KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Die Mobilität der Zukunft.

Von Heinz Högelsberger (10.7.2011)

Umsteigen, bitte! – Öffentliche Verkehrsmittel sind umweltfreundlicher, energieeffizienter und billiger als der motorisierte Individualverkehr.

Ist es möglich, unsere gesamte Energieversorgung bis zum Jahr 2050 so umzustellen, dass unsere Treibhausgas-Emissionen dann nur mehr ein Zehntel von jenen des Jahres 1990 betragen und sich der Energieverbrauch halbiert? Welchen Lebens-, Mobilitäts- und Wirtschaftsstil werden wir – bzw. unsere Enkelkinder – dann haben? Diese Fragen stellte sich eine ungewöhnliche Allianz, bestehend aus dem Energieversorger EVN, sowie Greenpeace und der Gewerkschaft vida. In deren Auftrag erarbeitete das Institut für Höhere Studien (IHS) eine dementsprechende Studie, die im Frühjahr 2011 vorgeste­llt wurde.

Will man die Klimaerwärmung auf zwei Grad beschränken, müssen die Emissionen an Treibhausgasen weltweit konsequent gesenkt werden. Um den Klimakollaps zu verhindern, muss der CO2-Ausstoß pro ErdenbürgerIn auf ein bis zwei Tonnen pro Jahr reduziert werden. Ein ambitioniertes Ziel, denn die Pro-Kopf-Emissionen liegen in Österreich bei 11 Tonnen. Mehr als ein Viertel der österreichischen Treibhausgase stammen dabei aus dem Verkehrsbereich; Tendenz steigend. Besonders hier ist mit effizientem – also intelligentem – Einsatz von Energie anzusetzen. So reduziert der Umstieg vom PKW auf Öffis den Energiebedarf dramatisch:

Energieverbrauch in KWh/100 Personenkilometer -> Radfahren 2 -> Gehen 6 -> Bahn 9 -> Straßenbahn 12 -> Bus 15 -> Motorrad 50 -> Pkw 48.

Die Verkehrsleistung der öffentlichen Verkehrsmittel sollte laut IHS-Szenario in den nächsten vierzig Jahren von 24,3 auf 35 Milliarden Personen-Kilometer ansteigen, während sich der motorisierte Individualverkehr fast halbieren wird. Ein ähnliches Bild gibt es beim Güterverkehr: Das Transportaufkommen sollte insgesamt sinken, die Transportleistung der Bahn aber von 15,9 auf 27 Milliarden Tonnenkilometer ansteigen. Hier ist ein hohes Potential für neue »Green Jobs«. Die ETF (Europäische Transportarbe­itergewerkschaf­t) geht davon aus, dass bei einem zukunftsfähigen Verkehrssystem europaweit 8,7 Millionen Arbeitsplätze neu geschaffen werden: Im Busbereich vier Millionen, beim Bahnbetrieb 2,7 Millionen und beim Bahnbau weitere zwei Millionen. Angesichts der wichtigen Rolle, die die Bahn in der Zukunft spielen wird, müssen wir beispielsweise jetzt verhindern, dass die ÖBB vollends kaputt gespart werden.

»Du sollst Dein Auto so lieben wie Dich selbst«

Dieser aktuelle Werbespruch an OMV-Tankstellen illustriert den Mythos Auto sehr anschaulich. Dabei ist Autofahren nicht nur ein umwelt- und klimapolitisches Problem, sondern auch ein finanzielles: Schon im Jahr 2000 gaben die Menschen in Österreich mehr Geld für ihre Autos (13,5 Milliarden Euro), als für ihre Kinder (10,2 Milliar­den) aus.

Menschen waren schon immer mobil. Unsere Großeltern legten – genau so wie wir – drei bis vier Wege pro Tag zurück, um Einkäufe zu machen oder in die Arbeit bzw. Schule zu gelangen. Sie waren auch gleich lange unterwegs. Geändert hat sich, dass die Wege länger wurden und diese zunehmend mit dem Auto bewältigt werden. Strukturen, Arbeitsplätze und Raumordnung haben sich an das Auto angepasst, bzw. das Auto zur Notwendigkeit gemacht. Gewonnen haben wir dadurch aber weder Zeit noch Mobilität. Gewonnen hat die Öl-, Auto- und Bauindustrie.

Autobesitz ist nach wie vor eine soziale Frage. Wie die folgende Tabelle zeigt, verfügen vom ärmsten Viertel der österreichischen Haushalte (= 1. Quartil) 60 % über kein Auto. Angesichts von »peak-oil« und tendenziell steigender Treibstoffpreise wird sich diese Kluft noch verschärfen. Ohne Gegensteuern droht eine Art von »Mobilitäts-Apartheid«.

