KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Wahlen in Ungarn: Regierungswechsel nicht vorgesehen

Von: Josef Meszlenyi (24.2.2018)

Wie Viktor Orban und seine FIDESZ, die gemeinsam mit der ÖVP in der Europäischen Volkspartei organisiert ist, (ganz demokratisch?) mittels des Wahlrechts es schaffen wird, mit 42 Prozent der Stimmen eine Zweidrittelmehrheit der Mandate zu erreichen, um danach auch in Zukunft im autoritären Stile, garniert mit Hetze gegen Minderheiten und Flüchtlinge, regieren zu können.

Anfang April finden in Ungarn Parlamentswahlen statt. An der uneingeschränkten Vormachtstellung der rechten Regierungspartei FIDESZ und ihres Ministerpräsidenten Viktor Orban wird sich durch diese Wahl nichts ändern. Doch nicht nur die Schwäche der demokratischen Opposition und die Stärke der neofaschistischen JOBBIK sind daran Schuld, auch das seit 2011 gültige Wahlrecht zementiert die Macht von FIDESZ ein.

Bei den ungarischen Parlamentswahlen am 8. April wird zum zweiten Mal ein Wahlrecht zur Anwendung kommen, das sich die Regierung Viktor Orbans wie auf den Leib geschneidert hat. In Ungarn haben komplizierte, ungerechte, mehrheitsfördernde Wahlsysteme ja bereits Tradition: Schon mit dem bis zur Wahl 2010 praktizierten System konnte FIDESZ mit 53 Prozent der Stimmen eine knappe Zweidrittelmehrheit im Budapester Parlament erreichen. 2014 war das dann bereits mit 44 Prozent möglich. Nach altem Wahlrecht wurden in Ungarn 386 Abgeordnete gewählt, davon 176 nach absolutem Mehrheitswahlrecht in Einerwahlkreisen, wobei Stichwahlen zwischen den drei Stärksten KandidatInnen stattfanden. Im ersten Wahlgang hatten die UngarInnen noch eine zweite Stimme für die 152 über Listen in den Regionalwahlkreisen vergebenen Mandate. Dazu kamen noch 58 an nationale Listen vergebene Mandate, die sich aus den Reststimmen der Regionalwahlkreise und den Stimmen für unterlegene DirektkandidatInnen ergaben. Stimmen für erfolgreiche Wahlkreiskandi­datInnen bzw. große Parteien waren also, vom Wahlergebnis abhängig, weit mehr wert als für kleinere oder unterlegene.

Von wegen Fairness

Das neue Wahlrecht verschärft diesen Zustand noch mehr: Insgesamt werden nur noch 199 Sitze gewählt. Die WählerInnen haben weiterhin zwei Stimmen, allerdings werden 106 Mandate – und damit mehr als die Hälfte – nach relativem Mehrheitswahlrecht vergeben, wodurch die Zahl der verfallenden Stimmen um vieles größer wird. Die 93 an Listen vergebenen Mandate werden nur mehr über nationale Listen gewählt. Bei ihrer Verteilung werden zwar weiterhin die Stimmen für unterlegene DirektkandidatInnen berücksichtigt, dazu wird aber auch ein Teil der Stimmen für erfolgreiche KandidatInnen gerechnet, was das Endergebnis weiter verzerrt. Um als DirektkandidatIn anzutreten, müssen jeweils 500 Unterschriften im eigenen Wahlkreis gesammelt werden. Im alten Wahlrecht waren dazu übrigens 750 erforderlich. Für kleinere Parteien entsteht dadurch nur bedingt ein Vorteil, denn im neuen Wahlrecht muss eine Partei in einem Viertel der Wahlkreise, verteilt auf 9 Komitate und Budapest, vertreten sein. Zusätzlich zur bereits bestehenden Fünf-Prozent-Hürde wird eine von zehn Prozent für Bündnisse aus zwei, sowie eine von 15 Prozent für Mehrparteienbündnis­se eingeführt. Die Ziehung der Wahlkreise begünstigt ebenfalls eindeutig die Regierungspartei, die bei den letzten Wahlen auch 96 davon gewinnen konnte. Die links-liberale opposition, bestehend aus der sozialdemokra­tischen MSZP, zwei Abspaltungen davon und zwei (grün-)liberalen Kleinparteien, hatte als Zusammenschluss (Összefogás) im Jahr 2014 gemeinsam kandidiert und es so auf zehn Direktmandate geschafft.

