KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Brennend heißer Ärztestand?? (1)

Von Rudolf Gabriel (16.6.2015)

In den österreichischen Spitälern rumort es gewaltig. In den Medien wird über die Verhandlungen der einzelnen Länder mit ihren Spitalsärztinnen berichtet, weil eine EU-Richtlinie verschlafen wurde und jetzt schlagend wird. Durch Verhandlungen wurde vorerst lediglich erreicht, dass keines der Bundesländer das andere übervorteilt – dennoch bleibt die „Ressource Ärztin“ Mangelware und heiß umkämpft.

Wie kam es dazu?

Seit den 70iger Jahren war die „billige“ Variante der Ärzt*innengehälter in Österreich geltende Praxis. Relativ geringen Grundgehältern für die sogenannten Kernarbeitszeiten wurden zusätzlich Pauschalen für Mehrstunden durch Nachtdienste zugerechnet. Somit ergaben sich ansehnliche Löhne, mit denen die meisten zufrieden waren. Die Kehrseite dieser Lösung waren exorbitant hohe Anwesenheitszeiten in den Spitälern und äußerst kurze Ruhezeiten für die Mediziner*innen. 10–14 Nachtdienste pro Monat und Ärzt*in waren bis in die späten 80iger Jahre üblich.

Lange Jahre hindurch konnte mit dieser Regelung der Personalstand niedrig gehalten werden. Dass diese Lösung in keinster Weise familienfreundlich war, wurde solange nicht als gewichtig betrachtet, als die Spitalsärzteschaft vorwiegend männlich dominiert war. Ebenso wurde das Faktum übermüdeter Dienstleister am Patienten Mensch jahrelang geflissentlich verdrängt.

Es muss an dieser Stelle auch erwähnt werden, dass das Leistungsangebot in den Spitälern durch die technischen Errungenschaften – vorwiegend auf dem Gebiet der bildgebenden Diagnostik – mit den 80iger Jahren sprunghaft zunahm. Spitzenmedizin wurde Schritt für Schritt der breiten Bevölkerung verfügbar gemacht. Mit Einführung der leistungskodi­fizierten Spitalsfinanzierung um die Jahrtausendwende kam es zu einem letzten massiven Schub bei der Arbeitsverdichtung in Österreichs Krankenhäusern.

Was blieb von der „Ärzteschwemme“?

Mitte der 80iger Jahre wurde allerdings der Grundstein für die heutige Misere gelegt. Es war absehbar geworden, dass die oben beschriebene Systematik nicht mehr zeitgemäß war. Durch die Bildungsreformen hatten endlich mehr Frauen den breiten Zugang zur universitären Ausbildung erlangt. Immer mehr Frauen arbeiteten als Ärztinnen in den Spitälern. Jedoch anstatt den laufenden Leistungsverdichtun­gen und neuen Genderrealitäten in den Spitälern mit entsprechenden Arbeitszeitre­gelungen und Gehaltsanpassungen gegenzusteuern, verkündete die damalige politische Elite gemeinsam mit einer völlig verkrusteten und selbstgefälligen Standesvertretung in sträflicher Verkennung der Realitäten landauf landab die Parole der „Ärzteschwemme“. „Der Kuchen sei einfach nicht weiter aufteilbar“ oder „Es muss ein Flaschenhals her“ wurden zu den Parolen eines damals hochrangigen Ärztekammerfun­ktionärs.

Zunächst wurden Obergrenzen für Studienanfänger*in­nen an den Med-Unis festgelegt, dann kamen unter dem Deckmantel der Objektivierung für EU-Bürger*innen die „Knock out-Prüfungen“ für alle Interessent*innen am Medizinstudium. Spätestens mit der vermehrten Ausbildung von Studierenden aus dem EU-Raum war klar, dass ein erheblicher Teil der in Österreich Ausgebildeten den österreichischen Krankenanstalten nicht langfristig zur Verfügung stehen werden.

Tretminen wurden gekonnt ignoriert

Seit dem Jahr 2003 gibt es nun die EU-Arbeitszeitrichtli­nie, welche eine Begrenzung der Arbeitszeit auf 48 Stunden pro Woche vorsieht. Obwohl es immer ein offenes Geheimnis war, dass die Spitalsärzt*innen bedenklich lange Arbeitszeiten ertragen mussten, betrieben fortan vier Gesundheitsminister und ebenso viele Sozialminister elf Jahre lang Vogel-Strauß-Politik. In der Zwischenzeit adaptierten sich Länder wie die Schweiz oder Deutschland früher, etablierten attraktivere Arbeitszeitmodelle für Jungmediziner*innen und erreichten, dass Jahr für Jahr mehr Ärzt*innen aus Österreich abwanderten. Dieser „Brain – Drain“ hält unvermindert an. Eine Befragung der Studienvertretungen der Medizinischen Universitäten zeigt, dass 52,9 Prozent der Studierenden im letzten Studienabschnitt (Klinisch-praktisches Jahr) nicht in Österreich bleiben wollen. Der Hauptgrund ist zwar das Gehalt, aber direkt danach kommen die Qualität der Ausbildung und die Arbeitsbedingungen.

Wenn nun der neu bestellte Rektor der Med-Uni Wien, Prof. Müller, Medien gegenüber meint, diese Entwicklungen wären „in dieser Dramatik nicht vorhersehbar gewesen“, kann man sich nur fragen, wie vielen Begabten seit 1985 der Zugang zur Medizin verwehrt blieb.

Und die Rolle der Ärztekammer heute?

Die österreichische Ärztekammer will heute natürlich nicht mehr an ihre unrühmliche Rolle bei der „Ärzteschwemme-Kampagne“ erinnert werden. Den Funktionären beider Kurien – den Angestellten und den selbstständigen Ärzt*innen – ist in den letzten Jahren der historische Fehler und die mittlerweile dramatische Situation eines tatsächlichen Ärzt*innenmangels in Österreich zunehmend bewusst geworden. Die Ärztekammer lässt dennoch ihre Verantwortung für den Standort Österreich vermissen. In ihrem Organ „Österreichische Ärztezeitung“, das jedes Mitglied alle zwei Wochen erhält, sind viele der bezahlten Inserate Jobangebote für das benachbarte Ausland.

Bei den Verhandlungen zum AKH zwischen dem Wissenschaftsmi­nisterium, der Stadt Wien und den Ärzt*innen hat sich gezeigt, dass die Rolle der Ärztekammer als alleinige Vertreterin der Mediziner*innen nicht mehr akzeptiert wird. Die Ärzt*innen lehnten mehrmals ausgehandelte „Ergebnisse“ der Ärztekammer ab. Das Instrument der Urabstimmung findet neuerdings wieder Verwendung, was nur umso mehr die Schwäche der Verhandlungskom­petenz der Ärztekammerfun­ktionäre (im angestellten Bereich) offenbart.

Dr. Rudolf Gabriel ist Arzt in Eisenstadt

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