POSITIONEN & THEMEN
Von Bundesausschuß der KPÖ (7.12.2006)
Es ist genug für alle da! Diskussionspapier der KPÖ über ein
bedingungsloses und existenzsicherndes Grundeinkommen
Warum wird über ein Grundeinkommen diskutiert?
Mit dem Übergang vom fordistischen zum neoliberalen Kapitalismus sind ein hohes
Niveau von Massenarbeitslosigkeit und gleichzeitig eine wachsende <LEX
word=prekär>Prekarisierung</LEX> zum Normalzustand geworden. Der
klassische Normalarbeiter ist immer weniger typisch und daher kein
ausreichender Maßstab für linke Politik.
Auch Vollbeschäftigung im Sinne von Vollzeitarbeit mit entsprechendem Verdienst
und sozialer Absicherung die es unter Berücksichtigung der fast
ausschließlich von Frauen geleisteten unbezahlten Hausarbeit, Pflege,
Kinderbetreuung etc. genau genommen nie wirklich gegeben hat wird immer
weniger, weil neben der Verlagerung arbeitsintensiver Bereiche in
Billiglohnländer immer mehr Menschen von Teilzeitarbeit, geringfügiger
Beschäftigung, Werkverträgen, Beschäftigung als freie DienstnehmerInnen,
Scheinselbständige usw. leben müssen oder wollen. Deutlich wird dies etwa auch
dadurch, dass bereits mehr als die Hälfte der Selbständigen in
Ein-Personen-Unternehmen tätig sind.
Das alles passiert vor dem Hintergrund einer enorm wachsenden Produktivität,
weil immer mehr menschliche Arbeit durch Maschinen ersetzt wird. Die durch
Rationalisierung gewonnene Zeit kommt den Menschen aber nicht durch mehr
Freizeit und kürzere Arbeitszeit zugute, sondern schlägt sich in Form einer
Massenarbeitslosigkeit nieder. Auch schafft diese Verteilung der
Produktivitätsgewinne eine immer ungerechtere Verteilung von Einkommen und
Vermögen.
Während Löhne, Gehälter und Pensionen stagnieren und die Schere zwischen
Männer- und Frauenverdiensten weit auseinanderklafft, explodieren Profite,
Dividenden und Vermögen. Während die Lohnquote seit gut zwei Jahrzehnten
laufend sinkt, steigt der Anteil von Kapital und Vermögen am Volkseinkommen.
Während ein Teil der Beschäftigten ständig Überstunden leisten muss – mit
dem Ergebnis dass Österreich die höchste reale Wochenarbeitszeit der EU
aufweist ist die Zahl der Erwerbsarbeitslosen enorm gestiegen. Immer mehr
lohnarbeitende Prekarisierte betroffen sind vor allem Frauen müssen mehr
als einen Job ausüben, um genug zum Leben zu haben oder wursteln sich von einem
zeitlich begrenzten Projekt zum nächsten.
Die Folge dieser Entwicklung ist eine wachsende Prekarisierung verbunden mit
steigender Armut, von welcher immer mehr Menschen betroffen sind. Gearbeitet
wird aber unabhängig von Lohnarbeit, die eigentlich nur das Mittel zum Zweck
darstellt. Vorrangig brauchen die Menschen nämlich nicht Arbeit, sondern Geld
zum Leben, das ihnen durch Lohnarbeit immer weniger ermöglicht wird. Vor diesem
Hintergrund wurde in den letzten Jahren die Diskussion um ein Grundeinkommen in
den sozialen Bewegungen neuerlich aufgegriffen.
Was kann ein Grundeinkommen bringen?
Das wesentliche Motiv für ein Grundeinkommen ist, allen Menschen die Chance auf
ein menschenwürdiges Leben unabhängig vom eventuellen Verlust der
traditionellen Einkommensquelle durch Lohnarbeit zu verschaffen. Damit stellt
ein Grundeinkommen eine Maßnahme gegen die zunehmende Armut dar und ist eine
adäquate Antwort auf die wachsende Prekarisierung.
Gleichzeitig soll ein Grundeinkommen gewisse Zwänge wie etwa Auflagen des AMS,
Rückzahlungspflichten bei Sozialhilfe etc. aufheben, durch welche die
Empfänger unweigerlich in die Rolle von BittstellerInnen gezwungen werden. In
diesem Sinne würde ein Grundeinkommen das Selbstwertgefühl der Menschen heben
und auch mehr Freiraum zur Mitgestaltung des demokratischen Gemeinwesens
schaffen.
Durch ein bedingungsloses und existenzsicherndes Grundeinkommen würde die
Möglichkeit geschaffen, die Annahme schlecht bezahlter, krankmachender Arbeiten
oder unzumutbarer Arbeitsbedingungen zu verweigern. Dadurch wurde auch ein Druck
für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen entstehen, weil sonst niemand
diese Arbeiten machen würde. Somit würde die permanente kapitalistische
Rationalisierung etwas von ihrem Schrecken in Form von Arbeitsplatzverlust usw.
verlieren und damit auch die Lohnabhängigen und im weiteren Sinne die
Gewerkschaften stärken.
