KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Billiger ist eine linke Position nicht zu haben

Von Waltraud Fritz-Klackl (1.11.2007)

Die Linke in Europa befindet sich in einem Stadium, spätestens seit der Kampagne gegen die geplante EU Verfassung, in der es zunehmend klarer wird, dass schlichte Ablehnung aller neoliberalen Vorstöße nicht genügt.

Sie genügt nicht, diese Vorstöße abzuwehren, sie genügt aber auch nicht um zu mobilisieren. Wir sehen uns vor die Aufgabe gestellt Alternativen zu entwickeln, Alternativen zu jedem einzelnen Bereich, der Zusammenleben ausmacht, auf lokaler, regionaler, nationalstaatlicher und europäischer Ebene, von der globalen Dimension ganz zu schweigen.

Die Analyse neoliberaler Herrschaft ist als Voraussetzung für das Verständnis über die Zusammenhänge notwendig, wenn wir uns darüber verständigen, was wir wollen. Es reicht nicht aus, zu wissen was wir nicht wollen. So richtig und wichtig z. B. die Erklärung der europäischen Linkspartei zum Vertrag von Lissabon ist, in der festgestellt wird: „Der neue Vertrag bestätigt Mechanismen, die die EU daran hindern auf der globalen Ebene ihre eigene Politik gegenüber den USA zu entwickeln

Der Vertrag unterwirft die europäische Verteidigung der NATO, einer aggressiven militärischen Organisation, statt ihre Auflösung zu unterstützen unter den Schirmherrschaft der UN. Er empfiehlt die Erhöhung der Militärausgaben statt genau das Gegenteil zu tun und er akzeptiert die Einbindung Europäischer multinationaler Truppen in „anspruchsvollere“ Militärmissionen, im Namen der Verteidigung der sgn. Werte und Interessen der Union.

Die EL lehnt die Beteiligung an europäischen Militärstreit­kräften an militärischen Interventionen ab.

Wir glauben, dass die EU zu Abrüstung fähig ist die Militärbudgets ihrer Mitgliedstaaten reduziert werden sollten und aufhören soll in militärischen Dimensionen zu denken. Wir glauben auch dass der sgn. Krieg gegen den Terror nicht als Entschuldigung dafür dienen kann fundamentale Rechte, bürgerliche Freiheiten zu schmälern und zu unterminieren…Wir fordern die Durchführung von Referenden in jedem einzelnen EU Staat.“

Sowenig ist diese klare Positionierung der Ablehnung des Regierungsvertrages ausreichend, um Wege zu einem alternativen politischen Weg in Europa zur Diskussion zu stellen.

Als Österreich ebenso wie die neutralen Länder Schweden und Finnland der EU beigetreten ist, wurde deren neutraler Status von der EU anerkannt bzw. nicht in Frage gestellt.

Mit der Aufnahme neutraler Länder sind aber Verpflichtungen verbunden, die sich nicht einseitig auf die Akzeptanz des neutralen Status dieser Länder beschränken lassen.

Die EU als gesamtes ist mit diesem Akt Verpflichtungen eingegangen: Nämlich ein sicherheitspo­litisches Umfeld zu schaffen, in dem Neutralität innerhalb der EU sozusagen „aufgehoben“ wird.

Ein Europa des Friedens muss eine andere, eine neue soziale und ökonomische Rolle spielen. Das Konzept einer Festung Europa kann nicht nur nicht militärisch aufrecht erhalten werden. Aggressionsabbau, Abbau von Abschreckung etc. ist auch ökonomisch und sozial zu verstehen. Neue Grundlagen für internationale Beziehungen müssen geschaffen werden. Der Ausschluss von militärischen Optionen ist eine Sache, dies muss aber eingebettet sein in der Herstellung eines Netzes von neuen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen um glaubhaft zu sein.

Aktive Neutralität erschöpft sich nicht in klassischer Konfliktprävention sondern erfordert auch aktive Politik in ökonomischer, kultureller und sozialer Dimension.

Die Gegner der Neutralität behaupten, dass es nach Ende des Kalten Kriegs nichts mehr gäbe, worauf sich eine Neutralität beziehen könnte. Der Kern der Neutralität bezieht sich allerdings nicht auf eine bestimmte internationale Konstellation, sondern auf ein gewaltfreies nicht-militärisches Verständnis der Außenpolitik, was heute vor allem auch die Überwindung der weltweiten wirtschaftlichen und sozialen Ungerechtigkeit als der Hauptursache bewaffneter Konflikte mit einschließt.

Zu dieser Kritik des neoliberalen Lagers kommt die Ablehnung seit einiger Zeit auch von der extremen Rechten nicht in Form einer Kritik der Neutralität, obwohl Haider, als er noch Vorsitzender einer nicht gespaltenen F war, sich für den NATO Beitritt Österreichs stark gemacht hat, sondern getarnt als EU Kritik.

