verwalteter Pflege alter und kranker Menschen sowie in der Betreuung und Erziehung der Kinder.

Inzwischen hat ein großer Teil der Frauen Anteil an der Lohnarbeit. 2012 waren in Österreich nur zehn Prozent weniger Frauen als Männer im erwerbsfähigen Alter berufstätig. Allerdings: Im Jahresmittel hatten unselbstständig beschäftigte Frauen um ein Drittel weniger Einkommen als ihre männlichen Kollegen.

Mit dem Einzug der neuen Informations- und Kommunikation­stechnologien in die kapitalistische Wirtschaft hat die Arbeitswelt sich rasant zu ändern begonnen. Das betrifft nicht nur die Tätigkeiten der Beschäftigten, sondern auch die Formen der Profitsicherung auf Kosten der Lohnarbeit Leistenden. Da durch Rationalisierung der Arbeitsprozesse weniger menschliche Arbeitskraft benötigt wird, werden Arbeitskräfte statt in unbefristeter Vollzeitanstellung in Teilzeit beschäftigt, auch geringfügig, in befristeten oder freien Dienstverträgen (ohne Sozialabgaben der Dienstgeber) oder als LeiharbeiterInnen. Teilzeitarbeit heißt auch immer Teilzeitverdienst, geringe Aufstiegschancen, höhere Arbeitsintensität und geringere Pensionen. Der Anteil der Frauen an solchen „atypischen" Beschäftigungsver­hältnissen ist bedeutend höher als der von Männern. Fast die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen, aber „nur“ 14 Prozent der erwerbstätigen Männer arbeiten in solchen Beschäftigungsver­hältnissen. Das bedeutet für sie: der Verdienst ist nicht existenzsichernd, es gibt keine oder nur eine schlechte Kranken- und Pensionsversiche­rung, sie leben im Druck der Ungewissheit, wie lange der Arbeitsplatz ihnen erhalten bleibt. Daher üben einige von ihnen eine zweite Erwerbsbeschäfti­gung aus – ein Viertel mehr Frauen als Männer stehen in zwei Beschäftigungsver­hältnissen.

Seit den 80er Jahren werden verstärkt Angriffe auf Schutzbestimmungen, kollektivvertra­gliche Regelungen und erkämpfte Rechte geführt. Flexible Arbeitszeiten täuschen vor, die Arbeitszeit könnte nach individuellen Wünschen gestaltet werden. Tatsächlich aber werden diese den Profitinteressen angepasst und als Sachzwänge des jeweiligen Unternehmens oder als EU-Vorgabe ausgegeben. In vielen Fällen werden Frauen als Vorreiterinnen von Deregulierungsstra­tegien herangezogen, wie das etwa beim Nachtarbeitsverbot geschehen ist. Der dramatische Anstieg geringfügiger Beschäftigungsver­hältnisse, etwa im Handel, geht vorwiegend zu Lasten der Frauen, die – nur unfallversichert – sozialrechtlich nicht abgesichert sind. Ferner entstehen unter dem Deregulierungsdruck ganz neue, insbesondere Frauen zugemutete Formen von Beschäftigung, etwa das „Homeservice“, bei dem das Arbeitsmarktservice Leiharbeit für private Haushalte zu Niedriglöhnen per „Dienstleistun­gsscheck“ bereitstellt.

Die neuen Arbeitsbedingungen machen krank. Immer häufiger sind wir mit Krankheitsformen wie Burnout oder anderen psychischen Erkrankungen konfrontiert. Mobbing ist keine Ausnahmeerscheinung im Arbeitsleben. Der Druck, die Angst, die Perspektivlosigkeit in einer verrohten Arbeitswelt bringen viele Menschen an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Viele gehen trotz Krankheit zur Arbeit.

Wird die Reproduktionsarbeit inzwischen auch geteilt zwischen Frauen und Männern? Kaum. 2010 erbrachte jede zehnte Frau in Österreich Betreuungsleis­tungen für hilfsbedürftige Verwandte, aber nur jeder 17. Mann. Von der Hälfte aller erwerbstätigen Eltern in Österreich betreuten zu 31 Prozent Männer, aber zu 78 Prozent Frauen die Kinder während der Arbeitszeit der PartnerIn, weil keine Betreuungsein­richtung zur Verfügung stand. Die Möglichkeit der Elternkarenz nutzten 20 Mal mehr Mütter als Väter.

Bereits diese wenigen Zahlen zeugen von der anhaltenden Schlechterstellung der Frauen in der Erwerbsarbeit und von dem Maß an Verantwortung und Leistung, das sie mit der Haus- und Sorgearbeit auf sich nehmen. Was die Zahlen nicht zeigen, ist die Bedeutung der Rahmenbedingungen für die Biografien von Frauen: für die Alleinerzieherin, die vom AMS vermittelte Jobs wegen der vorgegebenen Arbeitszeit nicht annehmen kann, weil diese nicht mit den Öffnungszeiten der Kinderbetreuun­gseinrichtung zusammenpasst; für die Akademikerin, die mit ihrem Kleinkind keinen ihrer Qualifikation entsprechenden Job an ihrem Wohnort findet und schließlich als Teilzeitsekretärin arbeitet; für die Frau, die nach einigen Jahren, in denen sie ihre Kinder versorgt und einen Verwandten gepflegt hat, wieder arbeiten gehen will und feststellen muss, dass immer die jüngeren BewerberInnen genommen werden; für die Migrantin, deren Ausbildung nicht anerkannt wird; für die Frau, die Jahrzehnte für Mann und Kinder gesorgt hat und von einer sehr geringen Pension überleben muss, nachdem sie sich doch hat scheiden lassen, als die Kinder aus dem Haus waren; für die junge Frau, die nach Abschluss ihres Studiums immer nur Praktika angeboten bekommt, ein bezahltes immerhin, dafür fragt sie der Chef beim Vorstellungsges­präch, ob sie schwanger ist, ob sie einen Freund hat und wie ihre Familienplanung ausschaut.

An der grundsätzlichen Teilung der Arbeit in gesellschaftlich geschätzte, weil bezahlte Erwerbsarbeit einerseits und unbezahlte, ja unsichtbare Reproduktionsarbeit andererseits hat sich also nicht viel geändert. Tendenziell wird nach wie vor die Erwerbsarbeit den Männern zugeordnet und gilt als Eintrittskarte in die Gesellschaft, wiewohl sie für viele Erwerbstätige nicht mehr existenzsichernd ist. Reproduktionsarbeit wird immer noch grundsätzlich von Frauen erwartet. Dabei wird verleugnet, dass auch diese Arbeit Wissen und Kompetenz generiert und braucht, auf welche die Gesellschaft nicht verzichten kann.

Am Arbeitsmarkt müssen sich Frauen mit weniger Geld und häufiger mit Jobs zufriedengeben, für die sie deutlich überqualifiziert sind. Insgesamt waren 2010 unter Männern wie Frauen 22 Prozent für ihren Job eigentlich überqualifiziert, unter MigrantInnen waren es 33 Prozent.

Je nach Bildungsabschluss gibt es dabei aber deutliche Geschlechterun­terschiede. Besonders auffällig ist die Situation bei den MaturantInnen: Je rund 57 Prozent der AHS- bzw. BMHS-Absolventinnen finden keinen adäquaten Job, bei den Männern sind es 48 mit AHS-Abschluss bzw. von den BHS wegen der großen Nachfrage nach technischen Ausbildungen „nur" 30 Prozent. Unter Akademikern sind 35 Prozent der Frauen bzw. 26 Prozent der Männer für ihren Posten überqualifiziert. Gerade in dieser Gruppe ist der Verdienst der Männer mit einem Viertel deutlich höher als jener der Frauen.

Wenn durch den Wandel der Produktivkräfte in einer Branche oder dadurch, dass Frauen einen Sektor der Erwerbsarbeit auch für sich erobern, die Dominanz von Männern überwunden wird, wie das mit dem altehrwürdigen Sekretär oder dem Schneider geschehen ist, nehmen sowohl das Ansehen dieser Arbeitsplätze wie auch die Bezahlung drastisch ab.

Die Schlechterstellung von Frauen in der Erwerbsarbeitswelt, die oft mit gläsernen Decken gepflastert ist und den Aufstieg in höhere Positionen verhindern, ist unakzeptabel. Die Reproduktionsarbeit muss als gesellschaftlich notwendige Arbeit gesehen, geschätzt und so geteilt werden, dass sie nicht mehr Haupt-Sache der Frauen ist. Dabei muss die Existenzsicherung für Frauen wie für Männer gewährleistet sein.

Bildungspolitik im Widerspruch

Bildung ist von Geburt an ein Anspruch jeder und jedes Einzelnen und eine Voraussetzung für berufliche Chancen und persönliche Entwicklung. Von der Bildungs- und Ausbildungspolitik hängt es in entscheidendem Maß ab, welchen Zugang Menschen zu Bildung finden können und davon wieder, welchen Platz sie im gesellschaftlichen Leben einnehmen.

In der kapitalistischen Gesellschaft zählt vor allem Ausbildung, die für die Erwerbsarbeit brauchbar macht und das Kriterium für den Zugang zum Arbeitsmarkt ist.

Frauen und Männer sollten aber nicht nur für eine qualifizierte Erwerbsarbeit ausgebildet werden, sondern sich auch bilden, um an sich selbst und an anderen Menschen arbeiten zu können sowie ihre eigenen Anlagen zu erkunden und zu entwickeln und schließlich, um ihre Interessen artikulieren und sie in Verbindung mit anderen vertreten zu können.

Um ein solches ganzheitliches Bildungsziel zu verfolgen, müssen Inhalte und Formen der Kindergarten- und Schulbildung darauf ausgerichtet werden, zu lernen, Fragen zu stellen und Probleme zu lösen, (Selbst-) Verantwortung zu übernehmen und Solidarität zu üben. Alles Lernen müsste an den Alltags- und Lebenserfahrungen der Kinder und Jugendlichen anknüpfen.

Dafür braucht es Lern- und Organisationsfor­men, die unabhängig von materieller Ausstattung und Bildungsstand des Elternhauses Zugang für alle zu einer Bildung garantieren, die das Formen des eigenen Lebensentwurfs unterstützen. Jugendliche SchulschwänzerInnen mit einer Geldstrafe zum Schulbesuch zu zwingen, scheint uns der falsche Weg, vielmehr müsste Schule ein Ort sein, wo Jugendliche neugierig auf ihr Leben gemacht werden und den Besuch nicht als Strafe oder lästige Pflicht empfinden.

Die gegenwärtige Bildungspolitik orientiert sich an der sogenannten Eliteauslese, am Konkurrenzdenken, an Leistungsgruppen in differenzierter Spielart statt an der einheitlichen Gesamtschule mit polytechnischer Orientierung. Diese Ausrichtung entspricht dem Verwertungsbedürfnis des Kapitals, das einerseits ungelernte, anlernbare und billige Arbeitskräfte braucht, die je nach Wirtschaftslage flexibel abrufbar sind und andererseits nach hochqualifizierten, differenziert ausgebildeten Fachkräften verlangt. Der EU-normierte Bildungsstandard verschärft diese Auslese insbesondere für Frauen. Die verfolgte Richtung heißt „Begabten"-, also Elitenförderung in privaten kostenpflichtigen Bildungseinrichtun­gen und Sparpolitik im öffentlichen Bildungssektor.

Die öffentlichen Ausgaben für Lehr- und Lernbehelfe, Schulbücher, Nachmittagsbe­treuung, BegleitlehrerInnen und andere Schulangebote werden gekürzt und gestrichen, auf die Eltern abgewälzt oder durch Firmen-Sponsoring den Werbezwecken der Konzerne ausgeliefert. Kürzungen bei der SchülerInnenfre­ifahrt, den Stipendien sowie die Einhebung von Studiengebühren und die enormen Kosten, die durch die inzwischen schon fast selbstverständliche private Nachhilfe in allen Schulstufen aufzubringen sind, schaffen die Voraussetzungen für eine neue Bildungselite, zu der ökonomisch Benachteiligte keinen Zugang haben.

Viele Mädchen scheinen ihre Lektion von der Geschlechterar­beitsteilung gut gelernt zu haben und streben Lehrstellen in traditionellen „Frauenberufen" an. Sie wollen Sekretärin, Friseurin, Verkäuferin werden und sind froh, wenn sie eine Lehrstelle ergattern. Ihre Schulbildung hat nicht dazu geführt, dass sie sich selbst in einem traditionellen „Männerberuf" sehen können. Auch LehrerInnen und AusbildnerInnen in Firmen können sich sehr oft Mädchen in solchen Sparten schwer vorstellen und ziehen männliche Bewerber vor.

Dem muss auch durch eine geschlechtersen­sible Pädagogik in der Kinderbetreuung und im Schulsystem entgegen gewirkt werden. Sie basiert auf der Kenntnis, dass die unterschiedliche Behandlung von Buben und Mädchen Einfluss auf die Lerngeschichte aller Kinder hat und die Ausbildung von Fähigkeiten und Fertigkeiten beeinflusst.

Zwar ist der formale Bildungszugang für Mädchen offensichtlich leichter geworden: Heute gibt es mehr weibliche als männliche MaturantInnen, der Anteil von Frauen, die nur einen Volksschulabschluss vorweisen konnten, ist von 1981 bis 2010 von 49 auf 18 Prozent gesunken. Im selben Zeitraum ist der Anteil von Frauen, die eine Hochschule absolviert haben, von vier auf 16 Prozent gestiegen. Es gibt heute signifikant mehr Frauen als Männer, die ein Studium abschließen. Dennoch erweist sich der Universitätsbetrieb immer noch als Männerdomäne: Halb so viele Frauen wie Männer hatten 2012 eine AssistentInnen­stelle an einer Universität. Weniger als ein Drittel der ProfessorInnen sind Frauen. Auch der Bereich der neuen Informations- und Kommunikation­stechnologien ist nach wie vor von Männern dominiert.

Durch die budgetären Kürzungen an Schulen und Hochschulen haben sich die Lern- und Studienbedingungen massiv verschlechtert: überfüllte Klassen und Hörsäle einerseits, Arbeitslosigkeit von LehrerInnen und Hochschulpersonal andererseits, verstärkte Abhängigkeit vom Privatkapital durch den Zwang zur Drittmittelfi­nanzierung, Dequalifizierung durch einseitig an den Interessen des Kapitals ausgerichtete Fachhochschulen und Kurzlehrgänge.

Spezifische Frauenforschung und selbst Genderstudies finden fast ausschließlich in kleinen universitären Ghettos statt und sind ständig vom finanziellen Aushungern bedroht. Feministische methodische und erkenntnisthe­oretische Ansätze beeinflussen die allgemeine Wissensproduktion kaum. Nicht zuletzt wirkten sich die universitären Sparmaßnahmen drastisch auf externe Lektorinnen aus, die den Großteil der universitären Lehre und Forschung mit frauenspezifischer Thematik bestreiten.

