KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Grundzüge einer Neuorientierung

(19.3.1994)

Beschlossen vom 29. Parteitag der KPÖ am 19./20. März 1994 in Linz

1. Probleme unserer Zeit

Am Ende des 20. Jahrhunderts ist der Kapitalismus wieder zum weltbeherrschenden wirtschaftlichen System geworden. Aber trotz aller Behauptungen seiner Ideologen, daß dies die vernünftigste Ordnung menschlichen Zusammenlebens sei, wachsen Elend und Unrecht; werden die produktiven Möglichkeiten der Technik für Waffen und Luxuskonsum einer Minderheit verschleudert; werden die Naturressourcen rücksichtslos geplündert.

Der Krieg ist nach Europa zurückgekehrt. Weltweit ist die Kriegsgefahr größer und allgegenwärtig geworden. Die Mittel, in jeder Weltgegend zu intervenieren und mit Bomben und Raketen beinahe jedes Land der Welt gefügig zu machen, liegt derzeit nur bei einem einzigen Staat, den USA. Diese Vormachtstellung bleibt aber nicht unangefochten. Japan und Westeuropa haben sich zu konkurrierenden Zentren des Reichtums und der Macht entwickelte Darüber hinaus aber wachsen die Widerstände weltweit, sich die von den USA dominierte Weltordnung aufzwingen zu lassen. Auf Perspektive bergen diese Spannungen, die Gefahr eines neuen Weltkrieges.

Wir leben in einer Zeit tiefgreifenden globalen Umbruchs. Aufgrund der inneren Widersprüche dieses Prozesses, und auch weil entgegengesetzte sozialpolitische und kulturelle Kräfte sich in ihm durchzusetzen trachten, ist sein Resultat noch nicht absehbar.

Heute nach dem Zusammenbruch der Staaten Osteuropas und der Auflösung der Sowjetunion kann konstatiert werden: Die meisten Projekte kommunistischer Parteien, staatliche Alternativen zum Kapitalismus zu errichten, konnten durch innere Fehler dem äußeren Druck nicht standhalten. Aber weder in den Staaten Osteuropas und der Ex-Sowjetunion noch im weltweiten Maßstab haben sich dadurch die Existenzbedingungen der Menschen verbessert. Im Gegenteil, die Lage ist durch wachsende soziale Ungerechtigkeit, Frauendiskrimi­nierung, Nationalismus, Kriege und ökologische Katastrophen gekennzeichnet.

Immer mehr Menschen auch der Industrieländer erfahren die Grenzen des kapitalistischen Systems, ohne allerdings eine Alternative zu erkennen.

Notwendig und zeitgemäß ist es daher, die Debatte um eine solche Alternative zur kapitalistischen Weltherrschaft in Wirtschaft, Politik, Ideologie und Kultur aufzunehmen und die Entwicklung aktiv mitzugestalten. Die KPÖ möchte mit der vorliegenden Erklärung, die von den Grundsätzen und Werten der sozialistischen Arbeiterbewegung ausgeht, dazu einen Beitrag leisten.

1.1. Verteilung der Güter und Lebenschancen

Der Kapitalismus durchdringt nach mehr als 200 Jahren seiner Entwicklung nunmehr die entlegensten Winkel der Erde.

  • Er schuf einen Weltmarkt mit internationaler Arbeitsteilung – und das damit verbundene globale Geflecht von Ungerechtigkeit, Ausbeutung, Klassen-, geschlechtsspe­zifischer, rassistischer und nationaler Unterdrückung.
  • Die hochindustria­lisierten kapitalistischen Gesellschaften, in denen ein Fünftel der Menschheit lebt, verbrauchen vier Fünftel der weltweiten Ressourcen und tragen die Hauptschuld an der Zerstörung der Ökosphäre.
  • Die Frauen leisten zwar zwei Drittel der weltweit notwendigen Arbeit, erhalten dafür aber nur ein Zehntel der bezahlten Einkommen.
  • Wenige hundert transnationale Konzerne kontrollieren die Arbeits- und Lebensbedingungen von Milliarden Menschen.
  • Selbst Staaten, in denen nichtkapitalis­tische Gesellschaften aufgebaut werden sollen, können nicht umhin, sich dem kapitalistischen Weltmarkt einzugliedern und sich seinen Zwängen anzupassen.

Perspektive einer Veränderung

Wenn wir über Hunger und Elend in der Dritten Weit sprechen, die nur wenige hundert Kilometer von Osterreichs Grenzen im Osten und Süden Europas beginnt, so nicht nur auf Grund moralischer Verpflichtung zur Menschlichkeit. Wir sind davon überzeugt, daß im Unrecht der Welt auch der Schlüssel zu seiner Beseitigung liegt.

Während in den Industrieländern die traditionellen Kernschichten der Arbeiterklasse auf Grund von Automatisierung und Rationalisierung zurückgehen, führte die Industrialisierung in der Dritten Welt zur Zunahme lohnabhängiger Arbeit und zum Entstehen eines hunderte Millionen Menschen umfassenden Proletariats.

Eine fundamentale Tatsache unseres Zeitalters, die aus der von den Massenmedien systematisch manipulierten Wirklichkeit ausgeblendet wird, besteht darin, daß die Herrschaft des Kapitals weltweit auf Widerstand stößt.

Optimismus schöpfen wir aus dem Wissen, daß in der Vergangenheit immer wieder Menschen die Kraft gefunden haben, ihre Ausbeuter und Unterdrücker abzuschütteln und das gilt auch für die heutige Zeit.

Dabei ist das Erkennen der Hauptprobleme unserer Zeit und der eigenen Rolle in diesen Entwicklungen der erste Schritt zum Eingreifen und zum Kampf für eine menschlichere und gerechtere Welt.

1.2. Scheitern des „Realsozialis­mus“[1] in Europa

Zwar ist der historische Abstand noch zu gering, als daß eine umfassende Wertung dessen, was wir „Realsozialismus“ genannt haben, gegeben werden könnte. Notwendig ist aber eine gleichermaßen kritische wie differenzierte Sichtweise, die positive und negative Momente berücksichtigt.

Wir gehen bei unseren Überleitungen davon aus, daß angesichts von Krieg, Faschismus und weltweiter Ungerechtigkeit Versuche, eine zum Kapitalismus alternative Gesellschaftsor­dnung in staatlicher Form zu verwirklichen, geschichtlich berechtigt waren, sind und es weiterhin sein werden. Fest steht auch, daß die Revolutionen unter dem Zeichen des Sozialismus die Hoffnungen von Millionen Frauen und Männern, Arbeitern, Bauern, Intellektuellen und Künstlern der ganzen Welt auf sich gezogen und das Antlitz des Jahrhunderts geprägt haben.

Beim Versuch einer geschichtlich gerechten Beurteilung muß bedacht werden, daß schon die erste dieser Revolutionen unter den denkbar ungünstigsten Bedingungen stattfand: Das zaristische Rußland bildete den Rand der damals industrialisierten Welt, seine Arbeiterklasse eine Minderheit im riesigen Reich. Obwohl das Beispiel der Bolschewiki die europäischen Arbeiter zum Aufstand gegen den Krieg inspirierte, blieb die russische Revolution vor allem auf Grund des Versagens der Sozialdemokratie isoliert.

Die Deformationen, die das sozialistische System in der Sowjetunion während der 20er- und 30er Jahre erfuhr, und die stalinistischen Verbrechen können aber nicht als zwingende Folge von Unterentwicklung und Isolierung, das heißt als unausweichlich gerechtfertigt werden. Sie sind vielmehr das Resultat einer Fehlkonzeption (… ) sozialistischen Aufbaus, die unter den besonderen geschichtlichen Umständen der Sowjetunion in der allein regierenden kommunistischen Partei durchgesetzt wurde.

Selbst Lenins Hinweise auf die Gefahr der Bürokratisierung und die Warnungen westlicher Marxistlnnen, wie Rosa Luxemburg und Antonio Gramsci, wurden nicht nur von der sowjetischen kommunistischen Partei, sondern auch von den Parteien im Westen ignoriert. .

Die bisherigen Versuche, sozialistische Gesellschaften aufzubauen, haben gezeigt, daß ökonomische und legistische Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter nicht ausreichen, wenn sie nicht mit der Oberwindung der geschlechtsspe­zifischen Arbeitsteilung und einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit weiblichen Sichtweisen und Lebenszusammen­hängen verbunden sind.

Eine historisch gerechte Beurteilung des Realsozialismus muß aber auch den Beitrag der Sowjetunion zum Sieg über den Nazifaschismus anerkennen, Tragische Fehlentwicklungen und im Namen des Sozialismus begangene Verbrechen können ebensowenig geleugnet werden wie zu ihrer Zeit einzigartige sozialpolitische Fortschritte, der Anteil an der Oberwindung des Kolonialismus und an der Vermeidung eines Dritten Weltkrieges.

Für die gesamte Geschichte des Realsozialismus gilt, daß angesichts der jahrzehntelangen militärischen Konfrontation mit dem Kapitalismus (Intervention der Westmächte, Zweiter Weltkrieg, Kalter Krieg) die Chancen sozialistischer Entwicklung sehr ungünstig waren. Gescheitert ist sie aber vor allem an inneren Widersprüchen, an der Unfähigkeit, die modernsten Produktivkräfte zu entfalten und Demokratie zu entwickeln; letzten Endes daran, daß es trotz mehrmaliger Ansätze nicht gelang, die bürokratischen und autoritären Deformationen der 20er- und 30er Jahre restlos zu überwinden.

Das kennzeichnete auch den Versuch Gorbatschows, Mitte der 80er Jahre einen Ausweg aus Stagnation und Krise der sowjetische Gesellschaft zu finden, der mangels einer realistischen und überzeugenden Konzeption in Kapitulation und Zusammenbruch endete.

Eine differenzierende Einschätzung des gescheiterten „Realsozialismus“ führt uns zur Schlußfolgerung.

Der Zusammenbruch in Osteuropa bedeutet nicht das Ende der Geschichte. Er markiert auch nicht das Scheitern der sozialistischen Idee als solcher, sondern eines speziellen geschichtlichen Modells des Sozialismus. Diese Erfahrung kritisch auszuwerten, ist ein e der notwendigen Voraussetzungen für eine Erneuerung der sozialistischen Bewegung.

