KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

„…. lauter männliche Qualen. Nur der Frauen Qualen ist jetzt noch keine Erwähnung geschehen.“

Von: Dr. Rudi Gabriel, Mag. Ulli Fuchs (20.8.2018)

Vor 170 Jahren fand die erste Frauendemonstration in Österreich statt: Am 23. August 1848 wurde die Demonstration gegen Lohnkürzungen der Erdarbeiterinnen beim Praterstern von Sicherheitswache und Nationalgarde blutig auseinanderge­trieben. Am 28. August 1848 wurde der „Wiener Demokratische Frauenverein“ gegründet.

Der Hungerwinter 1847/1848 hatte wie immer die Ärmsten der Bevölkerung am härtesten getroffen. Es waren die Frauen der Unterschichten, die am meisten unter den erhöhten Preisen für Grundnahrungsmit­tel, den Getreidemissernten, Arbeitslosigkeit oder ausbeuterischen Arbeitsbedingungen zu leiden hatten, weshalb sie so wie die Männer Bäckerläden plünderten, Warentransporte überfielen oder sich anders Nahrungsmittel zu verschaffen suchten. Bei den Arbeiter_inne­naufständen 1848 in Wien kam daher auch den Frauen eine bedeutsame Rolle zu.

„Nothstandsbauten“ und Lohnkürzungen

„Wirtschaftliche Probleme“ stellten die schwierigste Aufgabe nach dem vorübergehenden Sieg der Revolution im März dar. In der österreichischen Regierung war ab 18. Juli Ernst Schwarzer Edler von Heldenstamm Minister für öffentliche Arbeiten. Er erwirkte unter dem Eindruck der allgemeinen Notlage und der erfolgreichen Märzrevolution den Baubeginn an der Semmering-Bahn als „Notstandsarbeit“. Auch in Wien wurden sogenannte Notstandsarbeiten verordnet: Erdarbeiten im Prater und in der heutigen Brigit­tenau mit über 20000 Notstan­dsarbeitern (davon 8000 Frauen) hatten den größten Umfang. Für zwölf Stunden Arbeit erhielten erwachsene Frauen damals 20 und Kinder 15 Kreuzer. Männer bekamen für die selbe Arbeit 25 Kreuzer. Zum Vergleich: ein kleines Brot kostete 6 Kreuzer, ein Mittagessen 16 Kreuzer – 20 Kreuzer entsprachen damals etwa 6,2 €.

Schon im Juni war mit Lohnverhandlungen begonnen worden. Das Ministerium wollte die ohnehin extrem niedrigen Löhne für alle um 5 Kreuzer senken, was die Arbeiter_innen enorm erzürnte. Im Verlauf der letzten Monate waren nämlich gewaltige Geldmittel für die Niederschlagung der revolutionären Erhebungen in Prag und Venetien geflossen. Während es zunächst bei Petitionen der Arbeiter_innen blieb, organisierten sich die Betroffenen im August. Ein gutes halbes Jahrhundert nach dem Marsch der Marktfrauen nach Versailles fand dann die erste Frauendemonstration in Wien statt, eine Demonstration, die blutig enden sollte.

Bereits um 9 Uhr am 21. August versammelten sich Massen von Frauen in der Wiener Innenstadt, besetzten öffentliche Straßen und Plätze und erklärten beim Sitz des Sicherheitsau­sschusses in der Innenstadt, sich erst dann wieder zurückzuziehen, wenn dieser ihre Forderungen erfüllte und die Lohnkürzungen für nichtig erklärte. Nach wenigen Stunden schlossen sich auch Männer den kämpferischen Erdarbeiterinnen an. Doch die Regierung zeigte sich hart und unbeeindruckt. Arbeitsminister Schwarzer drohte, gegen die Aufständischen mit Waffengewalt vorzugehen, und ließ über die „Allgemeine Österreichische Zeitung“ ausrichten:

„Eher sollen 10.000 Arbeiter niedergeschossen werden, ehe ich von meinem Entschlusse abstehe.“

