KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Der neue Vorstand der Europäischen Linkspartei (Foto: M. Heinlein, Fotocredit: s.Artikelende)

Gestärkt in die Zukunft

Von: Michael Gruberbauer (19.12.2016)

Abschließender Bericht vom dritten Tag des 5. Parteitags der Europäischen Linken.

Viele flammende Reden und persönliche Statements gab es schon am ersten und zweiten Tag des Kongresses zum 5. Parteitag der Europäischen Linkspartei (EL). Auch im Abstimmen – in geheimer Wahl mit elektronischen Abstimmgeräten für jede(n) Delegierte(n) – hatten die Delegierten spätestens am Samstagabend schon einige Übung. Wie berichtet wurde am Samstag ja schon über ein geändertes Parteistatut, das politische Dokument und auch über die Präsidentschaft und die VizepräsidentInnen abgestimmt.

Der dritte und damit letzte Tag stand zu Beginn auch ganz im Zeichen einer Abstimmung – und zwar über die Resolutionen und Anträge, die von den Mitgliedsparteien und Arbeitsgruppen erarbeitet wurden. Die Vorschläge, die mit hoher Zustimmung angenommen wurden, umspannten zentrale Themen, die für die internationalis­tische und feministische EL von hoher Wichtigkeit sind. Für die kommenden Monate betrifft das auf der europäischen Ebene die Wahlen in Deutschland und in Frankreich, wo Erfolge der Rechtspopulisten und Rechtsextremen zu erwarten sind. Aus diesem Grund entschloss man sich zu einem Antrag, sowohl „Die Linke“ in Deutschland als auch die linken Kräfte in Frankreich mit aller Kraft zu unterstützen.

Für den Frieden

Die Friedenspolitik war angesichts der drohenden weiteren Militarisierung in Europa und der großen Anzahl militärischer Konflikte weltweit ein weiterer, sehr wichtiger Punkt. „Für ein Europa des Friedens und der Abrüstung“ hatte als Antrag zum Ziel, Kampagnen zu organisieren:

  • für ein Ende des Krieges in Syrien;
  • für eine Reduktion der Rüstungsausgaben und die ausdrückliche Weigerung, der NATO-Forderung nach höheren Militärbudgets zu entsprechen;
  • für die Förderung der antifaschistischen und antimilitaris­tischen Elemente der internationalen Friedensbewegung;
  • für die Unterstützung der UNESCO in ihren Bestrebungen, mittels Bildung, Kultur und Sport eine Kultur des Friedens zu schaffen.

In einem weiteren Antrag bzw. einer weiteren Resolution wurde eine deutliche Unterstützung des Friedensprozess in Kolumbien zwischen der kolumbianischen Regierung und FARC zum Ausdruck gebracht. Den KolumbianerInnen, die sich für soziale Gerechtigkeit und Frieden in ihrem Land einsetzen, wurde die Solidarität der europäischen Linken versichert. Ziel sei es, so der Antrag, durch politischen Dialog ein politisches, ökonomisches und kulturelles System in Kolumbien zu etablieren, das ein menschenwürdiges Leben für alle ermöglicht.

Auch der Konflikt im Baskenland wurde in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt – mit einer eigenen Resolution, laut derer sich die EL für eine Vertiefung des Friedensprozesses im Baskenland, für Fortschritte beim Prozess der Abrüstung der ETA und gegen die kürzliche Verhaftung von fünf bekannten Mitgliedern der baskischen und französischen Zivilgesellschaft ausspricht.

Frieden im Konflikt zwischen Israel und Palästina wurde ebenfalls in einer Resolution gefordert, nicht nur weil dieser Konflikt einen neuralgischen Punkt im Konfliktszenario des Nahen und Mittleren Ostens markiert. Die Besetzung palästinensischer Gebiete durch Israel, die auch in vielen internationalen Resolutionen inklusive jenen der Vereinten Nationen als illegal bezeichnet wird, wurde auf das Schärfste kritisiert. Die EL erklärte sich solidarisch, sowohl mit den PalästinenserInnen als auch mit den linken, progressiven und an Frieden interessierten Kräften in Israel, die sich ebenfalls für ein Ende des Konflikts und ein freies und unabhängiges Palästina einsetzen.

Ein umfangreiches Arbeitsprogramm

Aber es wurden auch Anträge eingebracht um Prozesse und AkteurInnen zu unterstützen, die neben Krieg auch andere Werkzeuge zur Unterdrückung und Ausbeutung von Menschen in der Welt bekämpfen.