1.3.Nationalismus, Fundamentalismus und Krieg

Wenn wir über die Krisenherde in Europa hinausblicken, zeigt sich ein ebenso erschreckendes wie für die industrialisierten Länder beschämendes Bild.

Nur wenige Länder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas vermochten Anschluß an das Produktivitätsni­veau der entwickelten kapitalistischen Welt zu finden – und das um den Preis exzessiver Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeitenden, Marginalisierung eines großen Teils der Bevölkerung und der Ausplünderung nationaler Ressourcen. Für die überwältigende Mehrheit der Entwicklungsländer sind die letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts eine Zeit der Stagnation, in den meisten Fällen sogar der Verschärfung der Entwicklungspro­bleme wie Hunger, Krankheit, Verschuldung und Stukturschwäche.

Mehr als 50 Kriege werden heute gleichzeitig auf unserem Planeten geführt. In Lateinamerika, Afrika und Asien entstanden neue Krisenherde.

Nationalismus und Krieg prägen den gesamten Verlauf des kapitalistischen Zeitalters. Mit dem Wegfall des „Sozialistischen Weltsystems“ ist nun der Krieg auch nach Europa zurückgekehrt. Die vom Westen importierte radikale Marktwirtschaft hat in Osteuropa Massenarbeitslo­sigkeit und Verarmung über große Teile der Bevölkerung gebracht. Korrupte, inkompetente, zum Teil aus der Nomenklatur der ehemals regierenden kommunistischen Parteien hervorgegangenen Cliquen haben sich an die Schalthebel der Macht gesetzt. Ökonomischer, sozialer und kultureller Zerfall bedrohen riesige Regionen. Die ehemaligen Staatssysteme Osteuropas hatten, welche Fehler auch immerzu ihrem Zusammenbruch geführt haben, Faschismus, Rechtsextremismus und Chauvinismus aus dem politischen Leben ausgegrenzt. Die heutigen „Eliten“ benützen diese überwunden geglaubten Ideologien, um vom Versagen ihrer marktwirtschaf­tlichen Dogmen abzulenken und ihre Macht zu stabilisieren.

Die Herrschenden im Westen zeigen keine Absicht, eine wirtschaftliche und soziale Konsolidierung Osteuropas tatsächlich zu fördern. Sie haben ihr Ziel erreicht, nämlich zu verhindern, daß diese Staaten einen eigenständigen, sozialistischen Weg aus der gesellschaftlichen Krise der 80er Jahre finden. Die Versuche einer sozialistischen Erneuerung wurden vereitelt. Jetzt nützt der kapitalistische Westen in neokolonialis­tischer Weise die im Osten billige Arbeitskraft und die geringeren ökologischen Standards aus. Quer durch Europa verläuft ein neuer Eiserner Vorhang, jenseits dessen Zonen der Verarmung und der Instabilität geschaffen werden und für längere Zeit bestehen bleiben. Zunichte gemacht Werden im Osten auch die Ansätze zur Gleichberechtigung der Geschlechter; ein nationalistisches Frauenbild wird geprägt.

Nach dem Ende der Sowjetunion und der Auflösung des Warschauer Paktes hat die Kriegs- und Atomkriegsgefahr keineswegs abgenommen.

Auf dem Territorium der Ex-Sowjetunion überschneiden sich eine tiefe wirtschaftliche und soziale Krise, aggressive Nationalismen sowie strategische Interessen der Weltmächte und hochgerüsteter regionaler Kräfte. Reaktionäre religiös-fundamentalistische Strömungen breiten sich aus.

Obwohl ihr das militärische Feindbild abhanden gekommen ist, besteht das westliche Militärbündnis, NATO nicht nur weiter, sein Operationsgebiet wurde sogar ausgeweitet. Die Rüstungsreduzi­erungen, zu denen sich auch der Westen verpflichtet hat, wurden inzwischen durch neue Systeme mehr als ausgeglichen. Dazu kommt, daß es heute mehr Atommächte als früher gibt, weil Nachfolgestaaten der Ex-Sowjetunion ihre Waffen behalten und andere atomare Schwellenländer (mit Unterstützung westlicher Rüstungskonzerne) eigene Systeme entwickelt haben.

Die Versuche der USA und anderer westlichen Staaten, sich ein Monopol auf Massenvernichtun­gswaffen anzumaßen und dem Rest der Welt ihren Willen aufzuzwingen, ist auf lange Sicht betrachtet unrealistisch und in sich eine Bedrohung des Friedens. Eine weitere Verbreitung von Atomwaffen zu verhindern, wird nur möglich sein, wenn alle Atommächte einer vollständigen atomaren Abrüstung unter internationaler Kontrolle zustimmen.

Statt die Politik der militärischen Stärke fortzusetzen, wäre eine gleichberechtigte Zusammenarbeit in den internationalen Organisationen notwendig. Aber die kapitalistischen Weltmächte können heute sogar die UNO mißbrauchen, um Einmischung und Einschüchterung zu legitimieren. Dort stoßen sie zwar auf politischen Widerstand der Mehrheit der Staaten, der aber auf Grund einer privilegierten Stellung der kapitalistischen Großmächte in den Strukturen der UNO nur wenig bewirkt. So notwendig eine universelle Weltorganisation für die Bewahrung des Friedens und die Lösung globaler Probleme ist, so widersprüchlich ist die tatsächliche Rolle der UNO. Soll sie ihre Aufgaben im Interesse der Menschheit tatsächlich erfüllen, so ist die Demokratisierung ihrer Einrichtungen und. Funktionsweisen ein dringendes Erfordernis.

Die Gegensätze zwischen den drei Zentren des entwickelten Kapitalismus führen heute zur Konfrontation dieser Wirtschafts- und Machtblöcke. In Europa versucht sich die EU als ökonomische, politische und militärische Supermacht zu konstituieren; Japan strebt, ausgehend von seiner ökonomischen Führungsrolle im pazifischen Raum, auch nach politischer Hegemonie; die USA versuchen, mit der nordamerikanischen Freihandelszone (NAFTA) eine verbesserte Ausgangsposition im weltweiten Wirtschaftskrieg zu schaffen. Dieser Gigantenkampf wird auf Kosten der überwiegenden Mehrheit der Menschheit geführt und ist das Haupthindernis für eine neue, gerechte Weltwirtschaft. Er birgt aber auch die Gefahr neuer imperialistischer Kriege auf verschiedenen Schauplätzen und sogar die Gefahr eines mit Massenvernichtun­gswaffen geführten Weltkrieges.

1.4. Der reiche Norden – der wilde Westen

In einem weltweiten Wettlauf treibt das Kapital die Entwicklung der technischen Produktivkräfte voran. Männer und Frauen zählen mehr denn je ausschließlich als „Produktionsfak­toren“ und Konsumenten einer wachsenden Gütermasse.

Technischer Fortschritt für wen?

Obwohl die neuen Technologien für sinnvolle Zwecke, wie Bewässerung, Energieersparnis, Beseitigung des Hungers, Humanisierung der Arbeit, demokratische Information u.v.a., genutzt werden können, wurde und wird ihre fortschrittliches Potential nicht genutzt; viel mehr hat ihre kapitalistische Anwendung zu sinnloser Luxusproduktion einerseits und zur brutalen Rationalisierung der Arbeitsprozesse zulasten der Arbeitenden andererseits geführt. Statt einer Erleichterung der Arbeit für alle ist Dauerarbeitslo­sigkeit für viele seine Folge. Frauen sind von Entlassungen zuerst betroffen und werden in die Teilzeitarbeit oder an den Herd abgeschoben und somit zur billigen „Reserve“ auf dem Arbeitsmarkt.

Technischer Fortschritt hat in vielen Bereichen eine deutliche Reduzierung der physischen Anstrengung gebracht, gleichzeitig aber neue Anforderungen und psychische Belastungen für die ArbeiterInnen und Angestellten geschaffen. In allen entwickelten kapitalistischen Gesellschaften sind immer weniger Menschen in der Industrie und immer mehr im Dienstleistun­gssektor beschäftigt. In den Betrieben verringert sich die Zahl der ArbeiterInnen in der Fertigung, während immer mehr Angestellte in Arbeitsvorbere­itung, Überwachung, Kontrolle und Verwaltung tätig sind. Veränderungen in der Produktionsweise und in der Sozialstruktur zersplittern die Interessenslage und erschweren eine gemeinsame Interessensver­tretung von ArbeiterInnen und Angestellten. Von der Arbeiter- und Gewerkschaftsbe­wegung erreichte Arbeitszeitver­kürzungen entsprechen heute bei weitem nicht mehr den Möglichkeiten, die die Automatisierung in Produktion und Verwaltung geschaffen hat.

Dabei steht die Umwälzung der Produktionen durch Wissenschaft und Technik erst an ihrem Anfang. Die Abschätzung verschiedener Technologieen­twicklungen und ihrer Folgen wird immer schwieriger, zumal wichtige Forschungen in der Rüstung oder in der Gentechnologie im Geheimen stattfinden. Regierungen und gesetzgebende Körperschaften scheinen hilflos, werden aber zu Mittätern, Wenn nicht die demokratischen Kräfte die gesellschaftliche Kontrolle über die wissenschaftlich-technische Entwicklung auch auf internationaler Ebene immer neu erkämpfen.

Die Gefahrenpotentiale neuer Technologie lassen ermessen, daß ein wissenschaftlich-technischer Fortschritt, der weiterhin dem blinden Wirken des Marktes überlassen bleibt, zu einer Gefahr für die Gesellschaft wird. Daraus ziehen wir Marxistlnnen den Schluß: Die Reduzierung von Risiken und die Erfüllung der Hoffnungen auf emanzipatorische Möglichkeiten neuer Technologien werden . nur dann und insoweit Wirklichkeit, als sie gegen die Kapitaldominanz durchgesetzt werden.