Auch Frauen mit Studienabschluss haben im Berufsleben, trotz gleicher Qualifikation, geringere Chancen als ihre männlichen Studienkollegen. Der Prozentsatz der arbeitslosen Akademikerinnen ist doppelt so hoch wie der ihrer männlichen Kollegen.

Berufliche Perspektiven und Aufstiegschancen sind auch eng verbunden mit Weiterbildungsmöglichke­iten. Frauen wollen Weiterbildung. Sowohl formale als auch informelle Weiterbildungsan­gebote nutzten Frauen 2012 in größerem Maße als Männer. Sie geben dafür auch mehr Geld aus als Männer. Zwar ist ständig von der Notwendigkeit des „lebenslangen Lernens" die Rede, aber auch hierfür fehlen die Bedingungen. Notwendig wäre ein umfassender Ausbau bezahlter Weiterbildung während der Arbeitszeit entlang den individuellen Bedürfnissen und Interessen und eine außerbetriebliche Erwachsenenbildung, die weiterführende Berufswege eröffnet. Insbesondere für MigrantInnen sind leistbare Schul- und Bildungsmöglichke­iten, die über die obligatorischen und kostenpflichtigen Deutschkurse hinausreichen, eine existenzielle Notwendigkeit.

Unsere Orientierungen:

Die Demokratisierung der Bildung ist eine Voraussetzung dafür, gleiche Chancen für alle Kinder/Jugendlichen – unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Geschlecht sowie ihrer körperlichen und psychisch-mentalen Ausstattung – zu verwirklichen. Dazu gehören sowohl Bildungsziele und -inhalte als auch die Schulform und Methoden des Unterrichts. Nicht Nivellierung, wie Konservative unterstellen, wäre die Folge, sondern in kleinen Klassen und Neigungsgruppen könnten handlungsorien­tierte Lern- und Teamarbeit ermöglicht werden und individuelle Begabungen von PädagogInnen Unterstützung erfahren.

Ein Bildungssystem, das auf einer einheitlichen Gesamtschule mit kostenloser Nachmittagsbe­treuung beruht, das keine Sackgassen kennt und zur ständigen Weiterbildung anregt, würde nicht nur den Mädchen aus sozial benachteiligten Verhältnissen zugutekommen, sondern ALLEN Schülerinnen und Schülern. Der Kampf um den freien Bildungszugang, um Ausbildungs-, Studien- und Arbeitsplätze, die Organisierung von Widerstand gegen die restriktive Sparpolitik an den Schulen und Hochschulen erfordert Solidarität und die Einsicht, dass die von konservativen Kräften vorangetriebene Elitenbildung die Gesellschaft spaltet und Chancen auf Erneuerung vergeben werden.

Im gesamten Bildungssystem müssen traditionelle Geschlechterrollen kritisch hinterfragt, muss nach geschlechtersen­siblen pädagogischen Methoden gearbeitet werden. Durch die bewusste Auseinandersetzung mit festen Vorstellungsklis­chees sollten Buben und Mädchen nicht mehr so werden müssen, wie sie „zu sein haben“. Kinder sollen die Möglichkeit haben, sich unabhängig von Rollenvorstellungen entwickeln und entfalten zu können. Dadurch eröffnen sich ihnen neue Perspektiven, die Handlungsspielräume werden erweitert. Unabhängig vom Geschlecht werden Stärken und Interessen gefördert, und gleichzeitig wird das Selbstwertgefühl gestärkt.

Erwerbsarbeit und geteilte wertgeschätzte Reproduktionsarbeit sind die Grundlage jeder gesellschaftspo­litischen, auf sozialer Gerechtigkeit fußenden Alternative, wobei mitgedacht wird, dass Jeder und Jedem Zeit und Kräfte bleiben sollen, für sich selbst und an sich selbst Neues zu entdecken und zu entwickeln sowie an der politischen Gestaltung der Gesellschaft teilzunehmen. Eine radikale Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit, die durch die Entwicklung der Produktivität der letzten Jahrzehnte bereits möglich ist und ein System der sozialen Sicherheit, das die Existenz jeder und jedes Einzelnen zum Ausgangspunkt der Berechtigung der Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum nimmt, können die Basis einer solchen neuen Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern und den Individuen sein. Deshalb setzen wir uns für ein bedingungsloses, existenzsicherndes Grundeinkommen ein.

Neue, qualifizierte, zukunftsorientierte Arbeitsplätze bieten die Bereiche Umweltschutz, ökologische Landschafts- und Stadtplanung, Energieversorgung, Verkehr, Stadtsanierung, Wohnungsbau, soziale Dienste. Anstelle der Umverteilung des gesellschaftlichen Mehrprodukts von den Lohnabhängigen zu den in- und ausländischen Konzernen und zum Finanzkapital soll allen Menschen ein ausreichendes Einkommen und menschenwürdiges Leben garantiert sein.

Dazu müssen die noch vorhandenen staatlichen wirtschaftspo­litischen Hebel genutzt und neue geschaffen werden. Der bereits bestehende informelle Sektor muss sozial integriert und abgesichert werden. Die nun schon seit Jahrzehnten diskutierte wertschöpfungsba­sierte Umstellung der Betriebsbesteuerung ist überfällig.

Den Frauen mehr Zeit und Geld! Zeit durch radikale Erwerbs-Arbeitszeitver­kürzung ohne Lohnverluste, Neubewertung und Umverteilung aller gesellschaftlich notwendigen Arbeit. Zeit und Geld durch bedarfsgerechte und kostenlose Kinder- und SchülerInnene­inrichtungen. Geld vor allem durch radikale Umverteilung von Reich zu Arm.

Kapitel 3
Vom sozialen Risiko, Frau zu sein

Der Neoliberalismus verspricht den Menschen, dass es alle – ohne Ansehen der Person – schaffen können, ganz nach oben zu gelangen, zumindest aber ein gutes Leben zu führen, wenn sie nur tüchtig und zielstrebig genug sind, wenn sie lernen würden, „sich selbst zu führen“ und sich den Anforderungen der Märkte anzupassen. Geschwiegen wird über die ungleichen Voraussetzungen je nach Herkunft und Geschlecht.

Denn in der gesellschaftlichen Praxis hat sich an der geschlechtshi­erarchischen Arbeitsteilung kaum etwas geändert. Sie strukturiert die Arbeitsmärkte nach weiblich und männlich dominierten Branchen, sie befestigt die gläsernen Decken, die nur gelegentlich Sprünge aufweisen. Vor allem aber bildet ihren Kern die einseitige Zuweisung der Hausarbeit – mit allem was dazu gehört – an Frauen.

Während die Produktion und Verteilung der Waren und Dienstleistungen gesellschaftlich organisiert ist, wird die Wiederherstellung der Arbeitskraft – individuell und über die Generationen – größtenteils in privater Form geleistet. Dennoch ist auch diese Reproduktionsarbeit Teil der kapitalistischen Ausbeutung, denn solange sie hauptsächlich unentgeltlich geleistet wird, bleiben die Kosten der Arbeitskraft für das Kapital entsprechend niedriger. Die unentgeltlichen, privat erbrachten und Frauen zugedachten Arbeiten, etwa die Pflege kranker oder alter Familienangehöri­ger, die Versorgung und Betreuung von Kindern und die Organisierung von Haushalt und Erholung widerspiegeln patriarchale Traditionen und kapitalistisches Nutzenkalkül.

Im Zeichen des Neoliberalismus ist Jedem und Jeder aufgetragen, für sich selbst zu sorgen, Gesellschaft und Staat ziehen sich weiter aus der soziale Verantwortung zurück. Die Zerstörung sozialstaatlicher Absicherungen und Infrastrukturen findet unter neoliberalem Druck beschleunigt statt und wirkt sich auch auf die Verhältnisse zwischen den Geschlechtern aus. Alte Vorteile auf der männlichen und Zugangsbeschränkun­gen auf Seiten der Frauen nützen auch heute noch jungen Männern, zumindest jenen, die nicht aus Gründen der sozialen Klassen- oder einer ethnischen Zugehörigkeit benachteiligt sind, und sie müssen von ihnen genutzt werden, um in der Konkurrenz Aller gegen Alle zu bestehen.

Patriarchale Strukturen

Auch wenn sich das Rollenverständnis der Geschlechter in den vergangenen Jahren gewandelt hat und auch Männer sich – zaghaft, aber doch – dem Reproduktionsbe­reich widmen, heißt die gesellschaftliche Norm noch immer: Männer schalten sich freiwillig und nach eigenem Ermessen ein, sind aber von der Verantwortung für die Kindererziehung und die alltäglichen Hausarbeiten prinzipiell entlastet und können daher ihren beruflichen Verpflichtungen mehr Zeit, Einsatz und Kontinuität widmen. Dies umso mehr, als der Verdrängungsprozess am Erwerbsarbeitsmarkt nur „ganzen Männern“ bessere Chancen einräumt. Umgekehrt erfordert die Verlagerung und Privatisierung von sozialen Aufgaben „ganze Frauen“ im Reproduktionsbe­reich. Eine Wiederbelebung konservativer Werthaltungen begleitet diese Tendenz ideologisch. Biedermeierlich anmutende Wünsche und Hoffnungen auf ein gelingendes Familienleben treffen aber sehr oft auf die entzauberte Realität deregulierter und prekärer Arbeits- und Lebenssituationen. Fürs Genießen des „Rückzugs ins Privatleben“ fehlen Zeit, Kraft und oft auch die finanziellen Mittel.

Aber nicht nur die einseitige Zuständigkeit für Hausarbeit, sondern auch die Gleichsetzung von biologischer und sozialer Mutterschaft konstruieren jene „familiären Verpflichtungen“, die Frauen am Arbeitsmarkt benachteiligen. Frauen können im Beruf oft nur mit großer Disziplin, ausgeklügeltem Zeitmanagement, der Unterstützung durch private Netze und persönlichen Abstrichen jenes Durchsetzungs- und Beharrungsvermögen und jene Flexibilität und Mobilität aufbringen, die in der kapitalistischen Konkurrenz verlangt werden, wobei sie gleichzeitig noch über Energien für Beziehungsarbeit und Haushalt verfügen sollen.

Nicht wenige lösen diese Widersprüche, indem sie in Haushalt und Mutterschaft den Sinn ihres Lebens sehen. Sie empfinden reproduktive Arbeit in der Familie als ganzheitlich im Vergleich zur entfremdeten Erwerbsarbeitswelt und leiten daraus mitunter Stärken ab, die den Reproduktionsbe­reich als weiblichen Machtbereich erscheinen lassen, in dem losgelöst von gesellschaftlichen Voraussetzungen selbstbestimmt gelebt werden kann. Dies führt vor allem dann, wenn aus der – oft als vorübergehende Lebensphase gedachten Situation – eine erwerbsmäßige Sackgasse geworden ist, in Abhängigkeit und Armut.

Hausarbeit, Partnerschaft, Arbeitsteilung

Hausarbeit ist gesellschaftlich notwendige Arbeit. Sie dient der Wiederherstellung der menschlichen Arbeitskraft, der Erziehung der kommenden Generation. Dazu bedarf es nicht nur bestimmter Lebensmittel, Infrastrukturen und Dienstleistungen, sondern auch einer entsprechenden Freizeitgestaltung für körperliche und geistige Erholung. Der Inhalt der Hausarbeit ist abhängig von der Klassenzugehörig­keit, der Familiengröße, von regionalen Besonderheiten. Niveau und Umfang der Hausarbeit werden von wirtschaftlichen Gegebenheiten einer Gesellschaft, ökonomischen Ressourcen der Privathaushalte und dem politischen Kräfteverhältnis bestimmt.

Im Haushalt werden Gebrauchswerte für den Eigenbedarf hergestellt. Das unterscheidet diese Tätigkeiten von der warenproduzie­renden, wertschaffenden Arbeit, die ihre Anerkennung über die Konkurrenz am Markt in Form des Kaufs erfährt. Da die Hausarbeit nicht für den Markt erzeugt, gilt sie nach der kapitalistischen Verwertungslogik als nicht produktiv. In einer Gesellschaft, in der der Wert in Form des Geldes vorherrscht, wird auch der Wert der Arbeitskraft an der Höhe der Bezahlung gemessen. Da Hausarbeit zum aller größten Teil unentgeltlich geleistet wird, erscheint sie nicht als „richtige Arbeit“. Die gesellschaftliche Arbeitsteilung weist Frauen jene Tätigkeiten zu, die sich ständig wiederholen und „unsichtbar“ sind – Kochen, Putzen, Waschen usw. –, und sie dennoch als befriedigend zu erleben, gilt als „natürliche Eigenschaft“ der Frauen. Ihre eindeutige Zuständigkeit dafür wird über die Sozialisation vermittelt und von Frauen selbst verinnerlicht. Auf diese Art wird Frauen die soziale Verantwortung für all jene Lebensbereiche übertragen, die nicht über den Markt geregelt werden. Auch Frauen, die berufstätig sind, können bestenfalls auf eine Mithilfe des (Ehe-)Mannes rechnen. Trotz steigender Verwendung technischer Geräte im Haushalt darf nicht übersehen werden, dass vor allem in den „Industrieländern“ neue Anforderungen entstanden sind. Höhere Ansprüche an die Hygiene, neue Tätigkeiten (z.B. Müllsortierung und -beseitigung, gesunde Ernährung, Wissensaneignung über schädliche Inhaltsstoffe bei Lebens- und Reinigungsmitteln), der Versuch, ethische und ökologische Ansprüche beim Konsumieren einzulösen, eine Fülle von neuen Herausforderungen im Zusammenleben mit Kindern, aber auch sich ändernde individuelle Bedürfnisse wirken einer effektiven Reduzierung der Haushaltstätig­keiten entgegen. Am anderen Pol der globalen Entwicklungen kämpfen Frauen um das nackte Überleben ihrer Familien.

Nicht zuletzt führen Verschlechterungen in der Krankenversorgung oder im Pensionssystem dazu, dass Pflegearbeiten verstärkt im privaten Haushalt geleistet werden. Dabei greifen finanzkräftige Haushalte häufig auf die Unterstützung durch Migrantinnen zurück, die meist unter extrem prekären Bedingungen leben und auf diese Beschäftigungen angewiesen sind. Der Pflegenotstand in Österreich hat auch zu einem „Brain-drain“ geführt: qualifiziertes Pflege- und medizinisches Personal aus den benachbarten „neuen“ EU-Ländern wird zu Dumpingpreisen angeworben für die Pflege unserer Alten und Kranken rund um die Uhr – ihren Herkunftsländern fehlt dieses Fachpersonal und der Gesellschaft die Frauen. Und nicht selten arbeiten Akademikerinnen aus den östlichen Nachbarländern in österreichischen Haushalten als Putzfrauen.

