POSITIONEN & THEMEN
Von Michael Graber (5.11.2007)
Natürlich hat sich vieles geändert. Man spricht nicht mehr von der Nebenregierung. Der ÖGB als Sozialpartner hat nur mehr die Hälfte des Organisationsgrades gemessen an den Bechäftigtenzahlen vor zwei bis drei Jahrzehnten. Und sein Drohpotential ist vor kurzem in der Karibik verschwunden.
Der Sozialpartner Kapital steht dagegen feister und fetter da denn je. Jeder Konzern ist eine Kriegskasse. Sei es zum Kauf anderer, sei es als Drohpotential gegen soziale Ansprüche.
Ein ÖGB-Kongress hat nun vor wenigen Monaten einen Neubeginn ausgerufen. Wer hat bisher etwas davon gemerkt?
Nun ja, die Leitsparte, die Metaller, kommt jetzt (inklusive der Einmalzahlungen) auf knappe plus vier Prozent brutto, nachdem die bürgerlichen Wirtschaftsforscher aus dem WIFO aus Sorge um die Binnenkonjunktur im Hintergrund und manchmal öffentlich zugunsten der Löhne mächtig angeschoben haben, aber die Mitglieder nichts von einer Verhandlungsstrategie der Gewerkschaften erfahren durften (ja so ist das in Österreich).
Ja und eine Ausbildungsgarantie für künftige Lehrlinge wurde auf den Weg gebracht, wobei noch offen ist, ob die Garantien auch halten, denn die Unternehmer erhalten noch mehr Geld für die Lehrlinge als bisher, ohne dass sie irgendwelche Ausbildungsverpflichtungen eingehen müssten. Im Gegenteil. Der Kündigungsschutz für Lehrlinge wurde ja schon im Vorfeld gelockert.
Und die dritte Feder am Hut ist die lang geforderte Aufnahme der freien Dienstnehmer in die Arbeitslosenversicherung (was sie drei Prozent ihres Einkommen kostet).
Und nun kommen wir zum eigentlichen Thema: Womit werden diese vermeintlichen Erfolge bezahlt? Dazu genügt ein Blick in das jüngste Gesetzeswerk des Minister Bartenstein, genannt Arbeitslosenversicherungsgesetznovelle. Diese enthält einige Zumutungen für derzeitige und zukünftige Arbeitslose, also für alle. Sie bestätigt einmal mehr, daß die neoliberale Achse der österreichischen (Sozialpartner-)Politik intakt ist: Bekämpfung der Arbeitslosen, statt Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
Vorgesehen ist: Zumutbare Wegzeiten werden von bisher zwei Stunden zugunsten österreichweiter Mobilitätausgedehnt. Auch für Teilzeitjobs und auch bei Kinderbetreuungspflichten. Diese werden nur für Kinder im Vorschulalter berücksichtigt. Weiters: Die Mindestzeit, die man/frau dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen hat, wird (mit Ausnahme von AlleinerzieherInnen mit Vorschulkindern) von 16 auf 20 Stunden angehoben.
Private Arbeitsvermittler werden hoheitliche Aufgaben (d.h. Sanktionsmöglichkeiten) gegenüber Arbeitslosen übertragen und schließlich: Wer in eine geschützte Werkstatt vermittelt wird, welche bekanntlich kein Arbeitsverhältnis darstellt, und wofür in Zukunft auch keine Begründung mehr erforderlich sein soll, darf dies bei Strafe der Sanktionen des AMS nicht ablehnen.
Mehr noch: Die offizielle Vermittlung in prekäre Arbeitsverhältnisse soll nun zumutbar sein (deshalb wurden freie Dienstnehmer ins Arbeitslosenversicherungsgesetz aufgenommen!). Zynismus pur.
Wer den nächsten Schritt zur Zwangsarbeit verhindern will, muß ernsthaft über den Vorschlag eines bedingungslosen Grundeinkommens nachdenken.
Natürlich liegt eine z.T. ablehnende papierene Stellungnahme des ÖGB zu diesem Gesetzesmachwerk vor. In Wirklichkeit hat man sich aber schon im Vorfeld auf diesen Preis verständigt. Sozialpartnerschaftlich eben. So sieht der Neubeginn aus.