Mit der Minderheit zur Mehrheit

Das Politikinstitut »Political Capital« hat einen Mandatsrechner entwickelt, der anhand möglicher Ergebnisse, bei Berechnung von wahrscheinlichen Wahlkreisergeb­nissen, die Sitzverteilung errechnet. Daraus ergeben sich für Orbans FIDESZ, bei für sie günstiger Verteilung, ab 42 Prozent Chancen auf eine Zweidrittelmeh­rheit, während die demokratische Opposition selbst mit knapp 50 Prozent die absolute verfehlen könnte und auf maximal 58 Prozent der Mandate kommen würde. Nicht nur im nationalen Parlament hat sich FIDESZ abgesichert. Auch die Macht in der traditionell links-liberalen Hauptstadt Budapest hat man sich erschlichen. Nachdem die Opposition bei den Parlamentswahlen 2014 in einigen Budapester Wahlkreisen erfolgreich war, hat die Regierung den bisher direkt gewählten Stadtrat faktisch abgeschafft. An seine Stelle tritt ein 33-köpfiger Rat, bestehend aus den 23 Bezirksbürger­meisterInnen, dem Oberbürgermeister und neun gewählten RätInnen, was zu einer massiven Überrepräsentation der reicheren und kleineren, FIDESZ wählenden Bezirken gegenüber den großen, eher MSZP wählenden ArbeiterInnen-Bezirken führt. In vielen eher liberalen Bezirken konnte sich die Opposition zudem nicht auf gemeinsame Bürgermeister­kandidatInnen einigen, was den Erfolg von FIDESZ begünstigte.

Machtfestigung

Die Orban-Regierung hat in den letzten Jahren ihre Macht gefestigt, sie hat eine nationalistische, von autoritärem Geist durchdrungene Verfassung geschrieben. Die hat oppositionelle Medien zerschlagen, die staatlichen Medien vereinnahmt, das Klima gegenüber Minderheiten und Flüchtenden vergiftet und sie hat den Menschen den Glauben daran, dass sie etwas ändern können, genommen. Die sogenannte demokratische Opposition ist rat- und programmlos. Sie hat den Menschen in Ungarn nichts zu bieten und ist außerdem durch ihre neoliberale Politik diskreditiert. Rechts von FIDESZ wächst die neofaschistische JOBBIK zur zweitgrößten Partei heran. Die Opposition links der MSZP ist zersplittert. Im April kann Orban damit rechnen, dass die Zweidrittelmehrheit zurückgewonnen wird. Seiner Partei wird sogar eine absolute Mehrheit an Stimmen vorausgesagt. JOBBIK wird laut Umfragen zweiter, könnte das Bündnis um die MSZP deutlich hinter sich lassen und im Parlament stärker werden als die demokratischen Parteien zusammengenommen. Die Aussichten in Ungarn sind also schlecht: Die Regierung wird sich nicht einfach abwählen lassen, Ungarn wird dazu eine demokratische Bewegung von unten brauchen, die den Menschen eine Perspektive gibt und sich auch klar von der neoliberalen Opposition und der neofaschistischen JOBBIK abgrenzt.

Solche Entwicklungen sind leider gerade Trend. Neben Ungarn sind auch die Türkei, Polen und die meisten anderen europäischen Staaten entweder durch starke Oppositionsparteien oder sogar Regierungsparteien davon betroffen. Ein Lehrstück der Zerschlagung von Demokratie ist Orban allemal, wodurch gerade wir in Österreich vor der neuen Regierung gewarnt sein sollten.

Josef Meszlenyi, 25 Jahre, studiert Geschichte in Wien und ist Gemeinderat in Halbturn. Er beschäftigt sich mit osteuropäischer Politik und Geschichte und ist in seiner Freizeit, trotz Orban, gerne in Ungarn unterwegs.


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