POSITIONEN & THEMEN
Von Josef Stingl (18.10.2011)
18. Oktober, vier Uhr früh: Der 14-stündige Verhandlungsmarathon dem zahlreiche Warnstreik vorausgegangen sind ist beendet. Christoph Hinteregger sowie Alfred Hintringer auf Arbeitgeberseite und Rainer Wimmer (Pro-Ge) sowie Karl Proyer (GPA) auf Gewerkschaftsseite bedanken sich vor versammelter Presse beim Gegenüber für die konstruktiven Gespräche.
Konkret sieht das Ergebnis der Kollektivvertragsverhandlungen so aus: Ist- und KV-Löhne sind diesmal gleich hoch, die untersten Beschäftigungsgruppen A und B erhalten um 4,4 Prozent mehr, durch eine Mindestaufzahlung von 80 Euro kommen einige unterm Strich auf ein Lohnplus von 5,3 Prozent. Die Gruppen C und D erhalten 4,3 Prozent zusätzlich, die Gruppen E und F 4,2 Prozent, die Gruppe G 4,0 Prozent und die Topverdiener (H, I, J, K) 3,8 Prozent mehr. Künftig werden beim Elternkarenz 16 statt zehn Monate für ein Kind für die Gehalts-Vorrückung angerechnet. Und: Betriebe mit einer schwachen Ertragslage erhalten Ausnahmegenehmigungen. Wie diese genau aussehen, wurde am Dienstag in der Früh von den Verhandlern noch nicht präzisiert.
Kann man/frau Zufrieden sein?
Aus meiner Sicht nicht, denn es wäre mehr möglich und vor allen Dingen notwendig gewesen. Die durchschnittlich 4,2 Prozent-Erhöhung bedeutet bei einer 3,6-prozentigen Inflationsrate netto nur die Inflationsabgeltung. Die beträchtlichen Gewinne aus enorm gestiegener Produktivität fließen wiedereinmal zu hundert Prozent in die Taschen der UnternehmerInnen! Selbst IHS-Wirtschaftsforscher Ulrich Schuh meinte noch am Wochenende, dass für ihm die Gewerkschaftsforderung nach 5,5 Prozent mehr Lohn nachvollziehbar ist, da Lohnverhandlungen in Österreich immer rückwärts gewandt angelegt sind und die Lage der Metallindustrie heuer prächtig war.
Etwas positiver zu bewerten ist, dass für die unteren EinkommensbezieherInnen ein höherer Abschluss erzielt wurde und dass die Anrechnungszeiten der Elternkarenz ausgedehnt wurden. Insgesamt stehen aber jetzt GPA-djp und PRO GE mit diesem doch eher mageren Verhandlungsergebnis vor einem gravierenderen Problem: Haben sie doch noch vor wenigen Tagen über 100.000 der 165.000 MetallarbeiterInnen und -angestellten (und das durchaus berechtigt) für für die alte Benya Formel (Inflation + Produktivitätsabgeltung) für plus 5,5 Prozent streiken lassen und jetzt liegt das ausverhandelte Ergebnis um mehr als ein Fünftel unter diesem Wert.
Jetzt zur Tagesordnung überzugehen und das Ergebnis ohne Zustimmung, der zum Arbeitskampf bereiten KollegInnen, zur Kenntnis zu nehmen, wäre ein gewerkschafts- und demokratiepolitisch unwürdiges Spiel eine neuerliche Vertrauenskrise zwischen Gewerkschaft und Mitgliedern zu befürchten. Es ist daher eine sofortige Urabstimmung über den vorliegenden Metaller-Lohnabschluss notwendig!