POSITIONEN & THEMEN
(27.4.2018)
Kommentar zum Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung von Bundessprecher Mirko Messner
Heute vor 73 Jahren, am 27. April 1945, wurde im Wiener Rathaus die
österreichische Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet – von Vertretern
der drei staatsgründenden Parteien:
Karl Renner und Adolf Schärf für den
Vorstand der aus der Vorkriegs-Sozialdemokratie und den Revolutionären
Sozialisten gebildeten Sozialistischen Partei Österreichs, Leopold
Kunschak für den Vorstand der ehemaligen Christlichsozialen
Volkspartei und nunmehr Österreichischen Volkspartei und Johann
Koplenig als Vorsitzender der Kommunistischen Partei Österreichs, die
genauso hieß wie zur Zeit ihres Widerstandskampfes gegen den
Nationalsozialismus.
Die Unabhängigkeitserklärung vom 27. April 1945 ist das grundlegende Dokument der Wiedererrichtung des von den Deutschnationalen und Nationalsozialisten ausgelöschten österreichischen Staates. Sie wurde am 1. Mai 1945 publiziert, als Nummer 1 der fortlaufend nummerierten Gesetze.
Dennoch führt diese Unabhängigkeitserklärung in der hegemonialen österreichischen Erinnerungspolitik ein Schattendasein. Die Unterschrift des KPÖ-Vorsitzenden unter diesem Gründungsdokument ist begründet durch den opferreichen antinazistischen Widerstandskampf der Kommunistinnen und Kommunisten. Sie war und ist für die politischen Enkel des Herrn Karl, die bald ab 1945 im harten Konkurrenzkampf um die Stimmen und Integration der Nazis lagen und im Kalten Krieg schwer engagiert waren, ein unerhörtes Faktum. Wie unerhört, wird sich wohl auch heute, am Tag des Erscheinens dieses Kommentars, aus den Leerstellen in den Medien ablesen lassen.
Im Bedenkjahr 1988 wurde von der Stadt Wien auf Initiative des damaligen Bürgermeisters Zilk vor der Albertina das »Mahnmal gegen Krieg und Faschismus« errichtet. Entwurf und Ausführung wurden dem österreichischen Bildhauer Alfred Hrdlicka anvertraut, der in seinem politischen Leben eng mit der KPÖ verbunden war. Der »Stein der Republik«, ein Teil des Mahnmals, enthält Auszüge aus der Unabhängigkeitserklärung sowie die Namen ihrer Unterzeichner. Das ist ein nachhaltiger Verweis auf den Widerspruch zwischen anti-deutschnationalem und antifaschistischem Bekenntnis auf der einen und der aktuellen Einbindung österreichischer Deutschnationaler in die Regierungsgeschäfte sowie der freundlichen Übernahme ihrer rassistischen Positionen durch ihre tatsächlichen und Möchtegern-Koalitionspartner auf der anderen Seite.
Auch darum ist die österreichische Unabhängigkeitserklärung in diesem für die politische Kultur des Landes wesentlichen Punkt eine nach wie vor nicht eingelöste Absichtserklärung. Hrdlicka hat schon gewusst, warum er sie in einen siebenundfünfzig Tonnen schweren und achteinhalb Meter hohen Monolithen aus Granit eingemeißelt hat.