80 Jahre KPÖ
Die KPÖ ist eine der ältesten kommunistischen Parteien der Welt.
Der Impuls zur Neuformierung revolutionärer Arbeiterparteien ging
von der russischen Oktoberrevolution 1917 aus. Die Notwendigkeit
hierfür war aber schon früher erkennbar geworden: Das Überlaufen
der sozialdemokratischen Führungen in das Lager "ihrer"
Regierungen am Beginn des Ersten Weltkrieges, die Beteiligung der
Arbeiterpresse an der imperialistischen Kriegspropaganda und die
Einstellung des Klassenkampfs durch die Gewerkschaften ("Burgfriedenspolitik")
hatten die marxistischen Arbeiterbewegung de facto gespalten. Kleine,
meist illegal wirkende Minderheiten in den Parteien hielten am Marxismus
und an den Anti-Kriegs-Beschlüssen der Internationale fest und ließen
sich auch nicht - wie die "Linke" um Otto Bauer in Österreich
- durch taktische Zugeständnisse der Parteiführungen gängeln.
Nur in der russischen Sozialdemokratie bildeten die von Wladimir
Ilitsch Lenin geführten "Bolschewiki" ("Mehrheitler")
eine faktisch eigenständige Partei, der es im Verlauf des Krieges
gelang, breite Massen der Arbeiterschaft in den industriellen Zentren
sowie Teile der Armee in ihren Reihen zu versammeln. In Österreich
wurden die internationalistischen, marxistischen Positionen in erster
Linie von den "Linksradikalen" vertreten, die führend
an der Auslösung des "Jännerstreiks" 1918 beteiligt waren.
In dieser bis dahin größten Kampfaktion der österreichischen Arbeiterklasse,
die nur "dank" des unermüdlichen Einsatzes der sozialdemokratischen
Parteiführung abgewürgt werden konnte, reifte bei den "Linksradikalen"
die Erkenntnis, daß die Voraussetzung der sozialen Revolution eine
neue, revolutionäre Arbeiterpartei war.
Die Gründung der KPÖ
Als die KPÖ am 3. November 1918 - als "Kommunistische Partei
Deutsch-Österreichs" - gegründet wurde, befand sich die Habsburger-Monarchie
in Ausflösung. Die k.u.k. Armee unterzeichnete an diesem Tag den
Waffenstillstand zwischen Österreich-Ungarn und der Entente. In
der Woche zuvor war in Prag in Tschechoslowakische Republik ausgerufen
worden und in Zagreb der Zusammenschluß der südslawischen Gebiete
der Monarchie mit Serbien bekanntgegeben worden. Im Wiener Parlament
waren die deutschsprachigen Mitglieder des Abgeordnetenhauses zusammengetreten,
hatten sich als "Provisorische Nationalversammlung für Deutsch-Österreich"
konstituiert, den Anschluß an Deutschland proklamiert und eine Gegenregierung
gegen die noch im Amt befindliche kaiserlich-königliche Regierung
bestellt.
Innerhalb weniger Tage wurde deutlich, daß die Sozialdemokratie
den gewaltigen Schwung der Massenbewegung, die damals Österreich
erfaßte, nicht zur Vorbereitung der sozialen Revolution nützen würde.
Trotz der Massenkundgebungen und obwohl - wegen des totalen Zusammenbruchs
der alten Gewalten - die Macht auf der Straße lag, orientierte die
SP-Führung auf einen Kompromiß. Über die neue Koalitionsregierung
würde die Arbeiterschaft in der Republik, deren Ausrufung nur noch
eine Frage weniger Tage sein konnte, zwar erstmals über ein (beschränktes)
Mitspracherecht verfügen, doch an die Stelle der Monarchie würde
eben keine sozialistische Republik, sondern ein bürgerlicher Staat
treten. In dieser Situation schritt eine kleine Gruppe von "Linksradikalen"
an die Gründung einer kommunistischen Organisation.
Die Gründungskonferenz in den Eichensälen in Wien-Favoriten erklärte
es zur ersten Aufgabe der neuen Partei, "an Stelle der bürgerlichen
Umwälzung ... die soziale [zu] fordern" und verlangte: "Alle
Arbeitenden, welcher Form immer, müssen bei uns sein; ob sie nun
in den Werkstätten oder in den Fabriken oder als Intellektuelle
tätig sind." Ihre erste Aktion setzte die neugegründete Partei
während der Massenkundgebung auf der Ringstraße aus Anlaß der Ausrufung
der Republik am 12. November. Kommunistische Arbeiter entrollten
auf der Parlamentsrampe ein Transparent mit der Losung "Hoch
die sozialistische Republik!", andere holten die neue rot-weiß-rote
Fahne von der Fahnenstange vor dem Parlament, entfernten den weißen
Streifen und verknoteten die beiden roten Streifen, um zu zeigen,
was für sie die "richtige" Flagge der neuen Republik sein
sollte.
