POSITIONEN & THEMEN
Von Josef Stingl (14.10.2011)
Damit wurde schon öfters gedroht, aber außer BetriebsrätInnen-Konferenzen und vereinzelnden Betriebsversammlungen war meist nichts zu merken. Immer wieder kratzen die ChefverhandlerInnen mit maßvollen Kompromissergebnissen vorzeitig die Kurve. Streiks als Durchsetzungsmittel haben in Österreich daher Seltenheitswert. Die führenden SpitzengewerkschafterInnen waren noch Stolz darauf, dass die jährliche Streikzählung im Sekundenbereich stattfand. Streik als Mittel zur Unterstützung von Lohnverhandlungen, da muss man/frau schon lange in den Gewerkschaftsgeschichtsbücher zurückblättern.
Zuletzt wurde dafür vor 25 Jahren bei den MetallerInnen gestreikt. Dabei ging es in kurzen Warnstreiks um die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung und mehr Lohn. Davor streikten die MetallarbeiterInnen im Mai 1962. Damals für die Abschaffung der gesetzeswidrigen Frauenlohngruppen, Lohnerhöhungen sowie arbeitsrechtliche Verbesserungen beim Krankenstand.
Umso bemerkenswerter die gewerkschaftliche Herangehensweise bei den heurigen KV-Lohnverhandlungen der Metallindustrie: War schon das Ausgraben der alten Benya-Formel (Lohnerhöhung = Inflationsabgeltung + Anteil an der Produktivitätssteigerung) ein Abgehen von der alljährlichen maßvollen Verhandlungstaktik, bringen die zahlreichen Warnstreiks neue Qualität in Österreichs ArbeiterInnenbewegung. Sie können durchaus als eine gewerkschaftspolitische Sensation eingestuft werden.
Ebenso als bemerkenswert festhaltbar ist, dass die jahrelange Angst der sozialdemokratischen SpitzengewerkschafterInnen bei Kampfmaßnahmen von ihrem vertretenen Klientel im Regen stehen gelassen zu werden sich als unbegründet erweist. Warum sollte dies denn auch so sein? Haben sie verschlafen, dass die Gewerkschaftsmitglieder schon fast auf den Tag genau vor zehn Jahren mit überwiegender Mehrheit ihre Kampfbereitschaft erklärt haben. Und natürlich spürt jedeR einzelne ArbeitnehmerIn, dass ihr Portemonnaie seit den 90er Jahren real nicht dicker wurde und durch das überproportionale Ansteigen der Lebenskosten sogar deutlich schmäler wurde.
Das gilt natürlich nicht nur für die MetallerInnen. Noch deutlicher ist das Sinken der Inlandskaufkraft bei den sogenannten Dienstleistungs(Billiglohn)branchen zu verspüren. Das Vorbild MetallerInnen-Arbeitskampf muss daher auch für deren Gewerkschaften inspirierend sein. Daran wird sich zeigen, ob der gesamte ÖGB nur formal oder auch praktisch hinter dem Arbeitskampf der Metallbranche steht.