KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

1. Mai: Zu wenig und zu viel

Melina Klaus, Bundessprecherin der KPÖ, auf der Bündnisdemonstration zum 1. Mai 2008 in Wien.

Von Melina Klaus (1.5.2008)

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen, liebe Frauen.

Ich war gestern in Eisenstadt, wo in der FußgängerInnenzone der Tag der Arbeitslosen begangen wurde, und heute ist der ‚Tag der Arbeit‘. Und es scheint, als rücken diese zwei Tage inhaltlich immer enger zusammen. Zwänge und Unsicherheiten, Prekarisierung breiten sich auf beiden Seiten der Medaille ‚Arbeit‘ immer mehr aus. Und auch das Zuwenig und Zuviel auf der einen und anderen Seite hat viel miteinander zu tun.

In Paris 1889 auf einem internationalen Arbeiterkongress wurde für den ersten 1. Mai 1890 folgender Beschluss gefasst: „dass für einen bestimmten Tag eine große internationale Manifestation zu organisieren ist, dass gleichzeitig in allen Ländern und Städten die Arbeiter ( – und Arbeiterinnen – ) an die öffentlichen Behörden die Forderung richten, den Arbeitstag auf 8 Stunden festzusetzen …“ Nicht nur, dass wir, bei vollem Lohnausgleich, mittlerweile nicht weniger als 8 Stunden Normal-arbeiten, begleiten diesen 1. Mai die Medienberichte von unbezahlten Überstunden ohne Ende. Die Lebensmittelkette Lidl ist so ein Beispiel und eingedenk der miesen Frauenlöhne im Einzelhandel, würde es sich doch auszahlen, im Fall Lidl mal wieder an Boykott zu denken und ihn von hier aus zu starten: Ihr bezahlt nicht – wir kaufen nichts!

Zu viele Stunden, zu viel Arbeit. Und zu wenig – ‚zu wenig‘ ist oftmals erzwungen: Erwerbsarbeit­slosigkeit oder zu wenig Geld weil Teilzeit. Oftmals ist zuwenig aber auch nicht geduldet – Stichwort Arbeitszwang, also der Entzug von Versicherungs- oder Sozialleistungen, wenn mensch nicht spurt.

Das alles sind Rahmenbedingungen, die uns Zwänge auferlegen. Wenn wir Umverteilung sagen, meinen wir Umverteilung von gesellschaftlichem Reichtum und Umverteilung von Arbeit! Zu wenig oder zu viel – für beides gilt: Die wenigsten Menschen haben die Wahl! Dieser Umstand muss zur Abwechslung mal zum Hauptproblem gemacht werden.

Was uns fehlt ist Sicherheit und Freiheit!

Und deshalb: Was ist eine Mai-Rede ohne Forderungen. Es ist nicht nötig, von hier aus die Regierungspolitik einschätzen, die verfolgt ihr alle. Ich habe ein Mikrophon, also einen Laut-Sprecher, ich darf laut sprechen und das soll fordern sein!

Wir fordern Sicherheit, die wir meinen: Das ist soziale Sicherheit, das sind Möglichkeiten. Die Forderung der KPÖ nach einer Energiegrundsiche­rung z.B., das ist die Teilhabe an Ressourcen für jeden Haushalt, ein kostenloser Sockel an Strom, Gas, Wärme für alle! Nicht auf Kosten der Umwelt oder auf Kosten ärmerer Regionen, sondern auf Kosten der Aktionäre oder Holdings der Energieunternehmen, auf Kosten dieser Stadt – die es sich bei weitem leisten könnte, keinem Wiener Haushalt die Energieversorgung abzuschalten. Aber sie tut es! Diese Stadt beschließt jenseits aller Budgets einfach mal so für das public viewing während der EM rasch noch 7,5 Mio Euro locker zu machen, aber wir sollen ‚TräumerInnen‘ sein, und verlangen angeblich das Unmögliche …? Nicht wir, diese Politik und dieses Wirtschaften sind ‚unmöglich‘, verkehrt, schräg, verrückt.

