KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Der Aufbruch, eine Beobachtung

Von: Leo Furtlehner (20.6.2016)

Die linken Kräfte in Österreich haben Anfang Juni einen neuen Anlauf zur politischen Zusammenarbeit gewagt. Der Auftakt ist größtenteils geglückt. Ein Bericht von Leo Furtlehner.

1.300 angemeldete und tausend teilnehmende Menschen bei der Aktionskonferenz am 3./4. Juni 2016: Das kann als der seit langer Zeit mit Abstand gelungenste Versuch einer neuen Sammlung des linken Spektrums in Österreich gesehen werden und auch als deutliches Zeichen für großes Interesse und hohe Erwartungen an ein Projekt mit dem symbolträchtigen Namen »Aufbruch«. Die Initiative dafür kam vom Blog »Mosaik«, dessen InitiatorInnen sich das Ziel stellen, »linke Politik in Österreich hör- und sichtbar zu machen«. Mit vier »Ratschlägen« wurden die Weichen für den Aufbruch unter dem Titel »So wie bisher kann es nicht weitergehen« gestellt. »Wir sind Menschen aus sozialen Bewegungen, Gewerkschaften, Parteien, Umweltgruppen, linken, migrantischen und feministischen Organisationen sowie engagierte Privatpersonen«, heißt es in dem von 129 Personen unterzeichneten Aufruf.

Geplante Euphorie

Die professionelle Inszenierung dieser Aktionskonferenz als kräftiges Lebenszeichen der Linken widerlegt allfällige Unkenrufe angesichts der Symbolik des Tagungsortes, einer ehemaligen Sargfabrik in Wien-Liesing. Eben diese Inszenierung mag aber auch manche heiklen Punkte durch die damit erzeugte durchaus euphorische Stimmung überdeckt haben. Auch das Experimentieren mit neuen Formaten, um möglichst viele in die Debatte einzubeziehen, mag als gelungen gelten. Etwa eine Murmelrunde im Plenum, das Auslosen von 20 geschlechter­quotierten DebattenrednerInnen oder die Bildung von Achtergruppen, deren Berichterstat­terInnen sich wiederum in Achtergruppen zur definitiven Berichterstattung an das Plenum zusammenfanden. Dem Namen der Konferenz entsprechend zielt das Projekt Aufbruch zunächst auf eine Aktionsphase, die auch als Testlauf für die Kampagnenfähigkeit gesehen werden kann. Etwa durch ein in die Diskussion gebrachtes Volksbegehren als ein mögliches Mittel, die Messbarkeit des Projekts zu testen. Eine politische Wirksamkeit wird das Projekt freilich erst erreichen, wenn es sich zu einer Wahlallianz weiterentwickelt, wie auch in die Debatte eingebracht wurde.

Bewegung, Allianz, Partei?

Österreich ist eines der wenigen Länder Westeuropas ohne Linke im Parlament. Wann immer die nächsten Wahlen stattfinden, wird zur Entscheidungsschlacht rot gegen blau oder rot-grün gegen blau-schwarz aufgerufen und das Totschlag-Argument der »verlorenen Stimme« ausgepackt. Als ob nicht gerade Stimmen für jene Parteien, die mit ihrer neoliberalen Politik für die Misere verantwortlich sind, wirklich verloren sind. Entwickelt sich eine Wahlallianz, scheiden sich freilich auch die Geister. Haben doch die am Aufbruch beteiligten, mit dem (noch zu bestätigenden) VdB-Wahlerfolg im Aufwind befindlichen Grünen an einer Konkurrenz wohl ebenso wenig Interesse wie kritische Sozialdemokra­tInnen, die mit Neo-Kanzler Kern wieder Hoffnung schöpfen. Kein aktuelles Thema ist die Gründung einer linken Partei. Sind doch viele Beteiligte in Parteien organisiert, die Mehrheit unabhängig und oft von einer Aversion gegen Parteien geprägt. So wie schon im Vorfeld war daher auch bei der Konferenz eine Allergie, den Aufbruch zu instrumentalisieren oder ihm engstirnig-missionarische Politikvorste­llungen überzustülpen, spürbar. Dass die Aufbruch-AktivistInnen willens sind, für die üblichen Verdächtigen als Werkzeug zur Gründung einer »neuen Arbeiterpartei« herzuhalten, darf also bezweifelt werden. Aus den Debatten wurde auch deutlich, dass ein zweifelhafter Alarmismus nach dem Qualtinger-Motto »Ich weiß zwar nicht wo ich hin will, dafür bin ich aber schneller dort« das Bedürfnis nach inhaltlicher Debatte nicht verdrängen darf. Ähnliches gilt für den Umgang mit bestehenden Bündnissen, mit denen Aufbruch wohl kooperieren, sie aber nicht instrumentalisieren soll. TrägerInnen des Projekts sind zwar Einzelpersonen, doch wurde bei der Konferenz deutlich, dass der Großteil einen Hintergrund in Form von Parteien (SPÖ, Grüne, KPÖ, SLP…), Organisationen (SJ, Junge Grüne…) oder NGOs (attac, maiz, OgR…) hat. Wobei die teilweise deutlich gewordene Aversion gegen Parteien, Organisationen und Strukturen mit der Formierung von Aufbruch zunehmend obsolet wird. Ähnliches gilt auch für den Eindruck, dass der linke Platz ein luftleerer Raum wäre, was die vielen Aktivitäten von Linken in Gemeinden, Betrieben, Gewerkschaften, Bündnissen usw. ausblendet.

