KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Die KPÖ zum EU-Grünbuch Arbeitsrecht

Flexibilisierung um jeden Preis: Darauf zielt das EU-Grünbuch Arbeitsrecht

Von KPÖ-Bundesausschuss (31.5.2007)

Im Gegensatz zur Währungs- und Budgetpolitik gelten in der Europäischen Union die Beschäftigungs- und Sozialpolitik als nationale Angelegenheit. Das ist insofern kontraproduktiv, als den Mitgliedsländern durch die restriktiven Maastricht-Auflagen für eine nachhaltige Budgetpolitik und den Euro-Stabilitätspakt genau jener Spielraum verwehrt wird, denn sie für eine offensive Beschäftigungs- und Sozialpolitik eigentlich bräuchten.

Der jetzt vorliegende Entwurf für ein EU-Grünbuch zum Arbeitsrecht kann daher entgegen propagandistischen Behauptungen gar nicht auf mehr Beschäftigung zielen. Wäre das vorgesehen, müssten einige elementare Grundlagen des neoliberalen Projekts EU in Frage gestellt werden. Das Grünbuch zielt vielmehr darauf, die  Arbeitskräfte gefügig zu machen und EU-weit zu normen, nicht zufällig wird ja auch wörtlich die „bessere Anpassungsfähig­keit“ verlangt. Die Frage ist anpassungsfähig wofür? Da Lebensqualität dabei wohl nicht gemeint ist, geht es im Klartext für sichere und höhere Profite. Nicht zufällig findet sich auch im Grünbuch durchgängig das neoliberale Zauberwort für die Erhöhung der Mobilität.

Fragwürdige Berufung auf Lissabon-Strategie

Im Zusammenhang mit dem Grünbuch ist auch eine Klarstellung darüber erforderlich, was die gerade von den Gewerkschaften vielzitierte und teilweise glorifizierte Lissabon-Strategie eigentlich wirklich bedeutet: Offiziell ist von mehr Wachstum und Beschäftigung die Rede und davon, dass die EU bis 2010 größter und dynamischster Wirtschaftsraum der Welt werden wollte. Auch wenn dieses Ziel schon aufgegeben wurde, bleibt der Anspruch sich faktisch in Konkurrenz zu den USA als Supermacht zu formieren. Damit verbunden ist die Militarisierung und globale Interventionsfähig­keit der EU, wie sie ja auch in der vorläufig gescheiterten, aber desto trotz unverdrossen weiterverfolgten Umsetzung der EU-Verfassung vorgesehen ist.

Das Nichterreichen der Lissabon-Ziele ist nicht mangelnden Strukturreformen oder zu geringer Flexibilisierung der Arbeit geschuldet, die Ursachen dafür sind vielmehr gerade die restriktive Budgetpolitik und das Fehlen öffentlicher Investitionen sowie die Schwäche der Binnennachfrage durch Zurückbleiben der Löhne und Gehälter. Der Anspruch des Grünbuches, „eine Steigerung der Reaktionsfähigkeit der europäischen Arbeitsmärkte ist ein ausschlaggebendes Element zur Anregung der Wirtschaftstätig­keit und Steigerung der Produktivität“ geht also an den Kernproblemen gründlich vorbei. Die Absicht, „größere Flexibilität mit größtmöglicher Sicherheit“ zu verbinden, gilt in der Praxis wohl nur dem ersteren.

Erklärtes Ziel des Grünbuches ist es die Abweichung vom Standardarbeit­smodell zu legitimieren. Der seit Jahren stattfindende Prekarisierung und der damit aktuell verbundenen Flucht aus dem Arbeitsrecht statt nicht entgegengewirkt, sondern diese vielmehr auch legistisch EU-weit verankert werden. Im Gegensatz zum Anspruch, ein abdriften in eine Grauzone zu verhindern, wird faktisch eben diese Grauzone in Form der Prekarisierung legalisiert.

Im Grünbuch findet sich auch der mittlerweile zur Drohung verkommene Anspruch nach einem lebenslangen Lernen. Ist dieses nicht selbstbestimmt und im Interesse einer Entwicklung der Persönlichkeit der Betroffenen, etwa verbunden mit ausreichender bezahlter Bildungsfreis­tellung verbleibt letztlich nur eine kapitalkompatible Weiterbildung und ein ständiges Druckmittel in Hinblick auf die zunehmend eingeforderte Eigenverantwortung von Menschen, die ihre Erwerbsarbeit zu verlieren drohen oder schon verloren haben.

