PARTEI
Von: Michael Gruberbauer (18.12.2016)
Bericht vom zweiten Tag des 5. Parteitags der Europäischen Linken
Der zweite Tag des 5. Parteitags der Europäischen Linken (EL) startete mit eisigen Temperaturen und Hochnebel, der den ganzen Tag über Berlin festhing. Er ließ die Stadt deutlich trister erscheinen als am sonnigen Vortag. Innerhalb des Konferenzzentrums hatte sich die Stimmung vom Freitag trotzdem gut gehalten. Emsiges Treiben und konstruktives Besprechen und Kontakteknüpfen stand für viele TeilnehmerInnen auf der Tagesordnung. Und natürlich drängten sie sich auch wieder alle in den großen Saal des Zentrums, um den zahlreichen Redebeiträgen und Abstimmungen beizuwohnen.
Berichte aus Europa und der Welt
Diese Redebeiträge kamen am zweiten Tag unter anderem aus Belarus, Belgien,
Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland,
Italien, Kolumbien, Kuba, Luxemburg, Österreich, Portugal, Schweden, der
Schweiz, Slowenien, Spanien, der Tschechischen Repubilk, der Türkei, Ungarn und
Venezuela. Noch viel stärker als am ersten Tag des Kongresses stand nicht nur
die Vision für ein solidarisches, soziales Europa im Mittelpunkt, sondern auch
die Beschreibung der großen Unterschiede der verschiedenen Kämpfe in ein
einzelnen Ländern, mit denen die jeweiligen linken Parteien konfrontiert
sind.
Anne-Marie Berny von der Partei Déi Lénk aus Luxemburg sprach zum Beispiel von
den großen Anstrengungen, die Belvölkerung gemeinsam mit Gewerkschaften über
die wichtige Arbeit der „Whistleblower“ aufzuklären, was spätestens seit
den Luxemburg-Leaks auch dort ein wichtiges Thema ist.
Juan Valdes von der Kommunistischen Partei Kubas überbrachte seine Grüße und
versicherte, dass „die kubanische Revolution weiterhin sozialistisch und
internationalistisch sein wird“. Man werde weiter daran arbeiten, den
Wohlstand des Volkes zu verbessern und gegen die Unterdrückung aller Völker zu
kämpfen. Er bedankte sich auch im Namen des kubanischen Volkes für die große
Anteilnahme am Tod Fidel Castros.
Declan Kearny von der irischen Sinn Fein berichtete von dramatischen
Veränderungen in Politik und Gesellschaft, die in Großbritannien und Irland
durch die Brexit-Entscheidung ausgelöst wurden. Die negativen Konsequenzen
dieser Entwicklung seien abzusehen und entsprächen in keinster Weise den
Interessen des nördlichen Irlands, wo die Mehrheit eigentlich für den Verbleib
in der EU gestimmt hatten, so Kearny. Daher verlange Sinn Fein auch einen
Sonderstatus des nördlichen Irlands in der Europäischen Union, auch im
Hinblick darauf, sich weiterhin im irischen Friedensprozess und der
Wiedervereinigung Irlands einzusetzen.
Auch Mirko Messner, Bundessprecher der KPÖ, meldete sich zu Wort, um die Situation in Österreich klarzustellen: „Nach dem dritten Anlauf der Bundespräsidentenwahlen in Österreich war schließlich klar, dass der Kandidat der österreichischen Rechtsextremen, sein Ziel Bundespräsident zu werden verfehlt hat. Ein Seufzer der Erleichterung war quer durch Europa zu hören. Erleichtert war auch die liberale Mitte, jene politische Klasse inklusive der Sozialdemokraten, die den rechtsextremen Sozialdemagogen genau den Raum geöffnet hat, den sie benötigt.“ Messner warnte aber davor, dieses Ergebnis falsch zu deuten. „Es gilt, zwei Missverständnisse zu vermeiden: 1. Mit der knappen Niederlagen des rechtsextremen, deutschnationalen Kandidaten ist lediglich Herr Norbert Hofer geschlagen worden, nicht jedoch seine Partei. Und eine knappe Hälfte der gültigen Stimmen wurden für ihn abgegeben. Viele SozialdemokratInnen und Bürgerliche haben sich also auch für ihn entschieden. 2. Das Resultat für Norbert Hofer ist keine Eintagsfliege. Würden heute Wahlen stattfinden, könnten die SPÖ und ÖVP keine Mehrheit mehr bilden. Die FPÖ ist heute die stärkste Partei.“ Die Europäische Linkspartei forderte er dazu auf, nun deutliche Aktionen zu setzen: „Wir haben die Lage allseitig analysiert, einen riesigen Forderungskatalog entwickelt, hundert Schritte vorgesehen zu einem sozialerem Europa. Wir sollten endlich mit einem Schritt beginnen.“ Und er machte klar, was mit diesen Aktionen zu bezwecken ist: „Unser Problem ist nicht, den Menschen klarzumachen, dass die Lage beschissen ist. Unser Problem ist, dass wir beweisen müssen, dass sozialer Widerstand möglich ist.“