Der strukturelle Zwang für Frauen, unentgeltlich Hausarbeit zu leisten, bedeutet nicht nur die materielle Versorgung (Einkauf, Zubereitung von Nahrung, Instandhaltung der Wohnung und Kleidung), sondern vor allem weibliche Zuständigkeit für das emotionale Wohlbefinden des (Ehe-)Mannes und die psychische Stabilität der Familie. Dieser Aufwand an weiblicher Beziehungsarbeit wird jedoch kaum wahrgenommen.

Der Begriff „Doppelbelastung“ vermag die unterschiedlichen – auch gegensätzlichen – Anforderungen nicht zu erfassen. Frauen sollen im Erwerbsleben Durchsetzungsver­mögen zeigen, aber in persönlichen Beziehungen in der Familie „selbstlose Liebe“ schenken. Diese ganz verschiedenen Handlungsanfor­derungen rufen hohe Belastungen hervor. Zudem wird den Frauen Beziehungsarbeit nicht nur im familiären Bereich, sondern in wechselseitiger Abhängigkeit auch in beruflichen und in allen anderen gesellschaftlichen Tätigkeiten abverlangt.

Frauen sind also nicht genauso wie Männer unterdrückt und noch zusätzlich belastet, sondern ihre Unterdrückung ist von anderer Qualität. Dieser nach wie vor wirksame Zirkel sozialer Ausgrenzung bildet eine Struktur, die immer wieder die Hierarchie der Geschlechterver­hältnisse hervorbringt. Das sichert die Verfügbarkeit der weiblichen Arbeitskraft nach der kapitalistischen Verwertungslogik ebenso wie ihre Ausnutzung im privaten Bereich und reproduziert damit patriarchale Strukturen.

Gewachsene Ansprüche

Die politischen und diskursiven Erfolge der Frauenbewegungen, steigende Berufstätigkeit und wachsende Qualifikation veränderten das Bewusstsein von Frauen. Sie stellen höhere Ansprüche an partnerschaftliche Beziehungen: Anerkennung, liebevoller Umgang, geistiger Austausch und erfüllte Sexualität werden als Bedürfnisse formuliert. Mangelnde sozialökonomische Absicherung, Stress, übermäßiger Kräfteverschleiß und Entfremdung der Gefühle stehen in Widerspruch zu diesen Ansprüchen und bilden den Hintergrund für aufreibende Konflikte. Das Ideal einer lebenslangen Ehegemeinschaft ist brüchig geworden. Fast jede dritte – und im städtischen Bereich jede zweite – Ehe wird wieder geschieden.

Ein neues Selbstverständnis vor allem junger Frauen, die auf die Erfüllung ihrer Ansprüche nicht verzichten wollen, steht in Widerspruch zu einem Prozess, der die gesellschaftlichen Voraussetzungen dafür unterminiert.

Der gesellschaftliche Wandel der vergangenen Jahre hat auch Spuren in der Haltung zu Kindern hinterlassen. Er drückt sich in größer werdenden Teilen der Bevölkerung im Eingehen auf kindliche Bedürfnisse, in der Ablehnung von autoritärem und gewalttätigem Verhalten, in längeren Stillzeiten, aber auch in den Diskussionen um eine neue, bewusste Vaterschaft aus.

Die „Neue Väter“ zeigen sich heute allerdings nicht nur bei der tatsächlichen Übernahme von Verantwortung in der Betreuung von Kindern, sondern nicht selten auch im Gewand rückwärtsgewandter biologistischer Ideologien: Das „Recht auf das eigene Fleisch und Blut“ artet bei Trennungen von Eltern mitunter in Machtkämpfen um das Kind aus, in welchen die biologische Vaterschaft über die soziale Verantwortung gegenüber dem Kind gestellt wird. Oft werden die Kämpfe um das väterliche Sorgerecht auch aus finanziellen Erwägungen geführt, um Alimentationszah­lungen zu schmälern.

Hingegen veränderte sich die Bereitschaft von (Ehe-)Männern, Hausarbeit zu übernehmen, kaum. Selbst dann, wenn Frauen berufstätig sind, bleibt der Großteil der Hausarbeit an ihnen hängen. Bei der Beschäftigung mit Kindern übernehmen Väter (durchschnittlich täglich eine halbe Stunde) meist jene Tätigkeiten, die Spaß machen – spielen, sporteln –, während den Müttern die Versorgungs- und Betreuungsarbeit (täglich im Schnitt ein-ein-viertel Stunden) bleibt. Keine Spur also von „Halbe/Halbe“: Die zaghaften Ansätze eines veränderten Rollenverhaltens erfahren im Zeichen der neuen zeitökonomischen Bedingungen, in denen Erwerbsarbeit geleistet wird, sogar einen Rückwärtstrend.

Familienpolitik und Kinderbetreuung

Alleinerziehende und Familien mit mehreren Kindern sind massiv von Armut bedroht. Noch stärker als die Kinderzahl wirkt sich jedoch aus, ob nur ein Einkommen zur Verfügung steht oder beide Partner berufstätig sind und wie hoch deren Einkommen ist. Es liegt also auf der Hand, dass eine entsprechende Lohn- und Arbeitsmarktpolitik die beste „Familienpolitik“ ist. Im Widerspruch dazu stehen sinkende Lohnquoten und steigende steuerliche Belastungen der einzelnen Haushalte. Das von konservativen Kräften verfolgte steuerliche Ehegattensplitting würde eine „Belohnung“ für den Verzicht – der Frauen – auf Erwerbstätigkeit bedeuten, die zudem an die Männer ausbezahlt würde.

Kinderbetreuung auch im 21. Jahrhundert unbefriedigend

Erste Ansätze, wie das verpflichtende Kindergartenjahr im fünften Lebensjahr des Kindes – das ja auch die Verpflichtung der Kommunen bedeutet, entsprechende Plätze und ausreichend qualifiziertes Personal zur Verfügung zu stellen –, oder die Abschaffung des Elternbeitrages, also der „Gratis-Halbtags-Kindergarten“, gehen in die richtige Richtung, lösen aber viele drängende Probleme nicht.

Die gesellschaftliche Bewertung der Tätigkeit von Menschen – fast ausschließlich Frauen –, die außerfamiliäre Kinderbetreuung leisten, ist eine Zumutung. Die Entlohnung dieser anspruchsvollen und verantwortungsvo­llen Arbeit und die allgemeine Anerkennung liegen unter den meisten „männlichen“ Erwerbsarbeiten zum Beispiel im Baugewerbe.

Dazu kommen Arbeitsbedingungen mit viel zu großen Kindergruppen und allzu oft in Räumlichkeiten, die für die Betreuung von kleinen Kindern nicht geeignet sind.

Die propagierte „Wahlfreiheit“ zwischen Beruf und Familie gibt es für die große Mehrheit der Frauen nicht. Weder für die erwerbsarbeitslosen Frauen noch für jene, die mit ihrem Verdienst die finanzielle Existenz der Familie sichern, und schon gar nicht für die wachsende Anzahl von Alleinerzieherinnen sowie für die vielen Migrantinnen, denen der Zugang zum Arbeitsmarkt prinzipiell verwehrt wird. Auch zehntausende Frauen in ganz Österreich, die wegen fehlender Kinderbetreuun­gseinrichtungen nicht berufstätig sein können und in der Arbeitslosensta­tistik gar nicht erst aufscheinen, haben keine Wahl zwischen Berufs- oder Familienarbeit. Es ist aber doch im Interesse aller Frauen, das Recht auf eine existenzsichernde Erwerbsarbeit mit radikaler Arbeitszeitver­kürzung für alle bei vollem Lohn- und Personalausgleich zu erkämpfen.

Ein Kreislauf von Diskriminierungen

Die Verpflichtung der Frau für die Familie, begründet mit ihrer angeblichen wesensmäßigen Andersartigkeit, dient der Aufrechterhaltung von Eigentums- und Machtstrukturen. Das bürgerliche Familienmodell dient dem Profitinteresse des Kapitals, gesellschaftlich notwendige Arbeit zur Reproduktion der Ware Arbeitskraft weitgehend unentgeltlich abschieben zu können. Von Beginn an befand sich die konservative Familienideologie durch die Beschränkung der Frau auf die Familie aber auch in Widerspruch zu jenen ökonomischen Interessen des Kapitals, weibliche Arbeitskräfte nach Bedarf in der Produktion und im Dienstleistun­gsbereich einzusetzen.

Dieser Widerspruch wurde in der langen fordistischen Periode kapitalistischer Entwicklung durch eine staatliche Familienpolitik abgefedert, die sich tendenziell nach den konjunkturellen Schwankungen richtete und ein Spannungsfeld für politische und ideologische Kämpfe erzeugte.

Die politischen und sozialen Grundlagen für diese Form von Familien wurden durch den neoliberalen Umbau der Gesellschaften weiter unterminiert. Prekarisierung der Beschäftigungsver­hältnisse treffen zunehmend auch die männerdominierten Branchen des Arbeitsmarktes. Perioden von Überarbeitung und Erwerbsarbeit­slosigkeit wechseln sich ab, das „Ein-Ernährer-Familien-Modell“ kann kaum noch gelebt werden. Die geforderte totale Flexibilität auf der Suche nach Erwerbsarbeit und zusätzlich die zunehmend nur befristet ausgestellte Mietverträge machen es schwer, private und familiäre Netze dauerhaft zu knüpfen und zu pflegen.

Der Alltag von Alleinerziehenden und Patchwork-Familien ist aber, wenn alles halbwegs funktionieren soll, mit großen Anspannungen und Organisations- und Moderationsaufwand verbunden. Auch dieser wird in der Regel von Frauen erwartet.

Ein neuer Anlauf oder Altersarmut?

Für viele Frauen eröffnen sich in der Zeitspanne zwischen 40 und 60 Jahren neue Freiräume: Die Kinder sind selbstständig, Frauen können sich nun voll auf ihren Beruf konzentrieren oder versuchen, nach einer Familienphase wieder in den Beruf einzusteigen. Allerdings bietet die Gesellschaft den Frauen nur wenige Möglichkeiten, nun ihre Leistungsfähigkeit zu entfalten.

Am Arbeitsmarkt werden weibliche Arbeitskräfte schon ab 35 als „alt“ abgewertet.

Die von der Kosmetik- und Modebranche gepriesenen „besten Jahre im Leben einer Frau“ bedeuten oftmals: Die Rückkehr in den Beruf ist schwierig, wenn nicht unmöglich, denn die „Familienpause“ verhinderte berufliche Qualifikation oder Weiterbildung. Dieser „verpasste Anschluss“ zwingt viele Frauen zu Hilfstätigkeiten. Oder sie bleiben, weil Arbeitsplätze fehlen, von ihrem Mann abhängig und unfreiwillig überhaupt vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen.

Die Erwerbsarbeit­slosigkeit älterer Frauen steigt in erschreckendem Ausmaß – dennoch wurden die Möglichkeiten für Frühpensionierungen bei langer Arbeitslosigkeit oder Krankheit erschwert bzw. abgeschafft; dennoch wurde die Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters für Frauen auf 65 Jahre fixiert und wird ständig Druck ausgeübt, die volle Wirksamkeit dieser Verschlechterung weiter vorzuziehen.

Die systematische Diskriminierung der Frau im Erwerbsleben sowie die Zuweisung unbezahlter Frauenarbeit setzen sich im Pensionsrecht fort. Rund 70 Prozent der BezieherInnen der Ausgleichszulage sind weiblich, Frauen stellen das Gros der Mindestsicherun­gsempfänger, ihre durchschnittliche Pensionshöhe lag bei den unselbständig Beschäftigten insgesamt im Jahr 2012 bei 835 Euro, bei den männlichen Pensionisten bei 1.353 Euro. Für Arbeiterinnen gar nur bei 625 Euro und für Arbeiter bei 1.065 Euro. In allen Bezugsvarianten ist die Schere zwischen Männer- und Frauenpensionen nach wie vor vorhanden.

Schlechte Entlohnung in Frauenbranchen, Teilzeitarbeit und prekäre Beschäftigungsver­hältnisse führen zu niedrigen Pensionen oder dazu, im Alter überhaupt keine Absicherung zu haben. Ab 2014 mit Inkrafttreten des Pensionskontos zählt jedes Beitragsjahr, also auch jedes schlechte. Damit haben wir das Stadium der gesamten Lebensarbeitszeit für die Pensionsbemessung erreicht, was eine weitere Senkung der Frauenpensionen zur Folge hat und durch die Einrechnung von Zeiten für die Kindererziehung nicht ausgeglichen werden kann.

Die Gewährung der Ausgleichszulage für Eheleute und eingetragene Partnerschaften hängt neben der Pensionshöhe auch – wie der Anspruch auf Notstandshilfe oder Mindestsicherung – vom Haushaltseinkommen ab. Wenn also das gemeinsame Haushaltseinkommen den Richtwert übersteigt, verliert die Frau trotz Kleinstpension auch diesen Anspruch. Da für viele Frauen die Eigenpension so gering ist, verhindert die (inzwischen ebenfalls umstrittene) Hinterbliebenen­pension für Frauen lediglich das Absacken unter das Existenzminimum. Materielle Unsicherheit, Armut und soziale Isolation treffen Frauen in den letzten Lebensjahren, nachdem sie lange Jahre mit einem Mann zusammenlebten, besonders. Frauen leben länger als Männer, hinzukommt, dass auch heute noch der Partner zumeist älter ist als die Partnerin.

Während allerdings die Lebenserwartung von verheirateten Männern steigt, sinkt die von Ehefrauen. Ehemänner leben durchschnittlich fast zwei Jahre länger als Alleinstehende. Umgekehrt kostet das Bündnis fürs Leben durchschnittlich ganze anderthalb Jahre, die verheiratete Frauen früher sterben als unverheiratete.

Tendenz zum Ausschluss

Dem weiblichen Diskriminierun­gskreislauf sind in besonderem Maß jene Frauen ausgeliefert, die der Verwertungslogik des Kapitals am wenigsten entsprechen. Vor wenigen Jahrzehnten haben Faschisten behinderte Menschen als „unwertes Leben“ kategorisiert und massenhaft ermordet. Heute, in einer Gesellschaft, die von der Sucht nach Profit beherrscht wird, gelten Behinderte als Arbeitskraft „minderer Güte“, von deren Beschäftigungsver­pflichtung sich Betriebe durch einen Bagatellbetrag freikaufen können. Sie sind Opfer von Kürzungsprogrammen (z.B. beim Pflegegeld), verfügen meist über wenig Geld und sind in ihren Teilhabemöglichke­iten eingeschränkt.

Frauen mit Behinderung sind häufig Opfer von Vergewaltigung oder sexueller Belästigung. Noch immer sehen Ärzte unter Umständen ihre Sterilisation als selbstverständliches Verhütungsmittel an. In der bunten Warenwelt, die den KäuferInnen Jugend, Schönheit und sexuelles Glück verspricht, haben Menschen mit Behinderung, seelisch Kranke, Alte und abgearbeitete Menschen keinen Platz. Alle diese Gründe führen zu einer Tendenz des Ausschlusses in einer Gesellschaft, die Solidarität mit Benachteiligten als überholt betrachtet und sie ausschließlich karitativen Institutionen überlässt.