Und wenn wir zur Sicherheit, die wir meinen, auch Freiheit, die wir meinen fordern, dann fordern wir Arbeitszeitver­kürzung bei vollem Lohnausgleich und ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Menschen, die hier leben! Wir lassen uns nicht von einer so genannten Grundsicherung blenden, die mit Kontrolle und Repressionen verbunden ist! Freiheit ist auch Freiheit zu entscheiden, ja sagen zu wollen und nein sagen zu können. Umverteilung, die wir meinen ist jener Aspekt der Politik, der darauf ausgerichtet ist, dass die wirtschaftliche Freiheit jeder/s Einzelnen ein höchst mögliches Maß erreicht. Und diese Umverteilung, will sie etwas bewirken, muss letztlich zulasten jenes Anteils am gesellschaftlichen Reichtum gehen, welcher unter der Bezeichnung Profit privatisiert wird. In diesem Sinne müssen Mindestlöhne, bedingungsloses Grundeinkommen, Tobintax, Verstaatlichung und Vergesellschaftung, Vermögenssteuer, kein Arbeitszwang auf der einen Seite, aber freier Zugang zum Arbeitsmarkt für alle Menschen, usw. diskutiert werden.

Denn so wie heute Erwerbsarbeit und Erwerbsarbeit­slosigkeit ‚erscheinen‘, müssen wir sie zusammendenken und an besagten Rahmenbedingungen ansetzen!

Wir wollen die Wahl haben! Wir wollen unsere Erwerbsarbeit, Freizeit, gesellschaftlich notwendige Arbeit ohne Nöte und Zwänge organisieren. Das ist Freiheit, die wir meinen.

Der 1. Mai ist ein Tag mit Tradition und nach Traditionen suchend bin ich auf die Mairede von Clara Zetkin 1913 in Karlsruhe gestoßen, und Clara Zetkin sagte: „Verehrte Anwesende, auf das Zwangsgebot des Kapitalismus: ‚Du sollst!‘ antwortet die Arbeiterklasse am 1. Mai: Ich will nicht! Ich will nicht leben um zu arbeiten, ich will arbeiten, um zu leben, um menschenwürdig zu leben, um kulturwürdig zu leben. Ich verlange, daß Deinem Profit, daß Deinem Interesse so viel von meiner Kraft durch den gesetzlichen Arbeiterschutz entzogen wird, daß ich als Mensch zu existieren vermag.“

Auch mit der Kraft der Historie sind Forderungen aber natürlich kein Wunschzettel. Wenn sie das sind, dann sind sie kraftlos. Forderungen sind kein Zurücklehenen und fordern von anderen. Sondern mindestens verlangen sie von uns: Sich Raum zu nehmen dafür! Und das machen wir heute, wie jedes Jahr. Die Ringstraße gehört gerade uns! Und es ist in Wien zurzeit nötig, immer mehr Raum einzunehmen oder zurückzuerkämpfen. Bahnhöfe werden ‚gesäubert‘, Parkbänke unbequemisiert, auch die ÖBB lassen sich da nicht lumpen und designen Sitzgelegenheiten, auf denen ja niemand liegen könnte und fast auch nicht sitzen kann. In dieser Stadt wird weggewiesen, untersagt, verboten, gereinigt, gesäubert – der Praterstern z.B. laut Bezirkszeitung von den ‚Plagen Sandlern und Tauben (!)‘, dann gäb's da noch Jugendliche, Drogenkonsume­tInnen, Bettlerinnen, Ausländer, … irgendwie alles ein Problem, eine Plage, abgestuft je nach politischer Couleur.

Also Raum nehmen ist nötig. Heute am ersten Mai und auch den Rest des Jahres! Wenn auch die meisten von uns die Ringstraße vielleicht bis Ende Juni nicht mehr sehen werden. Außer sie setzen sich Drehkreuzen, Tretgittern, Polizei und privater Security aus, hier in der kommenden ‚Fanmeile‘.

Das ist übrigens nicht die Sicherheit, die wir meinen!

Apropos Raum und Freiheit und Sicherheit. Es gibt hier ums Eck einen Platz, beim Museumsplatz, der Marcus Omofuma gewidmet ist. Hierzulande ist seit 1999 der 1. Mai nicht mehr nur der Tag der Arbeit. 1999 wurde Marcus Omofuma während seiner Abschiebung von Wien nach Sofia von drei Polizisten getötet und er war und blieb nicht das erste und einzige Opfer rassistischer Gewalt, institutionali­sierter rassistischer Gewalt. Wir müssen deshalb am 1. Mai und den Rest des Jahres auch dagegen Raum erkämpfen!!

Sofortige Abschaffung der Schubhaft! Bleiberecht für alle! Denn kein Mensch ist illegal!

Auch dafür: Heraus zum 1.Mai!

Auszüge aus dem Beitrag von Melina Klaus, Bundessprecherin der KPÖ, am 1.Mai 2008, Wien, Ringstraße.