Sinn und Zweck

Der Aufbruch will sich als politischer Gegenpol zur FPÖ und ihrem Populismus formieren, will und muss damit aber auch gleichzeitig ein Gegenpol zur neoliberaler Politik der Regierung sein. Schafft doch erst die Politik von SPÖ und ÖVP jenen Humus, auf dem durch massenhafte Verunsicherung und geschürter Existenzangst die grausliche Politik von Hass und Hetze von Strache, Hofer und Konsorten gedeihen kann. Der Input von Lisa Mittendrein (attac) zur politischen Lage zeigte den Zusammenhang zwischen dem Neoliberalismus der politischen Mitte und dem Populismus der extremen Rechten. Ebenso der Input von Raiffeisen-Betriebsrat Fritz Schiller den Zusammenhang zwischen Reichtum und Macht. Es gilt, soziale Kompetenz zu zeigen und zu entwickeln. Denn auch wenn sich die FPÖ noch so sehr als Partei des »kleinen Mannes« gebärdet, mit sozialer Kompetenz hat sie nichts am Hut. Was sie dazu absondert, ist pure Demagogie, um Kapitalinteressen zu bedienen. Der Anspruch einer »soziale Heimatpartei« grenzt schon von vornherein alle nicht zur »Volksgemeinschaft« gehörenden explizit aus. Für den Aufbruch gilt es also, eine Vision sowohl gegen den rechtsextremen Populismus als auch gegen den Neoliberalismus der Mitte zu entwickeln und politisch wirksam zu machen.

Definitionsfragen

Manche Vorschläge bei der Aktionskonferenz kamen ziemlich akademisch daher. Etwa die Meinung, man müsse die »Komfortzone« verlassen, aus einer »linken Blase« ausbrechen, eine »nützliche Linke« sein. Solche Ansagen klingen recht martialisch und aufopfernd. Für viele Teilnehmende, die in Parteien, Organisationen, Bündnissen oder NGOs tätig und am Puls der Zeit sind, klingt das freilich eher verwunderlich, bewegen sie sich doch keineswegs in einer »Komfortzone«. Es hat seine Berechtigung, wenn sich der Aufbruch als Schwerpunkt die Verteilungsfrage wählt. Was bislang für die Unterthemen Arbeit, Wohnen, Gesundheit dazu vorliegt, ist freilich noch Stückwerk, auch fehlt die vielfach eingemahnte Verbindung zu Querschnittsthemen wie Feminismus, Internationalismus, Migration, Ökologie etc. Manches entspricht für sich genommen Kanzler Kerns Parteitagsreden, mit denen er versucht, der SPÖ-Basis wieder Zuversicht einzuhauchen. Für eine politische Zündung des Aufbruchs fehlt noch eine wirkliche Vision, etwa in Richtung einer solidarischen Gesellschaft. An der geplanten Organisierungskam­pagne ist noch gründlich zu feilen. Kritisch hinterfragt wurde das eher populistische Aktionsmotto »Wir können uns die Reichen nicht mehr leisten«, zu sehr personalisiert, zu wenig als Systemkritik, was sich in zweifelhaften Aktionsvorschlägen wie einer »Reichen-Safari« äußerte. Aber im Sinne einer fundierten Kapitalismus- und Systemkritik geht es nicht um Personen, sondern um Kapital-, Macht- und Gesellschaftsver­hältnisse nach dem Motto »Es ist genug für alle da«.

Eine gute Basis

Das Konzept für die Strukturen – regionale, thematische und organisatorische Basisgruppen, welche rotierend und quotiert Delegierte zu monatlichen Planungstreffen wählen, welches zwischen Aktionskonferenzen die Linie festlegen und ein Koordinationsteam und SprecherInnen wählt – ist ein brauchbarer Ansatz. Der Vertrauensvorschuss für die bisher federführenden AktivistInnen als Koordination bis zum ersten Planungstreffen bedeutet freilich auch eine personelle Weichenstellung und es muss sich zeigen, ob das Vertrauen auf die Selbstermächtigung gerechtfertigt ist. Es wird freilich darauf ankommen, dass sich vor Ort Strukturen entwickeln, welche die zu entwickelnde Kampagne tragen sollen und auch tatsächlich zur Basis des Aufbruch werden. Weil manches trotz der euphorischen Aufbruchsstimmung der Konferenz noch recht vage ist, ist an einer gemeinsamen Identität der Linken zu arbeiten. Das Gemeinsame über das Trennende zu stellen wird dabei wohl zur Kernfrage bei der unausbleiblichen Formierung einer neuen linken Identität. Gelingt dies nicht, sind die Chancen politische Wirkung zu entfalten gering. Es muss sich weisen, ob jetzt der richtige Zeitpunkt ist, die Zersplitterung der Szene links von Sozialdemokratie und Grünen in Angriff zu nehmen und zu überwinden. Es ist den Versuch wert, diese Chance zu ergreifen, eigene Ansprüche zurückzustellen und nicht das jeweils eigene Politikmodell dem Bündnis überzustülpen, sondern eine neue linke Identität zu entwickeln. Die Ansage, »in Österreich fehlt eine politische Kraft von unten, eine politische Kraft, die unsere Wut über das herrschende politische und wirtschaftliche System hör- und sichtbar macht«, zeigt den Bedarf. Wobei freilich Wut in der Politik ein schlechter Ratgeber ist. Mut zum Widerstand ist wohl das bessere Rezept.

Ps.: Der Beitrag wurde auch im Monatsmagazin Volksstimme, die natürlich abonniet werden kann, publiziert – Infos zur Volksstimme unter www.volksstimme.at


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