KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Verführungen – am Abgrund

Von Manfred Bauer (28.10.2007)

Marlene Streeruwitz, Verführungen – Roman.

„Ist es nicht schrecklich, wie in jedem Satz immer einer Frau ein Kompromiss abgerungen wird?“ Mit dieser Gegenfrage beantwortete die Schriftstellerin Marlene Streeruwitz in einem Interview über ihren fünften Roman „Jessica, 30“ die Frage, warum „Frau“ in den Augen der Öffentlichkeit als negatives Qualitätsmerkmal fungiere.

Doch bereits der im Jahre 1996 erschienene Roman „Verführungen“ liefert auf 295 Seiten die Erklärung für die strukturellen individualpsycho­logischen und psychosozialen Mängel einer Gesellschaft, von der Frauen in besonderem Maße betroffen sind.

In diesem Roman geht es um den (all-)täglichen Existenzkampf einer Frau mit zwei kleinen Kindern.

Helene, so der Name der Frau, hat das 30. Lebensjahr erreicht, sie zieht eine Zwischenbilanz: Studium aus Familienräson aufgegeben, ihr Mann ist auf und davon, die Schwiegermutter leider nicht, sie wohnt, separiert, in der gemeinsamen Wohnung, der Job in der exaltierten Werbe- und PR-Branche ist gleichermaßen brutal und unerträglich und Geldsorgen bestimmen ihre Lebensrealität. Hinzu kommt ihr Liebhaber Henryk, auf den so viel oder so wenig Verlass ist wie auf die übrigen Männer, und aushalten muss ihn Helene auch noch – materiell und als Mann.

Helene bewegt sich in einem Raum, in einem Kräfteparalle­logramm, das bestimmt wird von der Macht der Banalität ebenso wie von der Banalität der Macht – diesfalls der Macht der Männer und einer Lebensrealität, deren Eckpunkte durch prekäres Dienstverhältnis – Helene hat einen 20-Stunden-Job – und durch die die ständige Bedrohung durch Armut markiert werden.

Ein Leben am Abgrund, nervös bis hysterisch, ohne Atempause, hektisch.

Marlene Streeruwitz zeichnet dieses Leben präzise, fast scharf, in unvergleichlicher Sprache nach. Der undekorative Wortlaut, der gleichermaßen spröd wie direkt wirkt, spiegelt die Hektik wider, die Helenes Jagd nach dem – besseren – Leben prägt. Und wenn sie ihre Sätze nicht zu Ende formuliert, so ist dies nichts anderes als der ideale Kunstgriff, die Atemlosigkeit dieser Welt zu zeigen: „Wusste nichts. Wusste, es würde wieder weitergehen. Dann. Aber erst später. Sie ließ sich von ihm herumschieben. Tat nichts “

Helene sucht Zuflucht im Tablettenkonsum – eine abgründige Verführung. Valium gegen das Elend dieser Welt, dass immer auch das eigene Elend ist.

Am Ende des Romans dann Hoffnung – düster und unvollkommen: „Und dann war Weihnachten. Und dann. Im nächsten Jahr würde alles besser werden…“ (Seite 296).

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