KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Mut zur Wahrheit?

Von Nikolaus Lackner (30.9.2011)

Gestern durften die GebührenzahlerInnen wieder einmal die politische Unabhängigkeit des ORF bewundern. Der ÖVP Bauernbund hatte zu einem „Vortrag“ von Thilo Sarrazin in Graz geladen. Siebenhundert ZuhörerInnen von mitte rechts bis völlig rechtsextrem liessen sich dort die statistische Munition für ihre Angriffe auf die muslimische Minderheit im Lande liefern. Interessant wird es, wenn man die Berichterstattung selbst analysiert.

Man sah, wie ein grinsender Strache Sarrazins Buch wie eine Bibel in der Hand in die Halle trug. Man sah und hörte, wie der Bauernbündler Grillitsch vom Podium aus die versammelte Rechte zu vereinnahmen suchte, indem er sagte „Es scheint mir ein politisches Gebot der Stunde, MUT ZUR WAHRHEIT zu beweisen …“, einem Spruch, den wir zur Genüge von jenen Freiheitlichen kennen, die auch im Publikum sassen.

Und für die eine oder andere Sekunde zeigte man die mutigen Gegendemonstran­tInnen vor dem Haus. Die völlige Inkompetenz oder gewollte Ignoranz der RedakteurInnen zeigte sich aber bei einem kurzen Statement von Sonja Grusch, welche im Insert der „Sozialen – Linkspartei“ zugerechnet wurde. Das nenne ich tiefgehende Recherche. Bravo.

Das Interview mit Sarrazin selbst bot diesem genügend Gelegenheiten, sein Buch zu bewerben und seine Ideen zu verbreiten. In der Art und in seiner Argumentation wirkte er dabei wie ein rassistischer Technokrat aus den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, und hätte man aus seinen Aussagen „Muslime“ herausgenommen und durch „Juden“ ersetzt, wäre er schon mit einem Fuss in Honsik´s und Küssels Zelle. Wegen Wiederbetätigung.

Schlimm genug, wenn ein Mann wie dieser noch immer Mitglied der SPD ist. Schlimmer noch, wenn die Reaktionäre in den Raubritterbünden sich dafür hergeben, an Strache´s statt so ein Event auszurichten. Viel schlimmer noch ist es, wenn der staatliche Rundfunk in der besten Sendezeit Propaganda für die ideologische Rechte möglich macht.

Aber als Sarrazin im Interview sich selbst und sein Buch scherzhaft mit Karl Marx und seinem „Kapital“ verglich, und darauf verwies „Da hatte sich ein Jahr nach der Veröffentlichung auch noch nicht sehr viel getan“ stand vielen Linken vor dem Fernseher das Entsetzen ins Gesicht geschrieben – nicht nur wegen der Erwähnung eines der Gründerväter der Arbeiterbewegung.

Vor allem die Überhöhung der eigenen Person, die schon fast na®zisstische Züge trägt, ruft in Verbindung mit dem ständigen Verweis auf irgendwelche Statisken bei vielen unangenehme Erinnerungen an diejenigen feinen Herren aus der deutschen Bourgeoisie hervor, die mit ihren kruden Rassentheorien und vermeintlichen wissenschaftlichen „Beweisen“ die Grundlage für die Rechtfertigung des Holocausts legten. Und damit das Fundament schufen, auf dem das Haus des Faschismus gebaut wurde.

Natürlich sind wir KommunistInnen für freie Meinungsäusserung und treten auch dafür ein, dass auch jene öffentlich zu Wort kommen, die Meinungen vertreten, die abseits dessen liegen, was wir vertreten. Jedoch stellt es eine Beleidigung der Intelligenz vieler Zuseher dar, wenn diese im ORF ohne Widerspruch und ohne Diskussion so transportiert werden, als wären diese wahr und in Stein gemeißelt.

Dass sich die KPÖ und VsstÖ zu einem interkulturellen Volxfest zusammengefunden hatten, bei dem weit mehr Menschen als vor der Seifenfabrik friedlich versammelten und ihre Ablehnung gegenüber Sarrazins Thesen durch solidarisches Feiern zum Ausdruck brachten, erwähnte der ORF lieber nicht. Das würde in wahltaktisch geprägten Zeiten wie diesen den politischen KüniglbergerInnen nicht ins Konzept passen.

Link zum ORF Interview : „Gespräch mit Thilo Sarrazin – Autor Thilo Sarrazin spricht über die Erfahrungen, die er bei seinen Vorträgen gemacht hat. Er fühlt sich ein Jahr nach Präsentation des Buchs in seinen Thesen bestätigt und sieht erhebliche Fortschritte in Deutschland, was die Offenheit des öffentlichen Diskurses betrifft“

Link zum Bericht → auf den jeweiligen Menüpunkt klicken

Der Autor ist Aktiv in der KPÖ Leopoldstadt, die heute zum Aktionstag „rassismusfreie ZoneN 2011“ lädt. Bittere Notwendigkeit in Österreich heute.

?

?

Aktuelles:


KPÖ Oberösterreich: Jetzt Unterstützungserklärung unterschreiben!
(14.7.2021)

...mehr


Die Europäische Linke fordert einmal mehr das Ende der Blockade gegen Kuba
(13.7.2021)

...mehr


Die neue Juli Volksstimme 2021 ist da!
(13.7.2021)

...mehr


KPÖ Graz: Unsere Kandidatinnen und Kandidaten für Graz
(10.7.2021)

...mehr


38. Parteitag der KPÖ: In der ältesten Partei Österreichs übernehmen Junge das Ruder
(21.6.2021)

...mehr

Volksstimme - Politik & Kultur - Zwischenrufe links