Entsolidarisierung prägt auch den Lebensalltag von MigrantInnen: Als billige Arbeitskraft einstmals gerufen, sind sie und ihre Kinder und Enkel heute oft Diskriminierung, ja Verfolgung und Menschenverachtung ausgesetzt. Eine neue Ausbeutungsform findet sich in den Arbeitsverhältnis­sen jener Menschen, meist Frauen aus den neuen EU-Mitgliedsländern, die zur Pflege alter und kranker Menschen nach Österreich kommen. Ohne ihre befristeten und mit Dumpingpreisen entlohnten Dienste würde unser Gesundheits- und Pflegesystem zusammenbrechen.

Kampf um den Sozialstaat in der Krise

Der Neoliberalismus denunziert das „Soziale“ als gar nicht existent oder aber hoffnungslos veraltet. Der Druck auf sozialstaatliche Systeme der Sicherung der Menschen wurde in den letzten drei Jahrzehnten mit allen Mitteln erhöht. Nicht zuletzt die EU-Richtlinien, die von allen nationalen Regierungen der Mitgliedsländer unterstützt und mit beschlossen wurden – von den Maastricht-Kriterien über den Fiskalpakt bis zum nun drohenden Wettbewerbspakt – führen in der Folge zum finanziellen Ausbluten der Sozialstaaten zugunsten der weiteren Umverteilung nach oben.

Die feministische Kritik an der Ausrichtung vieler sozialstaatlicher Regelungen an einer idealen männlichen Erwerbsbiographie wurde umgewertet und konnte so zum Teil im Rahmen der Zerstörung des Modells „Sozialstaat“ genutzt werden. Ebenso wurde berechtigte Kritik an Gewerkschaften und einseitigen betrieblichen Auseinanderset­zungen umgedeutet und für die grundsätzliche Entpolitisierung und Schwächung der demokratischen Instrumente des Kampfes um bessere Lebensbedingungen eingesetzt. Kritik am fordistischen Paternalismus wurde so zum Totschlagargument gegen das „Soziale“.

Es gab und gibt keine differenzierte Auseinandersetzung um die Weiterentwicklung sozialer Standards mehr. Abwehrkämpfe gegen Verschlechterungen werden als Festhalten an Privilegien mit „Betonkopf-Image“ belegt.

Ausgrenzung oder aber eine Instrumentali­sierung von einzelnen Aspekten und Forderungen der (Frauen-) Bewegungen durch ihre Umwertung begleiteten die Durchsetzung neoliberalen Denkens bei Mehrheiten in der Bevölkerung.

Mit der Verankerung neoliberalen Denkens bei Vielen, die in irgendeiner (wenn auch sublimierten) Form von Erwerbsarbeit leben, werden aber die Beziehungen in der Sphäre der Erwerbsarbeit als vollkommen unpolitische, rein sachlich-technische akzeptiert. Gar nicht mehr wahrgenommen wird, dass diese Sachlichkeit vom Kapital und seinen Akteuren definiert wird. Der (scheinbar) selbsttätigen kapitalistischen Logik kann in einer entpolitisierten Arbeitswelt nichts mehr entgegen gesetzt werden.

Die Abschaffung der sozialstaatlichen Regelungen erscheint als Befreiung von Bevormundung und von Einschränkungen der individuellen Handlungsmöglichke­iten. Freiheit und Gerechtigkeit können aber nicht mit seiner Abschaffung, sondern nur durch die Erweiterung des Sozialstaates – nicht zuletzt um feministische Forderungen und Perspektiven – angestrebt werden.

Unsere Orientierungen

Der Kampf um soziale Verbesserungen, um Reformen und Gesetze, wie zum Beispiel ein umfassendes Anti-Diskriminierun­gsgesetz, schärft das Bewusstsein für mögliche Veränderungen. Langfristig geht es bei diesen Veränderungen aber nicht nur um die soziale Absicherung der Vereinbarkeit von Beruf und Reproduktionsarbeit für Frauen, sondern auch um eine Umverteilung und Neubewertung von Erwerbsarbeit und Familienarbeit zwischen den Geschlechtern und die Fragen: welche Arbeit ist sinnvoll, wie sind gesellschaftlich notwendige Tätigkeiten aufzuteilen, welche Techniken brauchen wir, um Güter und Dienste für unseren Alltag herzustellen und welche sind einfach verzichtbar oder sogar schädlich und gefährlich?

Unterschiedliche Lebensformen (Wohngemeinschaf­ten, Ehe und Lebensgemeinschaf­ten, gleichgeschlechtliche Paarbeziehungen, Singles, AlleinerzieherInnen u.a.) dürfen keine Diskriminierungen nach sich ziehen. Das Steuer- und Sozialrecht ist gegenüber allen Formen des Zusammenlebens neutral zu gestalten. Ein Abgehen von der Individualbes­teuerung ist ebenso abzulehnen wie der Druck gegen das System der Pflichtversiche­rung, um es durch eine Versicherungspflicht abzulösen, mit der die soziale (Alters-)Vorsorge privatisiert und so den Profit- und Spekulationszwecken von Versicherungsge­sellschaften zugeführt wird.

Die Forderung nach gesellschaftlichen Lösungsansätzen für familiäre Arbeit bedeutet für uns nicht die Auflösung von Intimität und persönlichen Beziehungen, sondern bessere Möglichkeiten für deren Entfaltung. Die allgemeine Verkürzung der Arbeitszeit und die Entlastung von Hausarbeiten schaffen Bedingungen für die Intensivierung von Beziehungen, den Ausbau freundschaftlicher Kontakte, für gesellschaftliche, politische und kulturelle Aktivitäten.

Ebenso wie den Ausbau des sozialen Wohnbaus, der ausreichenden Wohnraum für alle zu erschwinglichen Mieten sichern soll, verlangen wir ein Verbot von Maklerunwesen und die strafrechtliche Verfolgung von Ablösewucher. Der Explosion der Wohnkosten – sowohl der Mieten als auch der Betriebskosten – am privaten Wohnungsmarkt, die aber auch im Gemeindesektor zu unzumutbaren Erhöhungen geführt haben, muss durch klare gesetzliche Regelung zur Beschränkung entgegen getreten werden. Wohnen darf keine Ware, Wohnraum kein Spekulationsobjekt sein! Die öffentliche Hand muss für ausreichenden und erschwinglichen Wohnraum sorgen.

Darüber hinaus schlägt die KPÖ ein Modell der Energiegrundsiche­rung vor, das ökologische Überlegungen beinhaltet und jedem privaten Haushalt Leistungen eines Energieversorgers garantiert, die ein menschenwürdiges Wohnen ermöglichen.

Der Ausbau und die Attraktivität von öffentlichen Verkehrsmitteln sind ein entscheidender Schlüssel für eine nachhaltige und ökologisch sinnvolle Entwicklung. Die tatsächliche – nicht potenzielle – Mobilität der Menschen ist aber auch ein Hinweis auf den demokratischen Zustand und die soziale Ausgeglichenheit einer Gesellschaft. Deshalb treten wir dafür ein, dass öffentliche Verkehrsmittel prinzipiell gratis genutzt und durch Umverteilung finanziert werden.

Der Ausbau und die qualitative Verbesserung ganztägig geöffneter Gratis-Kinderbetreuun­gseinrichtungen mit kleinen Gruppen, bester pädagogischer Betreuung, Förderung individueller Neigungen durch ein entsprechendes Angebot für kreative und sportliche Betätigung und geschlechtssensible Pädagogik bieten Kindern die Chance, über die Familie hinaus soziale Erfahrungen zu sammeln und Eigenständigkeit zu üben. Das Einkommensniveau der in der Kinderbetreuung und in anderen Sozialberufen Tätigen muss den Löhnen in Schlüsselindustrien angeglichen werden.

Gerade die Belastungen und Zumutungen des Alltags vieler Frauen machen deutlich, wie drängend und dringend die Frage nach sozialer- und Existenzsicherheit gestellt werden muss. Wir unterstützen Forderungen, die Sozialleistungen erhalten, ausbauen und den Sozialstaat den Bedürfnissen von Frauen entsprechend umgestalten und verteidigen alle bereits bestehenden Leistungen gegen Angriffe. Sie sind jener Teil des gesellschaftlichen Reichtums, den die Arbeitenden für sich selbst – und zugleich für alle anderen – erkämpft haben. Soziale Sicherheit ist eine Voraussetzung für die Teilhabe an der Gesellschaft, für Freiheit und die Möglichkeit der eigenständigen Lebensgestaltung. Sie ist durch Umverteilung von oben nach unten auch künftig finanzierbar. Sowohl im Sinne der (Neu-)Verteilung von Zeit, Geld und Arbeit als auch gegen die wachsende Armut sind eine existenzsichernde Grundsicherung ohne Restriktionen bzw. ein von Erwerbsarbeit unabhängiges bedingungsloses und existenzsicherndes Grundeinkommen notwendig.

Wir sind für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen, für ihre Mitsprache und Mitentscheidung auf allen Ebenen; für eine Ergänzung des kausalen Unfall- und Behindertenrechts durch eine final orientierte, flächendeckende Pflegesicherung mit ausreichenden Geld- und Sachleistungen. Verschlechterungen beim Zugang zum Pflegegeld sind rückgängig zu machen, es muss als Geldleistung bestehen bleiben und in seiner Höhe den jeweiligen Preissteigerungen in allen Konsum- und Verbraucherbe­reichen angepasst werden. Wir verlangen eine in ganz Österreich geltende einheitliche Sozialgesetzgebung und wenden uns gegen einen Regress bei Pflege- oder anderen Sozialleistungen.

Die Inanspruchnahme von Menschenrechten kann nicht von der StaatsbürgerIn­nenschaft abhängig sein, daher muss die Kluft von Rechten zwischen österreichischen StaatsbürgerInnen und MigrantInnen in Österreich aufgehoben und so die politische und soziale Gleichheit hergestellt werden.

Kapitel 4
Für eine neue Kultur des Zusammenlebens

Nicht nur in der gesellschaftlichen Produktion und in der Familie, sondern auch in allen kulturellen, ideologischen, religiösen Bereichen ist weibliche Diskriminierung wirksam. Der Begriff „Sexismus“ beinhaltet das ganze System von Vorurteilen, Herabwürdigungen und Benachteiligungen der Frauen. So wie der Begriff „Rassismus“ keine Charakteristik heller oder dunkler Menschen enthält, sondern den weltanschaulich formulierten Glauben daran ausdrückt, dass „Weiße“ höher stehen als andere, geht es auch beim Sexismus um die Aufrechterhaltung der Rangunterschiede zwischen den Geschlechtern.

Die seit Jahrtausenden herrschende patriarchale Kultur hat Männlichkeit zu einem universellen Prinzip erhoben, in dem der Mensch mit dem Mann gleichgesetzt wird. Die Frau gilt als „das Andere“, die Abweichung von der Norm, oder wird mit der Natur identifiziert. Frauen haben offiziell keine Geschichte. Sie finden als Randerscheinung, bestenfalls in Fußnoten eine Erwähnung. Erst die von Feministinnen und frauenpolitisch engagierten Menschen betriebene Erforschung ihrer eigenen Geschichte öffnete den Blick auf den weiblichen historischen Raum.

Die männliche Dominanz spiegelt sich auch in der Sprache wider: Noch immer scheinen Frauen in Texten und Denkmustern nicht auf, werden sie in männlichen Begriffen/Beze­ichnungen „mit gemeint“ und ihnen untergeordnet. Aber Wertorientierungen werden gerade durch sprachliche Formen übermittelt. Sie stehen in enger Beziehung zur sozial-ökonomischen Struktur der gesellschaftlichen Arbeitsteilung. Dabei werden Arbeiten in wichtig und unwichtig eingeteilt. Wichtigen Menschen muss unwichtige Tätigkeit abgenommen werden. Letztere hat allerdings oft an sich, dass ohne sie gar nichts funktionieren würde.

Sexismus ist ein Strukturmerkmal der Gesellschaft. Wobei diese strukturelle Gewalt gegen Frauen oft derart in das „normale“ Denken und alltägliche Verhalten integriert ist, dass sie nicht mehr wahrgenommen wird. Aber patriarchale Macht und Kontrolle sind auch dort vorhanden, wo Frauen die männliche Vorherrschaft verinnerlicht haben und gar nicht in Frage stellen.

Ein Geflecht aus Missachtung weiblicher Leistungen, herabwürdigender Behandlung, sexistischer Witze, verbaler Obszönitäten, sexueller Belästigungen am Arbeitsplatz oder auf der Straße und struktureller Missachtung individueller Lebensplanung ist auch heute, nach Jahrzehnten feministischer und frauenpolitischer Bewusstseinsarbeit, wirksam und zementiert Gewaltverhältnisse.

Die Wirkung der Bilder

Die patriarchalen Bilder von Weiblichkeit und die herrschenden Vorstellungen über das Männliche prägen beide Geschlechter. Daher rührt auch die ambivalente Einstellung vieler Frauen zu ihren geistigen Fähigkeiten, zu ihrer Körperlichkeit und Sexualität.

Obwohl gerade in der Werbung primitiver Sexismus weiterhin eine große Rolle spielt, tragen heute die Werbelinien von Plakaten und die Produktwerbung in Fernsehen und Medien andererseits oft einem veränderten Frauenbild Rechnung. Nicht mehr die betuliche Hausfrau vergangener Zeiten, sondern die gertenschlanke, mode- und selbstbewusste und offensichtlich kaufkräftige Konsumentin steht im Mittelpunkt. In diesem Raster haben alte Frauen keinen Platz, außer es wird für Medikamente gegen Demenz oder Inkontinenz geworben. Wohingegen „reifere“ Frauen als willkommene Werbeträgerinnen für faltenfreie Haut ins Bild gestellt werden. Für Frauen, die nach wie vor mehr als Männer über ihren Körper und ihr Aussehen taxiert werden, bedeutet Altern oft, unsichtbar zu werden, im wörtlichen und übertragenen Sinn: nicht mehr wahrgenommen zu werden. 

Den Frauen wird suggeriert, ihr Aussehen als unverzichtbares Kapital für beruflichen Aufstieg und gesellschaftlichen Erfolg eigenverantwortlich zu managen. An der neoliberalen Zurichtung der Körper verdienen Schönheitschi­rurgen, Kosmetik- und Pharmaindustrie, Hochglanzmagazine und Fernsehshows. Der normierte Körper in einer entsolidarisierten Leistungsgese­llschaft trägt wesentlich zur Pornographisierung des öffentlichen Raumes bei.