Innerhalb weniger Wochen strömten der Kommunistischen Partei Tausende
ArbeiterInnen, Intellektuelle und vor allem auch Soldaten der -
aus der demobilisierten k.u.k. Armee hervorgegangenen - Volkswehr
zu. In den allerorts entstehenden Arbeiterräten erlangten kommunistische
Vertrauensleute Einfluß. Verschiedene linke Organisationen schlossen
sich der KPÖ an, darunter die vom Führer der "Linksradikalen",
dem Angestelltengewerkschafter Franz Koritschoner, geleitete Gruppe.
Den größten Aufschwung erfuhr die kommunistische Bewegung in Österreich
nach der Ausrufung von Räterepubliken in den beiden Nachbarländern
Ungarn und Bayern im März und April 1919. Doch die Sozialdemokratie
wußte - teilweise im im Zusammenwirken mit dem intakt gebliebenen
reaktionären Polizeiapparat - ein Übergreifen der Revolution nach
Wien zu verhindern. Gleichzeitig nutzte sie aber den Druck von Links,
um ihren bürgerlichen Koalitionspartnern eine Reihe bedeutender
sozialer Reformen abzuringen.
Außerhalb der Zentren der Arbeiterbewegung begann sich bereits
1919 die Gegenrevolution zu organisieren, deren erklärtes Ziel es
war, diese Reformen - die sie als "revolutionären Schutt"
verunglimpften - nötigenfalls mit Gewalt wieder rückgängig zu machen.
Der Kampf der Reaktion um die "Beseitigung des revolutionären
Schutts", d.h. der Sozialgesetze von 1919/20 und des parlamentarisch-demokratischen
Systems, charakterisiert die ganze Geschichte der Ersten Republik.
In den österreichischen Schulbüchern wird der sukzessive Vormarsch
der sozialen und politischen Reaktion bis zur Etablierung eines
faschistischen Regimes 1933/34 zu einer Auseinandersetzung zwischen
linken und rechten "Parteiarmeen" (nämlich dem sozialdemokratischen
"Schutzbund" und der christlichsozialen "Heimwehr")
verharmlost, in der noch dazu die "Schuld" zwischen "Links
und Rechts" gleich verteilt wird.
Der Impuls der Oktoberrevolution
Ausgehend von der russischen Oktoberrevolution hatte 1918 eine
Welle revolutionärer Bewegungen die Welt erfaßt. Doch nach einer
kurzen Periode teilweise blutiger Bürgerkriege und Umsturzversuche
hatte sich nur in Sowjetrußland die Arbeitermacht behaupten können.
Die große Mehrheit der politisch organisierten ArbeiterInnen blieb
in der Sozialdemokratie, nur die Kommunistische Partei Deutschlands
erlangte Masseneinfluß.
Die 1919 von der KPÖ mitbegründete Kommunistische Internationale
("Komintern", Dritte Internationale) verstand sich zwar
als "Weltpartei" mit nationalen "Sektionen"
und einer internationalen Führung ("Exekutivkomitee der Komintern",
"EKKI"), war aber ab Mitte der zwanziger Jahre de facto
der Transmissionsriemen zur Durchsetzung der politischen Linie und
des Organisationskonzepts der Kommunistischen Partei der Sowjetunion
(KPdSU) in den einzelnen kommunistischen Parteien.
Innerhalb der KPdSU-Führung waren bereits vor Lenins Tod (1924)
heftige Richtungskämpfe entbrannt, aus denen der Generalsekretär
der Partei, Josef Stalin, als Sieger hervorging. Stalin orientierte,
nach dem Scheitern der Weltrevolution, auf den Aufbau des Sozialismus
in vorläufig nur einem Land, der Sowjetunion. Dieses gewaltige,
welthistorisch einmalige soziale Experiment beeinflußte während
der zwanziger und dreißiger Jahre weit über die kommunistischen
Parteien hinaus die Arbeiterschaft sowie linke und kritische bürgerliche
Intellektuelle und Künstler, insbesondere in Europa und den kolonial
ausgebeuteten Ländern Asiens und Afrikas.