Zauberwort Flexicurity

Das neue Zauberwort heißt Flexicurity, also die Verbindung von möglichst hoher Flexibilität mit sozialer Sicherheit, konkret etwa in der Form, dass zwar ein hohes Arbeitslosengeld bezahlt wird, aber damit verbunden der Druck auch minderqualifizierte und schlechtbezahlte Arbeiten anzunehmen. Im Klartext geht es um die Forcierung flexibler Arbeitsformen. Verlangt wird mehr Flexibilität der Arbeitskräfte im Sinne der Anpassung an das Profitinteresse, nicht umgekehrt der Wirtschaft an Bedürfnisse der Beschäftigten oder einer allgemeinen Lebensqualität.

Wenn im Grünbuch auch von einer „Überprüfung der Steuerlast zur Schaffung von Arbeitsplätzen im Niedriglohnbereich“ die Rede ist, dann verbirgt sich dahinter faktisch nichts anderes als die Subventionierung schlechtbezahlter Jobs aus Steuergeldern. Gefordert wird dazu auch der Abbau von Schutzbestimmungen, die als wettbewerbshemmend interpretiert werden.

EU-weit gelten heute bereits mehr als 40 Prozent der Arbeitsverhältnisse als atypisch (Teilzeit, geringfügig, Leiharbeit, Freie Dienstnehmer, Werkvertrag, Heimarbeit, Telearbeit, Arbeit auf Abruf, befristete Dienstverhältnis­se…), überwiegend betroffen davon sind Frauen. Gleichzeitig sind zehn Prozent der EU-weit Beschäftigten Unternehmer ohne Beschäftigte, also schlicht Scheinunternehmer, die durchwegs als Subunternehmer für große Unternehmen oder Konzerne tätig sind. Dahinter verbirgt sich nichts anderes als die Abwälzung des Unternehmerrisikos auf Subunternehmer.

Nicht-Standardarbeit­sverträge werden im Grünbuch als Chance für Unternehmen angesehen, global wettbewerbsfähig zu bleiben. Dem halten wir die Notwendigkeit des vollen sozialrechtlichen Schutzes für alle Arbeitsverhältnisse entgegen, das umfasst auch Mindestentgelte, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Anspruch auf Urlaub sowie Anspruch bei Arbeitslosigkeit. Für die Unternehmer muss es unattraktiver und weniger rentabel werden, das Arbeitsrecht gezielt zu umgehen.

Die Flexibilisierung erfolgt nach allen bisherigen Erfahrungen in der Regel zum Nachteil der Beschäftigten, vor allem durch verlorene und nicht bezahlte Zeit, Unsicherheit und Auswirkungen auf Lebensqualität. Nur sehr selten gehen Flexibilität und Beschäftigungssicher­heit hingegen Hand in Hand. Mit Beschäftigungsun­sicherheit wiederum geht sehr häufig auch ein schwankendes Einkommen einher, das den Betroffenen zunehmend die Lebensplanung erschwert und mitunter sogar deren wirtschaftliche Existenz bedroht.

Alternativen zum Grünbuch

Notwendig ist auch, dass Scheinselbständig­keit oder längere Leiharbeit am selben Arbeitsplatz in ein Normalarbeitsver­hältnis umzuwandeln ist. Notwendig sind gesetzliche Mindestlöhne, existenzsichernde Arbeitslosengelder und Sozialhilfen (wobei auch eine Debatte über ein bedingungsloses existenzsicherndes Grundeinkommen zu führen wäre), einheitlicher Kündigungsschutz für alle Arbeitsverhältnisse und Arbeitszeitver­kürzung statt ständiger Ausdehnung der Arbeitszeiten. Statt Schwarzarbeiter gilt es Schwarzunternehmer zu bekämpfen.

Notwendig ist eine bessere Durchsetzbarkeit arbeits- und sozialrechtlichen Ansprüche und Mitwirkungsrechte von Betriebsratskörper­schaften für alle Arten von Beschäftigungsver­hältnissen. Aber auch eine Erweiterung des ArbeitnehmerIn­nenbegriffs, der vermehrt auf die wirtschaftliche Abhängigkeit als bloß auf die derzeit ausschlaggebende persönliche Abhängigkeit abzielt. Unselbständige sind vorrangig an einer möglichst guten Bezahlung der geleisteten Arbeit interessiert, daher ist es in ihrem ureigensten Interesse, alles was dieses Verhältnis Lohnarbeit-Kapital verschleiert (Scheinselbständig­keit, Mitarbeiterbe­teiligung…) abzubauen und möglichst klare Verhältnisse herzustellen.

