KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Resolution: Radikales Umdenken in der Verkehrspolitik: Freifahrt und Ausbau des öffentlichen Verkehrs für soziale Treffsicherheit.

(20.10.2014)

Resolution Nr. 5 des 36. Parteitags der KPÖ, 2014

Antragsteller Bundesvorstand

Eine Gesellschaft, die eine ökologisch sinnvolle und sozial wirksame Verkehrspolitik will, muss das auch so meinen und Rahmenbedingungen dafür schaffen. Neben den detaillierten Konzepten von SpezialistInnen in den diversen Einrichtungen und Organi-sationen zu diesem Thema sieht die KPÖ als Kernbereiche folgende Forderungen an:

1.) Freifahrt

Wir fordern, statt des aktuell unübersichtlichen Wildwuchs in der Tarifpolitik zwischen den einzelnen Betreibern, die Einführung der Freifahrt mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln.

Finanziert kann die Freifahrt über Umschichtung etwa der Mineralölsteuer, flächendeckender LKW-Maut, Parkgebühren, der City-Maut sowie über den Wegfall eines Großteils der Penderlbeihilfen werden. Ähnlich der U-Bahnsteuer in Wien kann auf Bundesebene eine Nahverkehrsabgabe von den Betrieben eingehoben werden. Natürlich gibt es auch die Möglichkeit Gewinne der Energieversorger für den Ausbau und die Erhaltung der Öffis zu nutzen (Quersubventi­onierung).

2.) Ausbau des Angebots im Öffentlichen Verkehr

> Umleitung des (privaten und gewerblichen, industriellen) Individual-Verkehrs dort wo es möglich ist auf die Schiene, Busse oder Wasserwege. Ein großer Teil davon wird sofort möglich sein – etwa durch die verpflichtende Nutzung der Bahn für den Güter- und Transitverkehr auf den bereits bestehenden Linien. Gleichzeitig ist umgehend an einem Konzept für ein durchdachtes System öffentlicher Verkehrsmittel zu arbeiten, das nicht auf die Ballungsräume beschränkt ist.

> Rascher Ausbau des Angebots im ÖV durch: Verdichtung der Intervalle und des Streckennetzes, Schaffung von Taktfahrplänen und guter Anbindungen auch in der Nacht und an den Wochenenden, zeitliche Vernetzung von Bahn- und Buslinien. Die Rückholung bzw. Behaltung des ÖV in öffentichem Eigentum.

Hier kann sich Österreich durchaus ein Beispiel an der Schweiz nehmen, die ab einer EinwohnerInnenzahl von 100 Personen die verpflichtende Anbindung an die Öffis gesetzlich festschreibt. Vor allem außerhalb der Ballungsräume sind die Angebote im ÖV in Österreich in den letzten Jahren weiter zurückgegangen – durch Einstellung und Ausdünnung von Nebenbahnen und Buslinien. Vor allem die Fahrzeiten ein deutliches Hindernis für deren Nutzung dar, bleibt doch das Auto daneben konkurrenzlos schnell.

Menschen, die zur Arbeit in die Städte pendeln, wollen oft auch dort ihre Freizeit verbringen. Gibt es Abends oder Nachts keine oder nur sehr selten die Möglichkeit öffentlich nach Hause zu kommen, führt am Auto kein Weg vorbei. Gleiches gilt für die Nutzung des ÖV in der Freizeit, an Wochenenden und Feiertagen.

Bereitstellung der notwendigen finanziellen Mitteln, etwa über die Umwidmung von Geldern für geplante Straßenausbauten oder die Abschöpfung der Gewinne der Energieunternehmen hin zu Investitionen für Bahn-, U-Bahn-, Straßenbahn-Ausbau und den regelmäßigen Betrieb bestehender Infrastruktur.

> Keine weitere Einstellung von Bahn- oder Buslinien und vor allem kein weiterer Abriss oder Verkauf von Bahninfrastuktur.

> Schaffung kostenfreier Parkplätze an den Zusteigestellen und Regelung des Kostenausgleichs für PendlerInnen, die ohne Anbindung an Öffis leben. Verstärkte Anstrengungen, um möglichst viele Menschen schon vor dem P&R „abzuholen“. Erfahrungsgemäß fährt, wer einmal im Auto sitzt, damit auch bis ans Ziel der Reise. Trotz z.B. Einführung der Parkgebühren in Wien pendeln heute täglich 300.000 Autos nach Wien, 2012 waren es noch 100.000 weniger. 36.000 neu geschaffene P&R-Plätze in NÖ bleiben damit deutlich hinter dem Bedarf zurück.

> Schluss mit der Kostenlüge: Kostenwahrheit bedeutet, alle Ausgaben an den unterschiedlichen Stelle (Bund, Land, Gemeinde) zu berücksichtigen und alle Faktoren einzurechnen. So bedeutet motorisierten Individual-Verkehr jenseits der Abgasbelastung auch Feinstaub und Lärmbelastung. Unfälle sind für Kosten im Gesundheitswesen verantwortlich, etc. In diesem Sinn geht auch der Einsatz von Elektromobilen, neben der sozialen – wer kann sich das schon leisten – und ökologischen bzw. raumplanerischen Implikation, am Kern des Problems vorbei.

