KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

SPÖ-Parteiprogramm: Zwischen Makulatur und Realpolitik?

(11.10.2018)

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda erklärte vor wenigen Tagen, „dass der (SPÖ-)Parteitag am 24. und 25. November in Wels aus zwei großen Schwerpunkten bestehen wird. „Der erste Tag gilt ganz unserem neuen Parteiprogramm und den Schwerpunkten, die wir für unsere politische Arbeit forcieren wollen. Der zweite Tag wird ganz dem Thema Europa gewidmet, weil die kommende EU-Wahl eine der wichtigsten politischen Auseinanderset­zungen der kommenden Zeit ist.“

Wir nehmen dies zum Anlass, um – jenseits der Turbulenzen um den Rückzug in Etappen von Christian Kern und der Absage der Parteireform, obwohl diese in einer Mitgliederbefragung breite Zustimmung fand – einen Beitrag von Leo Furtlehner, der in der letzten Nummer des Monatsmagazins Volksstimme* erschienen ist, den Lesern und Leserinnen auch hier zugänglich zu machen.

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Programmatische Funde

Christian Kerns Versuch am heißesten Tag des Jahres auf den Programmentwurf der SPÖ aufmerksam zu machen ging ziemlich in die Hose. Weil ihm niemand ernsthaft abnehmen wollte, dass die SPÖ eine Umweltpartei ist und ebenso wenig den Sager »Die Kanzlerschaft wird wieder greifbar«. Die prompte Reaktion von SPÖ- Rechtsaußen Doskozil »Wir dürfen keine grün-linke Politik betreiben«, zeigte die Bruchlinien in der Sozialdemokratie. Bekanntlich ist Christian Kern als Vorsitzender der SPÖ mittlerweile Geschichte.

Wie sich die Neo-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner entlang der sozialdemokra tischen Bruchlinien positionieren wird, bleibt abzuwarten. Abseits gesundheitspo­litischer Positionen und sozialdemokra­tischer Allgemeinsätze lies die erste Frau an der Spitze der österreichischen Sozialdemokratie wenig von sich hören. Auch ob der von Kern miterarbeitete neue Programmentwurf zu einem politischen Leitbild für die neue Parteiführung taugt, oder doch eher in einer Schublade verstauben wird, ist unklar. Einen Blick darauf zu werfen lohnt sich dennoch.

Beschwichtigung kritischer Geister

Parteiprogramme dienen vorrangig dem eigenen Selbstverständnis. Zumal sich regierungsfixierte Parteien wie die SPÖ hüten, sich programmatisch konkret festzulegen. Meinte doch schon der frühere CSU-Chef Franz Josef Strauß »Man muss seine Grundsätze so hochhalten, dass man aufrecht darunter durchgehen kann.« Ein Programm kann nie losgelöst von der realen Politik einer Partei gesehen werden. Umso mehr wird deutlich, dass der SPÖ-Entwurf vor allem zur Beschwichtigung der kritischen Mitglieder gedacht ist. Als Alleinstellun­gsmerkmal versucht man es mit der Beschäftigung: Angesichts einer seit dem Programm von 1998 ständig gestiegenen Arbeitslosigkeit hört sich aber das Ziel »Vollbeschäftigung« ziemlich weltfremd an. Aber die SPÖ will die Partei der Industriearbeiter sein, kann jedoch nicht erklären, warum diese schon in Scharen zur FPÖ abgewandert sind. Es fehlt eine Benennung des Klassengegensatzes. Hat doch Kern klargestellt »Wir müssen uns fragen, wie wir den Kapitalismus erneuern.« (Die Presse, 25.3.2018)? Und gab es da nicht Anfang 2017 den »Plan A«? Die Schlussfolgerung »Wir sind in der Geschichte immer auf der richtigen Seite gestanden« trifft zu – wenn damit die Seite des Kapitals gemeint ist.

Beim Motto »Die Welt steht nicht still« fragt sich, wie ernst die damit anvisierte »Reform der Entscheidungs- und Eigentumsverhältnis­se« gemeint ist. War doch die SPÖ seit Mitte der 1980er Jahre Vorreiterin bei der Zerschlagung der Verstaatlichten und empfahl Kern als Noch-Kanzler 2017 den Einstieg privater Investoren in die gemeinnützige Wohnungswirtschaft.

Reform als Drohung

Nostalgisch an die Kreisky-Ära erinnert der Entwurf, dass »der damalige Zeitgeist von Optimismus geprägt« war. In der Tat bedeutete damals der Begriff »Reform« noch Hoffnung. Etwa als Fristenlösung, Uni-Zugang für Arbeiter_innen­kinder, Frauengleichste­llung oder Gratisschulbuch realisiert wurden.

Heute jedoch ist Reform zur gefährlichen Drohung verkommen. Bedeutet sie doch stets Anschläge auf erkämpfte Errungenschaften oder soziale Leistungen. Regierungspro­gramme – rot-schwarz wie schwarz-blau – überschlagen sich daher nicht zufällig mit dem Wörtchen Reform.

Die beklagte »neoliberale Montage«, die zu einer »Konzentration von Einkommen, Vermögen und Macht« führte und »mit Privatisierung und Deregulierung« einherging wurde von der Sozialdemokratie voll mitgetragen. Etwa mit dem »Modernisierun­gskonzept« von Schröder und Blair anno 1999.