Arbeitslosigkeit, Verelendung und Konsumzwang

Kapitalismus verurteilt einen großen Teil der arbeitenden Bevölkerung zu Arbeitslosigkeit, Armut und Ausgrenzung; für einen anderen Teil ermöglicht er – zumindest zeitweilig – einen relativ hohen Lebensstandard und Konsum. Ein tiefer Graben durchzieht die kapitalistischen Gesellschaften. Frausein, Altern, Arbeitsunfähigkeit u.a. erhöhen das soziale Risiko der Verarmung. Teile der Jugend werden bereits nach dem Abschluß ihrer Schulausbildung in eine ausgegrenzte, perspektivlose Lage gebracht. Angst vor sozialem Abstieg, Hoffnungslosigkeit und Gewaltbereitschaft nehmen zu. Nicht nur in der Dritten Welt, sogar in der Europäischen Union ist die Arbeit von Kindern wieder im Vormarsch.

Die Zustimmung der scheinbaren und vielfach nur zeitweiligen Gewinner des kapitalistischen „Fortschritts“, ihre Identifikation mit dem Beruf und ihre Motivation zu wachsender Leistung wird mit ständig neuen Angeboten der Konsum-, Freizeit- und Kulturindustrie erkauft.

Längst wurde aus den gleißenden Konsumangeboten eine Verpflichtung zum Mitmachen, stellt sich die von der Werbung versprochene Individualität als Entsolidarisierung, Vereinzelung und gleichzeitig als Zwang zur Konformität dar.

Grenzen der Kapitallogik

Politische und kulturelle Bewegungen – wie Sozialdemokratie, aber auch die Gewerkschaften -, die in ihren Anfängen in Opposition zum kapitalistischen System standen, sind heute weitgehend integriert, ja sogar zu einem Teil seiner Herrschaftsstruk­turen geworden.

Dieses totalitäre Herrschaftssystem des heutigen Kapitalismus gerät aber, gerade indem er sich vorderhand durchgesetzt hat, in die Krise.

Es sind nicht nur die ökonomischen und ökologischen Krisenerschei­nungen. Immer mehr Menschen fragen nach dem Sinn eines Systems, das in seiner Vervollkommnung bittere Armut und überflüssigen Reichtum gleichzeitig produziert. Mit der Aushöhlung seiner sozialen und moralischen Grundlagen diskreditieren sich auch die politischen Repräsentanten, einschließlich der sozialdemokra­tischen Führungen. Was wir daher heute erleben, ist eine Krise der gesamten bisherigen Produktions-, Regulierungs- und Lebensweise des Kapitalismus. Auch wenn anpassungswillige Intellektuelle sich zu Huldigungen des freien Marktes einkaufen lassen: das künstliche Aufblühen rechter Philosophien zeigt, welch ein ideologischer Aufwand getrieben werden muß, um von tatsächlichen Ursachen der Krise abzulenken.

Allerdings: Theorien, daß der Kapitalismus unter seinen Krisenlasten von selbst zusammenbrechen würde, haben sich schon in der Vergangenheit als falsch erwiesen. Szenarien, die eine absolut ausweglose Situation und objektiv unüberschreitbare Grenzen der kapitalistischen Reproduktion unterstellen, sind auch heute nicht realistisch.

Viel wirklichkeitsnäher ist die Frage, zu wessen Lasten und mit weichen Folgen die herrschenden Eliten die globalen Krisenerscheinungen wieder unter Kontrolle zu bringen trachten.

Sollen mit zunehmender Verschärfung der kapitalistischen Krise immer mehr Arbeitende und vor allem Frauen in die arbeitsmarktpo­litische Reserve abgedrängt, die bescheidenen Fortschritte ihrer Selbstbestimmung wieder abgeschafft werden?

Werden die im Westen maßgebenden Kräfte zur Durchsetzung ihrer marktradikalen antisozialen Dogmen auch zu autoritären Formen der Herrschaftsausübung greifen können? Werden Rechtsextremismus und Nationalismus wieder zu vorherrschenden Strömungen?

Neuformierung der Arbeiterbewegung – Neuformierung der Linken

Die Beantwortung dieser für die Zukunft entscheidenden Fragen wird davon abhängen, ob die Arbeiterinnen und Angestellten, alle, die vom Verkauf ihrer Arbeitskraft abhängig sind, ob Beschäftigte und Arbeitslose, Frauen und Männer, Inländer und Ausländer zu einer solidarischen, gemeinsamen Interessen entsprechenden Politik finden; wird davon abhängen, ob die Linke bei aller Verschiedenheit der Anschauungen demokratische und soziale Alternativen als Antwort auf reaktionäre Krisenstrategien entwickelt; und wird schließlich davon abhängen, ob die Arbeiterbewegung im Klassenkampf, der tagtägliche Realität ist, organisiert und offensiv Widerstand leistet, eigene Interessen geltend macht und über das bestehende System hinausweisende Perspektiven einer neuen Produktions-, Konsumations- und Lebensweise sowie eines neuen Geschlechterver­hältnisses entwickelt. Dazu will die KPÖ ihren Beitrag leisten.

1.5. Die westeuropäische Integration

Die Idee der europäischen Einigung weckt in vielen Menschen die Hoffnung, daß nach Jahrhunderten der Kriege und des Nationalismus ein Zeitalter des Friedens und der Kooperation in Europa anbrechen könnte.

Die Römer-Verträge und der Europäische Wirtschaftsraum lassen schrittweise einen Binnenmarkt von 370 Millionen Menschen entstehen. Die Verträge von Maastricht unterwerfen Wirtschafts-, Außen- und Militärpolitik der teilnehmenden Staaten einem einheitlichen Regime. Dadurch entsteht ein neues Zentrum imperialistischer Macht. Der Gedanke einer europäischen Einigung wird so durch den Zusammenschluß der reichen westeuropäischen Staaten zur Europäischen Union in sein Gegenteil verkehrt.

Vier „Freiheiten“

Durch die Vereinheitlichung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, vor allem aber durch die „Deregulierung“ der Güter-, Dienstleistungs-, Kapital- und Arbeitskräfte­bewegungen sollen die Wettbewerbsbe­dingungen der westeuropäischen Großkonzerne auf dem Weltmarkt verbessert werden. Die Ideologie dieser „vier Freiheiten des Binnenmarktes“ verschleiert aber einen elementaren Unterschied, nämlich den, der zwischen einem freien Fluß von Waren, Kapital und Dienstleistungen einerseits und Arbeitskraft andererseits besteht, daß es sich bei ersteren nämlich um tote Gegenstände, die gekauft bzw. verkauft werden, bei der Arbeitskraft aber um lebende Menschen handelt. Millionen Menschen Westeuropas bezahlen inzwischen für diese grenzenlose Mobilität der Produktionsfaktoren mit Arbeitslosigkeit.

Deregulierung – Freiheit fürs Kapital

Wo immer von „Deregulierung“ die Rede ist, geht es nicht s sehr um den Abbau überflüssiger Bürokratien, sondern vor allem um die Einschränkung sozialstaatlicher Schutzbestimmungen und ökologischer Standards. „Deregulierung“ in der EU bedeutet daher vor allem eine Erweiterung de Bewegungsfreiheit für die Kapitale und eine Verringerung de sozialen Schutzes für die arbeitende Bevölkerung. Die bis zum Ende des Jahrhunderts angepeilte Wirtschafts- und Währungsunion wird beide Trends noch verstärken.

Da selbst innerhalb der einzelnen Staaten die (… ) Unterschiede zwischen Zentren und Randgebieten anwachsen, zeige auch die EU-Förderungsprogramme für Entwicklungsre­gionen kaum positive Wirkungen. Politische Gegensätze Nationalismus und militärische Risiken werden verstärkt bzw. neue entstehen.

Die EU ist einer der Hauptauslöser der heutigen Völkerwanderung, vor der sie sich aber gleichzeitig wie in einer Festung verbarrikadiert. Der neue Rassismus ist nicht Randerscheinung des gesellschaftlichen Lebens, sondern prägt die Bevölkerungspolitik und die Einwanderungsge­setze de EU-Staaten. Er richtet sich nicht gegen Ausländer generell, sondern gegen die Arbeitsimmigranten aus den armen Ländern der Dritten Welt.

Maastricht – Politische und Militärische Union

Im Vertrag von Maastricht haben die Mitglieder der damaligen EG die Schaffung einer Politischen und Militärischen Union beschlossen. Ihr Ziel ist die Schaffung einer europäischen Supermacht. Unterschiedliche Interessen und Auffassungen einzelner EU-Staaten beim Herangehen an internationale Krisen verdeutlichen aber dessen ungeachtet die bestehenden Gegensätze; vor allem, daß der Machtzuwachs Deutschlands Argwohn und böse Erinnerung an die beiden von einem imperialistischen Deutschland verschuldeten Weltkriege entstehen läßt. Unübersehbar drängt es, zur stärksten Kontinentalmacht angewachsen, wieder darauf, die Führungsrolle von der Wirtschaft auch auf das Gebiet der Politik und des Militärs auszudehnen. Ein EU-Beitritt Österreichs, so wird in Westeuropa richtig verstanden, würde diese Tendenz weiter verstärken.

Mehrere Varianten westeuropäischer Entwicklungen zeichnen sich dadurch ab:

  • Entweder es setzt sich die in der Brüsseler Bürokratie verkörperte Idee eines westeuropäischen Bundesstaates durch. Das wäre nicht, wie behauptet wird, eine Überwindung des Nationalismus, sondern die Schaffung eines neuen, eines westeuropäischen Supranationalismus, der im Interesse der europäischen Großkonzerne in verschiedenen Weltgegenden um Einfluß konkurriert.
  • Eine andere Variante besteht darin, daß der deutsche Kapitalismus seine ökonomische Hegemonie innerhalb der Europäischen Union tatsächlich in die angestrebte politische Vormachtstellung überführen kann. Dann besteht die Gefahr, daß Deutschland als europäische Hauptmacht neuerlich die Weltpolitik destabilisiert.
  • Nicht ausgeschlossen ist aber auch, daß all diese ehrgeizigen Pläne an den Rivalitäten der an ihm teilnehmenden Mächte scheitern. Europa würde dann wieder zum Schauplatz traditioneller nationaler und imperialistischer Gegensätze werden.

Für alle drei Entwicklungsmöglichke­iten gibt es heute Anzeichen, so daß der tatsächliche Verlauf nicht voraussehbar ist. Keine der drei Varianten ist aber geeignet, die herangereiften sozialen, ökologischen und Entwicklungspro­bleme auf dem europäischen Kontinent zu lösen bzw. einen notwendigen Beitrag Europas zu einer friedlichen und solidarischen Weltentwicklung zu ermöglichen.