> Die Raum- und Stadtplanung hat versagt: Straßen zerschneiden Landschaften und ermöglichen den Wildwuchs „Zersiedelung“ erst. Hier ist die Politik gefordert, neue, Menschen und Umwelt entlastende Vorgaben zu entwickeln. Zukunftsfähige Raumplanung muss sich am Öffentlichen Verkehr orientieren mit Maßnahmen wie: Schaffung von Parkplätzen, die in der gleichen Entfernung vom Wohnort, Arbeitsplatz, … wie die Öffis liegen. Die Vergabe von Baubewilligungen nur bei Anbindung an Angebote des Öffentlichen Verkehrs, etc.

Nicht zuletzt geht es aber darum, Leben und Mobilität grundsätzlich neu zu organisieren und den nicht motorisierten Individualverkehr in diese Konzepte einzubeziehen. Das Fahrrad und Fußgänger verlangen andere Distanzen bei der Bewältigung von Arbeits- und Freizeitwegen als AutofahrerInnen heute aufgezwungen wird.

> Die KPÖ-Forderungen nach Schaffung von Arbeitsplätzen, Freizeit- und Einkaufsmöglichke­iten in der Region, radikaler Arbeitszeitver­kürzung um Stress aus dem Leben der berufstätigen Menschen zu bekommen, wirken sich auch auf die CO2-Bilanz positiv aus.

> Wir wollen den öffentlichen Raum als Platz zum Leben, als Ort der Begegnung zurückerobern. Dazu braucht es die Beschäftigung mit innovativen Projekten zur gleichrangigen, gemeinsamen Nutzung aller Bereiche im öffentlichen Raum statt der heute festzementierten Segmentierung in Fahrbahnen, Geh- und Radweg, Aufenthaltsflächen, …

> Um den Flugverkehr auf ein klimaverträgliches Maß zu reduzieren, muss er radikal reduziert werden. Dafür ist die Rücknahme der Liberalisierung im europäischen Luftraum notwendig. Beim Flugverkehr ist besonders schön zu sehen, dass erst das Angebot die Nachfrage geschaffen hat.

Begründung

Der im September 2014 veröffen­tlichte nationale Klimawandel-Sachstandsbericht zeigt auf, dass Österreich als alpines Land von der Klimaerwärmung besonders betroffen ist. Seit 1880 ist demnach die Temperatur um fast zwei Grad gestiegen, im globalen Maßstab um 0,85 Grad, und wird weiter steigen. Das hat Auswirkungen auf praktisch alle Bereiche des Lebens. Die 240 Forscher, die drei Jahre an diesem Bericht gearbeitet haben, fordern „radikale strukturelle und technische Umbaumaßnahmen“.

Einer Forderung, der deutlich Nachdruck zu verleihen ist, bleibt Österreich doch Topreiter unter den Ländern, die das (selbstgesteckte) Klimaziel verfehlen. Was nicht wundert, wenn die umfassende Strategie, die der zuständige Umweltminister gegen den Temperaturanstieg anbietet, in nicht näher definierten „Klimaschutzmaßnah­men“ und „Anpassung an den Klimawandel“ besteht.

Mitverantwortlich für dieses Versagen ist eine Verkehrspolitik, die praktisch ungebrochen am Auto festhält. Erstaunlich, dass unsere Gesellschaft hinnimmt, dass die Errungenschaft eines öffentlichen Verkehrsnetztes vor allem außerhalb der Ballungsräume einfach weggewischt wird. Dabei ist festzuhalten, dass jede eingestellte oder ausgedünnte Buslinie bzw. Bahnstrecke auch eine soziale Implikation hat: Das sind Maßnahmen, die einmal mehr Frauen, Kinder, alte oder kranke Menschen und solche, die sich ein Auto nicht leisten können negativ treffen. Mobilitätsarmut bedeutet eingeschränkte Teilhabemöglichkeit am gesellschaftlichen Leben. Aber Standortentsche­idungen oder der Bauplatz des neuen Hauses werden meist von Menschen getroffen, die über ein Auto verfügen.

Die sozialen Missstände auch international und die globale Klimasituation gleichermaßen, machen ein radikales Umdenken in der Verkehrspolitik notwendig. Mobilität ist neben anderen Faktoren eine Grundvoraussetzung für die gesellschaftliche Teilhabe – egal, ob für private Zwecke, oder um am Erwerbsleben teilnehmen zu können. Geichzeitig zerstört der motorisierte Individualverkehr (MIV) Städte und soziale Räume, reduziert also die Lebensqualität für die Menschen, und ist Hauptverursacher des CO2-Ausstoßes.