„Österreich neutral und frei statt EU Knecht – heißt es auf Strache Plakaten. Wen will er glauben machen, dass er sich mit seiner Partei in einem nicht der EU angehörendem Österreich für soziale Sicherheit, für Umverteilung von oben nach unten, für die zivilen Rechte der BürgerInnen einsetzen wird?

Nationalismus und Chauvinismus heißt nicht nur, sich über Angehörige anderer Nationalitäten zu erheben, sondern heute vor allem, diese für Arbeitsplatzver­lust, Unsicherheit und für soziale Ungerechtigkeit verantwortlich zu machen. Wenn Strache gegen den Beitritt der Türkei zu EU agitiert, so verschweigt er, dass es für das westeuropäische Kapital schon längst keine Außengrenze der EU zur Türkei gibt, weil es aufgrund der Kapitalmarktli­beralisierung zu hunderten Milliarden dort investiert wird, und von niedrigen Lohn- Sozial- und Umweltstandards profitiert. Nicht durch die Einwanderung von Menschen sondern durch die Auswanderung des Kapitals werden die ArbeiterInnen und Angestellten hierzulande unter Druck gesetzt.

Die mit der Erweiterung der EU um Länder mit niedrigeren Sozialstandards gestellte Frage lautet daher, ob die minimalen sozialen und politischen Rechte, die auf EU-Ebene bestehen, auch auf die ArbeiterInnen und Angestellten in anderen Ländern ausgedehnt werden, bzw. ob der Kampf um mehr soziale Rechte mit diesen gemeinsam geführt werden soll. Dass damit in der Tat schwierige Anpassungs- und Übergangsprozesse verbunden sind, sollten wir nicht übersehen. Sie aber aufzugreifen und zur Diskussion zu stellen, macht den einen entscheidenden Unterschied zu einer rechten und chauvinistischen EU-Kritik aus.

Ein weiterer Unterschied besteht in der Migrationsfrage.

Menschen versuchen nicht aus Jux und Tollerei unter Lebensgefahr in die EU zu gelangen, sondern, weil die Lebensbedingungen in ihren Herkunftsländern unerträglich sind. Für diese Bedingungen trägt der europäische Kolonialismus nicht nur die historische Verantwortung, die heutige Außenhandelspolitik der EU – wie sie in den Verhandlungen über die EPA – den Entwicklungsländern aufgezwungen wird, blockiert wirtschaftliche Entwicklung, zerstört lokale wirtschaftliche Kreisläufe, vertieft das Patriarchat, schädigt die Ökologie, schränkt die Souveränität der Länder ein und verschärft ihre Not. Wir müssen gegen die aktuelle Handelspolitik der EU Widerstand leisten und für den Respekt und die Selbstbestimmung der Länder der 3.Welt auch in Hinblick auf ihre wirtschaftliche und soziale Entewicklung eintreten.

Der selbe Respekt verlangt auch, für die sozialen und politischen Rechte der in Europa eintreffenden Flüchtliche und ImmigrantInnen einzustehen. Solidarität, Demokratie und Menschenrechte sind unteilbar. Europa ist aufgrund seiner Geschichte und seines Reichtums eine Einwanderungsre­gion. Insbesondere treten wir daher für eine menschenrechtskon­forme Aslypolitik und für die Residenzbürger­schaft ein.

Kritik kommt auch von linker Seite, von einer Seite, deren vorwiegendes Anliegen es offenbar ist, scheinbar Sicheres und Gesichertes zu bewahren. Für Österreich behaupten diese Kräfte, nur ein EU Austritt könnte die Neutralität Österreichs bewahren. Was würde dies am gegenwärtigen Zustand ändern? Würde dies die Aushöhlung der Österreichischen Neutralität stoppen? Würde die Partnerschaft mit der NATO gekündigt,? diese hat mit der EU Mitgliedschaft nicht zu tun! Würde Österreich plötzlich als „Einzelland eine aktivere Außenpolitik betreiben, in Hinblick auf Konfliktprävention und Einsatz für gerechterere Beziehungen?

Die Frage ist doch vielmehr, warum nützt die österreichische Regierung nicht seit Jahren ihre Position in der EU um sich dort für Abrüstung, alternative Sicherheitskon­zepte, die mit Neutralität kompatibel sind, einzusetzen? Noch gibt es das Veto recht der Staaten. Warum beharrt sie nicht darauf, dass die EU den neutralen Status einiger Mitgliedsländer endlich zur Kenntnis nimmt und entsprechend agiert?