  1. Quartil 2. Quartil 3. Quartil 4. Quartil
Kein Auto 60 24 10 4
1 PKW 38 65 60 40
2 PKW 2 10 28 40
3 und mehr PKW 0 1 2 16

Hype Elektromobilität

Derzeit wird von der Autolobby ein wahrer E-Mobilitäts-Hype ausgerufen. Dabei ist Elektromobilität eine bewährte und erprobte Technologie. Elektrische Eisen-, Straßen- und U-Bahnen gibt es seit gut einem Jahrhundert. ElektroautoS haben nur dann einen tatsächlichen Sinn, wenn sie zwei Kriterien erfüllen: (1) Um den vollen Umweltnutzen auszuspielen, muss der benötigte Strom aus zusätzlichen erneuerbaren Stromquellen kommen. (2) Elektroautos sollten für den nicht mehr verlagerbaren »Restverkehr« verwendet werden und nicht für unsere derzeitige Automobilität (z. B. zur Trafik ums Eck zu fahren). Wer also von Wien in die Oststeiermark elektromobil unterwegs sein will, nimmt bis Graz den Zug und steigt für die restliche Strecke auf ein geliehenes Auto um. Die hohen Akkupreise sind eine Chance dafür, die Nutzung eines Autos vom Besitz zu entkoppeln.

Folgende Tabelle über die durchschnittlichen Weglängen von Autofahrten zeigt die irrationale Nutzung des PKW und räumt auch mit dem Vorurteil der geringen Reichweite von Elektroautos auf:

Fahrtlänge Anteil Bemerkungen
Bis 1 km 8,5% Fast die Hälfte (469 %) aller Autofahrten ist kürzer als 5 km
1 – 2 km 12,4%
2 – 5 km 26,0%
5 – 10 km 19,9% Für gut 98 % aller Fahrten genügt die derzeitige Reichweite von Elektroautos (max 120 km).
10 – 20 km 16,8%
20 – 50 km 11,8%
50 – 100km 3,3%
Über 100 km 3,3%  

Güterverkehr

In Österreich gibt es einen traditionell hohen Anteil der Bahn am Güterverkehr. Das lag u. a. auch an der Nachbarschaft zu den sozialistischen Ländern, deren Gütertransport sehr schienenlastig war. Dieser Vorteil hat sich inzwischen umgedreht, da die osteuropäische Verkehrspolitik nun Straßenbauprojekte und den LKW-Verkehr bevorzugt. Generell hat der LKW gegenüber der Güterbahn zwei Wettbewerbsvor­teile: (1) Durch allerlei legale (z. B. Auflagen in Billigländern) und illegale Tricks (Überladung, Missachtung der Lenk- und Ruhezeiten bei den Fahrern, Sozialdumping usw.) ist der LKW-Transport unschlagbar billig. (2) Das wird noch dadurch verschärft, dass die externen Kosten und Schäden (Lärm, Luftverschmutzung, Unfälle), die der LKW-Verkehr verursacht, nicht von ihm selbst, sondern von der Allgemeinheit getragen werden. Selbst die Nutzung der Infrastruktur ist für den Straßengüterverkehr oft kostenlos. In Österreich wird die LKW-Maut auf Autobahnen und Schnellstraßen eingehoben. Auf den restlichen 98 % des Straßennetzes wird gratis gefahren, während die Bahn für jeden Streckenkilometer Schienenmaut zahlen muss. Hinzu kommt bei der Eisenbahn noch durch die Liberalisierung das beliebte »Rosinenpicken«: So verliert die staatliche RCA den profitablen Transport von Ganzzügen von und zu Seehäfen (z. B. Hamburg – Österreich) an neue Bewerber, während ihr der mühevolle, arbeitsintensive und wenig kostendeckende Einzelwagenverkehr bleibt. Kein Wunder also, dass der Güterverkehr in Europa vom LKW dominiert wird. Hier müsste es zu einer radikalen Trendwende kommen. Die entsprechenden Werkzeuge wären: Verbesserte Arbeitsbedingungen für LKW-FahrerInnen, echte Kostenwahrheit im Gütergewerbe, striktere Gesetze und Kontrollen und mehr staatliche Zuschüsse für den Schienentransport. Diese weisen nämlich eine sinkende Tendenz auf.

