PARTEI
In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich die KPÖ als Partei, haben sich FunktionärInnen der Partei vielfach und eindeutig zum Thema Realsozialismus und KPÖ geäußert. Wir haben uns daher entschlossen, einen Teil dieser Statements übersichtlich aufzubereiten und einem interessierten Publikum darzulegen. Einerseits gibt es eine chronologische Übersicht (kurze Textpassagen + Link zum jeweiligen Gesamtdokument, sofern die Text digital vorliegen), andererseits eine Auflistung nach wichtigen inhaltlichen Aspekten. Abgerundet wird die „Sammlung“ durch Beiträge zu drei KommunistInnen, die Opfer des stalinistischen Terrors wurden.
1991: 28. Parteitag der KPÖ
„Vom Standpunkt der Werte unserer Bewegung müssen wir feststellen: Unter der
stalinistischen Herrschaft sind schwerwiegende Verbrechen gegen die
Menschlichkeit verübt worden, und das auch an österreichischen KommunistInnen
sowie an anderen Linken. Auch nach dem Tode Stalins wurden die bürokratischen
und autoritären Strukturen nicht überwunden. Darin liegt eine wesentliche
Ursache für die Stagnation und den Zusammenbruch des Realsozialismus. Der
Stalinismus und seine Folgen haben der Idee des Sozialismus unermeßlichen
Schaden zugefügt … Eine wichtige Schlußfolgerung für die Entwicklung eines
alternativen Gesellschaftsentwurfes lautet: Sozialismus ist ohne Demokratie,
Rechtssicherheit und individuelle Freiheitsrechte nicht zu verwirklichen.“
1994: 29. Parteitag Die Deformationen, die das
sozialistische System in der Sowjetunion während der 20er- und 30er Jahre
erfuhr, und die stalinistischen Verbrechen können aber nicht als zwingende
Folge von Unterentwicklung und Isolierung, das heißt als unausweichlich
gerechtfertigt werden. Sie sind vielmehr das Resultat einer Fehlkonzeption (…)
sozialistischen Aufbaus, die unter den besonderen geschichtlichen Umständen der
Sowjetunion in der allein regierenden kommunistischen Partei durchgesetzt wurde.
(…) (Die) starke Anlehnung an die Sowjetunion und bürokratische Deformationen
behinderten die politischen Aktivitäten der Mitglieder und schadeten dem
politischen Ansehen der Partei. Die KPÖ-Führung hat lange zu den Verbrechen
der stalinistischen Repression und zu den bürokratischen Deformationen in den
sozialistischen Ländern geschwiegen.
„Grundzüge
einer Neuorientierung“ – Parteiprogramm 1994
1997: KPÖ-Vorsitzender Walter Baier zur Frage „war der Stalinismus
unausweichlich“
Stéphane Courtois („Schwarzbuch des Kommunismus“) teilt mit unbelehrten
Verteidigern des Stalinismus eine zentrale These: das Stalinsche Modell, sein
Totalitarismus und sein Terror seien keine Entartung sondern die direkte
Konsequenz nicht nur der russischen Oktoberrevolution sondern aller
kommunistischen Bestrebungen seit Karl Marx. Bewußt wird dabei die Vielzahl
unterschiedlicher und gegensätzlicher Strömungen des Marxismus und Kommunismus
ausgeklammert. Ignoriert werden auch die innerkommunistischen Versuche, aus
dem stalinistischen Korsett auszubrechen. Wesentliche Kapitel des Kommunismus
wurden aber von den VertreterInnen einer antistalinistischen Traditionslinie
geschrieben, die ihre Dissidenz mit Ausgrenzung und oftmals mit dem Leben
bezahlten.
Zum
Dokument
2001: Der langjährige Parteivorsitzende Franz Muhri In der KPÖ hat die Auseinandersetzung mit dem Stalinkult nach dem 20. Parteitag der KPdSU zwar zu einem etwas selbständigeren Denken geführt, aber gegenüber der KPdSU als ganzer herrschte in unserer Partei weiterhin eine unkritische Solidarität. Die KPdSU galt in der kommunistischen Bewegung als die erfahrenste und stärkste kommunistische Partei. Diese Solidarität galt bei uns als ein wesentliches Kriterium dafür, ob man ein wirklicher Kommunist war. Das alles verstellte uns die Sicht auf die Realität. Zwar mussten wir feststellen, dass es kein leitendes Zentrum in der kommunistischen Bewegung und kein allgemein gültiges Modell des Sozialismus mehr gab, weshalb wir begannen, einen Weg zum Sozialismus unter den nationalen Bedingungen und Traditionen Österreichs auszuarbeiten (Programm der KPÖ 1982 „Sozialismus in Österreichs Farben“), der sich wesentlich vom sowjetischen Weg unterschied. Gleichzeitig aber ließen wir uns weiterhin in vielem von der KPdSU beeinflussen. Zum Dokument
2005: Ernest Kaltenegger (damals Stadtrat der KPÖ in
Graz)
… zu den kommunistischen Idealen und zu den Verbrechen des Stalinismus, in:
Argument Nr. 8/Oktober 2005
Die Idee des Kommunismus ist etwas Faszinierendes. Man hat nur Schlimmes daraus
gemacht. Man hat Marx und Engels auswendig gelernt, aber dann ganz anders
gehandelt. Das war Missbrauch an der Idee. Andererseits ist auch Missbrauch mit
der Idee des Christentums begangen worden, trotzdem ist niemand auf die Idee
gekommen, sich umzubenennen.
2008: Unentwegt Bewegte, Abriss zur Geschichte der KPÖ
Selbst eine kritische Bilanz ergibt, dass die Geschichte der KPÖ nicht
ausschließlich und auch nicht in erster Linie durch ein unkritisches
Verhältnis zum Stalinismus geprägt war. Allein durch ihren Widerstand gegen
die beiden Diktaturen in Österreich erwiesen sich Zehntausende KommunistInnen
als DemokratInnen und HumanistInnen der Tat.
Zum Dokument
Ausführlichere Materialien im 2008 erschienen Buch
„Das
kurze Jahrhundert des Kommunismus in Österreich“
Schon Rosa Luxemburg äußerte sich auch kritisch zu den Entwicklungen in Russland. Und auch in den 20er und 30er Jahren gab es in der Kommunistischen Bewegung schon Kritik am „russischen Modell“ und an Theorie und Praxis des von Stalin interpretierten „Marxismus-Leninismus“. Nach Stalins Tod 1953 und nach dem Geheimrede von Chrutschow am 20. Parteitag der KPdSU gab es Debatten und Kontroversen. 1968 haben viele westeuropäische kommunistische Parteien – und auch die KPÖ – den Einmarsch der Warschauer Pakt-Staaten in die CSSR verurteilt und den „sofortigen Abzug der Truppen“ gefordert.
Ja, Kritik an einzelnen konkreten Erscheinungen und Entwicklungen in den so genannten sozialistischen Ländern gab es immer wieder – international und auch in Österreich. Doch Kritik, die systemische Ursachen von Problemen analysieren wollte, wurde zumeist von den Parteiführungen und einer Mehrheit der Parteimitgliedschaft rasch unterbunden, denn über allem thronte die Solidarität (vielfach auch als bedingungslose Solidarität missverstanden) mit der Sowjetunion.
Eine prinzipielle Änderung der Sichtweise trat – wie skizziert – aber erst im Zusammenhang mit den Umwälzungen 1989/90 ein.
Weitere Texte
Ursachen des Stalinismus und die Folgen