KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Waltraud Fritz-Klackl, Mitglied im Ex-Board der Europäischen Linken und KPÖ, bei ihrem Redebeitrag

Warnende Worte, aber auch viel Hoffnung

Von: Michael Gruberbauer (17.12.2016)

Bericht vom ersten Tag des 5. Parteitags der Europäischen Lin­ken

Am Freitag, dem 16. Dezember, um 16.00 Uhr begann der 5. Kongress der Europäischen Linkspartei (EL) in Berlin, wo mehr als 180 TeilnehmerInnen aus 40 Ländern an Lösungen für die sich zuspitzende Krisensituation in Europa arbeiten. Und zu lösen gibt es viel. Seit dem letzten Parteitag im Jahr 2013 hat sich die Situation in Europa radikal verändert. Die durch die Kriege im nahen Osten ausgelösten Flüchtlingsbe­wegungen, Terroranschläge in Europa und drei weitere Jahre neoliberaler Konsenspolitik in Europa wurden von der populistischen und extremen Rechten knallhart ausgenutzt, um die WählerInnen mit falschen Lösungen in ihre Arme zu locken. Linken Hoffnungen, wie der Syriza in Griechenland, wurde kaum Luft gegeben, um Gegenkonzepte zu dieser desaströsen Politik zu entwickeln. Der Brexit und die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der Vereinigten Staaten haben die Karten der internationalen Politik neu gemischt. Laut dem Positionspapier der EL zum 5. Parteitag ist die Linke nun in der Verantwortung, nachhaltige und progressive Antworten auf diese Situation zu finden. Um das zu erreichen, sind auch für die KPÖ wieder zwölf Delegierte und mehrere weitere Gäste nach Berlin gereist.

Eröffnung
Am Beginn des eigentlichen Kongresses sprach der Ko-Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riesiger. „Ich freue mich sehr, dass wir als deutsche Linke diesen Kongress veranstalten durften“, begrüßte er die TeilnehmerInnen im Saal und sprach von einem historischen Jahr, einer politischen Zäsur, die nicht zuletzt durch die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten deutlich wurde. Riexinger warnte vor einem Horror-Kabinett, mit dem Trump nun nicht daran denken würde, seine Versprechen, sichere Arbeitsplätze für in der Industrie Beschäftigte zu schaffen, einzuhalten. Stattdessen dürfe man von seiner Präsidentschaft mit weiteren Schuldzuschiebungen an Minderheiten und mit Rassismus rechnen. Auch mit der EU ging Riexinger hart ins Gericht und stellte die von ihr vertretene neoliberale Politik als wichtige Ursache für die gegenwärtige Krisensituation und den Aufschwung des Rechtspopulismus dar. Und er kritisierte ihren „Vorstoß zur Gründung einer europäischen Armee“. „Als Linke müssen wir nun auch weiterhin gegen eine Militarisierung und für ein Europa des Friedens eintreten und kämpfen“, sagte Riexinger.
Mit Kritik sparte er auch nicht am deutschen Finanzminister Schäuble, dessen Austeritätspolitik ungeachtet der schweren Folgen noch immer dem Status quo entspricht. So erwähnte Riexinger zum Beispiel die Tatsache, dass die griechische Regierung nun dafür kritisiert wird, Rentnerinnen und Rentnern mit einem monatlichen Einkommen von unter 800 Euro zu Weihnachten einmalig einen kleinen Betrag als Unterstützung zuzugestehen. „Lieber sollen 1,6 Millionen Rentnerinnen und Rentner frieren und hungern“, das sei die Meinung von Schäuble und Co, meint Riexinger. Nichtsdestotrotz stellte er auch die Hoffnung auf eine neue breite Bewegung aller progressiven Kräfte gegen die zerstörerische Wirkung des Neoliberalismus, des Nationalismus und des Rechtspopulismus ins Zentrum seiner Rede. Damit das gelinge, müsse die Europäische Linke aber auch einen „konkreten Gebrauchswert“ für diese Bewegungen liefern.

