KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Zwei Resultate, ein Prozess

KPÖ-Bundessprecher Mirko Messner beim Gründungskonvent von EUROPA ANDERS am 1. März in Wien

(29.5.2014)

MIRKO MESSNER zum Wahlausgang für die Wahlallianz Europa anders – aus der Sicht eines Aktivisten. Vorabdruck aus der Juni-Nummer der Volksstimme

Es gibt nicht ein Resultat für Europa anders, sondern zwei. Da ist einmal das österreichische Gesamtergebnis: 2,1% – was auch so gelesen werden kann, dass es nicht gelungen ist, die 87.491 Stimmen, die bei der Nationalratswahl für die drei Parteien der Wahlallianz KPÖ, Piraten und Wandel insgesamt abgegeben wurden, zu mobilisieren, obwohl mit den eingefahrenen über 60.000 Stimmen das prozentuelle Ergebnis (1,86 Prozent bei der Nationalratswahl für die genannten drei Parteien) leicht übertroffen werden konnte; beides liegt – rechnerisch betrachtet – an der niedrigen Wahlbeteilung, von der auch die Wahlallianz betroffen war. Natürlich ist das ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen, weil es politisch und statistisch zwei unterschiedliche Ereignisse sind. Aber er erlaubt Einblicke in Kapazitäten, und die Enttäuschung jener, die sich mehr erwartet hatten, liegt wohl genau in diesem Vergleich. Ein anderer Aspekt desselben Ergebnisses ist, dass die Allianz mit diesen 2,14% im Vergleich zu den EU-Wahlen 2009 den damaligen Stimmenanteil (und auch die Anzahl der Stimmen) der KPÖ, die damals allein kandidiert hat, um das Dreifache übertroffen hat. Für ein EU-Mandat hat es dennoch nicht gereicht. Das ist das eine Resultat.

Und dann gibt es das hervorstechende zweite Wahlergebnis in den größeren Städten, z. B. Linz und Graz, sowie vor allem in der Bundeshauptstadt Wien – rund 4 Prozent, in einigen Wiener Bezirken über 5 und 6 Prozent. Hier hat sich der intensive, mit erfrischendem Witz und zugleich großer Ernsthaftigkeit geführte Wahlkampf unzähliger AktivstInnen, der KandidatInnen und des bis an seine physischen Grenzen engagierten Spitzenkandidaten in zahlenmäßig relevante Zustimmung verwandelt.

Was lässt sich aus diesen zwei doch unterschiedlichen Ergebnissen ablesen? Naheliegendes: wo die Präsenz stärker war, wohl auch die mediale Aufmerksamkeit, gibt es bessere Resultate. Wobei dies nicht nur werbetechnisch zu verstehen ist (im Unterschied zu den Millionbudgets anderer konnte die Präsenz nicht finanziell abgesichert werden, sondern in erster Linie durch die Zeit-Kapazitäten der AktivistInnen); was ich damit meine, mag spekulativ sein, aber ich denke, es war so: in den Städten mit mehr Präsenz konnte die Erzählung, dass es eben nicht um »pro« oder »contra« EU geht, sondern um fortschrittliche EU-Kritik, also um Ablehnung des Austeritätskurses, der Tendenz zum antidemokratischen Autoritarismus usw., dass es um – wie der Allianzname sagt –, ein »anderes«, demokratisches und soziales Europa geht, um die Stärkung der progressiven Kräfte auf europäischer Ebene, um eine Veränderung der politischen Kräfteverhältnisse zu deren Gunsten, und nicht um nationalistische Raus-aus-der-EU-Propaganda, dass also diese differenzierte Argumentation in den Zentren stärker und unmittelbarer kommuniziert werden konnte und auch besser verstanden wurde als anderswo. Ich führe z. B. den Unterschied zwischen dem Stimmenanteil für die Gruppierung EU-Stop außerhalb der großen Städte (wo er durchwegs höher war als der Stimmenanteil für Europa anders), und im Unterschied dazu in den Zentren, wo er signifikant unter dem Stimmenanteil für Europa anders lag, auch auf diese unterschiedliche Kommunikationslage zurück; unabhängig davon, wie rechts die EU-Stop-Gruppierung eingeschätzt wird, sie hat auch oppositionelle Stimmungen von Menschen aufgefangen, von denen angenommen werden darf, dass sie nicht einfach aus rechter Ideologie heraus abgegeben wurden, sondern auch deswegen, weil sie für Europa anders kein Ohr gehabt hatten bzw. die Kunde von der Wahlallianz nicht an ihr Ohr gedrungen ist – trotz der intensiven Arbeit von Europa anders in den sozialen Medien.

Was sich aus den Ergebnissen nicht unmittelbar herauslesen lässt, bzw. nicht einfach in diese »hineininterpre­tieren« lässt, war die interne Stimmungslage während des Wahlkampfs: Es hat PiratInnen gegeben, die mit der KPÖ und dem Wandel keine Freude gehabt haben. Und es hat PiratInnen gegeben, die sich erst durch die Allianz mit der KPÖ und dem Wandel und den Unabhängigen mit Freude zum Wahlkampf entschlossen und all ihre Kraft hineingepackt haben. Es hat KPÖ-AktivistInnen gegeben, die skeptisch auf die Piraten hingeschaut haben, und es hat KPÖ-AktivistInnen gegeben, die sich genau wegen der Breite des Bündnisses so richtig hineingehaut haben. Es hat viele, viele Belege dafür gegeben, dass Menschen sich erst durch die Kandidatur von Europa anders dazu aufgeschwungen haben, wählen zu gehen, weil sie darin das Versprechen einer nachhaltigen fortschrittlichen Alternative in der einbetonierten österreichischen Parteienlandschaft sehen. Es hat Unabhängige gegeben, die meinen, das Neue an »Europa anders« wäre durch die Logos der Parteien verdeckt worden (und die trotzdem mitgemacht haben), und es hat andere Unabhängige gegeben, die froh waren über die Logos der Wahlallianz-Parteien, weil die »Wiedererkennbar­keit« wichtig war für eine Wahlgruppierung, die nur sehr kurze Zeit gehabt hat, sich zu profilieren. Das alles und mehr war gleichzeitig vorhanden, hat sich gerieben, aufgehoben, verändert. Dass diese Dynamik intern, also in der internen Kooperation des Kampagnenteams und der AktivistInnenzirkel produktiv und konstruktiv, in vorbildlich solidarischer Weise aufgefangen wurde, war auch für mich persönlich ein außerordentliches Erlebnis. Vielleicht haben aber auch jene AktivistInnen gleichzeitig recht, die meinen, dass diese positive Dynamik zu wenig Zeit und Gelegenheit gehabt habt, breiter auszustrahlen.

Mit einem Wort: Die Wahlallianz hat meiner Meinung nach einen Prozess angestoßen, mit widersprüchlichen Ingredienzien und Kapazitäten, aber mit klarer »Verortung«: links von der Sozialdemokratie und den Grünen, mit klarer sozialer und anti-neoliberaler Orientierung.Wir – und damit meine ich alle an der Wahlallianz Beteiligten – sollten in aller Ruhe die Elemente dieses Prozesses untersuchen und dann gemeinsame Schlussfolgerungen ziehen. Sie werden die richtigen sein, so wie es auch richtig war, die Wahlallianz zu bilden und gemeinsam um ein gutes Resultat zu kämpfen, das sich im Bundesmaßstab nicht, aber vielerorts und in wichtigen Zentren tatsächlich eingestellt hat.

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