Zunehmend verschwimmen die Grenzen zwischen Werbung und Pornographie. Nicht die Darstellung von nackten Körpern oder von sexuellen Handlungen irritiert, sondern die entwürdigende Darstellung von Frauen und ihre Degradierung als Gratisbeigabe zu einer x-beliebigen Ware sind zu bekämpfen. Die Inflation von verdinglichter Sexualität in Medien und Werbung mündet in der Selbstverständlichke­it des Sich-verkaufen-Müssens: als Arbeitskraft oder als sexuelles Objekt.

Obwohl wir sehen, dass die neuen Möglichkeiten digitaler Kommunikation einen sehr breiten Zugang zu Informationen, einen schnellen Austausch über Interessenslagen und die Organisierung von widerständigen Aktivitäten auf breiter Ebene bieten, nehmen wir auch wahr, dass soziale Medien und Internetplattformen zu unüberlegter Freizügigkeit und Preisgabe intimer Details verführen, die unauslöschlich gespeichert und zu neuen Diskriminierungen bis hin zu „Shitstorms“ und Erpressungen führen können.

Der Kreislauf aus Anbieten und Konsumieren lässt die persönlichen Beziehungen nicht unberührt. Ökonomische Klassenrealität und patriarchale Strukturen sind auch in intimen Bereichen wirksam. Besitzdenken, Angst vor Versagen, das Gefühl, auf dem Prüfstand zu stehen, stützen den Kapitalismus ebenso wie das Patriarchat. Sie führen zur Perfektionierung der eigenen Verwertbarkeit für die herrschenden Interessen und damit zu defensiven Lebenshaltungen. Aber die aktive Teilnahme am politischen Leben und am Klassenkampf basiert auf einer offensiven Lebenseinstellung. Das bedeutet im marxistischen Sinn: sich zu den eigenen Lebensbedingungen bewusst zu verhalten, als Frauen eine eigene Identität zu entwickeln. Für Frauen und Männer gilt, die langfristigen Interessen an humanen Beziehungen zwischen den Geschlechtern und Generationen nicht wegen kurzfristiger Vorteile zu verdrängen. Denn Anpassung bedeutet, an Unterdrückung teilzuhaben, Verhältnisse zu reproduzieren, in welchen die Entwicklung der Einen die relative Entwicklungslo­sigkeit der Anderen zur Voraussetzung hat.

Für das Recht auf Selbstbestimmung

Frauen sind von Geburt an – nach Klassenlage, nationaler und ethnischer Herkunft, religiösen Traditionen und kulturellem Umfeld – jeweils verschiedenen Formen von Gewalt ausgesetzt. Zwischen extremen körperlichen und subtileren Formen der psychischen und sozialen Gewalt besteht ein Zusammenhang. Vergewaltigung oder sexueller Kindesmissbrauch sind männliche Machtmittel gegenüber Frauen und Schwächeren. Wie die kriegerischen Seiten der Menschheitsges­chichte und wie jüngste kriegerisch ausgetragene Konflikte deutlich machen, ist Vergewaltigung Teil der männlich-patriarchalen Kriegsführung, sie ist Machtbeweis gegenüber besiegten „Mutterländern“ und deren mit der „Okkupation des Weiblichen“ gedemütigten Männer.

Sexualmoral – ob einst auf Verzicht ausgerichtet oder jetzt unter den Vorzeichen von Freizügigkeit – wirkt seit je als Instrument patriarchaler Kontrolle. Gezielte sexuelle Stimulation als Bestandteil der Vermarktung von Waren aller Art und die damit suggerierte Vorstellung, eigene Begierden über den Kauf dieser Waren ausleben zu können, dienen Profit- und Herrschaftsin­teressen. Sie lenken ab von der schleichenden Entdemokratisierung und sollen soziale Unsicherheit und gesellschaftliche Kälte kompensieren. Ebenso kommen die geschlechtsspe­zifischen Muster in der kommerziell verwerteten Sexualität der herrschenden Klasse zugute.

Unter diesen gesellschaftlichen Bedingungen fällt es Frauen schwer, eine eigenständige Sprache, Selbstentwürfe und Ansprüche zu entwickeln. Im patriarchalen Zwangskorsett ist es schwierig, eigene lustvolle Utopien über selbstbestimmte weibliche Sexualität zu erfahren. Ihrem eigenen Wesen entfremdet und erzogen, anderen zu gefallen, erleben viele Frauen auch ihre Sexualität als fremdbestimmt. Erst die „Neue Frauenbewegung“ gab sehr vielen Frauen den Mut, offen die patriarchalen sexuellen Regeln abzulehnen.

Frauen haben begonnen, das Recht zu beanspruchen, über den eigenen Körper zu verfügen und statt Anpassung eigene Lust zu erleben. Die Ausrichtung ihrer Bedürfnisse nach männlichen Wunschvorstellungen wurde im Zuge der Diskussionen in der Neuen Frauenbewegung hinterfragt. Das Entdecken des eigenen Körpers brach mit Tabus und brachte Frauen ein neues Selbstverständnis. Die Liberalisierung der Sexualität hatte also auch ermöglicht, freier und offener über weibliche Bedürfnisse zu sprechen.

Lesbische Frauen, die in der Frauenbewegung aktiv sind, haben diese Diskussionen stark beeinflusst und manche von ihnen erklärten lesbische Beziehungen zu ihrem politischen Programm. Patriarchale Denkmuster beider Geschlechter halten es nicht für möglich, dass statt Männern auch Frauen im Zentrum des Begehrens von Frauen stehen können und Lebens- und Sexualpartnerinnen sind. Die Ignoranz gegenüber lesbischer Liebe erzeugt in vielen lesbischen Frauen das Gefühl, nicht „normal“ zu sein. Lesbische Frauen im Kampf gegen Diskriminierungen und die freie Entscheidung für ihre sexuelle Orientierung zu unterstützen, erfordert oft auch von heterosexuell orientierten Frauen, eigene Verhaltensmuster, gedankliche Einstellungen und sexuelle Empfindungen zu reflektieren.

Queerfeministinnen machen u.a. auf die Heteronormativität unserer Gesellschaft, Trans- und Intersexleben­srealitäten und die Intersektionalität von Identitäten aufmerksam. He­rrschaft wird nicht zuletzt über die Normierung unserer Körper und Sexualität ausgeübt. Wir müssen uns nicht nur Schönheitsidealen und Gesundheitsdiktaten anpassen, Körper und Verhalten werden zudem in eine konstruierte Zweiteilung in das „Männliche“ und „Weibliche“ eingeordnet. Heteronormativität bedeutet, dass heterosexuelles Begehren und das herrschende Mann-Frau-Körper- und -Rollenbild als „das Normale“ gesetzt und Abweichungen davon sanktioniert werden. Auch die biologische starre Geschlechterzwe­iteilung ist konstruiert. Intersexpersonen kommen mit „uneindeutigen“ Geschlechtsmer­kmalen zur Welt, die in massiven operativen und medikamentösen „vereindeutigenden“ Eingriffen an die Zweigeschlechter­norm angepasst werden – auf Druck von Medizin und Gesellschaft oft bereits gleich nach der Geburt bis hin zur Pubertät, und das lange Zeit unhinterfragt. Transgenderper­sonen  können und wollen sich nicht einem der beiden exklusiven Geschlechter zuordnen. Viele Schwierigkeiten und Diskriminierungen müssen überwunden werden, damit wir in einer Gesellschaft leben können, in der geschlechtsiden­titäre Vielfalt, das Recht auf körperliche Unversehrtheit und das Recht auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung respektiert werden.

Biografien und Identitäten sind immer intersektionell, es gibt nie „die Frauen“, sondern es spielen immer Klasse, Herkunft, Bildung, Beruf, Alter, Sexualität, Hautfarbe etc. eine Rolle für die spezifischen Interessen der Einzelnen. Die Herausforderung ist, in aller Unterschiedlichkeit einen gemeinsamen politischen Kampf der Unterdrückten zu entwickeln.

Frauen und Männer müssen sich bewusst mit ihren aus patriarchalen Zwängen entstandenen sexuellen Konditionierungen auseinandersetzen. Die in unserer Gesellschaft grundgelegte Konsumhaltung auch in der Sexualität missachtet die Identität von Frauen, verhindert aber auch die Entwicklung differenzierter männlicher Bedürfnisse und autonomer weiblicher Visionen von Erotik. Sie entwertet persönliche Beziehungen und reduziert Sexualität auf Fortpflanzung und männliche Lust. Sexualität ist aber wichtiger Bestandteil menschlicher Kommunikation. Zu ihrer Entfaltung bedarf es ökonomischer, sozialer, kultureller und politischer Veränderungen.

Gendergerechte Medizin

Gesundheit ist nicht nur die Abwesenheit von Krankheit. Gesundheit und Krankheit haben geschlechtsspe­zifisch unterschiedliche Bewertungen und Erscheinungsweisen. Jahrtausende lang galt der menschliche Körper als männlich, an ihm wurde geforscht, experimentiert, Behandlungen von Krankheiten orientierten sich an maskulinen Sichtweisen. Die Medizin war Männerdomäne, Frauen wurden erst vor hundert Jahren zum Medizinstudium zugelassen.

In den 1990er Jahren gewann mit frauenspezifischen Forschungsfeldern auch die Gendermedizin an Bedeutung. Dabei wurden interessante Erkenntnisse gewonnen. So etwa haben Frauen häufiger stumme Herzinfarkte als Männer, die Symptome zeigen sich hier bei Frauen anders und die Todesrate ist höher, Frauen leiden häufiger an Alzheimer- und Stoffwechseler­krankungen, empfinden Schmerzen kürzer als Männer und haben doppelt so häufig Depressionen. Frauen haben durchschnittlich eine um fünfeinhalb Jahre höhere Lebenserwartung, Männer weisen eine dreimal höhere Selbstmordrate auf.

Diese Erkenntnisse dringen erst langsam ins öffentliche Bewusstsein: Gesundheit ist auch eine Frage des Geschlechts und der sozialen Verhältnisse. Armut ist weiblich und macht krank. Neben den biologischen Unterschieden wie Körpergewicht oder Hormonhaushalt sind psychosoziale Faktoren ausschlaggebend für den Gesundheitszustand. Frauen haben andere Lebensrealitäten, ihr Stress unterscheidet sich von dem der Männer: Das männliche Rollenbild bewirkt, dass sich ihr Verständnis von Gesundheit in riskanterem Verhalten widerspiegelt, während Frauen Aggressionen eher nach innen wenden. Frauen nehmen dreimal so häufig Kopfwehmittel, Männer greifen öfter zum Alkohol oder anderen Drogen, Frauen schlucken häufiger Tabletten und Psychopharmaka.

Auf alle diese Faktoren nimmt die Medizin nur langsam und die Pharmaindustrie kaum Rücksicht. Klinische Studien oder Medikamente wurden die längste Zeit am jungen weißen Mann ausgerichtet und getestet, Frauen waren davon ausgeschlossen. Erst in jüngerer Zeit fand man z. B die geschlechterver­schiedene Wirkung von Aspirin heraus: Während dieses Medikament Frauen mehr vor Schlaganfällen schützt, wirkt es bei Männer häufiger gegen einen Herzinfarkt.

Das herrschende Gesundheitssystem bevorzugt Männer, die auch häufiger als Frauen über größere ökonomische Ressourcen zur Behandlung von Krankheiten verfügen. Der männliche Zugang zum Gesundheitsver­ständnis ist eher ein technokratischer. Frauen haben ein höheres Gesundheitsbe­wusstsein, was sich in häufigeren Vorsorgeunter­suchungen zeigt. Bei Frauen ist auch eine höhere Akzeptanz von natürlichen oder alternativen Heilmethoden festzustellen.

Patriarchaler Fortpflanzungswahn

Patriarchat bedeutet sowohl die Unterwerfung des Gebärvermögens der Frau als auch Kontrolle über die Fortpflanzung der unterdrückten Klassen. Der Versuch der Emanzipation der Menschen durch das Urchristentum wurde mit der konstantinischen Wende ins Gegenteil verkehrt. Mit der sich herausbildenden Institution „Amtskirche“ entstand allmählich eine unheilvolle Allianz aus sexualpessimis­tischer, körperfeindlicher Einstellung und staatlicher Bevölkerungspo­litik. Ihr Ziel war, genügend „Menschenmaterial“ zu produzieren: Das Kapital verlangte Arbeitskräfte und der Staat Soldaten. Die Kirchenhierarchie betrieb die ideologische Zurichtung der Bevölkerung. Geschlechtsverkehr durfte nur in der Ehe, und zwar ausschließlich zum Zweck der Fortpflanzung, stattfinden. Die Sucht, über Ehevorschriften zu wachen, das Geschlechtsleben zu kontrollieren und Sinnlichkeit mit Schuld und Sühne zu beladen, konnte und kann an uralten Werten patriarchaler Herrschaft anknüpfen. Sie wurde durch den Zölibat verschärft, in den Sexualneurosen und Frauenhass eingewoben sind. Der Ausbruch religiöser Exzesse, nicht zuletzt Folter und Hexenverbrennungen, denen Millionen Menschen zum Opfer fielen, vergiftete das Zusammenleben von Frauen und Männern über Generationen.

Auch heute herrscht in der Kirche eine patriarchale Sexualmoral vor, die jedoch auf innerkirchlichen Widerstand stößt. Manche Vertreter der Amtskirche scheinen sich in höherem Maß um die befruchtete Eizelle zu sorgen als um die weltweite Hochrüstung und Millionen Hungertote, sie mobilisieren gegen Verhütungsmittel, Sexualaufklärung und „Ehen ohne Trauschein“.

Das Verbot von Verhütung und Abtreibung ist eine Klassenfrage. Im vorigen Jahrhundert wurden Arbeiter, die Kondome benützten, eingesperrt, während in bürgerlichen Kreisen Pessare aus Gold gehandelt wurden. Bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts waren jene Frauen, die in Österreich wegen eines illegalen Eingriffs vor Gericht standen, vorwiegend Arbeiterinnen, Küchengehilfinnen, Mägde. Deshalb ist die Fristenregelung 1975 ein bedeutender Erfolg der Frauenbewegung, weil sie bekanntlich die Straffreiheit für einen Schwangerschaf­tsabbruch bis zum vollendeten dritten Monat brachte.

Rechtskonservative und klerikale Kreise haben sich aber nie mit der Fristenlösung abgefunden und setzen in Zeiten einer rechtskonservativen Wende erneut zu massiven Angriffen auf den Schwangerschaf­tsabbruch an, wie Beispiele aus den USA, aber auch aus EU-Europa – wie zu Beginn des Jahres 2014 besonders in Spanien – und immer wieder auch in Österreich zeigen. Noch immer ist in Österreich ein Schwangerschaf­tsabbruch im Strafgesetz verankert. Die Fristenlösung gewährt lediglich Ausnahmen, die nicht unter Strafe stehen und steht somit weiter im strafrechtlichen Raum. In finanziell aufwendigen Kampagnen werden Frauen unter Druck gesetzt, wird der Abbruch der Schwangerschaft mit Mord gleichgesetzt. Je mehr der Fötus in den Rang einer eigenständigen Person erhoben wird, desto weniger wird die Frau als Subjekt geachtet. Damit wird ihr das Recht, über ihren Körper selbst zu bestimmen, streitig gemacht. Die Entscheidung einer Frau, eine ungewollte Schwangerschaft abbrechen zu lassen, kann nur sie selbst treffen. Für diese Entscheidung braucht es Begleitmaßnahmen: Aufklärung über Verhütung und kostenlose Abgabe von Verhütungsmitteln.