Wir gelangen daher zur Einschätzung, daß eine „europäische Einigung“ auf der gegebenen kapitalistischen Grundlage entweder eine Illusion bleibt, die an ihren eigenen Widersprüchen scheitert, oder aber zum Vorwand für eine Politik der Militarisierung und Dominanz wird.

Österreichs EU-Lobby

Seit Mitte der 80er Jahre betreiben die herrschenden Kreise in Österreich den EU-Anschluß. innenpolitisch dient er dazu, unter dem Schlagwort „Wettbewerbsfähig­keit“ den Druck auf Löhne, Gehälter und soziale Standards zu erhöhen, außenpolitisch will sich das österreichische Kapital damit einen prominenten Platz bei der wirtschaftlichen Aufteilung Osteuropas sichern.

  • Mit dem Anschluß an die Europäische Union ist ein entscheidender Schlag gegen die staatsrechtlichen Fundamente der Zweiten Republik verbunden.
  • Der Staatsvertrag – mit seinem antifaschistischen Auftrag, dem Anschlußverbot und der internationalen Garantie der Rechte der slowenischen und kroatischen Volksgruppen – sowie die immerwährende Neutralität, die Teil des nationalen Selbstverständnis­ses der Österreicherinnen und Österreicher ist, werden verraten.
  • Der Anschluß Österreichs an die EU schließt auch den Beitritt zu einem Militärbündnis ein. Fremde Truppen in Österreich und österreichische Soldaten unter fremden Fahnen – das ist die Folge der Aufgabe unserer Neutralität.

Die Verteidigung der österreichischen Neutralität ist daher heute von nicht geringerer Aktualität als in den Zeiten des Kalten Krieges. Sie zu erhalten und weiterzuentwickeln ist nicht nur im Interesse der Mehrheit der Österreicherlnnen, sondern ist auch ein Beitrag für Frieden und Sicherheit in Europa.

1.6. Die Grenzen kapitalistischer Systeme

Die Entwicklung der heutigen Welt, die vom Kapitalismus und seinen inneren Widersprüchen geprägt ist, beweist die fortdauernde Gültigkeit einer Hauptthese von Karl Marx: Eine Gesellschaft, in der der Gewinn einer Minderheit und nicht das Interesse der Allgemeinheit, in der das Privateigentum an Produktionsmitteln und nicht der Wille der Produzentlnnen maßgeblich sind, ein System, in dem das Geld und nicht die Menschen den Inhalt der Arbeit, die Lebensmöglichkeiten und die Beziehungen zum/r Nächsten bestimmen, ist lebensfeindlich und angesichts der Möglichkeit, der gesamten Menschheit die wichtigsten Lebensgrundlagen zu sichern, anachronistisch.

Die heutigen Strukturen der Weltwirtschaft sind das Ergebnis einer mehrhundertjährigen Entwicklung des Kapitalismus. Strukturprägend für seinen aktuellen Entwicklungsstand sind ein hoher Grad der Monopolisierung, transnationale Konzerne mit Umsätzen größer als das Bruttoinlandspro­dukt kapitalistischer Staaten, sowie ein mächtig aufgeblähtes Finanzkapital.

Gerade in seiner Herrschaft spiegelt sich der Widersinn der kapitalistischen Produktionsver­hältnisse besonders deutlich. Die tatsächliche Macht liegt bei einer verschwindend kleinen Schicht internationaler Finanzmagnaten. Sie kontrollieren Großkonzerne, staatliche Fonds, Banken, private und öffentliche Unternehmungen; ihre Spekulationen entziehen sich jeglicher Kontrolle und können das kapitalistische Finanzsystem binnen Sekunden aus dem Gleichgewicht bringen. So haben sich der Menschheit einerseits wachsende Möglichkeiten eröffnet, die dringlichsten sozialen Probleme wie Hunger, Elend und Unsicherheit zu lösen, was aber an der Entwicklungslogik des heutigen Kapitalismus scheitert.

Dieses System grenzt zunehmend all jene aus, die im Produktionsprozeß nicht verwertbar sind – Kinder, Jugendliche, Alte, Kranke, Behinderte oder sogenannte „Randgruppen“ – homosexuelle Männer und Frauen und andere, – die die Scheinharmonie der sogenannten „Wohlstandsge­sellschaft“ stören. Auch dadurch demaskiert sich ein Gesellschaftssys­tem, das auf der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen – unter Ausnutzung der geschlechtsspe­zifischen Arbeitsteilung der ungleichen Akkumulation und Verteilung der Reichtümer, der Ausplünderung der Dritten Welt, der Unterdrückung der Frauen und der Zerstörung der Umwelt beruht.

Wir sind also der Meinung, daß der kapitalistische Charakter der modernen Gesellschaften und ihre heutige Struktur ursächlich verantwortlich sind für die Gefährdung der menschlichen Zivilisation und Kultur, Faschismus, den militaristischen Charakter der internationalen Beziehungen, den Fortbestand patriarchaler Strukturen, die Krise der globalen Ökosphäre und das unbeschreibliche Elend vor allem auf der südlichen Hemisphäre. Wir sind davon überzeugt, daß diese Herrschaft überwunden werden muß.

2. Kapitalistische „Normalität“ in Österreich

Die soziale und wirtschaftliche Entwicklung Österreichs war über Jahrzehnte durch einige Sonderfaktoren begünstigt, die in der Befreiung vom Nazifaschismus ihre geschichtliche Grundlage haben; dazu zählte ein großer verstaatlichter Sektor (das ehemalige deutsche Eigentum), ein schwaches inländisches Privatkapital, das in der Phase des Wiederaufbaus und danach zu bedeutenden sozialen Zugeständnissen gezwungen war,. sowie die Neutralität mit ihren Vorteilen für die Wirtschaft und Sicherheit Österreichs. Die Existenz der realsozialistischen Länder veranlaßte die Herrschenden zu einer Sozialpolitik, die die wirtschaftlichen Gegensätze milderte, und die günstigen Handelsbeziehungen zu diesen Ländern schwächten Krisen ab. Dieser kapitalistische Sonderweg unterscheidet die Zweite Republik von der Ersten. Auf ihm wurde Österreich zu einem dar reichten Länder der Welt. Seit der Krise, die die kapitalistische Weltwirtschaft zu Beginn der 80er Jahre erfaßte und die das Kapital weltweit zu einem Wechsel der Strategie veranlaßte, verlassen auch die in Österreich Herrschenden diesen Weg und versuchen, kapitalistische „Normalität“ mit marktwirtschaf­tliche Methoden herzustellen.

Die Wende in Osteuropa ließ das für diesen Wechsel geeignete Klima entstehen: Niedrigstlohnländer mit qualifizierter Arbeiterschaft in unmittelbarer Nachbarschaft, neue Felder des Kapitalexports und der durch die politische und soziale Unsicherheit ausgelöste Migrationsdruck geben dem österreichischen Kapital die Möglichkeit, den sozialen und arbeitsrechtlichen Besitzstand der Arbeiterlnnen und Angestellten anzugreifen.

Ungebremster Kapitalismus

Die verstaatlichte Industrie wird aus politischen Gründen zerstört, die leistungsfähigsten Betriebe werden privatisiert und einige davon sogar den (deutschen) Vorkriegseigen­tümern ausgeliefert. Aus ehemaligen industriellen Musterregionen wurden so bereits Krisenregionen.

Die öffentliche Verschuldung erreicht astronomische Höhen, während das Finanzkapital in den Händen Weniger wächst. Der Anteil der Arbeiterlnnen und Angestellten am Volkseinkommen ist in den letzten Jahren ständig gesunken, gleichzeitig sind die Gewinne und Kapitalinvesti­tionen explodiert. Die Resultate sind eine hohe Dauerarbeitslo­sigkeit und eine davon ausgehende Finanzierungskrise des Sozialsystems. Der wachsende Abstand zwischen Arm und Reich und die zunehmende soziale Ungerechtigkeit rufen in Erinnerung, daß der Interessengegensatz zwischen Kapital und Arbeit nicht verschwunden ist. Allerdings hat sich in den Zeiten der Hochkonjunktur durch die „sozialpartner­schaftliche“ Degeneration der Gewerkschaften und die Rechtsentwicklung der Sozialdemokratie das Kräfteverhältnis deutlich zugunsten der Kapitalseite verschoben. So laufen die Arbeiterlnnen und Angestellten heute nicht nur Gefahr, für den Verzicht auf jegliche kämpferische Interessensver­tretung mit einer Senkung ihres Lebensstandards, sondern auch mit der Einschränkung demokratischer Rechte im Zuge der Rechtsentwicklung zu bezahlen.

Lebenswirklichkeit der Frauen

Da die Rationalisierung durch Automation in Produktion und Verwaltung vor allem Routinetätigkeiten am Band bzw. Büroarbeit betrifft, eben Bereiche vorrangig der Frauenarbeit, sind Frauen – vor allem ältere – als erste betroffen.

Trotz formeller Gleichberechtigung, eines hohen Grades an Erwerbstätigkeit und hoher Sozialstandards blieben sie in der österreichischen Gesellschaft benachteiligt.

Die Zahl arbeitsloser Frauen hat sich seit dem Beginn der 80er Jahre vervierfacht, die Zahl der Teilzeitbeschäftig­ten nimmt enorm zu. Verheerend ist die steigende Zahl geringfügig beschäftigter Frauen, die weder sozial- noch pensionsversicher­t sind.

Frauen werden immer mehr zur flexiblen Arbeitskraft, die je nach Bedarf der Wirtschaft herangezogen oder in den Haushalt abgeschoben werden kann.

Die Hervorhebung von Ehe und Kleinfamilie als einzige gesellschaftlich akzeptierten Lebensform zielt nicht nur auf eine Diskriminierung aller anderer Formen des Zusammenlebens, sondern auch darauf, den Frauen die Mutterrolle als die einzige ihnen angemessene zuzuweisen.