Viele Themen, viele Gäste
Auf Riexingers Rede folgte eine Gedenkminute an den kürzlich verstorbenen Fidel Castro und eine Ansprache des linken Berliner Bürgermeisters, Klaus Lederer, der erst seit wenigen Tagen im Amt ist. Für ihn ist Berlin eine offene Stadt, ein Gegenbeispiel zum Rechtspopulismus, der sich in die 50er-Jahre (oder sogar in die 30er-Jahre) zurückwünsche. Berlin sei ein Beispiel, das die Möglichkeiten für fortschrittliche Politik aufzeige. Allerdings müsse Die Linke nun beweisen, dass sie es tatsächlich auch besser mache. Eines der Ziele von Lederer sei jedenfalls, dass bald kein Flüchtling mehr in einer Schulturnhalle mit Hunderten anderen Menschen übernachten müsse. Diese unsägliche Situation, die für viele seit mehr als einem Jahr Lebensalltag ist, müsse der Vergangenheit angehören.
Das anschließende Statement des Noch-Vorsitzenden der EL, Pierre Laurent, und Berichte vieler Arbeitsgruppen, die sich mit vielfältigen Themen wie Wirtschaft, Bildung, Frauen, Umwelt, Migration oder LGBTQ-Rechten auseinandersetzen, sowie zahlreiche Redebeiträge von eingeladenen Gästen rundeten den ersten Abend des Parteitags ab. Zu den GastrednerInnen gehörten unter anderem Kimitoshi Morihara von der Kommunistischen Partei Japans, der größten kommunistischen Partei der Welt, Gjermund Skaar von der Sozialistischen Linkspartei Norwegens und Jamal Zakari aus der Westsahara, der von den Kämpfen der Menschen in seinem Land für eine demokratische Selbstbestimmung erzählte, und davon dass die französische Regierung seit 25 Jahren ein demokratisches Referendum zu diesem Zweck blockiert.

Der eigene Beitrag
Für die KPÖ sprach Waltraud Fritz-Klackl, Mitglied des KPÖ-Bundesvorstands, die im Sekretariat der Europäischen Linken tätig ist und kritische Worte fand: „Wir sind dabei, unsere traditionellen Wählerschichten an die extreme Rechte zu verlieren, wenn wir sie nicht schon längst verloren haben. Dass ihre Unzufriedenheit, Unsicherheit, Existenzängste und Wut sie in die Arme der Rechtsextremen getrieben haben, liegt in der Verantwortung der Linken. Wir müssen ihr Vertrauen wieder gewinnen.“ Fritz-Klackl warnte die europäische Linke davor, „in eine Falle zu tappen“, falls sie statt dem Dialog mit den arbeitenden Menschen und einem Plan für die Zurückgewinnung der Menschen der Arbeiterklasse, „zurück in die Linke wo sie hingehören“, nun hauptsächlich die eigenen Differenzen zum Kurs innerhalb oder außerhalb der EU im Auge hätten.
Warnende Worte fand auch Walter Baier von transform! und ebenfalls Mitglied des KPÖ-Bundesvorstands: „Das Klima hat sich in Europa deutlich verändert. Euroskeptizismus hat deutlich an Bedeutung gewonnen“, sagte Baier und stellte auch fest, dass diese Skepsis auch innerhalb der Linken nun immer stärker wahrnehmbar ist. „Die Desillusionierung gegenüber der EU hat etwas heilsames, aber nicht, wenn wir in das Gegensätzliche verfallen.“ Angesichts der gegenwärtigen Krisen, des Klimawandels, der globaler Ungleichheit, der Kriegsgefahr, der Hindernisse für die Geschlechtergle­ichheit oder der Herausforderungen des technischen Wandels käme man mit so einer Position keinen Zentimeter weiter, so Baier. „Nach dem Scheitern der EU wäre Europa nicht friedlicher, sozialer oder gerechter. Es wäre genauso imperialistisch.“ Und er stellte klar, wohin Imperialismus in Kombination mit Nationalismus und faschistoiden Tendenzen führen wird: „Es ist ein bequemes Vorurteil, dass sich die Geschichte nicht wiederholen könne. Wir sollten sogar Karl Marx misstrauen, der uns verspricht, dass sich Tragödien in der Geschichte als Farce wiederholen. Nein, Tragödien können sich als Tragödien wiederholen.“
Um das zu verhindern, wird der Parteitag der EL sich am Samstag und Sonntag mit der Verabschiedung eines neuen Strategiepapiers und zahlreichen weiteren Anträgen beschäftigen.


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