POSITIONEN & THEMEN
Von Dr. Rudolf Gabriel (21.6.2015)
Das Erreichen der Finanzziele der Gesundheitsreform kollidiert momentan heftig mit den Brüsseler Vorgaben bezüglich Arbeitszeitbestimmungen in den österreichischen Spitälern. Die Gesundheitsbudgets der Bundesländer sind schwer unter Druck geraten. Zudem verliert die Ärztekammer zunehmend Boden als Alleinvertreterin der angestellten Spitalsärzt*innen.
Kern der Gesundheitsreform 2013 ist das Bestreben, staatliche Ausgabenzuwächse im gesamten Gesundheitssystem zu dämpfen. Für die Spitäler bedeutet das, dass Leistungen abgebaut werden sollen. Geplant ist, ambulante Versorgungszentren zu errichten, um Leistungen, die nicht unmittelbar in den Spitälern erbracht werden müssen, vor die Spitalsmauern zu verlegen (im Fachjargon extramural), um dadurch staatliche Ausgaben zu reduzieren. Die Patient*innen sollen nicht mehr länger in Spitalsambulanzen (mit teurem Personal) gehen, sondern künftig teilprivatisierte Versorgungsangebote in Anspruch nehmen.
Ein niedergelassener Facharzt/Fachärztin kommt den Staat billiger als ein Spitalsangestellte*r. Diese*r muss nämlich seine Sozialversicherungsbeiträge selbst erwirtschaften. Zusätzliche Spareffekte erwartet man sich von den geplanten ambulanten Versorgungszentren, die teilprivat finanziert und als Ges.m.b.Hs betrieben werden sollen.
Dafür muss aber das Personal zur Verfügung stehen. Und weil sich Ärzt*innen nicht einfach und schnell in der Retorte züchten lassen, kann das nur über einen Abbau hier (im Spital) und eine Anstellung dort (in der privatisierten ambulanten Versorgungszentrums-Ges.m.b.H) realisiert werden. Aus diesem Grund kursieren schon seit längerer Zeit unterschiedliche Zahlen über notwendigen Personalabbau in den österreichischen Spitälern.
2014 wurde das (elf Jahre lang) verdrängte Problem der EU-Arbeitszeitrichtlinie virulent. Die EU schreibt Österreich vor, dass nicht mehr als 48 Stunden in der Woche gearbeitet werden dürfen. Die österreichischen Spitalsärzt*innen arbeiten jedoch mit Nachtdiensten weitaus mehr. Die notwendigen Adaptierungen der Dienstpläne, die eine Personalaufstockung erfordern, kollidieren also frontal mit den Einsparungsplänen der Regierung.
Die Bundesländer, die für die Finanzierung ihrer Spitalsärzt*innen zuständig sind (und das auch bleiben wollen), ließen sich einen Trick einfallen, um der EU-Arbeitszeitrichtlinie pro forma gerecht zu werden und um Strafzahlungen hintan zu halten. Sie wollten die anfallenden Mehrkosten einfach nur um zwei Jahre verschieben. Sie boten den Mediziner*innen die sogenannte Opt-Out Variante an. Opt-Out bedeutet, dass die bisherigen untragbaren Arbeitszeit- und Gehaltsregelungen weitere zwei Jahre beibehalten werden hätten sollen. Aber die Ärzt*innen konnten nicht für diese kurzzeitige Umgehung der EU-Arbeitszeitrichtlinie begeistert werden. Die Jungen wollen erstens mehr Zeit mit der Familie verbringen, und zweitens sehen die Fachärzt*innen die Chance, bei angehobenem Grundgehalt zusätzlich mehr Zeit in ihren Privatordinationen arbeiten zu können.
Da die Ärzt*innen nicht auf diesen Trick, dieses unmoralische Angebot, einstiegen, mussten die Länderchefs schleunigst zu verhandeln beginnen. Die EU-Richtlinie sollte nämlich eigentlich mit 1. Jänner 2015 umgesetzt sein.
Einig waren sich die Länderchefs, die keineswegs gewillt sind, ihre Machtpositionen im Spitalsbereich aufzugeben, lediglich darin, dass keine Situation geschaffen werden soll, die ein Abwandern von Medizineri*nnen von Bundesland zu Bundesland fördern würde. Besonders absurd gestaltete sich zuletzt das Verhältnis der wahlkämpfenden Steiermark mit dem wahlkämpfenden Burgenland. Wurde zunächst lauthals das bereits drohende Abwandern von burgenländischen Spitalsärzt*innen in die Steiermark beklagt, so rühmte sich kürzlich die Verhandlungsdelegation der Ärzt*innen, im Burgenland ein Ergebnis erreicht zu haben, das in allen Arztgruppen und in allen Entlohnungsstufen über der Steiermark liege
Würden endlich einer alten Forderung der KPÖ folgend die ewig gestrigen Bundesländerstrukturen der Vergangenheit angehören und im Spitalsbereich alle angestellten Ärzt*innen der Bundeskompetenz zugeordnet werden, so säßen die angestellten Ärzt*innen und ihre Vertreter*innen nur einem Verhandlungspartner gegenüber und nicht, wie jetzt, neun Bundesländern, im Fall des AKH zusätzlich dem Wissenschaftsministerium, und den diversen Ordensspitälern als Arbeitgeber, die jeweils ihre eigenen Suppenkochwettbewerbe austragen.
Mittlerweile sind die Verhandlungen in allen Bundesländern (außer Wien) abgeschlossen. Arbeitszeitverkürzung (auf 48 Stunden! Bei einem Durchrechnungszeitraum von einem halben Jahr!) und Grundgehaltssteigerungen sind im Ländervergleich halbwegs gleichmäßig durchgesetzt worden.
Ein schwerwiegendes Problem bei den Verhandlungen besonders in Wien- ist die Zersplitterung der angestellten, gewerkschaftlich organisierten Ärzt*innen. Die Angestellten der Ordensspitäler sind laut ÖGB-Vorschriften bei der VIDA, die Angestellten der Stadt Wien bei der GdG-KMSfB (Gemeindebedienstete, Kunst, Medien, Sport, freie Berufe) organisiert. Zuletzt hat sich vor einigen Monaten zusätzlich der Verein Asklepios gegründet, der laut seinem Statut die gewerkschaftliche Vertretung für alle angestellten Spitalärzt*innen und Ärzt*innen im Beamtenstatus anstrebt. Derzeit liegt ein Gutachten beim ÖGB, das dem Verein Asklepios das Koalitionsrecht zugesteht. Der ÖGB selbst ein Verein hat nun zu entscheiden, ob er neben den bereits anerkannten Gewerkschaften ein zusätzliches Mitglied zulässt. Falls der ÖGB Asklepios nicht aufnimmt, sind die Mediziner*innen mit dem Angebot einer wilden Gewerkschaft konfrontiert.
Ein weiterer Grund die KPÖ- Forderung ernst zu nehmen und sämtlichen Spitalsärzt*innen nur EINEN Arbeitgeber zu geben! Alle Spitalsärzt*innen sollen zu den gleichen Bedingungen vom Bund, also vom Gesundheitsministerium, angestellt werden!
Eine starke Gewerkschaftsorganisation würde die Interessen der derzeit cirka 24.000 Spitalsärzt*innen in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber Bund auch stark vertreten können.
Dr. Rudolf Gabriel ist Arzt in Eisenstadt