Die begeisterte Solidarität mit Sowjetrußland wurde durch den stalinistischen
Massenterror erschüttert. Den Schauprozessen in der zweiten Hälfte
der dreißiger Jahre fiel fast die ganze alte Garde der Bolschewiki
zum Opfer. Hunderttausende sowjetische KommunistInnen wurden als
angebliche Gegner erschossen, Millionen Menschen in Arbeitslager
deportiert. Opfer dieser Verfolgungen wurden auch ausländische KommunistInnen,
auch Mitglieder der KPÖ, darunter Franz Koritschoner, der zur Zeit
des deutsch-sowjetischen Pakts von den sowjetischen Behörden an
Hitler-Deutschland ausgeliefert und in Auschwitz ermordet wurde.
Der überragende Anteil der Roten Armee am Sieg über Hitler-Deutschland
verdrängte die Schrecken der dreißiger Jahre aus dem Bewußtsein
der KommunistInnen außerhalb der Sowjetunion. Die eigenen Erfahrungen
mit den Methoden des Gegners im Kalten Krieg ließen die "Enthüllungen"
im Verlauf der Schauprozesse in Osteuropa Ende der vierziger/Anfang
der fünfziger Jahre plausibel erscheinen. Die Funktion der Sowjetunion
als "Schutzmacht" von linken, emanzipatorischen Bewegungen
im "Westen" zur Zeit des Kalten Krieges und von antikolonialen
Befreiungsbewegungen in der "Dritten Welt" bewirkten,
daß die - bedingungslose - Solidarität mit der KPdSU zu einem Hauptmerkmal
kommunistischer Parteien wurde.
Österreich zählte zu jenen Ländern, in denen dieses Verhältnis
besonders eng war, was auch mit der Rolle der Sowjetunion als Besatzungsmacht
1945-1955 zusammenhing. Erst nach der sowjetischen Intervention
in der CSSR im August 1968 wurde (vorübergehend) auch in der KPÖ
ein Unterschied gemacht zwischen der prinzipiellen Solidarität mit
der Sowjetunion - als Symbol für den ersten erfolgreichen Versuch
zur Errichtung der Arbeitermacht und den Sieg über den Faschismus
- und einer prinzipienlosen Verteidigung der jeweiligen sowjetischen
Innen- und Außenpolitik.
Zwar wurde in der Sowjetunion das durch den Massenterror charakterisierte
politische System nach Stalins Tod (1953) sukzessive umgebaut, doch
erwiesen sich die politisch-administrativen Leitungsmechanismen
vor allem auf ökonomischem, wissenschaftlich-technologischem und
kulturellem Gebiet zunehmend als Fessel. Die Sowjetunion geriet
in der Auseinandersetzung mit dem Imperialismus ins Hintertreffen,
was auch die kommunistischen Parteien außerhalb der Sowjetunion
negativ beeinflußte. Seit 1989/1991 wurde deutlich, welchen sozialen
und kulturellen Verlust der Zusammenbruch der "Realsozialismus"
für die Menschen in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion bedeutete.
Dieser Zusammenbruch war nicht nur eine Folge des Drucks von außen,
er wurde auch durch die Politik der regierenden kommunistischen
Parteien mitverursacht.
Die kommunistische Bewegung ist durch ihre weltgeschichtliche Niederlage
vor die Aufgabe gestellt, ihre historische Rolle und ihre politischen
Perspektiven kritisch einzuschätzen und neu zu definieren. Das ist
ein Prozeß, der viele Jahre intensiver thoretischer Diskussionen
erfordert. Die historische Erfahrung politischer Bewegungen - unterschiedlicher
ideologischer Ausrichtung - zeigt, daß nach Niederlagen immer Zeiten
des Nachdenkens und der Neubewertung anbrechen.
Gleichzeitig hat aber der vorübergehende weltweite Sieg des Imperialismus
die sozialen Widersprüche innerhalb der kapitalistischen Gesellschaften
und die Gefahr kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen den kapitalistischen
Staaten verschärft. Das erfordert von den kommunistischen Parteien
aktives Eingreifen in die politischen Tageskämpfe und läßt wenig
Spielraum für interne ideologische Kämpfe. Beiden Anforderungen
- der kritischen Selbstreflexion ebenso wie der politischen Aktion
- gerecht zu werden, ist eine Aufgabe, der sich die kommunistischen
Parteien bei Strafe des Versinkens in die politische Bedeutungslosigkeit
stellen müssen. Die KPÖ stellt diesbezüglich keine Ausnahme dar.