„Was alle brauchen, muss allen gehören“

Am Öffentlichen Verkehr (ÖV) führt bei der Lösung dieser Probleme kein Weg vorbei. Es ist also notwendig, den „Öffis“ den Vorrang einzuräumen. Voraussetzung dafür, dass sie dabei sozial verträglich organisiert werden, ist, dass sie in gemeinschaftlichem Eigentum bleiben bzw. wieder vergesellschaftet werden. Die „Freifahrt“, also die kostenfreie Nutzung aller Angebote im öffentlichen Verkehrsbereich oder auch nur die Orientierung des Angebots an gesellschaftlichen Notwendigkeiten, ist mit privatisierten Betrieben ungleich komplizierter bis unmöglich zu haben.

Die Forderung nach „Freifahrt“ ist kein unrealistisches Hirngespinst, sondern leistbar und gesellschaftspo­litisch sinnvoll. Laut Regulationsbehörde E-Control ist es ohnehin so, dass die Öffentlichen Verkehrsmittel bereits heute zu 70 Prozent von der Bevölkerung bezahlt werden, egal ob die Menschen sie nutzen oder nicht. Seit Jahren hält sich das Gerücht, dass die Einnahmen über den Ticketverkauf und die Ausgaben für die Bereitstellung und Kontrolle z.B. in Wien, maximal eine ausgeglichene Rechnung ergeben. Die Fahrkarte hat somit mehr mit Disziplinierung zu tun, als mit einer Finanzierung der Öffentlichen Verkehrsmittel.

Was wir dafür brauchen

Allem voran, ein Umdenken in den politischen Gremien: Funktionierender ÖV ist eine Frage des Wollens. Das beweisen etliche regionale und internationale Beispiele – z.B. die Erfolgsgeschichte der Salbzurger Lokalbahn die seit der Übernahme durch die Salzburg AG stabil betrieben wird und regelmäßig Linien und das Geschäftsfeld ausbaut oder die Vinschgerbahn in Südtirol mit einem landesweiten Taktfahrplan, einem durchgängigen Preisangebot, regionalen Begleitmaßnahmen und Fahrgastzahlen weit über der Erwartung.

Wir brauchen einen Bruch mit dem weit verbreiteten Mythos, das Auto stehe für Freiheit und Individualität, genauso, wie mit den verschleierten Kostenrechnungen auf diesem Gebiet: Mobilität ist eine zentrale Anforderung, die „die Wirtschaft“ an Arbeitskräfte stellt. Das AMS mutet Arbeitslosen immer weitere Anfahrtswege zum neuen Job zu. Gleichzeitig wird das Angebot im öffentlichen Verkehr sukzessive verschlechtert. Die Tickets werden teurer, Vorverkaufsstellen unzugänglicher, Nebenbahnen eingestellt, die Intervalle vergrößert, … Bei den Zuschüssen zur Bahn wird gespart, gleichzeitig fließen Unsummen in den Ausbau von Autostraßen, oft zugunsten umweltpolitisch kontraproduktiver, überteuerter Prestigeprojekte.

Budgetpolitik, Planung des Öffentlichen Verkehrs, Raumplanung, Energiepolitik und der Umgang mit dem motorisierten Individualverkehr müssen ineinandergreifen, um zu positiven Ergebnissen zu kommen. Österreich hat die größte Autobahndichte aller EU-Länder, was die Spirale der Zersiedelung und des Wegrückens aller Bereiche vom ÖV weiter treibt. Straßenverkehr nimmt dem ÖV im ländlichen Raum Fahrgäste weg. Gütertransport erfolgt selbst dort, wo es Schienen gibt mehrheitlich über die Straße. Es braucht oft keinen weiteren Ausbau, sondern den regelmäßigen Betrieb und den Erhalt von vorhandener Infrastruktur um die Menschen „zum Umsteigen“ zu bewegen. Ist doch das Auto ein Verkehrsmittel, das hohen Betriebskosten und stundenlang unproduktive und nervenaufreibenden Zeiten in Stau und beim Parkplatzsuchen bedeutet.

Wir brauchen ein umdenken in der Budgetpolitik und der Administration: Bund, Länder und Gemeinden müssen für die Erreichung eines tauglichen ÖV, der die Interessen der Fahrgäste in den Mittelpunkt stellt, zusammenarbeiten, statt sich gegenseitig den schwarzen Peter zuzuschieben. Heute fehlt es den Kommunen in deren Entscheidungsbe­reich Nahverkehrsein­richtungen liegen, meist selbst bei gutem Willen an den nötigen Mitteln zum Betrieb von Bus- und Bahnlinien. Der Verkehrsdienste­vertrag, die bürokratischen Zwischenebenen zwischen „Bestellern“ und „Anbietern“ zementieren unbrauchbare Zustände oft für Jahre. All das gehört aufgebrochen und neu überdacht, Kompetenzen und Geldströme transparent und übersichtlich gestaltet und eine rasche Umstrukturierung finanziell ermöglicht.

Über www.kpoe.at oder bundesvorstand@kpoe.at sind Referate und Hintergrundma­terialen zum Thema abzurufen.

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