KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Das Prinzip Selbstbedienung

Von Roman Gutsch (6.11.2007)

Der Kunde ist König, heißt es. Die Unternehmensstra­tegie, KonsumentInnen immer umfangreicher als kostenlose Hilfskräfte einzuspannen, gibt diesen Stehsatz eine neue Bedeutung: Könige zahlen bekanntlich keine Sozialversiche­rungsabgaben und für die zur unentgeltlichen Mitarbeit mehr oder weniger gezwungenen KundInnen sind auch keine zu bezahlen.

Selbstbestimmung, sagen die PR-Verantwortlichen und versprechen den KonsumentInnen durch die neue Lasten- und Aufgabenverteilung ein Mehr an Freiheit. Es ist die Freiheit eines Kettenglieds in der betrieblichen Wertschöpfung, die da propagiert wird und immer unverschämter in Erscheinung tritt.

Am Postschalter ist man seit kurzem gezwungen, seine Briefe selbst abzustempeln, wenn man keine Strafgebühr entrichten möchte. Die volle Ermäßigung für ein Bahnticket kann man nur in Anspruch nehmen, wenn man es beim Automaten selber löst. Bananenprodukte, also Produkte, die erst bei den EndverbraucherInnen reifen (Klassiker: Das Regal, das zu Hause selbst aufgebaut wird), setzen mittlerweile gut informierte KonsumentInnen ohne Handikap als Selbstverständlichke­it voraus. Die Selbstbedienun­gskassen sind in der Testphase und immer mehr Restaurants mit Kochinseln eröffnen, in denen die Gäste ihr Essen aus Vitrinen klauben, zum/zur Koch/Köchin tragen und ihren Platz selbst auf- und abdecken.

Die McDonaldisierung der Gesellschaft, wie der US-amerikanische Soziologie Georg Ritzer das Phänomen der unbezahlten Mitarbeit nannte, geht nicht nur von den großen Konzernen aus, nein, auch kleine Firmen entdecken die KundInnen als Dienstboten für die DienstleisterInnen, sprich für sich selbst. So überlassen etwa manche flotte Friseurläden das Föhnen bereits den um ihren Lohn geschnittenen KundInnen.

Die Entwicklung von den bloß kaufenden KundInnen zu den informellen MitarbeiterInnen ohne Lohnzettel sollte nicht zur Gänze als Reaktion auf die Geizwettbewerbe in der Konsumgesellschaft verstanden werden. Immerhin werden Preisvorteile längst nicht in allen Bereichen weitergegeben. Die Auslagerung von Arbeitsaufgaben auf die KundInnen ist ein systematischer, gezielt geplanter und natürlich kapitalistischer Versuch, ein neues Feld gesellschaftlicher Arbeit und Arbeitskraft zu erschließen und auszubeuten.

Die einschlägige Managementliteratur erklärt dementsprechend unverhohlen die Menschen, die in ihrer Freizeit die Dinge des alltäglichen Bedarfs kaufen müssen, zu „partial employee“. KundInnen werden folglich als ArbeiterInnen gesehen, die Mehrarbeit ohne Entgelt und gewerkschaftliche Kontrolle verrichten können. Es komme nur darauf an, ihnen durch geschicktes „Crowdsourcing“ Arbeiten zu übertragen.

Die heute weitergegebenen Arbeiten verlaufen nicht mehr ausschließlich entlang der Grenze von Bedienung und Selbstbedienung, sie haben eine neue Qualität erreicht. Die technische Innovation fertig abgepackter Lebensmittel hat einst den Selbstbedienun­gsladen möglich gemacht. Die neuen Kommunikation­smittel ermöglichen jetzt die Weitergabe wirklicher Unternehmensau­fgaben, wie Design und Produktentwicklung. So lädt der dänische Spielwarenkonzern Lego, Fans, die er über Webforen aufspürt, ein, unentgeltlich in der Modellentwicklung teilzunehmen.

Das Prinzip Selbstbedienung ist folglich dabei eine sehr empfindliche Grenze zu verschieben, namentlich: Die zwischen Freizeit und Arbeit. Die Schnittstelle, an der sich Unternehmen und VerbraucherInnen treffen, wurde verlagert, und zwar in den Betrieb hinein. KonsumentInnen werden zu einem Teil der betrieblichen Wertschöpfung. Es geht also nicht nur um die vielen Arbeitsstunden, die durch die kleinen Handgriffe, die früher von bezahltem Personal gemacht wurden, nun unbezahlt geleistet werden müssen, sondern auch um die prinzipielle Frage, was mit unserer Privatsphäre geschieht, wenn permanent Arbeitsleistungen für Unternehmen darin Einzug erhalten.

Auf diesen Trend, der die ohnehin angespannte Arbeitsmarktsi­tuation verschlechtert, ein Aspekt, der nicht ausgeblendet werden sollte, muss politisch reagiert werden, Es geht einfach nicht an, dass Unternehmen durch den Zeitdiebstahl namens „Crowdsourcing“ Gewinne von unbezahlten Arbeitsleistungen abschöpfen können, ohne auch nur einen Cent Sozialversiche­rungsbeiträge bezahlen zu müssen. Die Forderung der KPÖ nach Einführung einer Wertschöpfungsab­gabe macht demnach auch vor dem beschriebenen Hintergrund Sinn.

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