Das wichtigste neue Moment ist die Globalisierung, die sich auf kapitalistischer Grundlage vollzieht. Angesichts dieser reicht nicht aus, sich aus den großen Problemen, wie Hunger, ungerechte weltwirtschaftliche Strukturen, Vertreibungen, nukleares Wettrüsten und Weiterverbreitung von Massenvernichtun­gswaffen herauszuhalten. Keines dieser Probleme ist auf nationalstaatlicher Ebene allein zu lösen. Ihre Dramatik erfordert, sich aktiv dafür einzusetzen, dass diese nicht durch Kriege ausgebrannt sondern friedlich und gerecht gelöst werden. Dabei ist nicht gleichgültig, wie sich die EU mit ihrem großen ökonomischen und politischen Gewicht verhält.

Wenn von einer Emanzipation Europas von den USA die Rede ist, so meinen die einen die Entwicklung der EU zu einem imperialistischen Zentrum, wir aber, dass Europa Pol einer alternative Politik werden muss. Die Erfahrungen, die in Zentral- und Nordeuropa mit der Neutralität gemacht wurden, können/müssen bei der

Entwicklung einer alternativen nicht militärischen gewaltfreien Sicherheitspolitik Europas Berücksichtigung finden. Aus der EU-Mitgliedschaft des neutralen Österreich, dessen Status auch von der EU anerkannt wurde, folgt, dass wir uns jeder Militarisierung der EU, dem Aufbau von Eingreiftruppen entgegen aber für strukturelle Nichtangriffsfähig­keit, für die Auflösung der US-Militärbasen und der NATO sowie für eine Denuklearisierung Europas einsetzen müssen. Aus all diesen Gründen lehnen wir den modifizierten EU-Verfassungsvertrag, der ein Aufrüstungsvertrag ist, ab.

Man braucht sich nur die Frage stellen, was aus der in den 70er-Jahren größten österreichischen Bank, der Creditanstalt oder aus der Verstaatlichten Industrie geworden ist, um die tiefgreifende Änderung der Lage seit dem österreichischen EU-Beitritt zu illustrieren.

Auch für uns gilt heute: Kein einziges soziales, wirtschaftliches oder ökologisches Problem kann ausschließlich auf nationalstaatlicher Ebene gelöst werden. Das bedeutet nicht, dass demokratische Rechte oder alternative Wirtschafts- bzw. Sozialpolitiken einschließlich der Herstellung von Geschlechterge­rechtigkeit nicht im nationalen Rahmen verteidigt bzw entwickelt werden müssten, sondern dass es neben ihnen demokratische Rechte und eine Sozial-, Wirtschafts- und Umweltpolitik auch auf europäischer Ebene braucht. Der so genannte EU-Reformvertrag geht an diesen Problemen völlig vorbei, das heißt liefert die europäischen Wirtschaften und damit die Menschen den neoliberal freigesetzten Marktkräften aus. Daher ist er abzulehnen. Ablehnung ist aber zu wenig, denn worum es geht, ist die Entwicklung von Alternativen, die von folgendem Zusammenhang ausgehen: Ohne ein progressives europäisches Sozialmodell gibt es keine europäische Integration. Und ohne Europäisierung der Politik sind Sozial- und Wohlfahrtsstaat weder zu verteidigen noch weiter zu entwickeln.

Das Zusammentreffen rechter und linker Kritik verdeutlicht die Krise der EU. Sie ist aber auch eine Chance den neoliberalen Charakter der bisherigen EU-Politik zur Diskussion zu stellen. Allerdings erfordert das Mut und Konsequenz in alle Richtungen. In Europa unter dem Diktat der neoliberalen Eliten zu leben, ist genauso wenig angenehm wie in einem Österreich, in dem die Herren Strache und Westenthaler das große Wort führen. Man muss erkennen, dass es sich dabei um zwei Seiten einer Medaille handelt.

Worum es geht, ist die systematische und geduldige Entwicklung einer linken Position. Das ist die eigentliche strategische Herausforderung! Diese muss zumindest auf vier Ebenen Alternativen zur Diskussion stellen:

a.) Ein europäisches Sozial- und Ökologiemodell – mit nach oben vereinheitlichten Standards, auch in der Steuerpolitik sowie ein Modell zur Kontrolle der Finanzmärkte

b.) Eine von den USA unabhängige nicht-militärische Außen- und Sicherheitspolitik einschließlich der Änderung der europäischen Handels- und Entwicklungspolitik

c.) Die Residenzbürger­schaft und eine menschenrechtskon­forme europäische

Einwanderungs- und Asylpolitik.

d.) Auf Sicht werden wir aber auch zu Diskussion stellen müssen, welche demokratische und partizipativen Strukturen eine Europäisierung der Politik erfordert, um eine effektive Partizipation der Menschen zu ermöglichen.

Billiger ist eine linke Position nicht zu haben.

Aus dem Referat von Waltraud Fritz-Klackl, für die KPÖ Mitglied im EL-Vorstand, am internationalen Symposium der KPÖ und der EL „Kann die Neutralität ein Sicherheitskonzept für Europa sein?“, am 27.10.2007 in Linz