Entsolidarisierung und Hoffnungslosigkeit

Angesichts des wachsenden sozialen Drucks fühlen sich immer mehr arbeitende Menschen mit ihren existenziellen Problemen von Institutionen, Interessenver­tretungen und Parteien im Stich gelassen. Ein entscheidendes Hindernis, Entsolidarisierung und Hoffnungslosigkeit zu überwinden, ist die „sozialpartner­schaftliche“ Degeneration der Gewerkschaften.

Von vielen Mitgliedern wird der Mangel an innergewerkschaf­tlicher Demokratie kritisiert. Die Gewerkschaftsspitze reagiert darauf mit Unverständnis: Rückgang des Einflusses, Autoritätsverlust und das Vordringen gewerkschaftsfe­indlicher Stimmungen können aber nicht durch technokratische Organisationsfor­men, sondern nur dadurch aufgehalten werden, daß sich die Gewerkschaften in den für viele Arbeiterlnnen und Angestellte schwierigen Zeiten wieder auf ihre ursprüngliche Aufgabe besinnen und zu einer gegenüber Kapital und Regierung autonomen und selbstbewußt auftretenden Interessenver­tretung werden, die sich auf die Aktivität ihrer Mitglieder stützt. Dafür treten Kommunistlnnen in Gewerkschaften, im ÖGB und in den Arbeiterkammer­n ein.

Gefahr der Rechtsentwicklung

In den Zeiten des Wiederaufbaus und der Hochkonjunktur als über „sozialpartner­schaftliche“ Einrichtungen und die politischen Parteien Wohnungen, Arbeits- und Ausbildungsplätze, Stipendien, Altersversorgung und vieles andere verteilt wurden, bildeten sich Bürokratien, die in fast alle Lebensbereiche hineinreichen und die die Menschen bevormunden. Die Verteilungsmöglichke­iten haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verringert, aber die Bürokratien sind geblieben.

An der Spitze der Pyramide bereichert sich eine „Elite“ aus Finanzkapitalisten, Bürokraten und Politikern. Mit einem „Sozialstaat“ hat dieser Sumpf von Korruptheit und Freunderlwirtschaft nichts zu tun. Angesichts eines zunehmend zerrütteten Arbeitsmarktes, wachsender Wohnungsnot und sozialer Unsicherheit ist das der Nährboden für eine gefährliche Rechtsentwicklung.

Nutznießen des landauf-landab wachsenden Unmutes ist die FPÖ, der es gelungen ist, die Unzufriedenheit vieler mit antisozialen, antigewerkschaf­tlichen, ausländerfein­dlichen, antisolidarischen und nationalistischen Tendenzen zu verbinden. Gerade indem sie, die aufreizendsten Beispiele von Korruptheit und Privilegien aufgreift, bereitet ihre pseudomoderne, im Kern rechtsextreme Demagogie autoritären Herrschaftsformen den Boden.

Die österreichische Parteienlandschaft ist im Umbruch. Seit geraumer Zeit gehen Wählerstimmen und Mitgliederzahlen von ÖVP und SPÖ, die mit dem herrschenden System identifiziert werden, zurück. Grundsatz- und konzeptlos versuchen sie, sich nun dem Zeitgeist anzuschließen, und verkennen doch die Zeichen der Zeit.

Nicht nur die tatsächliche politische Packelei, sondern auch die Überhand konservativer Schlagworte wie „Privatisierung“, „Deregulierung“, „Wettbewerb“ u.a. durch „Nadelstreif-Sozialisten“ an der Spitze der SPÖ machen die Programme der Großparteien austauschbar und kennzeichnen beide als Wegbereiter der kapitalistischen Normalität. In einer Zeit, in der Alternativen gefragt sind, präsentieren ÖVP und SPÖ sogar unabhängig von der Regierungsform koalitionäre Konformität; statt glaubwürdige Antworten auf die drängenden sozialen, politischen und ökologischen Fragen zu geben, bieten sie Waschmittelwerbung.

Enttäuscht und ziellos durch die rücksichtslose Politik des Kapitals, der sich auch die Regierungsparteien verschrieben haben, stehen große Teile der Jugend einem politischen Engagement desinteressiert bzw. ablehnend gegenüber. Die von Rechts betriebene nationalistische, ausländerfeindliche Politik soll in populistischer Aufmachung unentschlossene junge Menschen beeinflussen und sie an diese Geisteshaltung binden. Die tiefe soziale Krise, die mit ihren heute schon erkennbaren wirtschaftlichen, ökologischen und kulturellen Auswirkungen Österreich erfaßt, würde einen umfassenden politischen Wandel erfordern. Aus sich heraus ist das politische System aber dazu nicht in der Lage. Auch die Gründung neuer bürgerlicher Parteien, die die Probleme auf der alten Grundlage lösen wollen, kann nur zeitweise die Illusion einer Neuerung erzeugen.

Demokratische Gegenkräfte?

Die Kräfte einer grundlegende Erneuerung der Gesellschaft sind heute noch schwach: In der SPÖ, in den Gewerkschaften und in den Kirchen bilden sie jeweils nur isolierte Minderheiten. Eine wachsende Zahl mit den herrschenden Verhältnissen Unzufriedener organisiert sich in Bewegungen, Aktivkomitees und Frauengruppen bewußt außerhalb von politischen Parteien und Institutionen. Der Einfluß, den sie auf die gesellschaftliche Entwicklung nehmen können, wird dadurch begrenzt, daß die Massenmedien ihren beherrschenden Einfluß auf Information und Meinungsbildung systematisch dazu nützen, nicht anpassungsbereite Gruppen und Personen aus der Öffentlichkeit auszugrenzen.

Grüne Mandatarlnnen, die in vielen österreichischen Gemeinden wirken, haben Positives bei der Vertretung ökologischer und demokratiepoli­tischer Anliegen erreicht und beteiligen sich an zahlreichen Bewegungen und Initiativen.

Andererseits vermag die grüne Partei nicht ihre Distanz zu den sozialen Interessen der Arbeiterlnnen und Angestellten zu überwinden. Mehrere Anläufe, über die ursprüngliche ökologische Orientierung hinauszugehen und eine grundsätzliche gesellschaftspo­litische Alternative zu entwickeln, sind im Sand verlaufen. An der Spitze der Partei gibt es Tendenzen zur Anpassung an das gegebene politische System und seine abstoßenden, korrumpierenden Praktiken.

Zu einem beträchtlichen Teil wird die ungewisse politische Zukunft der Grünen davon beeinflußt werden, was sich außerhalb ihrer Organisationen an oppositionellen Bewegungen entwickelt.

Arbeiterbewegung und Linke – Neuer Zusammenhalt

Eine Erneuerung der Arbeiterbewegung und Stärkung der Linken wäre auch für Entwicklungsper­spektiven des ökologischen Protests wichtig. Zwar sind Zersplitterung und Abgrenzung in der Linken noch immer vorherrschend. Teilweise führt aber das Wissen um die Defensive, in der wir uns befinden, auch zu einem verstärkten Bedürfnis nach Zusammenarbeit und Dialog. Angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung sind jedoch die praktischen Schritte und Anstrengungen in dieser Richtung nicht ausreichend.

Eine kritische Bestandsaufnahme der österreichischen Zustände zeigt unserer Meinung nach folgendes: Soll verhindert werden, daß das Kapital die Wirtschaftskrise zu einem beispiellosen sozialen Kahlschlag nutzt, die positiven Aspekte der österreichischen Nachkriegsges­chichte vernichtet und gegebenenfalls zu autoritären Herrschaftsmethoden greift, so bedarf es einer fortschrittlichen und linken Alternative, die heute noch nicht besteht, zu deren Herausbildung aber die KPÖ initiativ werden will.

3. Soziale und politische Gegenkräfte

Der Herrschaftsan­spruch, den der Kapitalismus und die mit ihm verbundenen Kräfte erheben, ruft weltweit Gegenkräfte auf den Plan.

DerKampf unterschiedlicher Tendenzen in der Weltpolitik ist auch nach dem Zusammenbruch des „realsozialis­tischen“ Staatensystems nicht zum Stillstand gekommen, wenngleich sich seine Schwerpunkte verschoben haben.

In Lateinamerika entstanden im letzten Jahrzehnt breite Volksbewegungen, die gemeinsam mit fortschrittlichen Massenparteien Widerstand gegen das von den USA und den internationalen Finanzinstitutionen diktierte neoliberale Wirtschaftsmodell und die drohende Rückkehr von Rechtsdiktaturen leisten. In einigen Staaten besteht heute die Möglichkeit, daß linke Bündnisse über freie Wahlen an die Macht kommen. Die kontinentweite Koordinierung der Linkskräfte hat Fortschritte gemacht.

China, das volkreichste Land der Welt, Kuba und andere Staaten, in denen sich die kommunistischen Parteien in der Regierung behaupten konnten, versuchen, unter den heutigen weltweiten Bedingungen Wege einer eigenständigen Entwicklung zu gehen. Wirtschaftlich und politisch in der Defensive trachten sie danach, durch Eingliederung in die Weltwirtschaft bzw. Einführung von marktwirtschaf­tlichen Methoden soziale Stabilität zu gewinnen und eine sozialistische Option zumindest offenzuhalten. Wir stehen diesen schwierigen und vielfach widersprüchlichen Versuchen solidarisch gegenüber, wozu aber auch gehört, Bedenken und Kritik aus unserer, Sicht offen auszusprechen.

In manchen osteuropäischen Staaten des ehemaligen Realsozialismus regt sich bereits Widerstand der Arbeitenden gegen die sozialen Folgen der Einführung einer radikalen Marktwirtschaft. In einigen Ländern verfügen aus den ehemals regierenden kommunistischen Parteien hervorgegangene Linksparteien über großen Einfluß und versuchen, auf die gesellschaftliche Entwicklung einzuwirken.

Die Niederlage im Osten hat die Linke in Europa schwer getroffen. Anfang der 90er Jahre gerieten nicht nur die kommunistischen, sondern auch die sozialdemokra­tischen Parteien in eine Krise. Neue Technologien, sozialstrukturelle Veränderungen, Individualisierung sowie die Unsicherheit, mit der die meisten Organisationen und Parteien der Arbeiterbewegung auf diese Veränderungen reagiert haben, schwächten auch die Gewerkschaften. Noch befinden sich die Arbeiterbewegung und die Linke in der Defensive.