Dem nun proklamierten »klaren Kurs« würde daher ein wenig Selbstkritik nicht schaden. Aber man prangert nur das »ausschließliche Streben nach Profit« und »entgrenzte kapitalistische Systeme« an. Also doch keine Rückbesinnung auf Marx. Und spät entdeckt die SPÖ auch die »Konstruktions- und Entwicklungsfehler der Europäischen Union«. Wie nahe man der schwarz-blauen Koalition ist zeigt die Absicht, dass »Schutzsuchende am besten in der Nähe ihrer Heimatländer geholfen werden kann«. Sollen Länder wie Libyen eine Hoffnung für Flüchtlinge sein? Sorgfältig umschifft man auch die ambivalente Haltung der SPÖ und ihres Parteichefs zu CETA, wenn »für einen fairen Welthandel« plädiert wird.

Kühn wird verkündet »Europas Stärke liegt im sozialdemokra­tischen Modell des Sozialstaates«. Noch kühner ist es, den Sozialstaat als ausschließlichen Erfolg der Sozialdemokratie zu sehen. Am kühnsten ist freilich, ihren Anteil an dessen Demontage unter den Teppich zu kehren. Wie war das doch mit Hartz IV und Agenda 2010 – umgesetzt von rot-grün in Deutschland? Wie ist es beim Steuerwettbewerb nach unten durch Abschaffung der Vermögenssteuer unter Lacina 1990 und der Erbschaftssteuer unter Gusenbauer 2008? Und wie ist die Neutralität mit einer »weiterentwickelten Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspo­litik« mit Euro-Armee und allem Drum und Dran vereinbar? Und das soll »Ein Europa zum Verlieben« sein?

30-Stunden-Woche kein Thema

Bei der Flankensicherung nach links war man immer schon höchst flexibel. Aktuell mit einem »Guten Leben für alle«, was unter bestehenden Eigentums- und Machtverhältnissen ziemlich unrealistisch ist.

Hat doch nicht einmal eine »Lohnentwicklung, die mit den Produktivitätsge­winnen einhergeht« in der Lohnpolitik des ÖGB einen Niederschlag gefunden. Nachdem unter SPÖ-Regie massiv privatisiert wurde beteuert man nun »Wir wollen eine starke Industrie«. Doch wem diese Industrie heute gehört, wird nicht gefragt. Man will einen »Fortschritt für alle«. Doch eine klare Ansage für eine 30-Stundenwoche als neuen Standard sind ebenso wenig ein Thema wie gesetzliche Mindestlöhne oder eine sanktionslose Existenzsicherung als Reaktion auf die Digitalisierung .Und wie ist die Neutralität mit einer »weiterentwickelten Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspo­litik« mit Euro-Armee und allem Drum und Dran vereinbar? Und das soll »Ein Europa zum Verlieben« sein?

Immer noch reklamiert die SPÖ den ÖGB quasi für sich – und verbindet dies mit ihrem Glaubensbekenntnis zum »Modell der österreichischen Sozialpartner­schaft«. Und das alles um einer offenen Ansage für den von oben längst geführten Klassenkampf zu entkommen. »Wir garantieren sichere Pensionen« verkünden Kern & Co. einmal mehr. So sicher wie die schwarz-blaue Pensionsreform von 2003, die vom SPÖ-Kanzler Gusenbauer nach Wiedereintritt in die Regierung 2006 voll und ganz akzeptiert wurden? Ähnlich ist wohl auch Kerns Ansage zu werten, die SPÖ würde bei einem Wiedereintritt in die Regierung den 12-Stundentag wieder abschaffen.

Makulatur und Realpolitik

Die SPÖ will »Ängste beim Namen nennen«. Meint sie damit die durch das Wirken der mit Millionen Steuergeldern gefütterten Krawallblätter am Kochen gehaltenen Ängste der Stammtischbrüder und Hassposter? Aber die Sozialdemokratie will sich nicht als »starke Beschützerin sozial schwacher Men schen« sehen die »Menschen mit etwas zu versorgen«, sondern zur »Unabhängigkeit ermächtigen« hat nachdem die Versorgungspolitik mit Jobs, Wohnungen, Subventionen, Posten usw. in den 1980er Jahren zur Neige ging. Christian Kern wurde von der SPÖ- Basis 2017 als der neue Heiland bejubelt. Mit der »Vision der sozialen Demokratie« und dem Ziel »die Klassengegensätze zu überwinden, alle Lebensbereiche mit Demokratie zu durchfluten und den Ertrag der gesellschaftlichen Arbeit gerecht zu verteilen« will die SPÖ eine »Absage an jede Form von Klassen- und Privilegienge­sellschaft« tätigen. Aber wurde nicht schon in dem 1978 unter Kreisky verabschiedeten Programm die »Reform der Entscheidungs- und Eigentumsverhältnis­se« angepeilt?

Im Lichte der Realpolitik ist das daher ziemlich viel Makulatur. Dass der Begriff Klassenkampf im 65-seitigen Entwurf kein einziges Mal vorkommt, verwundert daher nicht weiter. Aber man hängt die Grundsätze eben hoch genug, um darunter durchgehen zu können ohne anzustreifen.

Leo Furtlehner ist KPÖ-Landessprecher in Oberösterreich und bloggt auf https://furtlehner.wordpress.com/


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