KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Die Identitären – neue Gefahr von rechts?

Altes Gedankengut im neuen Kleid - nichts anderes …

Von Harald Luiki (29.3.2013)

10. Februar 2013: Seit 55 Tagen besetzen rund 40 Asylanten die Votiv-Kirche in Wien, um sich so Aufmerksamkeit für ihre Anliegen zu verschaffen. Bei der Morgenmesse sind auch neun Männer zugegen, die sich nach dem Gottesdienst weigern, die Kirche zu verlassen. Ihre Botschaft: Protest gegen Islamisierung, Massenzuwanderung und Bewahrung der Wiener Identität. Erst gegen 17 Uhr ist die Aktion zu Ende, die Aktivisten verlassen das Gotteshaus und die österreichische Öffentlichkeit wird erstmals mit einer Gruppierung konfrontiert, die sich selbst „Identitäre“ nennen. Entstanden im Umfeld der rechtsextremen französischen Front Nationale, berufen sich die Mitglieder dieser Bewegung auf die Bewahrung der nationalen und kulturellen Identität. Obwohl Dachverbände vorhanden, organisieren sie sich in lokalen Kleinzellen, um so in kürzester Zeit durch Kommunikation in sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter oder Google + durch medienwirksame Aktionen wie etwa flashmobs aktiv werden zu können.

In Österreich noch weitgehend unbekannt, interessiert sich in Deutschland bereits der Verfassungsschutz für die politischen Umtriebe dieser neuen Bewegung, die auf der zunehmende Politikverdros­senheit in unserer Gesellschaft basiert. Vor allem Jugendliche fühlen sich von der vorherrschenden institutionellen Politik kaum mehr vertreten. Zwischen ihnen und dem etablierten politischen System hat sich eine gewisse Distanz entwickelt und traditionelle politische Parteien und deren Repräsentanten haben zunehmend Schwierigkeiten, diese zu überwinden und einen zahlenmäßig nicht unerheblichen Teil der Jugendlichen mit ihren Slogans und Grundsätzen anzusprechen. Für die „Web 2.0 Generation“ findet Alltagspolitik zunehmend in einem abgeschlossenen Gefäß statt. Bei vielen überwiegt das Prinzip Hoffnungslosigkeit. Sie fühlen sich von der Politik nicht wahrgenommen und damit der Möglichkeit beraubt, politische Vorgänge beeinflussen zu können.

Es sind nicht nur, aber hauptsächlich junge Menschen, die zunehmend Probleme mit Politik und der Politikvermittlung, wie wir sie seit Generationen kennen, haben.

Nun, das ist an und für sich nichts Neues. Ich erinnere nur an die Anti-Zwentendorf- in den späten 70er oder Hainburg-Bewegung in den 80er-Jahren, die damals für viele Menschen etwas Revolutionäres verkörperte und als Anzeichen des Aufbrechens althergebrachter politischer Monotonie und Strukturen verstanden wurde.

Heute, im Jahr 2013, leben wir in der Ära des Internets, der globalen Vernetzung, noch immer in einem politischen Umfeld, das sich strukturell im Verlauf der letzten Jahrzehnte kaum verändert hat und viele Menschen, eben vor alle Jugendliche, einfach nicht mehr anspricht. Der Zeitgeist macht auch vor dem rechten Lager nicht halt. Auch Ewiggestrige haben erkannt, dass sie durch unkonventionelle Art und Weise neue Wählerschichten ansprechen können und müssen. Nur mit in Kellerlokalen angetrunken, grölenden und nationale Kampflieder singenden Neonazis ist keine Wahl zu gewinnen.

Anders ausgedrückt: Die rechte Szene sucht neue Wege, sich zu organisieren und unzufriedene WählerInnenschichten anzusprechen. Das war der Grund, warum sich die Bewegung der Identitären überhaupt formiert hat.

Ausgehend, wie bereits erwähnt, von Frankreich gibt es heute Zellen in ganz Europa, eben auch in Österreich. Identitäre verkaufen ihr Ideengut als „weder rechts noch links“, obwohl es selbstverständlich national, konservativ und rechtsgerichtet ist. Sie bauen ihre Strategien auf Extremen auf – für einen Mittelweg ist offensichtlich kein Platz. Auf der einen Seite sind WIR, diejenigen, die auf Heimatbewusstsein und Tradition Wert legen und gegen jegliche Art von Multikulturalismus sind. Auf der anderen Seite sind die ANDEREN – nach der Diktion der Identitären alle, die nicht unserem Kulturkreis angehören, also sogenannte Ausländer.

Vor allem Mitbürger mit islamischen Hintergrund gelten als Störfaktoren in unserer Gesellschaft. Sie werden pauschal als „Islamisten“ diffamiert. Es wird also implizit angenommen, dass sich diese Menschen für politische Ideologien instrumentalisieren lassen, um unser „christliches Abendland“ langfristig zu zerstören und durch ihre Religion, den Islam, zu ersetzen. Bewusst wird Wert auf die Feststellung gelegt, das die Bewegung nicht rassistisch sei – wohlwissend, auf diese Weise Menschen anzusprechen, die sich selbst nicht als Rassisten sehen, in ihrer alltäglichen Ausländerfein­dlichkeit aber sehr wohl als solche zu definieren sind.