Neue Fortpflanzungstechno­logien (Reproduktion­stechnologien) werden zielstrebig entwickelt. Dabei dienen Frauen als Rohstofflieferantin und Objekte für Experimente für die Kosmetikindustrie, geschäftstüchtige ÄrztInnen und Agenturen oder ehrgeizige Wissenschafte­rInnen. Ei- und Samenzellen und retortengezeugte Embryonen werden für gentechnische Experimente verwenden. Über die Möglichkeiten, durch Klonen lebende Ersatzteillager zu erschaffen, wird spekuliert und experimentiert. Mit gentechnischen Eingriffsmöglichke­iten in menschliche Keimbahnen und der Propagierung vorgeburtlicher Diagnosen gewinnt auch die überwunden geglaubte Eugenik – also die Unterscheidung von „wertem und unwertem“ Leben – wieder an Boden.

Vom Aufbruch der Frauenbewegung

Die Frauenbewegungen in Europa und den USA entwickelten vor Jahrzehnten eine Dynamik, deren objektive Ursachen in innerkapitalis­tischen Widersprüchen wurzelten. Diesen Aufschwung bezeichnen viele als „Neue Frauenbewegung“, auch um auf Unterschiede zur Frauenbewegung des vorvorigen und der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts hinzuweisen.

Es gibt aber auch Kontinuitäten dieser Bewegungen, denn trotz der Polarisierung und Vereinnahmung der Frauen durch die Parteien nach 1945 setzte sich eine mit der revolutionären ArbeiterInnen­bewegung verbundene demokratische Frauenbewegung für einen gemeinsamen Kampf der Frauen für ihre Rechte ein. Die großen Friedensaktivitäten gegen Aufrüstung und Krieg und gegen Atomkraftwerke wurden wesentlich auch von Frauen getragen. Verbesserungen im Arbeits- und Sozialrecht, deren Aushöhlung wir heute bekämpfen, konnte durchgesetzt werden (z.B. Mutterschutz-, Heimarbeits-, Familienrechts-, Gleichbehandlun­gsgesetz u.a.)

Während der Hochkonjunktur in den 1960er Jahren stieg in den kapitalistischen Ländern die Berufstätigkeit der Frau deutlich an. Gleichzeitig drangen Frauen in alle Bereiche der Bildung vor, qualifizierten sich, eroberten neue Positionen. Mit der Verbreitung von neuen Verhütungsmitteln („die Pille“) erhielten Frauen bisher unbekannte Möglichkeiten, ungewollte Schwangerschaften zu verhindern. Eine Welle sexueller Freizügigkeit – von manchen als „Revolution“ erlebt – brach mit Tabus. Im Aufbruch der antiautoritären StudentInnen-Bewegung begannen Frauen, die eigene Situation kritisch zu überdenken und sich politisch zu äußern.

Die Kunst kultureller Entfaltung

Kultur ist ein Sammelbegriff für menschliche Lebensäußerungen und somit politisch. Frauen haben sich lange Strecken der Kulturgeschichte selbst verleugnen und patriarchalen Normen und Wertvorstellungen unterordnen müssen. „Die Frau ist das erste menschliche Wesen, das in Knechtschaft kam. Die Frau wurde Sklavin, ehe der Sklave existierte.“ (August Bebel) Die Geringschätzung und Verachtung weiblicher Fähig- und Fertigkeiten wie Ackerbau, Sammeln und Konservieren von Nahrung, Weben, Flechten, Töpfern beraubte Frauen ihrer eigenen Geschichte und machte sie sprachlos. Es bedurfte großer historischer Zeiträume, ehe sich die matriarchale Ordnung in patriarchale Herrschaftsver­hältnisse umwandelte und Frauen aus vielen Kulturbereichen verdrängt und ausgeschlossen wurden. Olympe de Gouges stellte der „Erklärung der Menschenrechte“ eine „Erklärung der Frauenrechte“ an die Seite und landete 1793 auf dem Schafott.

Sich der verschütteten Kulturleistungen von Frauen bewusst zu werden und den Zugang zu allen kulturellen und künstlerischen Bereichen zu erkämpfen, ist das Verdienst vieler mutiger Frauen in der Menschheitsges­chichte und der bürgerlichen und proletarischen Frauenbewegungen der letzten zwei Jahrhunderte. Faschismus und Kriege haben diese Bemühungen immer wieder zurückgeworfen. Die Neue Frauenbewegung hat vor 50 Jahren die maskulin besetzten Inhalte von Kunst und Kultur in zahllosen Initiativen und Publikationen kritisiert und auf das Fehlen von Frauen in allen kulturellen Bereichen aufmerksam gemacht. In „unerhörten“ Aktionen verschafften sich feministische Kulturwissenschaf­tlerinnen und Künstlerinnen Gehör und holten die „Frauenfrage“ aus dem Schatten des „Nebenwiderspruchs“ und der Umklammerung männlicher Wertmaßstäbe ins Sichtbarmachen kulturell aktiver Akteurinnen. Es entstanden feministische Zeitschriften, Buchhandlungen, Verlage und Frauenarchive, Medienfrauen oder schreibende Frauen schlossen sich zu Arbeitsgemein­schaften zusammen, Künstlerinnen und Galeristinnen schufen feministische Entwürfe und eigene Aktionsfelder, etwa im Theater- oder Filmbereich oder im Literaturbetrieb. Auch in der KPÖ hat es diese feministischen kulturellen Aufbrüche und Projekte gegeben, und sie wurden auch finanziell unterstützt und ideell begleitet. Die Enteignung des Vermögens der KPÖ durch die deutsche Treuhandgesellschaft hat diese Möglichkeit stark reduziert.

Heute sind die Spuren dieses Engagements in vielen Bereichen der Kunst und Kultur sichtbar, doch droht dieser feministisch-gesellschaftspo­litische Aufbruch zu stagnieren oder ausgehungert zu werden.

Die Lasten der aktuellen Krise, die auch im Kunst- und Wissenschaftsbe­trieb zuerst auf Frauen und ihre Projekte abgewälzt werden, stellen alle Menschen vor die Frage, ob eine demokratische Gesellschaft auf diese Erfahrungen und Erkenntnisse feministischer Arbeit verzichtet kann und will. Der „Kunstgriff“ auf Leben, Reproduktion, Technik und Wissenschaften bedarf einer kritischen Distanz durch Kulturschaffende, die der Instandsetzung und Restauration patriarchalen Selbstverständnis­ses einen Gegenentwurf bieten.

Gemeinsam sind wir stark

Die Frauenbewegungen entzündeten sich an unerträglichen Diskrepanzen: Am schönen Schein der Konsumwelt und der banalen Wirklichkeit von Ausbeutung und Herabsetzung. „Gemeinsam sind wir stark“ lautete die Devise des Aufbruchs in den 1970er Jahren. Frauen erhoben Anspruch auf Freiheit und Selbstbestimmung. Sie wollten alles: Beruf und Liebe, Kinder und politische Verantwortung, Brot und Rosen.

1974 formierte sich die Frauenbewegung im breiten Protest gegen den Paragraph 144 und für die Forderung nach dem Recht der Frau auf Selbstbestimmung. In den 1980er Jahren entstanden die politischen Plattformen für den Internationalen Frauentag am 8. März und Frauen-Sommeruniversitäten. Aber auch andere gemeinsame Aktionsfelder dienten dem praktischen Erfahrungsaustau­sch, der Frauenvernetzung und der theoretischen Diskussion. Das bunte Bild der österreichischen Frauenbewegung reichte von autonomen Frauengruppen, feministischen Wissenschaftle­rinnen, linken Katholikinnen bzw. Christinnen, Frauen aus Frauenhaus- und Frauenprojekten, der Lesbenbewegung bis hin zu Frauenfriedens- und Umweltgruppen, Frauenausschüssen von Parteien und Gewerkschaften, Fraueninitiativen und Frauenberufszu­sammenschlüssen, Frauenkultur-, Kommunikations- und Selbsterfahrun­gsgruppen.

In diesem frauenbewegten Aufbruchsklima blieben tatsächlich vorhandene Unterschiede zwischen Frauen unbenannt. Erst als es in den 1980er Jahren Frauen – zumindest ansatzweise – gelang, feministische Positionen in Lehre, Forschung, Institutionen oder Projekten zu erkämpfen, gewannen ideologische Auseinanderset­zungen – wie die Auseinandersetzung über die Differenz unter Frauen – an Bedeutung. Fragen wurden und werden bis heute diskutiert, welche weibliche Lebensrealität theoretische Beachtung finden und welche ausgeblendet bleiben, welche politischen Strategien Frauenunterdrückung beenden könnten, welche Auswirkungen Klasse, Ethnie und Geschlecht auf das handelnde Subjekt Frau haben, ob Geschlechterver­hältnisse in sozialen Zusammenhängen konstruiert und somit dekonstruierbar sind, oder ob genau diese Deutung des Geschlechterver­hältnisses als bloßes kulturelles Konstrukt ohne Wirklichkeitsgehalt nicht vielmehr kolonial und ethno-zentristisch sei.

Von der Solidarität zur Konkurrenz

Nicht zuletzt der Wettbewerb um beruflichen Zugang, Aufstieg und Anerkennung ließ Frauen in Konkurrenz zueinander treten und relativierte den Traum von Harmonie und Frauensolidarität. Die zum „Staatsfeminismus“ avancierten Frauenanliegen, die in Gleichbehandlun­gskommissionen, Gendermainstre­aming, Frauenbeauftragten, Frauenministe­rinnen, Frauenreferaten usw. ihren Ausdruck fanden, standen plötzlich mit autonomen Frauenprojekten, die in verstärktem Maß um Finanzierung, also Überleben kämpften, in Konkurrenz.

Noch ehe patriarchale Strukturen aufgebrochen wurden, entstanden für die Frauen ab Mitte der 1980er Jahre härtere Bedingungen. Arbeitslosigkeit, verschärfte Konkurrenz am Arbeitsmarkt, sexistische Medienstrategien, Privatisierun­gspolitik und konservative Familienideologien drängten die Frauenbewegung in Abwehrkämpfe. Vor dem Hintergrund der ökonomischen Krise mit ihren sozialen Ausgrenzungen, mobilisierten Deklassierungsängsten und wiederauflebende Biologismen, vor allem aber vor dem Hintergrund des beginnenden Abbaus sozialstaatlicher Sicherungs- und Unterstützungssys­teme schien die Zeit reif zu sein für Antifeminismen und die Reprivatisierung der „Frauenfrage“.

Unter dem Dogma des Neoliberalismus droht nun bereits Erkämpftes weitgehend wegzubrechen. Zunehmend geraten Frauen unter ökonomischen und sozialen Druck, und Vorstellungen von einem eigenständigen Leben rücken für viele in weite Ferne. Nicht zum ersten Mal in der Geschichte waren es die Konkurrenzen unter Frauen, soziale Differenzen und politische Fraktionierungen, die zur Stabilisierung des patriarchalen Systems vereinnahmt werden konnten.

Die Unterschiede in den Lebenssituationen von Frauen werden hervorgestrichen und es wird schwieriger, das Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen. Frauen sehen sich heute nicht nur als Opfer, sondern auch als Handelnde im Spektrum des Möglichen: Komplizinnenschaft und eigene Anpassung bleiben Themen. Aber die Widerspenstigen, Querdenkerinnen und Revolutionärinnen sind es, die uns Mut machen.

Frauen am Beginn des 21. Jahrhunderts

Frauenprojekte, die Frauen neue Handlungsfelder und Arbeitsweisen eröffnet hatten, führen einen ständigen Überlebenskampf um marktwirtschaf­tliche Nischen oder staatliche Zuschüsse. Autonome Frauenprojekte geraten in Abhängigkeit von Institutionen. Frauenreferate, eben noch Ausdruck von Demokratiebes­trebungen, bekommen die Dominanz der übergeordneten Organisation zu spüren. Feministische Forschung drang in die etablierte Wissenschaft vor und ist in Gefahr, vereinnahmt zu werden. Fach- und berufsspezifische Zusammenschlüsse von Frauen in den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Kunst drohen in Lobbyistinnen­tätigkeiten abzugleiten. Quotierte Personalentsche­idungen in Politik und Wirtschaft, einst als berufliche Ein- und Aufstiegshilfen gedacht, drohen heute der Lächerlichkeit ausgesetzt zu sein und werden von manchen Frauen selbst abgelehnt: Der patriarchal geschürte Makel, eine „Quotenfrau“ zu sein, trübt den Blick für tatsächliche Leistung. Der geschlechterqu­otierte Zugang in Wirtschaft und Politik wie auch in der gesellschaftlichen und häuslichen Arbeitsteilung ist jedoch ein brauchbares Instrument gegen weibliche Benachteiligungen.

Dennoch: Die Arbeit in Frauengruppen und -projekten hat die Frauen selbst verändert und ihren Blick für Demokratie und Selbstbestimmung geschärft. So leicht sind diese Erfahrungen nicht wegzuwischen. Neue Aufbrüche wie etwa das Frauenvolksbe­gehren, das 645.000 beglaubigte Unterschriften erhielt, oder die „Plattform 20000frauen“, die 2011 zum 100jährigen Jubiläum der ersten Frauentagsdemon­stration in Österreich mehr als 10.000 Frauen zu einer Demonstration auf die Wiener Ringstraße mobilisierte, zeigen, dass Frauen nicht gewillt sind, sich den patriarchalen Zuschreibungen und der Kapitaloffensive gegen ihre Rechte zu beugen. Eine neue Qualität in der Zusammenarbeit von Frauen ist entstanden und sie formiert sich auch um sozialökonomische Forderungen, die eine Durchbrechung neoliberaler Konzepte verlangen.

Auch das Management entdeckt die Frau – vielmehr die Sensibilität – als neue Führungsqualität und erhofft von Frauen in Leitungspositionen Anregungen für den Modernisierun­gsschub. Das berufliche Engagement der Frauen wird in kapitalistische Leistungsideologie kanalisiert, und den von Arbeitslosigkeit betroffenen Frauen wird die Alternative nahegelegt, sich selbstständig zu machen, kreativ zu sein, Marktnischen auszuforschen – ungeachtet der zahlreichen Insolvenzen von kleinen Firmen oder Ich-AGs und der fehlenden finanziellen Voraussetzungen für eine solche Entscheidung.