Antifaschismus: Erbe und Auftrag
Seit Mitte der zwanziger Jahre hatte die KPÖ vor der Gefahr der
Aufrichtung einer faschistischen Diktatur in Österreich gewarnt.
Sie hatte erkannt, daß diese Gefahr nicht nur von den faschistischen
Schlägertrupps der Nazis und der austrofaschistischen "Heimwehren"
ausging, sondern aus der Mitte des Staatsapparats selbst kam. Der
Februar 1934, als Bundesheer und Polizei auf Arbeiterwohnungen schossen,
bewies die Richtigkeit dieser Analyse. Tausende von SozialdemokratInnen
anerkannten das und schlossen sich der KPÖ an, die damit - in der
Illegalität - ihre Mitgliederzahl mehr als vervierfachte und zu
einem relevanten Faktor in der österreichischen Arbeiterbewegung
wurde; in den wichtigsten politischen Fragen konnte sie 1934-38
innerhalb der Linken die Themenführerschaft erreichen.
Das galt insbesondere für die Diskussionen um die Möglichkeiten,
die Gefahr einer Annexion des Österreichs durch Hitler-Deutschland
abzuwehren. Im Auftrag des Znetralkomitees der KPÖ entwickelte Alfred
Klahr im - illegal zu Tausenden verbreiteten - theoretischen Organ
"Weg und Ziel" eine marxistische Theorie der nationalen
Selbständigkeit Österreichs. Die KPÖ orientierte auf ein Bündnis
aller Anti-Hitler-Kräfte. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten
und dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht war die KPÖ die einzige
politische Partei, die in organisierter Form den Kampf gegen die
NS-Dikatur führte. Kommunistinnen und Kommunisten wirkten im Untergrund,
sabotierten die Kriegsproduktion, halfen Verfolgten und schlossen
sich zu Partisanengruppen zusammen. Sie bewiesen Mut, Umsicht und
Eigeninitiative. Zweitausend unter ihnen fielen in diesem Kampf
für eine menschlichere, gerechtere Gesellschaft, für die Wiederherstellung
eines demokratischen, unabhängigen Österreich - als Häftlinge in
Kerkern und Konzentrationslagern, als Angehörige bewaffneter Verbände,
als Soldaten der alliierten Befreiungsarmeen.
1945 wirkten Kommunistinnen und Kommunisten am Wiederaufbau demokratischer
Strukturen mit - als OrganisatorInnen der Versorgung der Bevölkerung
und des Wiederaufbaues, als PropagandistInnen eines neuen demokratischen
Österreichbewußtseins - als Alternative zur tief in der Bevölkerung
verwurzelten Nazi-Ideologie -, als Polizisten bei der Ausforschung
von NS-Verbrechern, als PolitikerInnen von den Gemeindestuben bis
hinauf zur Bundesregierung, vor allem aber als Betriebsräte und
Vertrauensleute in den Betrieben. Der Initiative der KommunistInnen
waren eine Reihe von einschneidenden Verbesserungen zu danken, die
bis heute das sozialpolitische System in Österreich prägen. Es war
vor allem die Verbindung von politischem Realismus mit der sozialistischen
Perspektive, welche die im Vergleich zur Ersten Republik wesentlich
breitere Verankerung der KPÖ in der politischen Kultur Österreichs
ermöglicht hat.
Auch nach dem mit ihrem Ausscheiden aus dem Parlament (1959) verbundenen
politischen Bedeutungsverlust ist die KPÖ ein Motor der sozialen
Bewegungen in diesem Land, insbesondere auf Betriebs- und Gemeindeebene,
geblieben. Es war und ist zu einem beträchtlichen Teil dem Wirken
von KommunistInnen zuzuschreiben, daß des antifaschistischen Wiederstands
gedacht und neonazistischen Provokationen entgegengetreten wird.
Die Auseinandersetzungen des Kalten Krieges, die Ausgrenzung, ja
Kriminalisierung der KommunistInnen, insbesondere nach der Niederlage
im Oktoberstreik 1950, haben diese Leistungen in Vergessenheit geraten
lassen. Der 80. Geburtstag unserer Partei sollte Anlaß sein, mit
Nachdruck daran zu erinnern.
- Artikel von Dr. Winfried Garscha, Historiker
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