Kritik an Grundlagen der EU

Im Unterschied zur Kritik von Gewerkschaften wie etwa der GPA geht unsere Kritik am Grünbuch über den engen Aspekt des Arbeitsrechts hinaus und schließt bewusst das politische Umfeld, vor allem die Grundlagen der EU wie die vier Grundfreiheiten, die Maastricht-Auflagen und den Euro-Stabilitätspakt mit ein. Denn bei einer verkürzten Kritik bleiben letztlich unweigerlich die Interessen der Unselbständigen auf der Strecke. Denn anders als die Betreiber des Grünbuches halten wir nicht möglichst EU-genormte und dem Kapital gefügige Arbeitskräfte für notwendig, sondern konträr dazu Werte wie eine sinnvolle Produktion, soziale Sicherheit und Lebensqualität.

KPÖ-Bundesausschuss 31. Mai 2007

Infos zur Kandidatur der Wahlallianz


„EUROPA ANDERS – KPÖ, Piratenpartei, Wandel und Unabhängige“ (ANDERS)


Bei der EU-Wahl am 25.5.2014:


Programm der Wahlallianz


"Europa Anders - Für ein Europa der Menschen" (externer Link)


Europa Anders unterstützt das Volksbegehren Haftungsboykott.


KandidatInnen


Die unabhänigen Listenersten Martin Ehrenhauser und Ulli Fuchs wurden von den Parteien der Wahlallianz und von allen Teilnehmenden am Gründungskonvent der Wahlallianz gewählt.
Auf Platz 3 der Liste kandidiert Waltraud Fritz, die KPÖ-Spitzenkandidatin für die EU-Wahl. (Infos: europaanders.at)


Auf Plätzen der KPÖ kandidieren weiters:
Nr. Nachname Vorname GebJahr Beruf Ort
3 Fritz-Klackl Waltraud 1953 Lehrerin Wien
6 Messner Mirko 1948 Angestellter Klagenfurt/Celovec
9 Anastasiou Aikaterini 1983 Studentin Wien
12 Seitz Samuel 1996 Schüler St. Pölten
14 Steiner Barbara 1984 Angestellte Wien
17 Thüminger Rosmarie 1939 Autorin Innsbruck
20 Tischler Joachim 1970 Angestellter Wien
23 Wanek Natascha 1983 Erwachsenenbildnerin Wien
26 Chondros Georgios 1958 Angestellter Wien
28 Empacher Susanne 1961 Sekretärin Wien
31 Antlanger Karin 1958 Sozialpädagogin Linz
34 Liszt Peter 1988 Student Oberwart
36 Klaus Melina 1968 Erwachsenenbildnerin Wien
38 Grammel Hilde 1958 Lehrerin Wien
40 Maringer Christiane 1964 PR-Beraterin Purkersdorf


Der gesamte Wahlvorschlag, auf dem 21 Frauen und 19 Männer kandidieren: Wahlvorschlag von EUROPA ANDERS (ooe.kpoe.at)
Hinweise und Infos zu Vorzugsstimmen: help.gv.at
Für eine Vorreihung müssen 5 Prozent (nicht wie bisher 7 Prozent) der WählerInnen einer Partei einer Kandidatin/einem Kandidaten ihre Vorzugsstimme gegeben haben.



Europaweit vernetzt…


Europa Anders unterstützt Alexis Tsipras' Kandidatur als Präsident der EU-Kommission. Alexis Tsipras unterstützt "Europa Anders". Nach dem Einzug wird sich Spitzenkandidat Martin Ehrenhauser der Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken / Nordische Grüne Linke" (GUE/NGL) anschließen.
Link: GUE/NGL - Linksfraktion im Europäischen Parlament


Die KPÖ ist Gründungsmitglied der Europäischen Linkspartei, in der kommunistische, fortschrittliche, ökologische und Linksparteien vereint sind.
Link: european-left.org



Allgemeine Informationen zur Wahl

Alles zur Stimmabgabe und zur EU-Wahl beim Innenministerium.
Entscheidungshilfen: Wahlkabine, Politikkabine



Die Volksstimme Extra zur EU-Wahl 2014

Online lesen oder downloaden: