KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Hans Hautmann (1943–2018)

(4.7.2018)

Der Tod von Univ.-Prof. Dr. Hans Hautmann am 3. Juli 2018, wenige Wochen vor seinem 75. Geburtstag, reißt eine gewaltige Lücke in die kleine Schar marxistischer Wissenschaftle­rinnen und Wissenschaftler in Österreich. Die Geschichtsschre­ibung der österreichischen ArbeiterInnen­bewegung aus kommunistischer Sicht verliert mit ihm ihren wichtigsten Vertreter.

Hans Hautmann wurde am 22. August 1943 als jüngerer der beiden Söhne von Leopoldine und Rudolf Hautmann in Wien geboren. Die beherzten Aktionen seines Vaters, eines Simmeringer Autoschlossers, während der Kämpfe um Wien im April 1945 zur Sicherung der Infrastruktur und Versorgung veranlassten die sowjetische Kommandantur, ihn mit dem Aufbau eines „polizeilichen Hilfsdienstes“ zu beauftragen – damit wurde Rudolf Hautmann erster Polizeipräsident des befreiten Wien. Die jahrzehntelange starke Präsenz von Kommunisten und Kommunistinnen in der Wiener Polizei sowie der Aufbau einer „Kulturvereinigung der Polizeibedien­steten“ waren maßgeblich auf jene frühen Initiativen von Rudolf Hautmann zurückzuführen. Hans Hautmanns Vater war auch erster Präsident des neu gegründeten Österreichischen Volleyballverbands. Hans selbst bestritt in den 1960er Jahren mehrere Spiele für die österreichische Volleyballnati­onalmannschaf­t.

Nach der Matura am Bundesrealgymnasium Stubenbastei begann Hans Hautmann ein Studium der Geschichte und Germanistik an der Universität Wien. Seine Sozialisation und politische Prägung im kommunistischen ArbeiterInnenmilieu widerspiegelte sich auch in seiner 1968 fertigges­tellten Dissertation über die Frühgeschichte der KPÖ, die 1970 gedruckt erschien und 1971 unter dem Titel „Die verlorene Räterepublik“ eine Neuauflage erlebte. Hautmanns berufliche Tätigkeit als Historiker hatte schon 1966 begonnen – als ehrenamtlicher Mitarbeiter des 1963 gegründeten Dokumentation­sarchivs des österreichischen Widerstandes, wo er bis 1968 tätig war. Der wissenschaftliche Leiter des DÖW, Herbert Steiner, war es auch, der Hans Hautmann 1969 an den Linzer Universitätspro­fessor Karl R. Stadler „vermittelte“, der ihn als Assistent am neu gegründeten Institut für Neuere und Zeitgeschichte der Johannes-Kepler-Universität Linz engagierte und fortan seine wissenschaftliche Laufbahn begleitete.

Schon seit 1967 hatte Steiner – als damaliger Sekretär der Historischen Kommission der KPÖ – die informelle Teilnahme von Hans Hautmann an den Sitzungen der Kommission ermöglicht, der er seit 1974 formell angehörte. Auch nach seiner Übersiedlung nach Linz blieb Hautmann Mitglied der Historischen Kommission beim ZK der KPÖ. Er war einer der Autoren der (wegen der Farbe ihres Einbands so bezeichneten) „roten“ Parteigeschichte von 1977, die als Gemeinschaftswerk von akademisch ausgebildeten Historikern (Hans Hautmann und Winfried R. Garscha) und „Parteiveteranen“ (Erwin Zucker-Schilling, Max Stern, Albert Hirsch, Friedl Fürnberg) erschien. Gemeinsam mit Friedl Garscha war er in den folgenden Jahren verantwortlich für eine „Professionali­sierung“ der Parteigeschichtsschre­ibung. Er war einer der Hauptautoren der 1987 erschienenen „grauen“ Parteigeschichte, für die er das Kapitel über die Frühgeschichte der KPÖ und (als Ko-Autor) jenes über die Jahre der austrofaschis­tischen Diktatur 1934–1938 schrieb. 1984 erschien als Gemeinschaftsau­sgabe des Berliner Dietz-Verlags und des Globus-Verlags der KPÖ das – gemeinsam mit Garscha verfasste – Buch über den Februar 1934 in Österreich. Zwischen 1969 und 1991 veröffen­tlichte die theoretische Zeitschrift der KPÖ „Weg und Ziel“ zwanzig geschichtswis­senschaftliche Beiträge von ihm. Diese wichtige Tätigkeit zur Erforschung der österreichischen Geschichte aus kommunistischer Sicht setzte er in den folgenden Jahren mit über fünfzig Aufsätzen in den „Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft“ fort. 2014 verfasste er die von der KPÖ herausgegebene Broschüre „Der Erste Weltkrieg und das Entstehen der revolutionären Linken in Österreich“. Erst wenige Wochen vor seinem Tod brachte der Globus-Verlag sein „Marx-Engels-Handbuch“ neu heraus – als Beitrag der KPÖ zum 200. Geburtstag von Karl Marx.