Kommunistische Parteien erneuern sich – neuer lnternationalismus

Die meisten kommunistischen Parteien arbeiten an einer Erneuerung ihrer Identität. Einige stabilisieren bzw. erweitern ihren Einfluß, bzw. erzielen Erfolge bei der Herstellung breiter linker Bündnisse. Trotz erlittener Niederlagen und einem deutlichen Rückgang bleibt die kommunistische Bewegung ein politischer Faktor auf unserem Kontinent.

In fast allen Ländern Westeuropas haben sich ökologische, soziale und demokratische Bewegungen – darunter besonders wichtig: Bewegungen gegen den neuen Rassismus und Fremdenhaß – gebildet. Punktuell kommt es bereits zu internationaler Zusammenarbeit. Vor allem in der Auseinandersetzung mit der kapitalistischen Integration Westeuropas und ihren sozialen Folgen bilden sich neue Formen einer solchen Zusammenarbeit.

Zwar bleiben die kapitalistischen Nationalstaaten auf absehbare Zeit der hauptsächliche Beziehungsrahmen zur Durchsetzung sozialer und politischer Rechte der arbeitenden Menschen, aber die internationale Solidarität der oppositionellen und linken Kräfte, speziell in Europa, gewinnt immer mehr an Bedeutung. Soll sie der sozialen und politischen Offensive der Konzerne und dem koordinierten Vordringen der Rechtskräfte wirksam Widerstand entgegensetzen, so kann sie das nicht als „sozialpartner­schaftliche“ Ergänzung, sondern nur in Konfrontation mit der kapitalistischen Integration.

Tatsächlich entwickelt sich ein neuer Internationalismus. Ebenso wie das sowjetische Modell des Sozialismus gescheitert ist, ist es die unkritische Loyalität mit ihm. Die „Kommunistische Weltbewegung“, die sie zum Hauptkriterium des „Proletarischen Internationalismus“ machte, wird in der alten Form nicht wieder erstehen. Schon heute ist erkennbar: Der neue Internationalismus wird durch eine Vielfalt von Strömungen (Kommunisten, linke Sozialisten, fortschrittliche Christen u.a.), vor allem durch ein größeres Gewicht linker Bewegungen der Dritten Welt gekennzeichnet sein. Unabhängigkeit, gegenseitige Kritikfähigkeit, Demokratie und Gleichberechtigung werden die sich heute schon in Ansätzen abzeichnende Zusammenarbeit prägen.

4. Neue Produktions- und Lebensweise

Die Widersprüche der heutigen Welt fordern ein neues Verständnis von Fortschritt. Der entfremdeten Produktionsweise im Kapitalismus entspricht ein „Fortschritts“-verständnis, das sich ausschließlich am technisch Machbaren statt an sozialen Zwecken orientiert. Seine Triebkraft ist die Dynamik der Kapitalverwertung, die immer mehr zerstörerischen Charakter annimmt. Die Kommunistinnen greifen mit ihrer Kritik und ihren Ideen in eine weltweite Debatte um die Zukunft der Menschheit ein. Sie vor allem sind davon überzeugt, daß es eine Alternative zur kapitalistischen Produktions- und Lebensweise gibt.

Entwicklungspo­litik als Gleichberechtigung

Eine Lösung der globalen Entwicklungskrise und des ökologischen Notstandes verlangt, daß die ökonomisch fortgeschrittensten Länder Entwicklungspro­zesse nicht nur nicht blockieren, sondern aktiv unterstützen. Eine globale Entwicklungspo­litik, zu der gerechte weltwirtschaftliche Beziehungen und ein Ressourcentransfer vom Norden in den Süden gehören, ist die einzige humane Alternative. Realistisch wird diese Alternative aber nur, wie die vergangenen Jahrzehnte beweisen, wenn sie von den körperlich und geistig arbeitenden Frauen und Männern weltweit erkämpft wird.

Herrschendes Bewußtsein – Bewußtsein der Herrschenden

Gemessen an den heutigen technischen und ökonomischen Möglichkeiten ist das gesellschaftliche Bewußtsein in den entwickelten kapitalistischen Ländern unterentwickelt. Beherrscht wird es heute mehr denn je von der kapitalistischen und patriarchalen Logik und den mit ihr verbundenen Ideologien. Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem Sexismus als Vorurteil, als systematische Herabwürdigung und Benachteiligung der Frauen zu, der auf immer neue Weise gesellschaftliche Rangunterschiede zwischen den Geschlechtern erzeugt und verfestigt.

Mit großem Aufwand an Geld und Personal werden die herrschenden Werte verbreitet. Eine eigene Industrie und ein mit modernsten Techniken ausgestattetes Heer von „Spezialisten“ dient der Massenbeeinflus­sung. Unterwerfung, Anpasslertum und blinder Glaube der Mitläufer sind die Folge. Das wäre nicht möglich ohne die Integration großer Teile der Arbeiterbewegung ins herrschende System und die Akzeptanz seiner Werte durch sie. Von dieser Entwicklung war auch die kommunistische Bewegung nicht ausgenommen.

Unserer Meinung nach ist eine grundlegende Erneuerung der Arbeiterbewegung notwendig: Sie wird sich auf neue zeitgemäße Weise der Aufforderung des Hainfelder Programms, des Gründungsdokuments der österreichischen Sozialdemokratie stellen, „das Proletariat mit dem Bewußtsein seiner Lage zu erfüllen, um es physisch und psychisch kampffähig zu machen“. Zu ergänzen ist dies nicht nur um die Erkenntnis, daß, um die Welt zu verändern, heute mehr denn je gefordert ist, sie zu erforschen und zu verstehen. Eine Erneuerung der Arbeiterbewegung verlangt vor allem auch, von den Erfahrungen und Interessen der Menschen auszugehen und alle die Menschen bevormundenden Politikformen zu überwinden.

4.1. Eine klassenlose Gesellschaft

Schon der heutige Entwicklungsstand der menschlichen und technischen Produktivkräfte sowie ihre weitgehende Vergesellschaftung selbst unter kapitalistischen Bedingungen verweisen auf die Möglichkeit einer Gesellschaft, in der nach der Abschaffung kapitalistischen Privateigentums an den Produktionsmitteln und mit der Oberwindung patriarchaler Strukturen alle Klassenunterschiede und alle Diskriminierungen nach Geschlecht und Rasse abgeschafft sind; in der schließlich die „freie Entfaltung des Einzelnen die Bedingung der freien Entfaltung aller“ und umgekehrt ist.

Wir wollen eine Gesellschaft, in der die Arbeit so produktiv und der Konsum so vernünftig organisiert werden, daß das von Karl Marx für eine zukünftige Gesellschaft formulierte Verteilungsprinzip „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“ gelten kann.

Seit Jahrtausenden träumt die Menschheit von einem Leben ohne Ausbeutung, Unterdrückung und Entfremdung. Seit mehr als 150 Jahren wird das Ideal dieser Gesellschaft und die Bewegung, die sie mit politischen und kulturellen Mitteln zu verwirklichen trachtet, „Kommunismus“ genannt. Heutige Kommunistinnen und Kommunisten können nicht über die Entstellungen hinwegsehen, die das Ideal im Verlauf der realen Bewegung erfahren hat; sie fühlen sich ihm aber weiter verpflichtet und damit zu seiner Erneuerung herausgefordert.

Heute besteht die drängende Notwendigkeit, den Fortschritt und die Vernunft an menschlichen Maßstäben zu orientieren, und entgegen allen skeptischen Prognosen gibt es auch soziale und kulturelle Voraussetzungen, um bewußte Schritte auf dem Weg zu einer solchen neuen Form des Zusammenlebens zu setzen.

4.2. Epoche des Überganges

Eine neue, kommunistische Produktions- und Lebensweise zu entwickeln, ist nur als langfristiger welthistorischer Übergang denkbar. Dieser Übergang, das ist aus den gescheiterten Versuchen zu lernen, kann nicht willkürlich beschleunigt oder verkürzt werden, weil er sozialen Gesetzmäßigkeiten unterliegt.

Eine Epoche des Übergangs, in der die wichtigsten Produktionsmittel vergesellschaftet sind und das gleichberechtigte Zusammenleben von Männern und Frauen sowie der Umgang mit der Natur immer umfassender bewußt gestaltet werden, ist nach den heutigen produktiven Möglichkeiten der Menschen realistisch. Das nennen wir Sozialismus. Weil ein solcher Prozeß ständige Weiterentwicklung bedeutet, sind vorgefertigte „Sozialismusmo­delle“ verfehlt.

Um erste Schritte zu setzen, muß man die Widersprüchlichkeit dieser Epoche verstehen. Ohne die Macht des Kapitals zu brechen, seine Apparate zu unterwandern und abzuschaffen, also ohne eine soziale, politische, kulturelle und ökonomische Revolution, wird kein Raum sein für eine sozialistische Entwicklung.

Obwohl gesellschaftliche Selbstverwaltung und Abschaffung staatlicher Zwänge das Ziel der kommunistischen Bewegung bleiben, sind in dieser Auseinandersetzung und bei der Schaffung materieller und geistiger Voraussetzungen einer klassenlosen Gesellschaft staatliche Strukturen noch unverzichtbar.

Indem auf der Grundlage gesellschaftlichen Eigentums aber neue Kriterien der gesellschaftlichen Entwicklung eingeführt werden, ermöglicht der Sozialismus bereits bedeutende soziale, ökologische, politische und kulturelle Fortschritte. Gesellschaftliches Eigentum bedeutet, soviel wissen wir heute, nicht einfach Verstaatlichung. Unterschiedliche Formen, wie kommunales oder genossenschaf­tliches Eigentum, sind denkbar. Daneben wird es aber auch private und informelle Sektoren geben.

Die Erfahrung des gescheiterten „Realsozialismus“ ergibt, daß zum Aufbau einer effektiven, erneuerungsfähigen Wirtschaft gehört, Verantwortung so weit wie möglich zu dezentralisieren. Gesellschaftliche Planung und Koordination über Märkte schließen einander dabei nicht aus.