Marxistinnen sind gefordert, die Geschlechterpro­blematik historisch und in ihrer aktuellen Bedeutung aufzuarbeiten und zu analysieren. Sie ist nicht als Nebenwiderspruch fassbar und kein gesellschaftliches Politikfeld bleibt unberührt. Mit der Veränderung kapitalistischer Verhältnisse löst sich die Frauenfrage nicht „automatisch“. Der Kampf gegen patriarchale Strukturen einer Gesellschaft muss eigenständig geführt werden.

Der Feminismus orientiert auf die Aufhebung des Patriarchats als gesellschaftliches Unterdrückungsver­hältnis, das in allen Lebensbereichen wirksam ist. Damit wird auch eine Veränderung der Machtverhältnisse angestrebt zugunsten der Selbstbestimmung der Frauen und einer Demokratisierung der Gesellschaft. Aber der Streit um Inhalt und Formen der Emanzipation ist bei weitem nicht ausdiskutiert. Versuche, einen kämpferischen Feminismus zur wohlmeinenden Beliebigkeit zu verharmlosen und seine Inhalte konsumgerecht zu verwischen, sind auf der Tagesordnung.

Unsere Orientierungen

Die Entscheidung einer Frau, eine ungewollte Schwangerschaft abbrechen zu lassen, kann nur sie selbst treffen. Dieses Entscheidungsrecht in ganz Österreich durchzusetzen, erfordert die Verpflichtung für alle öffentlichen Spitäler, entsprechende Ambulatorien einzurichten und unter Einsatz der medizinisch gefahrlosesten und sanftesten Methoden den Abbruch kostenlos zu gewährleisten. Wir verlangen Sexualaufklärung, kostenlose Abgabe von Antikonzeptiva und dass der Schwangerschaf­tsabbruch aus dem Strafrecht genommen wird.

Damit Frauen nicht weiterhin die alleinige bzw. Hauptverantwortung für Verhütung tragen, müssen einerseits die gesundheitlichen Risiken von Verhütungsmitteln durch gezielte medizinische Forschung gesenkt und andererseits die Entwicklung von Verhütungsmitteln für Männer endlich vorangetrieben werden.

Wir fordern ein gendergerechtes Medizinverständnis und eine medizinische Behandlung in den Gesundheits- und Vorsorgeeinrichtun­gen und den ärztlichen Praxen, die geschlechtsspe­zifische Unterschiede und genderaffine Erkenntnisse schon in der Ausbildung berücksichtigen. Die Forschung und Herstellung von Medikamenten muss gendergerecht ausgerichtet sein, was sich nicht zuletzt auch in den Beipackzetteln zeigen muss.

Wir wollen die gleichberechtigte Teilnahme aller Menschen an gesellschaftlichen Entwicklungen. Eine Gesellschaft, in der Menschen nicht aufgrund ihres Geschlechts, ihrer sozialen oder ethnischen Herkunft und anderer – auch unterstellter – Unterscheidungen eingeschränkt, ausgegrenzt und diffamiert werden, kann nur durch umfassende Demokratisierung erreicht werden. Noch lässt uns der tägliche Kampf gegen eine mächtige Bewusstseinsin­dustrie wenig Raum, um unsere Erfahrungen zu einem umfassenden Bild einer alternativen Gesellschaft weiterzuentwickeln. Eine Chance der Zukunftsgestaltung liegt im Austausch von Erfahrungen und Vorstellungen über mögliche Formen, unser Leben zu gestalten.

Mut zur Utopie heißt, auf unsere eigenen Bedürfnisse zu hören und sie nicht immer und überall geforderten Sachzwängen unterzuordnen. Mut zur Utopie heißt die Vorwegnahme möglicher Lebensweisen, sei es in theoretischen Diskussionen oder in praktischen Versuchen. Mut zur Utopie heißt, hier und heute Alternativen zu entwickeln und auszuprobieren, Entwürfe zu konzipieren in solidarischer Auseinandersetzung mit allen Menschen, die gesellschaftliche Veränderungen anstreben. Dazu bedarf es auch des gleichberechtigten Zugangs zu Kunst und Kultur, der Förderung zeitgenössischer Kunst von Frauen.

Kulturelle Identität heißt, sich als Geschöpf und Schöpferin einer Kultur zu erkennen, erkannt und anerkannt zu werden. Frauen wehren sich gegen die Inbesitznahme und Vermarktung ihrer kulturellen und künstlerischen Äußerungen durch einen hochgezüchteten Kulturbetrieb und Geniekult. Wir treten für die ökonomische und ideelle Absicherung der Kulturschaffenden ein, für eine KünstlerInnen-Sozialversicherung und für finanzielle Absicherung feministischer Kunsträume und ihrer Produktionen.

Unter dem Eindruck der Krisenerschütte­rungen und angeblich leerer Staatskassen, die für die Schuldendienste geplündert wurden und werden, haben sich unzählige Eigeninitiativen entwickelt – zum Teil aus der Not, zum Teil als politische Antworten zum herrschenden System. Menschen nehmen ihre Überlebensgrun­dlagen vermehrt selbst in die Hand und entwickeln nicht zuletzt unter dem Eindruck der globalen Finanzkrise, der Umweltzerstörung und des Konsumterrors neue Ideen von gemeinschaftlichem Zusammenleben: Occupy-Bewegungen, Urban Gardening, Tauschzirkel, Crowdfunding, selbstverwaltete Wohnmodelle oder die Rückeroberung des öffentlichen Raums sind Ansagen gegen das „Versagen der Märkte“. Sie können Motor für neue Ideen eines gesellschaftlichen Miteinanders sein.

Die Humanisierung der Beziehungen zwischen den Menschen schließt einen neuen, völlig veränderten Umgang mit der Natur ein. Nicht Raubbau, Ausrottung und Dezimierung der Artenvielfalt sowie zweifelhafte Reparaturmethoden, sondern Kenntnisse und Fähigkeiten sind zu erwerben, die den sparsamen Umgang mit Ressourcen ermöglichen und die natürlichen Kreisläufe schützen und bewahren.

Kapitel 5
Frauenkampf im Spannungsfeld politischer Interessen

Die Frauenbewegung hat das Leben von Frauen und Männern verändert. Die Entschiedenheit, mit der Frauen antraten, für ihre Rechte zu kämpfen, setzte alle politischen Strömungen unter Zugzwang, ihr Verhältnis zur sogenannten Frauenfrage neu zu bestimmen.

Viele Errungenschaften in der Familienpolitik und in der sozialen Situation von Frauen konnten durchgesetzt werden. Nachfolgende Generationen hatten und haben deshalb andere Lebensvorstellungen und andere Realitäten in denen sie diese verfolgen, als ihre Elterngeneration.

Gleichzeitig sind Errungenschaften aber auch immer wieder bedroht. Aktuell werden unter neoliberalen Vorzeichen Möglichkeiten für Frauen rückgängig gemacht, üben sogenannte Väterrechtler Druck auf die Familiengeset­zgebung aus, wird das Frauenressort in der Regierung weiter abgewertet, statt zu einem Frauenministerium ausgebaut zu werden und werden Frauenprojekte ausgehungert.

Während des Aufschwungs der Frauenbewegung konnten wichtige Reformen – z.B. die Fristenlösung, Änderungen im Familienrecht, vor allem aber gesetzliche Maßnahmen gegen Gewalt gegen Frauen – durchgesetzt werden.

Dennoch ist die Ausfinanzierung des Gewaltschutzes noch immer nicht gegeben. Eine Reihe von Frauenhäusern in Österreich ist von schmerzhaften Kürzungen bedroht, es fehlen in vielen Gebieten ausreichend Plätze. Frauenberatun­gseinrichtungen fehlen vor allem im ländlichen Raum.

Bereits für selbstverständlich gehaltene Rechte werden unter den herrschenden neoliberalen und konservativen gesellschaftlichen Bedingungen aber nicht nur in Frage gestellt, sondern aktiv angegriffen und schrittweise demontiert.

Die Diskussion um Quotierungen

Da trotz formaler Gleichberechtigung Frauen in vielen gesellschaftlichen Feldern unterrepräsentiert waren und sind, erhoben Frauenbewegungen die Forderung nach Quotierungen in verschiedenen Formen.

Frauen haben sich an gesellschaftlichen Auseinanderset­zungen aktiv beteiligt, frauenspezifische Blickwinkel eingebracht und eigene Formen der politischen Aktion entwickelt.

Bewegungen zu anderen gesellschaftlichen Fragestellungen, wie z.B. die ökologische und Friedensbewegung, hätten ohne die starke Beteiligung von Frauen nicht jene Bedeutung erlangen können, die zumindest einzelne Veränderungen ermöglichten.

Aber auch Wissenschaft und Forschung wurden zunehmend ein Feld kritischer feministischer Konfrontation. Ohne Frauenbewegung wäre der Bereich Gen- und Reproduktionstechno­logie nicht so schnell und in dieser Schärfe gesellschaftspo­litisch-kritisch zum Thema geworden.

Die Politik in Österreich blieb Männerdomäne: im österreichischen Nationalrat z.B. ist der Anteil weiblicher Abgeordneter meist unter einem Drittel und kam lediglich zweimal auf 33 %. Sogar noch geringer sind Frauen in den kommunalen und regionalen Parlamenten vertreten. In ganz Österreich gibt es nur eine verschwindende Anzahl weiblicher Bürgermeister.

Frauen stellen zwar im Land die Mehrheit der Bevölkerung, ihre Lebenszusammenhänge und Anliegen sind aber in den etablierten politischen Gremien ein Minderheitenpro­gramm. Frauen engagieren sich auf vielfältige Weise, sind aber in den Gremien nicht vertreten, das zeigt, dass gegen sie besondere Ausschlussmecha­nismen wirken. Deshalb treten KommunistInnen für eine Quote bei allen KandidatInnenlisten für politische Vertretungen ein und setzen dieses Prinzip auf ihren eigenen Listen auch um. Auch im wirtschaftlichen Bereich, z.B. für Aufsichtsräte, ist dies durchzusetzen und Aufgabe der Politik, entsprechend einzugreifen, indem zum Beispiel öffentliche Förderungen an entsprechende Quoten gebunden werden.

Deshalb muss auch endlich ein Frauenministerium eingerichtet werden, das ausschließlich für Frauenpolitik zuständig ist.

Innerhalb der KPÖ ist eine 50-Prozent-Quotierung für alle Gremien und Ebenen klare Zielvorgabe.

Die Debatte um Quotierungen wird inzwischen zwar auch unter Frauen kritisch geführt. Für uns bleiben Frauenquoten aber ein wichtiges Instrument und öffnen unter anderem die Augen für Ungerechtigkeiten der geschlechtlichen Arbeitsteilung.

Das Selbstverständnis der KPÖ

Wir kämpfen für die Verbesserung unserer Lebensrealitäten in der aktuellen Situation im Neoliberalismus und formulieren unsere Vorstellungen und Forderungen für eine andere Gesellschaft, in der Kapitalismus und Patriarchat überwunden werden. In diesen Auseinanderset­zungen geht es uns also auch darum, die Grenzen des kapitalistischen Systems sichtbar zu machen.

Diese zeigen sich in den Fragen:

  • Wie sind der gesellschaftliche Reichtum, das Eigentum und die Arbeit verteilt?
  • Wer bestimmt über die Nutzung der Arbeitskraft, die Zeit und über den Inhalt der Arbeit?
  • Wer verfügt über die natürlichen Ressourcen?

An diesen Grundfragen, in denen es kaum demokratische Mitbestimmung und Mitentscheidung gibt, wird deutlich, dass patriarchale Kultur- und Herrschaftsformen mit dem kapitalistischen System untrennbar verbunden sind.

Der Kampf für Frauenrechte und für eine andere Gesellschaft braucht eigene Räume, Ressourcen und finanzielle Mittel.

Wir Kommunistinnen arbeiten mit andern Organisationen, in Bewegungen und Initiativen, suchen den Erfahrungsaustausch unter Frauen und die Zusammenarbeit, knüpfen mit an neuen und alten Netzen.

Die autonome Frauenbewegung und feministische Diskurse und Theorien veranlassten KommunistInnen zu einer kritischen Überprüfung des eigenen Selbstverständnis­ses. In Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Ansprüchen autonomer Frauengruppen entwickelte sich ein Lernprozess, der Oberflächlichkeiten und Einseitigkeiten bisheriger Theorie und Praxis bewusst machte. In Aufarbeitung marxistischer Erkenntnisse wurde deutlich, dass frauenpolitische Ansätze und revolutionäre Inhalte über Jahrzehnte in der Kommunistischen Partei verschüttet waren.

Die traditionelle Vorstellung von Gleichberechtigung in einem System der Unterdrückung übersah, dass patriarchale Strukturen Männer privilegiert, aber auch deformiert hatten. Die Entfremdung manifestiert sich nicht nur im ökonomischen Ausbeutungsver­hältnis, sondern auch in den Beziehungen zwischen den Geschlechtern. Diese tiefgreifenden Widersprüche kann der Klassenbegriff allein nicht erfassen.

So blieb auch das Thema Hausarbeit in der marxistischen Gesellschaftskritik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weitgehend ausgeblendet. Aber Bereiche, in die Kritik nicht vordringt, werden auch der Veränderung entzogen. Daher beziehen wir heute die Kategorie „Geschlecht“ als soziales Strukturmerkmal in unsere marxistischen Analysen und Theorien ein. Diese Diskussion über strukturelle Privilegien und Diskriminierung unter dem Einfluss globaler feministischer Theorien hat in der Folge die Analyse in vielen marxistischen und kommunistischen Parteien und Bewegungen radikal verändert. Nicht nur ‚Klasse‘ und ‚Geschlecht‘ (in der englischsprachigen Diskussion „Class“ und „Gender“), sondern als dritte Kategorie gesellschaftlicher Unterdrückung ‚Race‘ spielten eine zentrale Rolle bei der Erneuerung des Kommunismus gegen Ende des 20. Jahrhunderts.

Marxismus – Feminismus

Der Marxismus als radikale Theorie und Praxis will alle gesellschaftlichen Verhältnisse umwerfen, in denen der Mensch ein ausgebeutetes, verächtliches, verlassenes Wesen ist.

Da Menschen ihre Geschichte selbst machen, zwar nicht unter selbstgewählten, sondern unter vorgefundenen und überlieferten Umständen, müssen Frauen zu politisch Handelnden werden. Denn wenn wir uns nicht selbst befreien, gewinnen wir auch keine Freiheit und kein selbstbestimmtes Leben. Dazu müssen wir herausfinden, wie es eigentlich dazu kommt, dass sich Frauen nicht gegen unterdrückerische Strukturen wehren, wieso sie diesen vielmehr zustimmen, in sie einwilligen und dadurch ihre eigene Unterdrückung (mit)produzieren.

