KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Historischer Fototermin

Eingesperrt im Westjordanland – Palästinenser am israelischen Armeekontrollpunkt Kalandia bei Ramallah (5.10.2007)

Von Uri Avnery (29.11.2007)

Keine Agenda, kein klares Ziel: George W. Bushs Nahostgipfel in Annapolis ist zum Scheitern verurteilt, bevor er begonnen hat – Die Annapolis-Konferenz ist ein Witz – ganz sicher aber kein lustiger. Wie eine Menge politischer Initiativen hat auch diese für kommende Woche anberaumte Veranstaltung mehr oder weniger zufällig begonnen. George W. Bush war dabei, eine Rede vorzubereiten. Er suchte nach einem Thema, das dieser ein wenig Substanz verleihen könnte. Etwas, das die Aufmerksamkeit von seinem Fiasko im Irak und Afghanistan ablenken würde. Etwas Einfaches, Optimistisches und etwas, das problemlos geschluckt würde. So kam irgendwie die Idee eines »Treffens« von führenden Politikern zustande, das den israelisch-palästinensischen »Prozeß« in Gang bringen könnte. Eine internationale Konferenz ist immer etwas Schönes – sie sieht im Fernsehen gut aus, sie liefert haufenweise Fototermine, sie strahlt Optimismus aus. Wir treffen uns, also sind wir.

So hat Bush die Idee eines »Treffens« ausgesprochen, um Frieden zwischen Israel und den Palästinensern zu fördern. Ohne vorausgehende strategische Planung, ohne sorgfältige Vorbereitungen, ohne auch nur irgend etwas. Deshalb ging Bush in seiner Rede nicht in die Details: kein klares Ziel, keine Agenda, keine Ortsangabe, kein Datum, keine Liste der Beteiligten. Allein diese Tatsache zeugt vom Mangel an Ernsthaftigkeit des ganzen Unternehmens.

Viele Hirngespinste

Einmal angekündigt, ist das »Treffen« zu einem wichtigen Unternehmen geworden. Die Experten aller Parteien begannen hektisch, sich auf das vage definierte Ereignis vorzubereiten. Jede Seite versuchte, dieses in die für sie selbst günstigste Richtung zu steuern:

– George W. Bush und seine Außenministerin Condoleezza Rice wollten ein eindrucksvolles Ereignis, um zu beweisen, daß die USA sich sehr um Frieden und Demokratie bemühen und daß sie da Erfolge haben, wo der große Henry Kissinger nur Fehlschläge einstecken mußte. James Carter war es nicht gelungen, den israelisch-ägyptischen Frieden auch zu einem israelisch-palästinensischen Frieden zu machen. William Clinton war in Camp David gescheitert. Wenn Bush Erfolge nachweisen könnte, wo seine illustren Vorgänger Fehlschläge erlitten hatten, würde das nicht beweisen, wer der Größte von allen ist?

– Der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert benötigt dringend einen durchschlagenden politischen Erfolg, damit die Erinnerung an sein elendes Scheitern im zweiten Libanon-Krieg verblaßt und um sich selbst von den Dutzenden Untersuchungen wegen Korruption zu befreien. Seine Ambitionen sind grenzenlos: Er möchte beim Händeschütteln mit dem König von Saudi-Arabien fotografiert werden. Bis jetzt ist keinem israelischen Ministerpräsidenten dieses Kunststück gelungen.

  • – Der palästinänsische Präsident Mahmud Abbas möchte der Hamas und den rebellischen Fraktionen seiner eigenen Fatah-Bewegung zeigen, daß er dort Erfolge vorweisen kann, wo der große Yassir Arafat scheiterte – als gleicher Partner unter den Weltführern akzeptiert zu werden.

Das Treffen in Annapolis könnte so gesehen eine große, fast historische Konferenz werden – wenn nicht all diese Hoffnungen Hirngespinste wären. Keine davon hat irgendeine Substanz. Aus einem einzigen Grund: Keiner der drei Partner hat die notwendigen Mittel zu seiner Verfügung.

– George W. Bush ist bankrott. Um in Annapolis Erfolg zu haben, hätte er enormen Druck auf Israel ausüben müssen, um es zu zwingen, die nötigen Schritte zu machen: der Errichtung eines echten palästinensischen Staates zuzustimmen, Ostjerusalem aufzugeben, die »Grüne Linie« als Grenze wieder herzustellen (einen geringfügigen Landtausch mit eingeschlossen), eine Einverständnis erzielende Formel zum Flüchtlingsproblem zu finden. Aber Bush ist überhaupt nicht in der Lage, auch nur den leichtesten Druck auf Israel auszuüben, selbst wenn er es gewollt hätte. In den USA hat die Wahlkampagne begonnen, und die zwei großen Parteien stehen wie Bollwerke gegen irgendwelchen Druck auf Israel. Die jüdische und die christlich-fundamentalistische Lobby werden gemeinsam mit den Neocons nicht erlauben, daß ein Wort der Kritik über Israel geäußert wird.