Verschiedene Völker werden wahrscheinlich zu unterschiedlichen Zeitpunkten und auf unterschiedlichem Entwicklungsniveau in den Prozeß des Obergangs eintreten. Es würden dann neuerlich kapitalistische Gesellschaften und sozialistische Versuche gleichzeitig nebeneinander bestehen und aufeinander einwirken. Auch deshalb ist dieser Übergang ökonomisch, moralisch und geistig vielfältig von den Eigenschaften der alten Gesellschaft gekennzeichnet.

Die Chance, daß dieser Prozeß nicht neuerlich scheitert, würde mit der Teilnahme der ökonomisch, sozial und kulturell höchstentwickelten Länder wachsen. Das Scheitern des Realsozialismus bestätigt nicht zuletzt die Richtigkeit einer von W. I. Lenin aufgestellten These, daß nämlich der Aufbau des Sozialismus ein hohes ökonomisches und soziales Entwicklungsniveau erfordert und ohne die Teilnahme der ökonomisch fortgeschrittensten Länder auch nicht vollendet werden kann.

Ein Grundzug des heutigen gesellschaftlichen Lebens ist die Internationali­sierung. Sie macht unwahrscheinlich, daß eine sozialistische Umgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse im engen Rahmen kleiner und selbst mittlerer Staaten durchgeführt werden kann. Möglicherweise werden Ländergruppen oder ganze Regionen gemeinsam in einen solchen Prozeß eintreten. Ob das innerhalb der jetzt durch kapitalistische Integration entstehenden supranationalen Staatenverbände geschehen wird oder in nationalstaatlichem Rahmen, läßt sich heute noch nicht abschätzen. Im einen wie im anderen Fall ist aber eine internationalis­tische Koordinierung und Zusammenarbeit unterschiedlicher sozialistischer Kräfte erforderlich.

4.3. Sozialis­musvorstellun­gen

So notwendig heute soziale, ökologische und demokratische Reformen sind, stoßen sie früher oder später an die Grenzen des kapitalistischen Systems.

Das zeigen die Beispiele sozialdemokra­tischer Regierungen, die sich nur als bessere Verwalter des kapitalistischen Systems erwiesen. Diesbezügliche Illusionen ergeben nicht einen ruhigeren Weg, sondern ein anderes Ziel. Aber selbst diese Reformen laufen, wie die Gegenwart bestätigt, ständig Gefahr, wieder zurückgenommen oder gewaltsam abgeschafft zu werden.

Die historische Erfahrung des untergegangenen Realsozialismus erweist andererseits, daß der Weg zum Sozialismus nur ein demokratischer sein kann, der gangbar wird, wenn es die Mehrheit der Menschen so will.

Eine tiefgreifende Umwälzung der ökonomischen und sozialen Basis der Gesellschaft schließt eine Umwälzung des geistigen und kulturellen Oberbaus mit ein und setzt sie gleichermaßen voraus. Sie ist erst möglich, wenn die Mehrheit nicht mehr bereit ist, sich auf alte Weise beherrschen zu lassen und sich für eine tiefgreifende Veränderung des eigenen Lebens einsetzt. Sie erfordert die Aneignung neuer Anschauungen, neuer Werte und Lebensauffassungen sowie ein Verständnis demokratischer Politik und der Möglichkeiten, sie durch eigenes Handeln zu beeinflussen. In der politischen Auseinandersetzung um ein neues Konzept von „Leben und Arbeiten“ sind veränderte Lebenszusammenhänge nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer zu entwickeln.

Ein neues Selbstbewußtsein der arbeitenden Menschen ist noch nicht gleichbedeutend damit, tatsächlichen politischen und ökonomischen Einfluß gewonnen zu haben. Die Entwicklung von Widerstand und Gegenmacht heißt noch nicht, die Macht der Konzerne und ihrer staatlichen Apparate gebrochen zu haben.

Wir kämpfen für eine neue Gesellschaft. Wirklichkeit werden kann sie nur durch Handeln der Mehrheit der Bevölkerung, durch das Zusammenwirken einer Vielfalt politischer und weltanschaulicher Gruppen – Kommunistlnnen, Sozialistinnen, Christinnen, alternativen und autonomer Gruppen.

Geschaffen werden soll eine Gesellschaft:

  • in der soziale Sicherheit für alle als Voraussetzung für freie und gleichberechtigte Teilnahme am politischen Willensbildun­gsprozeß verwirklicht ist;
  • in der die gesellschaftliche Innovation auch durch einen freien Wettbewerb unterschiedlicher politischer Ideen und Parteien vorangetrieben wir­d;
  • in der auf der Basis einer strikten Trennung von Parteien und Staat, Legislative und Exekutive, Kirche und Staat;
  • die Religions- und Gewissensfreiheit respektiert wird;
  • in der die Freiheit der politischen Meinungsäußerung, die Freiheit der Wissenschaft und des künstlerischen Schaffens verwirklicht wird;
  • in der die gesellschaftlichen Eigentumsverhältnis­se geschätzt sind;
  • in der die Demokratie den Alltag erfaßt und auf den Arbeitsprozeß ausgedehnt wird;
  • in der Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung der Geschlechter in allen Lebensbereichen verwirklicht wird;
  • in der der gleichberechtigte Zugang aller zu Bildung und kultureller Praxis gleiche Chancen bei der gesellschaftlichen Mitbestimmung schafft;
  • in der Chauvinismus, Sexismus, Verherrlichung von Gewalt und Völkerhaß aus dem öffentlichen Leben und den Medien ausgegrenzt werden;
  • in der Rechtsstaatlichkeit mit einem tatsächlich gleichen Zugang aller zum Recht verbunden ist;
  • in der die Menschenrechte sowohl in ihrem politischen als auch sozialen, ihrem individuellen wie kollektiven Aspekt garantiert sind;
  • in der Individualität der Bürgerinnen und Bürger respektiert wird und möglichst viele Bereiche des Zusammenlebens der Eigenverantwortung und Selbstverwaltung überlassen bleiben.

5.Erneuerung der kommunistischen Identität

Ziel der KPÖ ist eine klassenlose Gesellschaft, in der jede Form der sozialen, geschlechtlichen oder rassistischen Unterdrückung ausgeschlossen ist, in der die freie Entfaltung jedes/r Einzelnen die Bedingung der freien Entfaltung aller ist und umgekehrt. Das schließt im Übergang zu solchen Verhältnissen auch staatliche und realgesellschaf­tliche Anerkennung aller Formen des gleichberechtigten Zusammenlebens von Menschen ein.

Einer solchen Entwicklung stehen die derzeitigen Herrschaftsver­hältnisse, mächtige ökonomische und politische Interessen sowie die Lebensweisen und Lebensentwürfe des Großteils der Bevölkerung entgegen. Einen Veränderungsprozeß einzuleiten, verlangt daher sowohl ein neues Bewußtsein der Menschen, als auch einen entschiedenen Bruch mit den geistigen und materiellen Strukturen kapitalistischer, patriarchaler und rassistischer Unterdrückung.

Das Ziel, die Herrschaft des Kapitals zu brechen, um eine sozialistische Umgestaltung mit der Perspektive einer kommunistischen Gesellschaft zu ermöglichen, ergibt sich aus der Kritik der bestehenden Verhältnisse. Kritik und aktive Veränderung verstehen wir Kommunistinnen und Kommunisten als revolutionären Prozeß.

Die KPÖ ist somit eine revolutionäre Partei, eine Partei kritischer, selbstbewußter, solidarischer Menschen, die ihre politischen Ziele und ihre Kampfmethoden demokratisch gemeinsam festlegen.

Von Bedeutung für die Entwicklung der KPÖ war, daß die 1968 von der Parteiführung zunächst ausgesprochene Verurteilung des gewaltsamen Endes des Prager Frühlings wieder zurückgenommen wurde. Das entwertete nicht nur inzwischen erarbeitete Orientierungen auf eigene österreichische Wege zum Sozialismus, sondern blockierte, was am schwersten wiegt, deren sachlich kritische Weiterentwicklung und damit eine tiefgreifende Erneuerung der KPÖ.

Eine solche Perspektive kann nicht durch Selbstaufgabe erreicht werden, sondern durch eine aktive und erfolgreiche Politik im Rahmen unserer eigenen Organisationen, in Betrieben, in Gemeinden und in der Zusammenarbeit mit verschiedenen sozialen Bewegungen.

5.1. Geschichtsbe­wußtsein

Die KPÖ ist Teil der österreichischen Geschichte. Ihre Gründung war die Antwort einer linken Minderheit am Rande der Sozialdemokratie auf die Unterstützung der Kriegspolitik der k.u.k. Monarchie durch die Führung. Somit stand ähnlich wie in Rußland der Kampf gegen den Krieg am Anfang unserer Bewegung. Die russische Oktoberrevolution war das ausschlaggebende Ereignis, das zur Gründung unserer Partei führte. Bis zum Jahr 1934 blieb die KPÖ eine kleine Partei, deren Warnung vor der Gefahr eines reaktionären Staatsstreiches in der großen sozialdemokra­tischen Partei nicht ernst genommen wurde. Als einzige politische Kraft im Lande analysierte sie den Zusammenhang zwischen Faschismus und kapitalistischer Herrschaft. Nach dem Februar 1934 wandten sich viele enttäuschte Sozialdemokratlnnen der inzwischen illegalen KPÖ zu, die noch in der Nacht vom 11. zum 12. März 1938 zum Kampf gegen die Nazi-Okkupation und für ein unabhängiges Österreich aufrief. Eine unleugbare historische Tatsache ist, daß die KPÖ das Rückgrat des antifaschistischen und nationalen Widerstandes bildete; daß die KPÖ relativ und absolut die größten Opfer im Kampf gegen die Nazibarbarei gebracht hat. Tausende österreichische Kommunistlnnen kämpften als InterbrigadistInnen in Spanien und nahmen in den Reihen der Widerstandsbe­wegungen Frankreichs, Jugoslawiens, Belgiens, in den Konzentration­slagern sowie in den alliierten Armeen und im Exil am Kampf gegen den Faschismus teil.

