KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Der Wiener Schmäh

Von Wolf Jurjans (31.3.2008)

Des Wieners höchste Kulturtechnik ist: Das Schmäh führen. Asfa Wosseen Asserate, ein äthiopischer Prinz, beschreibt das in seinem Buch “Manieren”, anschaulich.

Schmäh führen bedeutet, dass die Art, WIE man etwas sagt, immer genauso wichtig ist wie das, WAS man sagen will. Man muss sich das so vorstellen: Der Wiener denkt nicht sinn-, sondern darstellungso­rientiert. Es reicht in Wien nicht zur Unterhaltung aus, von einer interessanten Begebenheit, z.B. einem Unfall zu erzählen, man muss den Unfall so schildern, dass der andere ausruft: “Na, das ist ein Theater”. Für den Schmähführenden sind Inhalte eine Art Material, das er in eine möglichst kunstvolle Form zu bringen hat. Der Schmäh ist ein Spiel, deshalb heißt die Abart des Spiels, das Über-das-Ohr hauen, jemanden “am Schmäh halten”. Auf jeden Fall setzt Schmäh Interaktion voraus, es ist ein ständiges Aufgreifen und Wiedergeben, Teamarbeit im Plauderton. Die Königsdisziplin des Schmäh-Führens ist natürlich die Wiener Kaffeehauslite­ratur, jene Form der schreiberischen Darstellung, die sich so elegant zwischen Klatsch und Kunst bewegt, der intellektuellen Hochstapelei immer nahe und am Snobismus knapp vorbei. Kaffehausliteratur ist im Bewusstsein ihrer Konsequenzlosigkeit verfasst, die sich selbst genügt. Schon Brecht hat festgestellt, dass Dichter und Denker anderswo Weltrevolution machen und in Wien bleibt man im “Kaffeehaus Stefanie”.

Um in Wien Rathaus-Politik machen zu können, muss man das Schmäh führen beherrschen. Häupl und seine Clique beherrschen das Schmähführen. Der Kern der “Performance” ist die Behauptung: “Wien ist anders” (auf diesem genialen Fundament bauen sich dann so Sprüche wie “Die Stadt gehört Dir” oder “Wussten sie, dass Wien Weltmeister ist,…” auf).

Die Wiener Schmähpyramide sehe ich so: Nach diesem fundamentalen Schmäh kommen die Schmäh-Brüder und Schmäh-Schwestern der Stadtregierung, dann kommt lange nichts, dann kommen Leistungen einer teilweise mäßig fortschrittlichen, teilweise unmäßig reaktionären veramteten Bürokratie. Die eigentlichen Leistungsträger der Stadt, die ArbeiterInnen, die Angestellten, die Freischaffenden und die vom Arbeiten ausgeschlossenen sind vom Urschmäh schon Lichtjahre entfernt. Auf Verarmte, Wahlrechtlose oder sonstige Schmähverderber fällt dann kein Lichtstrahl mehr, sie werden Wienpolitisch vorerst uninteressant, von den Monopolycitybonzen verschmäht.

Das man Schmäh führen KÖNNEN muss, fällt dann auf, wenn es jemand macht, der dazu kein Talent hat. Z. B. unlängst, als die Bezirksvorstehung des 1. Wiener Bezirks, Frau Ursula Stenzel, gemeinsam mit den Innerestadt-Grünen die Forderung nach dem Null-Tarif auf den öffentlichen Verkehrsmitteln für die Zeit der Fußball EM forderte. Einer Dame, die sich schon ärgert, dass die U-Bahn überhaupt die Arbeiterbezirke mit dem Stefansplatz verbindet, die sich schützend vor alle Grünanlagen des 1. Bezirkes wirft, um dem urinalen Angriff der in- und ausländischen Fußballprolos Widerstand zu leisten, traut man vernünftige, der Allgemeinheit nützende Ideen einfach nicht zu. Man sollte vernünftige Forderungen aber auch nicht verschmähen, wenn sie von untalentierten Schmähführerinnen gemacht werden.

Bleibt schließlich nur festzuhalten, dass die Wiener NOEURO Bewegung bzw. ihre Forderung nach FREIFAHREN statt SCHWARZFAHREN eine prominente Befürworterin gefunden hat. Und das mit den Grünen im Handtäschchen. Grüne, deren linker Flügel auch langsam zu schlagen beginnen sollte, will er sich nicht, nach deutschem bzw. Grazer Vorbild als soziales Gewissen einer unsozialen und gewissenlosen, weil neoliberalen Schwarz-Grün Regierung wiederfinden.

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