So wenig wie KommunistInnen heute denken, dass durch simple gewaltvolle Übernahme der Staatsmacht revolutionäre Veränderungen der Gesellschaft erreicht werden können, bedeutet Feminismus, dass Frauen die Macht übernehmen sollen, um das Herrschaftssystem umzukehren. Wenn Kommunismus die Bewegung ist, die alle gesellschaftlichen AkteurInnen auffordert, mit ihren eigenen Erfahrungen im Bereich von Herrschaft und Ausbeutung in einen gemeinsamen Befreiungsprozess einzutreten, steht Feminismus für die Bewegung, die alle Machtansprüche eines Geschlechtes über das andere zerstört, was die menschheitsges­chichtliche Grundlage aller Mächte ist. Beide Bewegungen verschreiben sich einem revolutionären Prozess, der sich nicht darin zeigt, die Unterwerfungsstruk­turen zu reproduzieren oder zu verbessern, sondern zu überwinden.

Die feministischen Bewegungen haben den Blick für die gesamte gesellschaftlich notwendige Arbeit geöffnet, indem sie das Thema Haus- und Reproduktionsar­beit, Familien- und Sorgearbeit in die Diskussion gebracht haben. Aber bis heute scheint es schwierig zu sein, zu begreifen, dass es Arbeit gibt, die die Hälfte aller gesellschaftlichen Arbeiten ausmacht, die von mehr als der Hälfte der Bevölkerung erbracht wird und dennoch unberücksichtigt bleibt.

Nicht zuletzt die Debatten um den Arbeitsbegriff haben dazu geführt, Herrschaft nicht mehr einfach als von oben kommend zu denken, sondern als System der mehrfachen, netzförmigen Verknüpfungen und damit auch Kapitalismus und Patriarchat als verschränkte gesellschaftliche Voraussetzungen zu verstehen. Sie haben dem Denken von Herrschaft neue Impulse gegeben.

Gelingt es Frauen, sich am Erwerbsarbeitsmarkt durchzusetzen und Arbeitsplätze einzunehmen, die bisher ausschließlich oder weitgehend von Männern besetzt waren, hat das seinen Preis: der Konkurrenzdruck verschärft sich weiter, vor allem aber fehlen die Frauen dort, wo sie bisher engagiert waren: in den Familien, bei ehrenamtlichen Aktivitäten, im nachbarlichen Umfeld. Deshalb ist auch gerade in Zeiten der zunehmenden neoliberalen Verwerfungen der Ruf, an den Herd der Familie zurückzukehren – zumindest teilzeitig –, lauter zu hören.

Alles, was nicht beschleunigbar, automatisierbar, rationalisierbar ist und dadurch dem Markt unterworfen werden kann oder einfach nicht genug Profit abwirft, muss außerhalb der Märkte, privat erledigt werden, oder es bleibt unerledigt. Diese Tätigkeiten werden ausgeblendet und dorthin abgegeben, wo die Märkte und die Marktgesetze (noch) nicht hinreichen. Frauen und MigrantInnen sind die Subjekte dieser Tätigkeiten.

Die industrielle Entwicklung hat die notwendige Arbeitszeit derart reduziert, dass die gesetzlich festgelegte Arbeitszeit so radikal gekürzt und auch nicht profitable Arbeit gerecht aufgeteilt werden kann, dass für alle Menschen mehr Zeit und Möglichkeit für Selbsterfahrung und dafür bleibt, wissensmäßige, kulturelle und emotionale Entfaltung zu erfahren.

Zynisch gesagt wurde die Arbeitszeit ja auch drastisch reduziert, aber dies führte zu Massenarbeitslo­sigkeit und dem „Abhängen“ ganzer Ökonomien im Süden. Kapitalistisch organisiert, führt die Ökonomie der Zeit zur Vertiefung der Spaltung in der Gesellschaft und nicht zu mehr Zeit für menschliche Entwicklung.

Geschlechterver­hältnisse sind Produktionsver­hältnisse

Produktionsver­hältnisse geben Auskunft darüber, wie die Menschen ihr Leben produzieren und organisieren. Menschen produzieren ihr Leben auf doppelte Weise, sie produzieren ihr eigenes Leben und fremdes Leben: das Fremde in der Fortpflanzung, das Eigene, indem sie sich als Menschen in diesem Prozess entwickeln und reproduzieren, auch mittels der Produktion von Lebensmitteln und Waren. Wir haben also von Anfang an zwei Weisen der Produktion, aus der einen kommen die Menschen und aus der anderen die Lebensmittel und Güter, die die Menschen brauchen.

Die Geschichte der Menschheit muss daher in zwei Richtungen bearbeitet werden: als Geschichte der Industrie, des Austausches der Arbeit und ihrer Produkte und als Geschichte der Fortpflanzung und Reproduktion der Generationen. Beides muss zusammen studiert werden.

Erst die Untersuchung der Familien- und Bevölkerungspolitik eröffnet den Blick auf die Konstruktionen dessen, was als natürlich gilt, was Geschlechter sein sollen. Das erst lässt verstehen, wie diese Konstruktionen auf den Ebenen von Moral, Ideologie und Symbolen abgestützt und gesichert, wie sie organisiert werden und eröffnet den Blick auf die patriarchalen Strukturen.

Konservatives Dilemma Familie

Vor allem für die „Neue Frauenbewegung“ war die Familie der Ort, an dem Buben und Mädchen sehr unterschiedlich sozialisiert werden. Mädchen werden darauf vorbereitet, in die prinzipielle Arbeitsteilung „Hausfrau“ und „Erwerbsmann“ einzuwilligen, ihren Körper entsprechend zuzurichten, ihre Sinne verkümmern und den Geist einrosten zu lassen, statt sich selbst zu entfalten.

Familie galt ihr als Inbegriff weiblicher Unterdrückung und Fortschreibung von Herrschaft von Generation zu Generation. Die Befreiung der Frauen war ohne Befreiung von der Familie nicht denkbar, um ihre Persönlichkeit durchzusetzen, mussten sie den Ort der Familie verlassen.

Teile der Frauenbewegung wollten daher „Familie“ als Unterdrückungsstruk­tur abschaffen.

Der Neoliberalismus tut es heute unter ganz anderen Vorzeichen. Im Grunde gibt es die traditionelle Familie, Mann-Frau-Kind(er) – immer weniger. Dennoch orientieren sich Sozialversiche­rungen, Lohn- und Gehaltshöhen oder Arbeitszeitges­taltungen zum Teil noch immer am männlichen Familienernährer-Modell. Es gibt hohe Scheidungsraten, die weiter wachsen, sodass man von Lebensabschnit­tspartnerInnen spricht. Es gibt eine wachsende Zahl alleinerziehender Eltern, zumeist Frauen.

Die wichtigste Grundlage für die bürgerliche Familie, das Modell des männlichen Ernährers, der (arbeits-)lebenslang für die materielle Ausstattung sorgt, ist ausgehöhlt. Frauen haben ihren prekären, aber nicht rückgängig machbaren Platz auf dem Arbeitsmarkt. Es gibt ein neues Verhältnis von Arbeit und Zuhause, neue Ansprüche an Beziehungen und Sexualität.

Die Familie ist in einer tiefen Krise, die von den kapitalistischen Verhältnissen ausgeht. Konservative wollen sie retten, ohne aber an den Ursachen der Zerrüttung zu rühren.

Wenn Familienmitglieder rastlos über den Globus wandern, um Erwerbsarbeit zu bekommen, wenn äußerste Flexibilität verlangt wird und dauerhafte Sesshaftigkeit oft mit Armut und Ausgrenzung bestraft wird, bleibt kein Raum für die Pflege eines traditionellen Familienlebens. Im Gegenteil: im „Jeder gegen Jeden“ und beim Abbau des Sozialstaates und sozialer Sicherheit scheint Familie – im erweiterten Sinn – ein Stützpunkt möglichen Widerstands zu werden.

Gemäßigtere Neoliberale scheinen besorgt und machen Vorschläge, wie Generationen- und Elternschaftsver­träge, wollen flexible Scheidungsgesetze, die Gleichstellung homosexueller und lesbischer Paare. Auch sie sollen selbstverständlich und ohne Einschränkungen Kinder groß ziehen können. Für Mütter soll es einfacher werden, berufstätig zu sein. Vätern soll der Zugang und Umgang mit den Kindern erleichtert werden. Jede und Jeder soll ohne staatliche Einmischung leben, wie er oder sie will, aber in Eigenverantwortung und möglichst ohne soziale Ansprüche an die Gesellschaft.

Zumindest einige sozialdemokratische Neoliberale sind sich dessen bewusst, dass die aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse mit der Aufkündigung der sozialstaatlichen Kompromisse nicht reibungslos funktionieren und gefährliche Klippen haben.

Auch die feministische Theorie und Strategie ist neu gefordert. Denn nicht alles, was von neoliberaler Seite kommt, ist einfach abzuschmettern. Fatal war zum Beispiel die Debatte zur Einführung des Kinderbetreuun­gsgeldes in Österreich. Die Sozialdemokratie und viele Gewerkschaftsfrauen zogen sich auf die Verteidigung des Karenzgeldmodelles zurück und lehnten jede Alternative ab. Sie argumentierten damit, dass „Unternehmerfrauen“ keine Leistungen aus Töpfen der unselbständig Beschäftigten beziehen sollten. Frauen, die in diesem Modell aber auch keinen Anspruch hatten, Studierende, Bäuerinnen und (Schein-)Selbständige, wurde keine Alternative angeboten und sie so den Neoliberalen, Rechten und Familiendemagogen überlassen.

Schon damals wäre die Debatte um ein bedingungsloses Grundeinkommen mit jener um ein neues Arbeitsverständnis zu verknüpfen gewesen. Soziale, politische und Arbeitsfragen können nicht voneinander getrennt diskutiert werden. Ebenso wenig Individuum und Gesellschaft. Der Individualisierung von Problemen wie es die Neoliberalen tun, ist die gesellschaftliche Verantwortung entgegen zu stellen.

Wir sind gefordert, zu debattieren, wie wir uns als Menschen denken und wohin wir uns entwickeln wollen. Wir müssen Formen eines neuen Zusammenlebens hier und heute entwerfen, Solidarität neu erfinden.

Die feministischen Bewegungen brauchen eine neue Vision von solidarischem Arbeiten und Leben und sie brauchen kleine Schritte von ebensolchen Praxen.

Unsere Orientierungen

Die marxistische Emanzipationsthe­orie erfasst nicht nur die Gleichstellung und Emanzipation der Geschlechter, sondern strebt die Veränderung einer strukturell patriarchalen Welt und ihrer Wertvorstellungen an. Diese Perspektive verlangt die Abschaffung der systematischen Unterdrückung der Frau und die Beseitigung der männlichen Privilegien. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist die Überwindung der geschlechtshi­erarchischen Arbeitsteilung in der Produktion und im Bereich der Reproduktion. Dabei ist die Frage des Eigentums in Verbindung mit Demokratie eine Schlüsselfrage. Gesellschaftliches Eigentum an den wichtigsten Produktionsmitteln bedeutet nicht, dass alle Gegensätze zwischen den Geschlechtern gelöst sind. Es ist aber Voraussetzung dafür, dass das ökonomische Interesse des Kapitals an der Minderbewertung der weiblichen Arbeitskraft entfällt und so die bewusste Gestaltung menschlicher Beziehungen in den Vordergrund treten kann.

Diese Orientierung erfordert Alternativen, die nicht einseitig eine Vereinbarkeit von Beruf und Beziehungsarbe­it/Haushalt für Frauen anstreben, sondern für beide Geschlechter ermöglichen. Dazu sind gesellschaftliche Maßnahmen notwendig, die die Produktion und den privaten Bereich grundlegend umgestalten, beide Bereiche umfassend demokratisieren. Die Forderung nach Quotierung ist eine Voraussetzung für umfassende strukturelle Änderungen von Produktion, Reproduktion und politischer Kultur. Wenn das Geschlechterver­hältnis auf allen gesellschaftlichen Ebenen, in der Erwerbsarbeit, in der Familie, im Alltag und in der Politik im emanzipatorischen Sinne verändert wird, hätte dies Umwälzungen auch in anderen Bereichen zur Folge.

So wollen wir Politik machen

In unseren Statuten verankert ist der Anspruch, dass in allen Leitungen und Arbeitsgremien der KPÖ der Frauenanteil 50 Prozent betragen soll. Ebenso ist die regelmäßige Überprüfung dieses Beschlusses sowie der Bedingungen, ihn in allen Parteistrukturen zu verwirklichen, verankert.

Denn auch in der KPÖ gibt es sexistisches Verhalten von Genossen und Genossinnen, sind traditionelles Denken und auch Formen von Gewalt in den Beziehungen zwischen Frauen und Männern nicht überwunden. Es gibt keinen Automatismus von dem programmatisch erhobenen Anspruch auf Emanzipation hin zu einem entsprechenden Handeln im Alltag. Das veränderte Selbstverständnis von Frauen lässt Männer nicht unberührt, verlangt von ihnen Reflexion und Konsequenzen für ihr Selbstbild und ihr Handeln. Die bewusst geführte Auseinandersetzung zu diesen Fragen benötigt eine politische Kultur des produktiven Meinungsstreits.

Frauen stärken Frauen

Frauensolidarität ist Teil des Selbstverständnis­ses der KPÖ. Sich positiv aufeinander zu beziehen und einander anzuerkennen, ist unser Anspruch.

Wir brauchen eine entsprechende Bildungsoffensive in der gesamten Partei.

Wir verbinden die persönliche Betroffenheit und unser politisches Handeln mit dem Interesse, die Gesellschaft zu analysieren und zu verändern.

In der KPÖ sind Erfahrungen unterschiedlicher Generationen, von Frauen und Männern in verschiedenen Lebenszusammen­hänge, Berufen und familiären Situationen aufgehoben und werden auf Augenhöhe ausgetauscht und beachtet.

In den verschiedenen Abschnitten der Geschichte – von der Gründung der KPÖ vor fast 100 Jahren, über den antifaschistischen Widerstand, die Auseinanderset­zungen im Kalten Krieg bis zum Ringen um eine kritische Aufarbeitung der eigenen Geschichte und dem Bruch mit stalinistischen Aspekten der Parteigeschichte und Kultur – hatten Genossinnen wichtigen Anteil.

In der KPÖ versuchen wir, uns eine ganzheitliche Sichtweisen auf die gesellschaftlichen Verhältnisse zu erarbeiten und in unserer gemeinsamen politischen Praxis zur grundlegenden Transformation der Gesellschaft beizutragen.

Auch wenn heute viele Frauen mehr zu verlieren haben, als nur ihre Ketten, haben wir noch immer gemeinsam eine ganze Welt zu gewinnen, in der Jede und Jeder nach ihren und seinen Fähigkeiten beiträgt und Alle nach ihren Bedürfnissen teilhaben.


Frauenprogramm der KPÖ, beschlossen vom 36. Parteitag, 18./19.Oktober 2014 durch die Frauenversammlung.

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