Integration ist für Identitäre die Tatsache, dass sich Menschen, die einem anderen Kulturkreis angehören, ohne wenn und aber unseren Wertvorstellungen anzupassen haben. Ist das nicht der Fall, werden die Identitären ziemlich konkret. Auf der Homepage der Wiener Bewegung liest sich das wie folgt: „Wenn sich eine ‘scheinbare’ Bereicherung allerdings als Invasion und existenzielle Bedrohung entpuppt, wenn die Veränderung zum Verlust des eigenen Wesens führ, dann kämpfen wir Identitäre mit aller Kraft dagegen!“. Kommunikatives Hauptinstrumen­tarium der Identitären sind soziale Netzwerke. Auf Facebook gibt es unzählige Seiten einzelner Gruppierungen, die eine nicht unbeträchtliche Anzahl an „likes“ zu verzeichnen haben. Was auf der Homepage der Wiener Gruppe – die des österreichischen Dachverbandes ist nicht zu erreichen – noch verschwiegen wird, ist das Manifest der Bewegung – nachzulesen auf der Facebook-Seite der Identitären Bewegung Österreichs – bestehend aus 17 „Geboten“, die eigentlich nicht näher kommentiert werden müssen.

  • WIR sind die Bewegung, deren Generation für einen falschen Blick, weil sie jemandem eine Zigarette verweigert oder eine andere Art sich zu kleiden hat, getötet wird
  • Wir sind die Bewegung, deren Generation doppelt bestraft ist: Verurteilt, in ein Sozialsystem einzuzahlen, das durch die Fremden so instabil wird, dass es unseren Kindern schon nichts mehr nützt
  • Unsere Generation ist das Opfer der 68er, die sich selbst befreien wollten von Traditionen, Werten, der autoritären Erziehung. Aber sie befreiten sich nur von ihrer Verantwortung.
  • Wir lehnen die Geschichtsbücher ab und wollen unsere Erinnerungen selbst wiederfinden. Wir sind die Bewegung, die den Fernseher ausgeschaltet hat, um selbst zu denken.
  • Wir sind die Bewegung, die heute eine Wahl trifft: Sich zu stellen und in erster Reihe zu stehen.
  • Wir sind die Bewegung, die lieber die Thermopylen wählt, als die Schlaffheit und die Selbstverleugnung.
  • Wir sind die Bewegung, die auf unsere Identität, unser Erbe, unser Volk und unsere Heimat schaut und mit gestärktem, aufrechten Gang in die Zukunft gen Sonnenaufgang marschiert.
  • Wir sind die Bewegung, die sich anstrengt, ob in Sommerlagern, beim Bergsteigen, oder Kampfsport. Die Bewegung, die Schläge einstecken kann. Die Bewegung der Härte, des Schweißes und der Selbstüberwindung.
  • Wir sind die Bewegung einer alternativen, tiefwurzelnden Kultur. Ob nun Rockbands mit Bombarden und Dudelsack oder Elektro- oder Industrial- Musik mit lateinischen Kehrheimen, aber auch Moshpits und -circles.
  • Wir sind die Bewegung, die den Selbstmord als persönliche Flucht, als Zukunft einer Generation, als Schicksal einer Zivilisation, ablehnt.
  • Wir sind die Bewegung, die die Transzendenz und den Glauben über materielle Güter stellt. Die Bewegung, die die Selbsthingabe über die berufliche Karriere stellt, die den heroischen Schlag des Lebens gegenüber der wirtschaftlichen Optimierung vorzieht.
  • Wir sind die Bewegung, die sich für die Gemeinschaft entscheidet und die voller Entschlossenheit ist, zusammen die Zukunft unserer Heimat in die Hand zu nehmen.
  • Wir sind die Bewegung, die bereit ist, der Politik ihr einstiges ruhmreiches Ansehen zurückzugeben und die auf allen Ebenen, mit einer klaren Idee, aufmarschiert: Wir sind die Zukunft.
  • Das Lambda, gemalt auf den Schildern stolzer Spartaner, ist unser Symbol. Verstehst du, was es bedeutet? Wir werden nie zurückweichen, niemals aufgeben!
  • Glaubt nicht das hier wäre einfach nur ein Manifest, es ist eine Kriegserklärung an diejenigen, welche ihr Volk, ihr Erbe, ihre Identität und ihr Vaterland hassen und bekämpfen!
  • Ihr seid von gestern, wir sind der Morgen!
  • Wir sind die identitäre Bewegung, die andere Generation. Wir sind wie Du, werde DU wie wir!

Die Identitären – eine neue rechtsgerichtete Bewegung? Obwohl das oben angeführte Manifest eher Assoziationen an Statuten einer Sekte und nicht einer politischen Gruppierung erweckt, ist diese Frage wohl mit einem eindeutigen Ja zu beantworten. Die Bewegung schürt Vorurteile, betont das WIR-Gefühl, spricht in ihrer Propaganda nicht vom einzelnen Individuum sondern in abstrakten Begriffen wie „WIR“, „unsere Generation“, sie betont die Liebe zur Heimat und Tradition, sie distanziert sich von der 68-Bewegung und auch von der Geschichte, sie bedient sich einer bilderreichen Sprache, betont die Gesundheit von Geist und Körper und beschwört die Transzendenz und den Glauben als Gegenpole zum Materialismus. Die rechte Szene scheint ein neues Betätigungsfeld entdeckt zu haben, um ihre abstrusen Ideen, Gedanken und Vorstellungen unter das Volk zu bringen – die Bewegung der Identitären, die wohl beobachtet werden muss.

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