KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Der Kapitalismus hat sich verändert.
Und der ÖGB?

Von Marjeta Einspieler (30.6.2009)

Die Industriellenvereinigung will eine Verlängerung der Arbeitszeit. Der Österreichische Gewerkschaftsbund will auf die Forderung nach der 35-Stunden-Woche verzichten. Eine Anmerkung zum Kongress.

Im Leitantrag, der beim heute beginnenden ÖGB-Kongress beschlossen werden soll, wird erstmals seit 1983 die Forderung nach einer 35-Stunden-Woche nicht mehr enthalten sein. Von einer Kleine-Zeitung-Redakteurin nach dem Grund dafür befragt, antwortet Erich Foglar, der designierte neue ÖGB-Präsident: „Die Welt hat sich verändert“, denn jede Branche brauche andere Modelle. Das hat die Branche gut erkannt, kann man da nur zustimmen.

Aber was ist die Erkenntnis des ÖGB, angesichts dieser Veränderungen im Kapitalismus? Angesichts der Tendenz zur absoluten Ausdehnung der Arbeitszeit, die parallel verläuft mit der Tendenz zur zwangsweisen kürzeren Arbeitszeit ohne Lohnausgleich, angesichts der gestiegenen Produktivität und des abnehmenden Lohnanteils am Volkseinkommen? Angesichts der allseitigen Deregulierung und Flexibilisierung? Angesichts des größten Ausplünderung öffentlicher Kassen durch die Kapitalseite seit Ende des Zweiten Weltkriegs? Ich habe verstanden: Der Verzicht auf die Forderung nach der 35-Stunden-Woche und vor allem der Verzicht auf Arbeitszeitver­kürzung bei vollem Lohnausgleich. Oder anders gesagt: die Anpassung an das, was sowieso läuft; und nicht der Widerstand dagegen. Die ÖGB-Führung sollte sich die Sinnfrage stellen, meine ich.

Foglar rundet seine Argumentation für den Verzicht auf die genannte Forderung im Zeitungsinterview ab: Ein Autospengler könne von einer 30-Stunden-Woche vielleicht leben, eine Pflegerin sicher nicht. Einmal abgesehen davon, dass mir kein Spengler bekannt ist, der mit dem Lohn für eine 30-Stunden-Woche das Auslangen findet, ist diese Mitteilung klar: Eine Pflegerin macht zwar physische und psychische Schwerstarbeit, verdient aber weniger, und muss darum länger arbeiten. Ist das logisch? Ja, rechnerisch auf jeden Fall. Als Argument für den Verzicht auf eine verbindliche 35-Stunden-Regelung allerdings nichts anderes als eine Zustimmung zu den herrschenden Zuständen, und die sind nicht erbaulich für die Pflegenden – für die meisten anderen übrigens ebensowenig. Auch die Deutungsvariante, dass nur die unteren Einkommensgruppen einen Lohnausgleich bekommen sollen, macht die ganze Sache nicht besser. Dies würde ja immerhin bedeuten, dass durch eine Arbeitszeitver­kürzung ohne Lohnausgleich die oberen Einkommensgruppen, zu denen Foglar offensichtlich z. B. die Autospengler zählt, auf das Einkommensniveau der Pflegerinnen herunter nivelliert werden sollen. Will der ÖGB Einkommensgerechtig­keit dadurch herstellen, dass alle gleich wenig verdienen, dass alle in die unteren Einkommensgruppen rutschen?

Dass ich Foglars gleichzeitigen Hinweis darauf, dass im Leitantrag stehe, „frauentypische Berufe müssen aufgewertet werden“, nicht besonders aufregend finde, wenn er gleichzeitig die Diskussion um die (Wiedereinführung der) Vermögenssteuer als „unseriös“ bezeichnet, ist naheliegend.

Was bisher von Erich Foglar zu vernehmen war, ist kein gutes Omen für die Streitkraft des ÖGB. Genauso wenig wie das, was bisher von seiner Seite nicht zu vernehmen war: eine klare Ansage, die Macht des ÖGB gegen die Abwälzung der Krisenlasten nach unten zu mobilisieren.

Marjeta Einspieler ist Maschinenschlos­serin in Kärnten.

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