Kommunistinnen und Kommunisten haben durch ihren persönlichen Einsatz einen weithin anerkannten, wesentlichen Beitrag zum antifaschistischen Widerstand und zur Neugründung des selbständigen Österreich geleistet. Die KPÖ ist eine der Gründungsparteien der Zweiten Republik und hat durch ihren Einsatz für Neutralität und Staatsvertrag zur Wiederherstellung ihrer Unabhängigkeit beigetragen. Die wenigen konsequenten Maßnahmen zur Entnazifizierung in Exekutive und Staat sind mit der Tätigkeit kommunistischer Politiker verbunden.

In den Jahren des kapitalistischen Wiederaufbaus, insbesondere nach dem Abschluß des Staatsvertrages, ging der Einfluß der KPÖ zurück. Der Antikommunismus wurde während des Kalten Krieges zu einer Art Staatsdoktrin erhoben. Insbesondere nach dem großen Streik im Oktober 1950. Dennoch sind zahlreiche soziale und demokratische Reformen, die von der Arbeiterschaft erkämpft wurden, mit dem Einsatz der KPÖ und ihrer Mandatarlnnen im Nationalrat, in Landtagen, in Gemeinden und in der Gewerkschaft verbunden.

Die Geschichte der KPÖ kennt nicht nur diese positive Seite. Ihre starke Anlehnung an die Sowjetunion und bürokratische Deformationen behinderten die politischen Aktivitäten der Mitglieder und schadeten dem politischen Ansehen der Partei. Die KPÖ-Führung hat lange zu den Verbrechen der stalinistischen Repression und zu den bürokratischen Deformationen in den sozialistischen Ländern geschwiegen. Sie hat den Stalinkult mitgemacht und lange Zeit eine tiefergehende Diskussion in der KPÖ über die Konsequenzen des 20. Parteitages der KPdSU verhindert. Dies war mit der Preisgabe des eigenständigen, kritischen Denkens und einer von Wunschdenken geleiteten Sicht des „realen Sozialismus“ verbunden. In der aktuellen Politik wurden, wie in den meisten anderen kommunistischen Parteien, taktische Wendungen der KPdSU und der Sowjetregierung nachvollzogen. Von Bedeutung für die Entwicklung der KPÖ war, daß die 1968 von der Parteiführung zunächst ausgesprochene Verurteilung des gewaltsamen Endes des „Prager Frühlings“ wieder zurückgenommen wurde. Das entwertete nicht nur die inzwischen erarbeitete Orientierungen auf eigene österreichische Wege zum Sozialismus, sondern blockierte, was am schwersten wiegt, auch eine tiefgreifende Erneuerung der KPÖ.

Die Krise der Partei reicht demnach bis in die 50er Jahre zurück. Eine lange Periode der Geschichte existierten neben Haltungen, die sich neuen gesellschaftlichen Entwicklungen verschlossen, auch Auffassungen, die die Existenzfähigkeit einer selbständigen KPÖ anzweifelten. Beides trennte die Partei vom größeren Teil der in den 60er und 70er Jahren entstandenen neuen Jugend- und Frauenbewegung sowie von kritischen Teilen der Arbeiterschaft. Autoritäre und patriarchale Strukturen, die unzureichende Einbeziehung der Lebens- und Sichtweisen von Frauen, das Unterdrücken und Abblocken von Konflikten und Widersprüchen in kommunistischen Parteien waren wesentliche Ursachen für Weltfremdheit und Stillstand.

Das ist maßgeblich dafür verantwortlich, daß die Erschütterung, die der Zusammenbruch des „Realsozialismus“ auslöste, in der KPÖ besonders tief war, sie an den Rand des Zerfalls führte. Mit der vorliegenden Grundsatzerklärung soll ein Resümee dieser krisenhaften Prozesse gezogen und die Grundlage für eine Erneuerung der KPÖ geschaffen werden.

5.2.Die Erneuerung der KPÖ

Wir Kommunistinnen und Kommunisten gehen davon aus, daß der Kampf um Emanzipation, um die Überwindung von Unterdrückung, Unrecht und Ausbeutung am wirkungsvollsten in organisierter Form geführt werden kann, daß sich politische Handlungsfähigkeit auf der Basis einer revolutionären Weltanschauung entwickelt. Die Kraft zum politischen Handeln ergibt sich nicht nur aus der persönlichen Betroffenheit, sondern aus einer wachsenden Fähigkeit, die Gesellschaft zu analysieren und zu verändern. Wesentliches zum Verständnis der Welt von heute und ihrer Probleme wurde auch außerhalb des Marxismus erarbeitet. Ohne diese Erkenntnisse einzubeziehen, ist eine zeitgemäße, auf die Zukunft gerichtete Politik undenkbar.

Wir wollen uns von unserer Vergangenheit nicht verabschieden, sondern nehmen sie in ihrer Widersprüchlichkeit an. Wir haben aus der Geschichte der KPÖ die Konsequenz gezogen, uns von allen dogmatisch-autoritären Entstellungen und vereinfachenden bzw. einseitigen Interpretationen der sozialistischen Theorie und Praxis zu lösen. Abknüpfen wollen wir an der Tradition radikaler Gesellschaftskri­tik, der Fähigkeit zum Widerstand und der Verbundenheit mit den Interessen der arbeitenden Bevölkerung, die die Geschichte unserer Partei durchzieht.

Die KPÖ tritt für die Interessen der sozial Benachteiligten ein. Sozialismus bedeutet aber darüber hinaus, daß die geistig und körperlich Arbeitenden über die Produktion selbst bestimmen und materielles wie geistiges Elend abschaffen. Wirklichkeit werden kann dies nur, wenn Arbeiter und Arbeiterinnen, Angestellte und Intellektuelle, indem sie ihre Lage erkennen, sich geistig befreien und den ihnen zukommenden Platz in der Gesellschaft erkämpfen.

Kommunistinnen und Kommunisten haben durch ihren antifaschistischen Widerstand, ihre Beiträge zum Wiederaufbau und durch die Teilnahme an demokratischen und sozialen Massenbewegungen Osterreich mitgestaltet. Die KPÖ steht in dieser Tradition und bekämpft den Ausverkauf der österreichischen Unabhängigkeit an das wiedererstandene Großdeutschland im Zuge des EU-Anschlusses.

Als Internationalis­tlnnen bekämpfen wir Fremdenhaß, Rassismus und Nationalismus. Wir solidarisieren uns mit dem Kampf der Arbeiterinnen und Arbeiter weltweit, der antipatriarchalen, sozialen und demokratischen Bewegungen und der antiimperialis­tischen und antikolonialen Bewegungen in der Dritten Weit.

Wir entwerfen kein unkritisches Österreichbild. Ausländerfein­dlichkeit, obrigkeitssta­atliches Denken, Antisemitismus und Opportunismus haben tiefe Wurzeln in der „österreichischen Identität“. Trotzdem erkennen wir in der Entwicklung eines österreichischen Nationalbewußtseins vor allem im Hinblick auf die wiedererstandene deutsche Großmachtpolitik einen historischen Fortschritt gegenüber der Ersten Republik.

„Unser Beitrag zur notwendigen Umgestaltung und Weiterentwicklung des Nationalbewußtseins sehen wir darin, die reaktionären Tendenzen zu bekämpfen und linke, widerständige und sozialistische Aspekte der österreichischen Nationalgeschichte lebendig zu halten.“

Wir wollen eine antipatriarchale Partei werden. Heute gilt wie zu den Anfängen der sozialistischen Bewegung, daß die Emanzipation der Frauen ein Gradmesser für die allgemeine Emanzipation ist. Frauen kämpfen in der KPÖ selbstbestimmt für ihre Interessen als Frauen. Dazu gehört auch eine Veränderung der individuellen Lebensweisen, die die Trennung von Politischem und Privatem tendenziell überwindet. Selbstveränderung und ein neues Verhältnis zwischen Männern und Frauen muß in politischem Kampf bewältigbar werden, auch wenn man davon ausgehen muß, daß eine tiefgreifende Veränderung von Verhaltensweisen ohne Veränderung der gesamten Produktions- und Lebensweise nicht möglich sein wird.

Die KPÖ ist eine marxistische Partei. Sie stützt sich auf die marxistische Gesellschaftsthe­orie und Denkmethode. Um die Welt zu erfassen, bedarf es eines undogmatischen, sich in Meinungsstreit und Pluralität entwickelnden Marxismus. Dazu ist erforderlich, sein gesamtes theoretisches Erbe, darunter auch die Strömungen, die in der Geschichte der kommunistischen Bewegung bekämpft oder ausgegrenzt worden sind, kritisch zu verarbeiten. Wesentliches zum Verständnis der Welt von heute und ihrer Probleme wurde außerhalb des Marxismus erarbeitet. Ohne diese Erkenntnisse einzubeziehen, ist eine zeitgemäße und auf die Zukunft gerichtete Politik undenkbar. Keine einzige Linkspartei kann sich als einzelne und im nationalen Rahmen vornehmen, die theoretische Herausforderung, die in der Erneuerung der sozialistischen Theorie besteht, zu bewältigen. Die KPÖ versteht sich daher nicht nur in politisch-praktischer Hinsicht als eine internationalis­tische Partei, sondern will einen ihren Möglichkeiten entsprechenden Beitrag zur Intensivierung des wissenschaftlich-theoretischen Dialogs der Linkskräfte leisten.

Die Kommunistische Partei Österreichs durchlebt noch immer eine kritische Phase ihrer Geschichte. In ihrem Verlauf haben wir gelernt, daß es keinen Automatismus der gesellschaftlichen Entwicklung und daher auch keine Garantie dafür gibt, daß wir nicht scheitern. In dieser Einsicht liegt aber auch die Chance für unsere Erneuerung, eine Erneuerung, die nicht nur unsere Partei mit ihrer widersprüchlichen Geschichte und ihrer besonderen Identität erfassen muß, sondern die gesamte Arbeiterbewegung und Linke.

Beschlossen vom 29. Parteitag der KPÖ am 19./20. März 1994 in Linz

[1] In der marxistischen Diskussion um die gescheiterten sozialistischen Experimente in der Sowjetunion und in Osteuropa werden verschiedene Begriffe verwendet („Frühsozialismus“, „Staatssozialismus“ u.a.), die jeweils verschiedene Aspekte theoretisch hervorheben. Da diese Debatte nicht abgeschlossen ist, verwenden wir in unserer Grundsatzerklärung das in unserer Bewegung verbreitete Wort „Realsozialismus“.

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