Angesichts der Wahl von Donald Trump, den zu erwartenden autokratischen Maßnahmen seiner Politik und den Entwicklungen von neuen, linken Graswurzelbewe­gungen wurde die Gründung einer Arbeitsgruppe zum Thema „USA/Kanada“ gefordert, um linke Kräfte in Nordamerika auch seitens der EL stärker zu unterstützen. Einer Resolution zur Forderung der Anerkennung der universalen Menschenrechte für alle indigenen Völker, aber insbesondere für die Samen (früher als Lappen bezeichnet) in Russland, Finnland, Schweden und Norwegen, wurde von der Kommunistischen Partei Finnlands eingebracht.

Außerdem wurden noch Anträge eingebracht, um

  • die Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg im Juli 2017 zu unterstützen;
  • eine geplante EL-Kampagne gegen Frauenhandel in Europa mit einer speziell gewidmeten Arbeitsgruppe zusätzlich zu fördern;
  • gemeinsam mit der links-progressiven Fraktion im Europaparlament GUE-NGL die Überarbeitung der gegenwärtigen, ungeeigneten europäischen Systeme zur Evaluierung von SchülerInnen und StudentInnen (z. B. PISA) anzustoßen;
  • der Jugendpolitik mehr Gewicht zu geben, um das scheinbare Desinteresse der Jugendlichen – einer Gruppe, die von neoliberaler Sparpolitik und unökologischer Wirtschaftspolitik besonders stark betroffen ist – an der Politik zu reduzieren;
  • die Menschen in der Westsahara bei Ihrem Kampf um politische Selbstbestimmung zu unterstützen;
  • unter der Schirmherrschaft von EL-fem, dem Frauennetzwerk der EL, ein europaweites, sichtbares und aktionsorientiertes feministisches Projekt unter dem Namen „feminist caravan“ ins Leben zu rufen.

Erdogan stoppen!

Das Programm am Sonntag hatte auch einige emotionale Ansprachen zu bieten. Mit tosendem Applaus und Standing Ovations wurde die Rede von Ali Atalan, ehemals Landtagsabgeor­dneter der Linkspartei in Nordrhein-Westfalen und jetzt HDP-Abgeordneter im türkischen Parlament, empfangen. Atalan stellte die repressiven Aktionen der türkischen Regierung gegen die Kurdinnen und Kurden und Andersdenkenden unter Präsident Erdogan mit schockierender Deutlichkeit klar und warnte vor der derzeitigen Entwicklung weg von einem autokratischen System und hin zu einer Diktatur. Und er bedankte sich für die Solidarität, die seitens der EL auch mit einem weiteren Antrag deutlich gemacht wurde: „Erdogan stoppen! Freiheit für alle politischen Gefangenen in der Türkei! Solidarität mit HDP und DBP!“. Mit Bestürzung wurde im Saal registriert, dass Ati Atalan davon ausgeht, zu Beginn des nächsten Jahres ebenfalls in der Türkei verhaftet und eingesperrt zu werden.

Gestärkt in die Zukunft

Der dritte Tag des Kongresses endete nach der Abstimmung der Anträge und der Wahl des Exexutive Boards (Vorstands) mit einer deutlichen Erweiterung der EL: Zahlreiche Parteien, darunter zum Beispiel Left Unity aus dem Vereinigten Königreich, L'Altra Europa Con Tsipras aus Italien, Ensemble! aus Frankreich und Parteien der Vereinigten Linken aus Slowenien sowie Der Wandel aus Österreich, wurden als vollwertige Mitglieder aufgenommen oder erhielten BeobachterInnen- bzw. Partner-Status. Die erst 2004 gegründete EL vereint damit nun schon 40 Parteien und Bündnisse in ganz Europa.

Zum Abschluss konnte damit dann auch mit Recht Die Internationale gesungen werden – und zwar gleichzeitig in den verschiedensten Sprachen. Das klang musikalisch vielleicht nicht ganz so schön wie der eindrucksvolle Auftritt des Berliner Flüchtlinge-Chors „Die Weltberliner“ vom Vortag. Es war aber ein emotionaler Abschluss des dreitägigen 5. Parteitags, der das Gefühl noch verstärkte, als Europäische Linkspartei mit neuen Mitgliedern und unter dem neuen Vorsitz von Gregor Gysi zuversichtlich, solidarisch und gestärkt in die Zukunft gehen zu können.

Foto (Ausschnitt, leicht bearbeitet): Martin Heinlein, Original: FlickR, CC-BY-2.0)


Building Alliances: For a Europe of Solidarität

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