Flugverkehr

Nur ein Fünftel aller Menschen in Österreich sind im Jahr 2010 geflogen, vier Fünftel taten es nicht. Einer kleinen Elite von Vielfliegern steht eine große Mehrheit von Nicht- und Wenigfliegern gegenüber. Trotzdem (oder gerade deswegen?) genießt der Flugverkehr eine Reihe von Steuerprivilegien: Weder Kerosin noch Flugtickets werden besteuert. Laut IHS-Szenario sollte sich der Energiebedarf des Flugverkehrs langfristig auf dem heutigen Niveau einpendeln. Die Zeiten steiler Wachstumskurven wären vorbei, sinnlose Eintages-Shopping-Ausflüge nach London auch. Innereuropäischer Kurz- und Mittelstrecken­verkehr würde sich wieder auf die Bahn rückverlagern.

Die Zukunft liegt bei den Öffis

Öffentliche Verkehrsmittel sind ein Teil der Daseinsvorsorge und sollten die Mobilität aller garantieren. Abseits von Ballungszentren ist die Grundversorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln allerdings meist nur auf die vier berühmten »A’s« zugeschnitten: Auszubildende, Arme, Alte, Autolose. Allein in den vergangenen zwei Jahrzehnten wurde auf 600 Kilometern Regionalbahnen der Personenverkehr eingestellt. Dabei ist die Bahn das Rückgrat jedes funktionierenden Öffi-Systems, während Busse die Aufgabe der Feinverteilung übernehmen sollten. Der herrschende Trend, Regionalbahnen durch Busse zu ersetzen, ist verhängnisvoll. Für Fahrgäste hat die Bahn eine höhere Attraktivität als der Bus. Dieser sogenannte »Schienenbonus« beruht auf höherem Reisekomfort (Laufruhe, WC, Bewegungsfreiheit, Fahrradmitnahme, Lesemöglichkeit usw.), aber auch auf psychologischen Effekten (und höherer Verkehrssicher­heit). Bei der Umstellung des Personenverkehrs von Bahn zu Bus werden zahlreiche Fahrgäste (ca. 30 Prozent) zum eigenen PKW abwandern. Das ist aber weder volkswirtschaftlich noch umweltpolitisch wünschenswert.

Insgesamt hat der öffentliche Verkehr in Österreich einen jährlichen Finanzbedarf von etwa 2,5 Milliarden Euro zur Deckung der laufenden Kosten. Etwa ein Drittel davon zahlen die BürgerInnen direkt mittels Fahrkarten, den Rest über Steuergelder als Zuschüsse. Dafür legen die Menschen in Österreich mit Öffis rund 23 Milliarden Personenkilometer zurück. Einen Fahrgast einen Kilometer zu befördern, kostet also durchschnittlich 11 Cent. Fährt dieselbe Person mit dem PKW, so zahlt sie dafür im Schnitt 35 Cent. Öffis sind also nicht nur umweltfreundlicher, energieeffizienter, sondern auch unschlagbar billig. Denn die erwähnten 2,5 Milliarden Euro an Finanzierungsbedarf sind in etwa der gleiche Betrag, den Länder und Gemeinden zum Erhalt des niedrigrangigen Straßennetzes aufwenden müssen. Hier kommt niemand auf die Idee, eine Gemeindestraße »wegen mangelnder Auslastung« zuzusperren; bei der Bahn passiert dies aber dauernd! Wandert also ein Fahrgast durch ein verschlechtertes – weil »eingespartes« – Öffi-Angebot zum Auto ab, so verdreifachen sich die zu bezahlenden Kosten!

Eine intelligente und wahrhaft sparsame Verkehrspolitik müsste also zwei Zielrichtungen verfolgen:

  • 1. Ausbau des Öffi-Angebotes. Hier wäre ein bundesweiter und flächendeckender Taktfahrplan mit optimalen Umsteigebedingungen nach Schweizer Vorbild anzustreben.
  • 2. Maßnahmen zur besseren Auslastung. Hier darf man auch vor unpopulären ordnungspolitischen Maßnahmen nicht zurückschrecken. Den Mythos Auto kann man nicht allein durch gute Argumente zerstören! Stimmt das Öffi-Angebot, kann man die PKW-Nutzung durchaus unattraktiv machen: durch autofreie Städte, Fahrverbote bei Schadstoffbelastung (Feinstaub, Ozon), Tempolimits, Verknappung der Parkplätze, Anhebung der Mineralölsteuer von Diesel auf das Niveau von Benzin usw.

Dr. Heinz Högelsberger arbeitet im Referat Wirtschaft der Gewerkschaft vida.

Die IHS-Studie »energy [r]evolution 2050« ist als download unter www.verkehr.vida.at erhältlich.

Volksstimme, Juli/August 2011 – Schwerpunkt, Freie Fahrt für freie BürgerInnen. Aber anders.

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