Wo die Linke Macht hat
Alberto Garzón von der spanischen Izquierda Unida freute sich über den
historischen Erfolgs des linken Wahlbündnisses in Spanien: „Wir haben es
geschafft, Räume der Einheit der Linken zu schaffen, in vielen großen Städten
die Stadtregierung zu übernehmen und vertreten etwa ein Viertel der
Wählerinnen und Wähler in Spanien.“ Er erinnerte jedoch daran, dass die
Jugendarbeitlosigkeit noch immer bei etwa 50 % liege, dass pro Tag
320 Wohnungen in Spanien zwangsgeräumt werden und sich viele Menschen nicht
mehr leisten können, für Strom und Heizung zu bezahlen. Garzón schloss mit
einem eindringlichen Statement: „Wir dürfen uns nicht in eine
institutionalisierte, bürokratisierte Linke verwandeln, die sich selbst
gefällt, sondern müssen eine radikale Linke sein, die an die Wurzeln der
Probleme geht, die aber auch mit einer Sprache spricht, welche die Menschen
verstehen. Denn wenn unsere Basis unsere Sprache nicht versteht, ist das unser
Problem, und nicht das der Basis. Wenn wir unsere Hausaufgaben nicht machen,
dann werden sich die Le Pens den Raum nehmen; wenn wir aber erfolgreich sind,
dann werden wir den Weg zu einer gerechteren Welt aufzeigen können, der
Sozialismus heißt.“
Am frühen Nachmittag erschien dann auch der Ministerpräsident Griechenlands,
Alexis Tsipras von Syriza, am Rednerpult. Er bedankte sich für die große
Solidarität, die Syriza und Griechenland angesichts der Erpressung
Griechenlands duch die Troika von der europäischen Linken entgegengebracht
wurde. Griechenland kämpfe weiterhin gegen die Austeritätspolitik und dafür,
die schwierigen Zeiten zu überwinden, sagte Tsipras. „Unsere Gäubiger und
der IMF müssen verstehen, dass der Ausnahmezustand am griechischen Arbeitsmarkt
so nicht mehr weitergehen kann. Unsere Gläubiger dürfen nicht vergessen, dass
das griechische Volk genug Opfer gebracht hat. Jetzt sind sie an der Reihe, ihre
Verpflichtungen zu erfüllen“, sagte er weiters. „Die Austeritätslogik, die
Griechenland zerstört, ist eine Logik, die letztendlich auch einen
europäischen Partner schwächt, der eine Säule des Friedens in der Region
darstellt und wichtig ist im Umgang mit den Flüchtlingen, mit denen im Kontext
des Völkerrechtes umgegangen werden muss.“ Tspiras schloss seine Rede mit
einer Anweisung an die Linke angesichts des im Aufschwung befindlichen
Rechtspopulismus: „Wenn sich das Rad der Geschichte zurückdreht, ist es an
uns, dieses Rad wieder nach vorne zu bewegen.“
Marisa Matias vom Bloco de Esquerda, der in Portugal Teil der Linksregierung
ist, machte die schwierige Situation in ihrem Land und den dortigen Frust mit
der EU deutlich: „Ich möchte ganz ehrlich sein: Die Debatte über
Mitgliedschaft in der EU ist sicher eine der zentralen Fragen auf diesem
Kongress. Aber wir können es uns nicht leisten, dieses einzige Instrument, das
wir auf der europäischen Ebene haben, die Europäische Linke, durch diese
Debatte in Frage zu stellen.“ Zur schwierigen Rolle als Linkspartei in der
Regierung sagte Matias: „Prinzipien ohne Macht bedeuten nichts, aber auch
Macht ohne Prinzipien bedeutet nichts für die Menschen, die auf uns zählen und
die von uns Hilfe erwarten.“
Der neue Präsident der EL heißt Gregor Gysi
Im Laufe des Tages wurde sowohl das neue Strategiepapier der EL per Abstimmung
angenommen als auch über formelle Änderungen im Statut der Europäischen
Linken abgestimmt. Beides soll der EL und der neugewählten Führung und den
Gremien eine gute Ausgangsbasis für die kommenden Jahre und eine effektivere
Arbeit ermöglichen.
Über die neue Führung wurde dann auch am Abend abgestimmt: Gregor Gysi wurde
mit 67,6 Prozent zum neuen Präsidenten der Europäischen Linken gewählt.
Gregor Gysi zwischen den beiden Vorsitzenden der deutschen Die Linke Katja Kipping und Bernd Riexinger im Plenum des Parteitages der EL
In seiner Rede, die er vor allem an die deutsche Bundesregierung richtete, die den EU-Kurs in hohem Maße mitbestimmt, stellte er klar, wofür die EU heute stehe: Die Europäische Union sei unsozial, unsolidarisch, undemokratisch, ökologisch nicht nachhaltig, intransparent und bürokratisch. Und es drohe, dass die EU immer militaristischer wird, so Gysi. Als neu gewählter Präsident versprach er, sich dafür einsetzen, dass die Europäische Linkspartei mehr Gewicht erhält, attraktiver und größer wird.