KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Aufwecken und Abstimmen!

(4.4.2008)

Robert Menasse – Marlene Streeruwitz – Peter Henisch – Kurt Palm … auch Promis aus der Kulturszene rufen zur Menschenkette um das Parlament am Samstag auf

Robert Menasse:

Ein gemeinsames demokratisches Europa statt eines Europa konkurrierender oder gar verfeindeter Nationalstaaten ist unser Traum. Das heißt aber nicht, dass wir den Weg als Schlafwandler gehen wollen, die Angst davor haben müssen, aufzuwachen.

Diejenigen, die den EU-Reformvertrag ausgehandelt und formuliert haben, bezeichnen ihn als wichtigen Schritt zu mehr Demokratie in Europa – warum fürchten sie dann Demokratie just in diesem Fall, bei diesem Grundsatzpapier für ein nachnationales demokratisches Europa? Ist unser Traum ihr Albtraum? Dann müssen sie aufwachen!

Ein demokratisches, nachnationales Europa darf nicht hinter die demokratischen Standards zurückfallen, die in den entwickelten Nationalstaaten nach 1945 erreicht wurden, sondern muss sie weiterentwickeln und vertiefen.

Die politischen Eliten, die den EU-Reformvertrag als Grundlage für mehr Demokratie bezeichnen, diejenigen, die sagen, dass es doch genau darum gehe, um mehr Demokratie, sagen damit selbst: Mischt Euch ein! Denn das ist Demokratie! Hinterfragt Beschlüsse, die ohne Euer Zutun und gegen Eure Interessen zustande kommen! Denn das ist Demokratie! Artikuliert Eure Interessen, statt unter faulen Kompromissen zu verfaulen! Denn das ist Demokratie! Und nicht zuletzt sagen sie, die in Sonntagsreden eine Demokratie feiern, die von Montag bis Freitag angeblich zu kompliziert für uns ist, auch dies: Wählt uns ab! Denn das ist Demokratie!

Erweisen wir ihnen und uns diesen Gefallen!

Marlene Streeruwitz

Wenn die Debatte über das Rauchen in Lokalen wichtiger genommen wird als eine Diskussion und Entscheidung über eine EU Verfassung, die tiefer in die Leben eingreift als die Frage, ob zum Achterl auch ein Zigaretterl geraucht werden darf, dann beschreibt das ein Mißverhältnis zur Demokratie. Es ist überhaupt unverständlich von einer Regierung, sich gegen eine Abstimmung über das Reformvertragswerk auszusprechen, wenn eine europäische Demokratie wirklich gewollt ist. Wie anders sollten sich die EU Bürgerinnen und Bürger eine solche Demokratie aneignen, als sich in einer Entscheidung mit dieser Form auseinanderzu­setzen. Es hat auch etwas Übereiliges, wenn in Kleinhandstreichen von Regierungen die Geschichte Europas getilgt und eine „neue Zeit“ fabriziert werden soll. Es wäre aus dieser Geschichte doch zumindest zu lernen, daß solche Verordnungen nicht zu Frieden und Akzeptanz der „Anderen“ führen. Ganz im Gegenteil. Ein solches Verfahren des Aufzwingens der politischen Form führt geradewegs in Ressentiments und Chauvinismen. Also in die Sackgassen, aus denen der europäische Gedanke führen sollte. Das Reformwerk sieht so eine Rolle von Rüstung und Bewaffnung vor, über die die Bürgerinnen und Bürger unter allen Umständen entscheiden können müssen. Ohne diese Möglichkeit wird „Obrigkeit“ konstruiert, von der wir schon annehmen konnten, sie losgeworden zu sein.

Peter Henisch

Keine Frage: Ich teile das Unbehagen, das Viele angesichts der Entwicklung der EU empfinden. Mir missfällt die Dominanz vor allem profitorientierter wirtschaftlicher Kräfte und mich ärgern die Demokratiedefizite in ihrer bisherigen Praxis. Natürlich habe ich den Eindruck, dass die Verfassung, die man uns nun mit kleinen Korrekturen vorlegt, alles andere als das ist, was ich mir im Hinblick auf ein anderes Europa wünsche. Und ich finde es fatal, dass die europäischen Regierungen und im konkreten Fall unsere Regierung es nicht geschafft haben, den Demos, das Volk, von dem ja angeblich alle Rechte ausgehen, auf überzeugende Weise in die bisherigen Entscheidungspro­zesse einzubeziehen.

Dadurch nimmt das Gefühl zu, dass all das einfach über unsere Köpfe hinweg geschieht. Und dass es ohnehin sinnlos ist, sich noch darüber aufzuregen. Wir sollten uns aufregen, ja, wir sollten uns das nicht gefallen lassen. Wir sollten uns rühren, wir sollten unser Unbehagen artikulieren, wir sollten Demokratie nicht zum bloßen Ritual verkommen lassen.

Darüber hinaus scheint mir das sozial- und umweltpolitische Bewusstsein in dieser EU nicht nur quantitativ sondern auch qualitativ zu mangeln. Die EU sollte kein kritiklos mitfiedelndes Instrument der Globalisierung sein, sondern einen anderen Ton anschlagen. Was die Verteidigungspo­litik betrifft, so bin ich der Meinung, dass sich dieses Europa nicht auf Gedeih und Verderb an die NATO ketten und sich in deren verdeckte Angriffsplanspiele einbeziehen lassen darf. Die EU war in ihren Anfängen nicht zuletzt ein Friedensprojekt und sollte es nicht nur bleiben sondern auf noch bewußtere Weise werden.

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