KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Der alltägliche Rassismus

"Bebelhof" in Wien-Meidling, 1928.

Von Josef Iraschko (29.10.2008)

Eine Mieterin schreibt an das MieterSelbsthil­feZentrum (MSZ) der KPÖ-Wien: 

„Sehr geehrter Herr Iraschko,
erfreulicherweise kann ich Ihnen heute mitteilen, dass ich meinen Mietrechtspro­zess in der Zweiten Instanz gewonnen habe. Für Ihren Rat und Ihre Hife möchte ich mich nochmals sehr herzlich bedanken.“

Was für ein Leidensweg, welche nervliche Belastung waren dem vorausgegangen? 

Die Mieterin hatte sich Anfang Oktober 2007 von ihrem Lebensgefährten g­etrennt. Auf Grund von Streitigkeiten zwischen ihr und ihrem Partner gab es des öfteren lautstarke Auseinanderset­zungen. Nach der schließlichen Ver­weisung des Partners aus der Wohnung gab es Versuche desselben, diese Zurückweisung gewaltsam rückgängig zu machen. Wie oft in solchen Fällen, werden solche Konflikte sehr laut ausgetragen und stellen somit eine unzumutbare Störung des Hausfriedens und damit auch mietrechtlich einen Kündigun­gsgrund dar. Selten aber gelangen solche Fälle unter Einheimischen vor Gericht, um wie in unserem Fall eine Delogierung durchzusetzen. 

Nun aber handelte es sich bei dem Expartner unserer Wienerin um einen Schwarza­frikaner. Aus den Gerichtsprotokollen geht eindeutig hervor, dass allein durch die Tatsache einer solchen Verbindung für andere MieterInnen eine „Störung des Hausfriedens“ gegeben war. Die Wahrnehmung der ZeugInnen war entsprechend: So wurde immer von dem „Neger“ gesprochen und auch der Mieterin auf Grund dieser Verbindung geringe Bildung unterstellt und dass sie offenbar dadurch auch zwangsweise zur gesteigerten Aggressivität neige. Dass der Lebensgefährte ausrastete, wenn man ihn abschätzend „Neger“ titulierte, ist verständlich, zumal er sehr bewusst von manchen MitbewohnerIn­nen provozier­t, rassistisch beschimpft und auch tätlich angegriffen wurde. Dass dann die Mieterin auch noch nach der Beendigung dieser Beziehung ihren Expartner in Schutz nahm, machte besonders für einen Mitbewohner im Haus die Sache unerträglich. Er drohte der Mieterin an, sie aus der Wohnung zu bringen, er habe ja Freunde bei WIENER WOHNEN. 

Die Sache bekam für die Mieterin tatsächlich die angedrohte dramatische En­twicklung: Sie wurde von WIENER WOHNEN gekündigt, obwohl das angebliche Delikt der Störung des Hausfriedens längst vorbei war. Korrekter Weise geht es bei der rechtlichen Beurteilung solcher Fällen vor allem um eine Zukunftsprog­nose, wie und ob das Verleiden der Gemeinschaft auch in Zukunft zu erwarten sei. WIENER WOHNEN übernimmt in seiner Kündigung die Sichtweise der angeblich betroffenen/ges­törten MitbewohnerInnen, die dann bis auf den „Anführer“, der auch noch vor Gericht seine rassistische Tiraden verbre­itete, als ZeugInnen vor Gericht mehr oder minder umfallen. 

Erstaunlicher Weise kommt aber auch das Erstgericht zur Ansicht, dass eine günstige Zukunftsprognose – also keine weiteren Störungen mehr – nicht zu erwarten sei (gerade, dass nicht gemutmaßt wurde, es handelt sich ja um einen unberechen­baren „Neger“) und gibt der Kündigung statt.  

Mit dem Gerichtsurteil kommt die Mieterin in's MSZ. Das ganze ist derart von hintergründigem bis offenem Rassismus und der Absicht von WIENER WOHNEN geprägt, die Mieterin aus der Wohnung zu entfernen, dass wir ihr trotz eines enormen Kostenrisikos vorschlagen, eine Berufung zu risikieren und dabei das Hauptaugenmerk auf die rechtlich falsche Beurteilung durch das Erstgericht in­sbesondere in Hinblick auf den rassistischen Hintergrund zu legen. Die Mieterin wagt diesen Schritt und der von ihr engagierte Rechtsanwalt erweist sich für diese Sichtweise äußerst zugängig und kann auch das Landesgericht Wien als 2. Instanz davon überzeugen. 

Es ist erfreulich, dass die Mieterin durch ihren Mut und mit Hilfe unseres Eingreifens die Wohnung erhalten konnte. Beschämend ist allerdings, dass WIENER WOHNEN und leider auch manche RichterInnen rassistische Hintergründe nicht genauer untersuchen. Man muss hier leider zu dem Schluss kommen, dass die ansonsten so wohltönenden Worte offizieller Stellen gegen Rassismus oft von den Wiener MAs selbst und den Gerichten nicht geteilt werden. In diesem geschil­derten Fall ging es letztlich um die Existenz der Mieterin. Diese an die Wohnung geknüpfte Existenz rassistischen Umtrieben zu opfern liefert einen tiefen Einblick in das so oft besungene „Goldene Wiener Herz“.

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