KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

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Geht´s den Flüchtlingen gut, geht´s uns allen gut

(6.12.2017)

Resolution Nr. 4. | 37. PARTEITAG der KPÖ
Antragsteller: Bundesvorstand

‚Mindestsicherung Light‘ für anerkannte Flüchtlinge, Gesichtsverhüllun­gsgesetz als Symbolpolitik, Freunderlwirtschaft und regierungsnahe Fonds statt NGOs in der Bildungs- und Betreuungsarbeit. Diese Politik ist mitnichten eine Frage von Zuwanderung oder sogenannter Integration.

Zur Mindestsicherung Light droht Sebastian Kurz: „Jemand, der neu in Österreich ist und noch nie einbezahlt hat, soll nicht ab dem ersten Tag mit dem positiven Asylbescheid die volle Mindestsicherung beziehen.“ Dies ist ein offener Tabubruch – Anerkannte Flüchtlinge nach Genfer Konvention sind StaatsbürgerInnen rechtlich gleichgestellt. Diese menschenrechtliche Grenzüberschreitung wurde bisher umgangen damit, dass alle Kürzungen, die Flüchtlinge treffen sollen, „Personen, die sich weniger als 5 Jahre in Österreich aufhalten“ betreffen. Und dies ist ein Paradigmenwechsel, der uns alle angeht – Nicht der Bedarf ist Voraussetzung für den Sozialtransfer sondern die Leistung.

Das schon lange schwelende türkis-schwarze Verständnis von Integration erhält jetzt volle Durchschlagskraft. – Sich integrieren hieß hier immer auch nach herrschenden Vorstellungen zu funktionieren. Und wer nicht funktioniert, der fliegt. Mitgepackt in den Integrationspaketen ist implizit eine Warnung an alle, eine Götze kapitalistischer Gesellschaften, die jederzeit auch von einer sogenannten Minderheit auf Mehrheiten überspringen kann, die plötzlich nicht mehr nur aufenthaltsrechtlich gemeint sein kann: Wer nicht funktioniert, der fliegt. Übertragen auf vielfache Weise.

Die bedarfsorientierte Mindestsicherung (bMS) darf nun endlich ihr volles Spaltungs- und Repressionspo­tenzial entfalten. Mit ihr wurde ab dem ersten Tag an den Schwächsten geprobt, was in den Gesetzen ideologisch angelegt ist. Kurz nach deren Einführung 2010 ging es übrigens gegen Obdachlose („unsre Leut“?) – Zur Erinnerung, Menschen, die inkludiert in der bMS 186 Euro Wohngeld bezogen, dann aber in Notschlafstellen übernachteten, wurde ein Teil der Mindestsicherung wieder abgezogen. „Die haben sich das nicht verdient! Die kassierten doppelt! Das ist ungerecht!“ Die bMS hält, was sie versprach: Bedürftigkeit­sgeprüfte Transfersysteme sind einem ständigen Abschaffungs- und Senkungsdruck ausgesetzt, da jederzeit (bewusst) geschürt werden kann, dass einzelne Personen oder Zielgruppen zu Unrecht Transfers beziehen und Nichttransfer­beziehende die Leidtragenden(!) wären. Das Recht auf soziale Leistungen kann jederzeit für bestimmte (nach politischer Großwetterlage auch austauschbare) Gesellschaftsmit­glieder in Frage gestellt werden.

Beschränkungen, Kürzungen – immer soll auch ein Gewöhnungseffekt eintreten! Auch wenn ich jetzt gerade nicht betroffen bin, die Schraube wird nach unten gedreht. Und das hat dann doch etwas mit mir zu tun. Dieser Wind weht aktuell so rau, dass derzeit nicht einmal mehr die Politik der kleinen Schritte herrscht und der Gewöhnungseffekt langsam sich einnisten soll. – Zeitgleich mit den Kürzungen von Sozialleistungen für Fremde, oder besser mit der Beschneidung von sozialen Rechten, stehen Rechte und Leistungen für alle zur Disposition. Parallel zur Streichung der Mindestsicherung für subsidiär Schutzberechtigte und Flüchtlinge in fast allen Bundesländern wurde die Mindestsicherung für alle Mehrpersonenhau­shalte auf 1.500 gedeckelt.

Argumentiert wurde, eine Mehrkind-Familie, die Mindestsicherung bezieht, bekomme zu viel, weil eine Familie mit Allein- oder ZuverdienerInnen im Schnitt weniger habe. Wir müssen diese Gleichung umdrehen! Nicht die bMS ist zu hoch, nein die Löhne sind zu niedrig. Mindestsicherung muss zumindest ihren Namen verdienen! Aber dem nicht genug! Wer so tut, als müsse nun bei den Aufgenommenen gespart werden, da sonst viele andere ungerecht behandelt würden oder so ähnlich …, missbraucht die Diskussion wissentlich. Oder wie Gregor Gysi einen selbsternannten besorgten Bürger fragte, dem's auch nicht gut geht: „Als weniger Flüchtlinge da waren, ging's ihnen da besser?“ Gab's da Geld für Soziales, Wohnen, Bildung, Schwimmbäder, …?

Nein! Nur wenn's den Flüchtlingen gut geht, geht’s uns allen gut. Alles andere geht in eine falsche Richtung. Nämlich nach rechts. Denn eigentlich bedeutet nach dieser Logik für unsre Leut doch auch: wenn's wem andern schlechter geht, geht’s mir besser. Aber war da nicht mal was? Sowas wie „Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“?

Schon im Sommer 2015, als Flucht, Vertreibung und Aufnahme in aller Munde war, war abzusehen: Krankgesparte Systeme können weniger reagieren und ‚integrieren‘ als gemeinwohl-ökonomisch potentere. Wie leicht hätten wir das alles schaffen können! Mit gemeinwohlori­entierten, politisch handlungsfähigen Staaten. Mit sozialem Wohnbau, Existenzsicherung für alle, Potenz für Ausbildungspro­gramme, professionali­sierter – weil gut bezahlter – Betreuung und Begleitung etc. Was wäre, wenn die Milliarden des militärischen Grenzregimes, all die Investitionen in Abschottung und Repression in die Aufnahme von Menschen investiert würden? Oder all die Zeit und Energie in die politischen Lösungen für Kriegs- und Krisenherde?

Sei es bei Fragen des Friedens und der Lösung militärischer Konflikte, bei den Fragen globaler Verteilung oder dem solidarischen Kampf um soziale Rechte hierzulande – Spaltung ist nicht die Antwort, schon gar nicht in einer solidarischen Gesellschaft. Geht's den Flüchtlingen gut, geht’s uns allen gut!

Mit 2 Gegenstimmen angenommen vom 37. Parteitag der KPÖ am 3.12.2017


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