Gleichzeitig mit seiner Lehrtätigkeit an der Universität Linz war Hans Hautmann auch am dort angesiedelten Ludwig-Boltzmann-Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung aktiv. In der Buchreihe dieses Instituts erschien 1974 sein gemeinsam mit Rudolf Kropf verfasstes Buch „Die österreichische Arbeiterbewegung vom Vormärz bis 1945“, das zu einem Klassiker wurde und bis 1978 drei Auflagen erlebte. Eine weitere Publikation, die eine Pioniertat darstellte, war der 1980 im Schönbrunn-Verlag erschienene Band „Die Gemeindebauten des Roten Wien 1919–1934“, den er gemeinsam mit seinem Bruder, dem Architekten Rudolf Hautmann, verfasste.

1982 habilitierte sich Hans Hautmann an der Universität Linz zum Universitätsdozent. Seine über 800 Seiten starke Habilitationsschrift über die „Geschichte der Rätebewegung in Österreich 1918–1924“ erschien 1987 als Buch und ist bis heute eine der umfassendsten Darstellungen der Rätebewegung außerhalb Russlands überhaupt. 1988 erfolgte die Ernennung zum Assistenzprofessor, 1997 wurde Hautmann der Titel eines außerordentlichen Universitätspro­fessors verliehen. 1996 bis 1998 sowie 2000 bis 2005 war Hans Hautmann Vorstand des Instituts für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte der Universität Linz – ein seltenes Beispiel einer akademischen Karriere eines Historikers mit kommunistischem Hintergrund in Österreich.

Als marxistischer, herrschaftskri­tischer Historiker war Hautmann neben seiner akademischen Laufbahn stets auch im außeruniversitären Bereich aktiv. Als 1993 die Alfred Klahr Gesellschaft gegründet wurde, um das Archiv der KPÖ wissenschaftlich zu erschließen, gehörte Hautmann zu den ProponentInnen und Gründungsmitgli­edern. Bis 2005 fungierte er als erster Präsident. Wie kein anderer hat Hautmann das öffentliche Erscheinungsbild der Alfred Klahr Gesellschaft geprägt, sei es durch seine Beiträge in den „Mitteilungen“ oder durch seine zahlreichen Vortragsabende und Referate auf Symposien.

Neben der Geschichte der ArbeiterInnen­bewegung waren Hautmanns Forschungsschwer­punkte die Justizgeschichte (besonders die Verbrechen der k.u.k. Militärjustiz im Ersten Weltkrieg), die Theoriegeschichte des Sozialismus sowie ganz allgemein die österreichische Geschichte des 20. Jahrhunderts. Zu seinem 70. Geburtstag im Jahr 2013 erschien eine Festschrift mit Beiträgen von FachkollegInnen, MitarbeiterInnen und FreundInnen Hautmanns aus vier Jahrzehnten gemeinsamer Arbeit mit dem Titel „Geschichtsschre­ibung als herrschaftskri­tische Aufgabe. Beiträge zur ArbeiterInnen­bewegung, Justizgeschichte und österreichischen Geschichte im 20. Jahrhundert“.

Unser Mitgefühl gilt seinen beiden Söhnen Philip und Viktor sowie seiner Frau Claudia.

Die Verabschiedung findet am Montag, 23. Juli, um 13 Uhr in der Feuerhalle Simmering statt.

Bundesvorstand der KPÖ
Wiener Stadtleitung
KPÖ Brigittenau


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