– Ehud Olmert ist in einer noch schwächeren Position. Seine Koalition hält nur, weil es in der gegenwärtigen Knesset keine Alternative gibt. Sie schließt Elemente mit ein, die man in anderen Ländern als faschistisch bezeichnen würde. Er wird von seinen Partnern daran gehindert, auch nur den winzigsten Kompromiß zu schließen – selbst wenn er wirklich ein Abkommen erreichen wollte. Die Knesset nahm dieser Tage eine Gesetzesvorlage an, die eine Zweidrittelmehrheit erfordert, wenn die Grenzen von Groß-Jerusalem irgendwie verändert werden sollen. Das bedeutet, daß Olmert nicht einmal eines der am Rande liegenden palästinensischen Dörfer, die 1967 an Jerusalem angeschlossen wurden, aufgeben kann. Seine Koalitionspartner erlaubten ihm ebensowenig, sich den Kernproblemen auch nur zu nähern.

– Mahmud Abbas kann sich nicht von den Bedingungen entfernen, die Yassir Arafat – dessen Todestag am 11. November begangen wurde – festgelegt hat. Wenn er davon nur ein wenig abrückte, würde er stürzen. Er hat schon den Gazastreifen verloren und kann auch die Westbank verlieren. Auf der andern Seite, wenn er mit Gewalt drohte, würde er alles verlieren, was er bekommen hat: die Gunst von Bush und die Kooperation mit den israelischen Sicherheitskräften.

Großes Hindernis

Die drei Pokerspieler werden sich an einen runden Tisch setzen und so tun, als würden sie ein Spiel beginnen – während keiner von ihnen einen Cent hat, um ihn auf den Tisch zu legen. Keiner der drei führenden Politiker träumt noch von einem echten Ergebnis. Was sie jetzt hoffen, ist, den Schaden so gering wie möglich zu halten – doch wie kommt man aus solch einer Situation heraus?

Wie gewöhnlich ist unsere Seite bei dieser Aufgabe die kreativste. Schließlich sind wir Experten beim Bau von Straßensperren, Mauern und Zäunen. In der vergangenen Woche wurde ein größeres Hindernis geschaffen als die Große Mauer Chinas. Ehud Olmert verlangte, daß die Palästinenser vor den Verhandlungen »Israel als jüdischen Staat« anerkennen müßten. Ihm folgte sein Koalitionspartner, der ultrarechte Avigdor Lieberman, der vorschlug, gar nicht erst nach Annapolis zu gehen, solange die Palästinenser diese Forderung nicht erfüllt hätten.

Prüfen wir kurz diese Forderung: Von den Palästinensern wird nicht verlangt, daß sie den Staat Israel anerkennen. Sie haben dies schließlich schon beim Oslo-Abkommen 1993 getan – trotz der Tatsache, daß Israel noch nicht das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat mit der »Grünen Linie« als Grenze anerkannt hat. Nein, die Regierung Israels verlangt noch viel mehr: die Palästinenser müssen jetzt anerkennen, daß Israel ein »jüdischer Staat« ist.

Verlangen die USA, als »christlicher oder angelsächsischer Staat« anerkannt zu werden? Hatte Stalin verlangt, die USA mögen die Sowjetunion als »kommunistischen Staat« anerkennen? Hat Polen je verlangt, als »katholischer Staat« oder Pakistan als »islamischer Staat« anerkannt zu werden? Gibt es überhaupt einen Präzedenzfall eines Staates, der die Anerkennung seines heimischen Regimes gefordert hatte? Die Forderung ist per se lächerlich. Sie kann leicht durch eine Analyse ad absurdum geführt werden.

Was ist ein »jüdischer Staat«? Das wurde bis jetzt nie definiert. Ist es ein Staat mit einer Mehrheit jüdischer Bürger? Ist es der »Staat des jüdischen Volkes« – und meint damit auch die Juden in Brooklyn, Paris und Moskau? Ist es »ein Staat, der der jüdischen Religion gehört« – und wenn es so ist, wie gehört er dann auch den säkularen Juden? Oder gehört er vielleicht nur den Juden, die dem Rückkehrgesetz entsprechen – d. h.»Personen, die eine jüdische Mutter haben und nicht zu einer anderen Religion konvertiert sind«? Diese Fragen sind noch nicht geklärt worden. Wird von den Palästinensern erwartet, etwas anzuerkennen, was selbst in Israel noch ein umstrittenes Thema ist?

Unannehmbare Forderung

Entsprechend der offiziellen Doktrin ist Israel ein »jüdischer und demokratischer Staat«. Was sollen die Palästinenser tun, wenn – nach demokratischen Regeln – eines Tages meine Meinung übernommen wird und Israel ein »israelischer Staat« wird, der allen seinen Bürgern gehört – und ihnen allein?

Der Haken ist natürlich, daß diese Formel für Palästinenser unakzeptabel ist, weil dies die anderthalb Millionen Palästinenser, die israelische Bürger sind, in ihren Rechten verletzen würde. Die Definition »jüdischer Staat« macht sie – bestenfalls – automatisch zu Bürgern zweiter Klasse. Wenn Mahmud Abbas und seine Kollegen dieser Forderung entsprechen würden, dann würden sie ihren Verwandten ein Messer in den Rücken stoßen.

Olmert und Co. wissen das natürlich. Sie stellen diese Forderung nicht, damit sie akzeptiert wird. Sie stellen diese Forderung, damit sie nicht angenommen wird. Mit diesem Trick hoffen sie, jede Verpflichtung los zu sein, bedeutsame Verhandlungen überhaupt erst zu beginnen.

Der Autor ist Mitbegründer der israelischen Friedensgruppe Gush Shalom. (gush-shalom.org). Übersetzung: Ellen Rohlfs und Christoph Glanz

Quelle: Junge Welt, 24.11.2007

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