Zwei Tage später wurde der Kampf der Arbeiter_innen am Praterstern fortgesetzt. Etwa 3000 Demonstran­t_innen provozierten die von der Obrigkeit eingesetzten Nationalgardisten der 12. und 13. Kompanie sowie die Sicherheitswache mit Strohpuppen, denen sie eine Kreuzer-Münze in den Mund gesteckt hatten: „Vier Kreuzer hat er schon geschluckt, am 5. soll er ersticken“. Als die berittene Garde nach gegenseitigen verbalen Attacken mit blank gezogenem Säbel den Kampf eröffnete, wollten die Demonstrant_innen fliehen. Die Situation eskalierte jedoch, da eine unmenschliche Hetzjagd begann. Die Arbeiter_innen wehrten sich mit Holzprügeln und Steinen. Die „Wiener Gassenzeitung“ meldete 18 Tote und 282 Verletzte. Die klassenübergre­ifende Euphorie für die Revolution war spätestens jetzt vorbei. Das gewaltsame Vorgehen der Nationalgarde, die ihrerseits ein Ergebnis der Märzrevolution gewesen war, bedeutete den ultimativen Bruch mit der revolutionären Arbeiter_innen­schaft.

Die Gründung des „Wiener Demokratischen Frauenvereins“

Revolutionäre, bürgerliche, gebildete Frauen hatten den Plan gefasst, einen Verein zu gründen, um ihren Anliegen Gehör und Sichtbarkeit zu verschaffen. Mit der maßgeblichen Persönlichkeit Karoline von Perin als Präsidentin versuchten republikanisch – aber auch monarchistisch – gesinnte Frauen sich zu organisieren. Die Gründungsversam­mlung war für den 28. August vorbereitet worden. Die für 10 h einberufene Versammlung im Salon des Wiener Volksgartens wurde von aufgebrachten Männern, die diese Vereinsgründung nicht zulassen wollten, gestürmt. Die Männer sprangen dort auf die Tische, äfften die Stimmen der Frauen nach, beleidigten mit gemeinsten Grobheiten und drohten Ohrfeigen an. Daraufhin verlegten die Feministinnen die Vereinsgründung in das Gasthaus „Wasen“ in der Laimgrube auf 17 h. In dieser 2. Sitzung verwarfen die Feministinnen die bereits besprochenen ausschließlich individuellen, karitativen Hilfsaktionen für die kämpferischen Erdarbeiterinnen und forderten vom verantwortlichen Ministerium die Rücknahme der Lohnkürzungen. Zusätzlich forderten sie eine allgemeine Unterstützungsak­tion für bedürftige Arbeiterinnen sowie für die Opfer des 23. August. Dieses Engagement galt als Zeichen ihrer Solidarität mit den Protestaktionen der Unterschichten.

Represssion und Abgesang

Aus der letzten Phase der Wiener Revolution im Herbst 1848, als sich die Situation dramatisch zuzuspitzen begann, der kaiserliche Hof zum zweiten Mal Wien verlassen hatte, das Kriegsministerium gestürmt, der Kriegsminister Latour aufgehängt und das kaiserliche Zeughaus geplündert worden war, besitzen wir die meisten Berichte von bewaffneten, kämpfenden Frauen. Es handelte sich dabei vornehmlich um Arbeiterinnen, Frauen der Unterschicht, die nichts zu verlieren hatten. Die anfangs noch positive Haltung der Wiener Bürger_innen, mit der noch in den Oktoberkämpfen bewaffnete Frauen als „muthvolle Weiber“ gefeiert wurden, kehrte sich allmählich in kritische Distanz. Das massive Auftreten kämpferischer Frauen hatte Unbehagen ausgelöst. Nach der Niederschlagung der Revolution wurde ab 21 Uhr ein Ausgehverbot für Frauen ohne männliche Begleitung verhängt. Es wurde verfügt, dass jede Frau, die alleine auf der Straße ging, aufgehalten und mitgenommen werden konnte.

Karoline Perin, die als 40jährige Frau für die Revolution Familie und Klasse verlassen hatte, hatte alles verloren: ihr Freund Julius Becher wurde erschossen, viele ihrer Freunde wurden hingerichtet oder mussten emigrieren. Sie selbst wurde für psychisch krank erklärt und bei ihrer Arretierung „bei den Haaren gerissen, geschlagen und unbarmherzig behandelt“. Ihre Kinder wurden ihr entzogen und ebenso ihr gesamtes Vermögen. Sie wurde komplett enteignet und des Landes verwiesen.

Quellen und Zitate: Hilde Schmölzer: „Die Revolte der Frauen", Gabriella Hauch: „Frau Biedermeier auf den Barrikaden. Frauenleben in der Wiener Revolution“ „1848 das tolle Jahr, Chronologie einer Revolution“, Ausstellungskatalog Wien Museum

Textzusammenste­llung: Dr. med Rudi Gabriel und Mag.a Ulli Fuchs


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