Ein Grundeinkommen würde auch zur Sicherung der Kaufkraft für die gesamte
Bevölkerung beitragen und damit die seit Jahren durch stagnierende oder sogar
sinkende Löhne, Gehälter und Pensionen zurückbleibende Binnennachfrage
beleben. Ähnlich dem Fordismus, der darauf beruhte, dass die hergestellten
Produkte auch gekauft werden müssen und dafür entsprechende Einkommen
notwendig sind würde ein Grundeinkommen somit auch zur Wirtschaftsentwicklung
beitragen. Auch würde ein Grundeinkommen mehr Entfaltungsmöglichkeiten für
Bildung, Eigeninitiative, Kreativität und Spontaneität bringen. Viele Menschen
könnten sich damit auch Tätigkeiten unabhängig von kapitalistischen Zwängen
im Sinne einer solidarischen Ökonomie widmen.
Was muss ein Grundeinkommen erfüllen?
Seine Funktion erfüllt ein Grundeinkommen nur dann, wenn es bedingungslos und
existenzsichernd ist. Es muss für alle im Land lebenden Menschen gleich und
ausreichend zur Befriedigung wesentlicher Lebensbedürfnisse sein und die
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sichern. Ein ganz wesentlicher Punkt ist,
dass ein solches Grundeinkommen ohne Bedingungen und Auflagen erfolgt. Daher
weist ein Grundeinkommen über andere aktuell diskutierte Modelle wie einer
bedarfsorientierten Grundsicherung etc. hinaus, weil diese Maßnahmen stets auf
bestimmten Auflagen und damit Zwängen einer repressiven Bürokratie
basieren.
Ein Grundeinkommen ist eine Gegenposition zur Politik von Sozialabbau,
Privatisierung und dem Dogma der Regelung durch den Markt, die durch fiskalische
Maßnahmen wie die Maastricht-Kriterien für eine nachhaltige Budgetpolitik und
den Euro-Stabilitätspakt erzwungen werden. Ein Grundeinkommen stellt auch eine
Gegenposition zur laufenden Entsolidarisierung und dem neoliberalen Credo einer
Ellbogengesellschaft der Konkurrenz aller gegen alle und dem Marktdogma dar,
welches behauptet, nur ein Billiglohnsektor könne die Arbeitslosigkeit
verringern.
Worauf ist bei einem Grundeinkommen zu achten?
Ausgehend vom Leitsatz Von Arbeit muss man leben können und ohne Arbeit
auch können Maßnahmen wie Arbeitszeitverkürzung, Mindestlöhne, Anhebung
von Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld auf die offizielle Armutsgrenze, ja sogar
bedarfsorientierte Grundsicherung (allerdings ohne ihre repressiven
Begleitmaßnahmen wie derzeit von SPÖ und ÖVP geplant) Schritte zu einem
Grundeinkommen darstellen. Auch wenn ein Grundeinkommen als Ziel verfolgt wird,
bedeutet dies nicht, dass wir nach dem Motto Alles oder nichts andere
Maßnahmen deswegen ablehnen.
Die Finanzierung eines Grundeinkommens muss durch eine entsprechende
Steuerpolitik erfolgen, die wiederum auf der enorm steigenden Produktivität
basieren muss. Die Steuerleistung des Kapitals muss so hoch sein, dass daraus
ein Grundeinkommen für alle Menschen finanziert werden kann und somit ein
menschenwürdiges Leben möglich ist. Darüber hinaus finden weiterhin der Kampf
um entsprechende Löhne, Gehälter oder Pensionen entsprechend Qualifikation,
Versicherungszeiten etc. sowie der Kampf für Arbeitszeitverkürzung bei
vollem Lohnausgleich statt.
Die Höhe eines Grundeinkommen als Maßstab für ein menschenwürdiges Leben ist
auch insofern wichtig, als es auch neoliberale Modelle von Kapitalseite gibt,
welche mit einem Grundeinkommen darüber hinausgehende Sozialtransfers
(Gesundheit, Pension, Unfall, Arbeitslosigkeit, Kindergeld etc.) ersetzen oder
Lohndumping betreiben wollen.
Welche Einwände gibt es gegen ein Grundeinkommen?
Der Haupteinwand gegen ein Grundeinkommen lautet, dass damit niemand mehr
arbeiten will und das Sozialschmarotzertum unterstützt wurde. Damit wird
gezielt verdrängt, dass derzeit die Besitzer großer Vermögen meistens nicht
selber arbeiten sondern ihren Müßiggang als Lifestyle rechtfertigen und zudem
immer weniger Steuern zahlen. Hinter dieser Befürchtung steht ein von Kirche
und Kapital propagiertes und historisch überwiegend mit Zwang durchgesetztes
Arbeitsethos nach dem biblischen Motto Wer nicht arbeitet, soll auch nicht
essen, das leider auch vielfach von der ArbeiterInnenbewegung kritiklos
übernommen wurde.
Arbeit ist nicht grundsätzlich und ausschließlich mit Lohnarbeit
gleichzusetzen. Ein großer Teil der Arbeit erfolgte immer schon unbezahlt durch
Frauen (Hausarbeit, Pflege, Ehrenamt, Kinderbetreuung…), gehört aber mit zum
Grundbedürfnis nach Gestaltung des eigenen Lebens und der Welt. Die
Gleichsetzung von Grundeinkommen mit Nichtarbeit wird deshalb auch der
Wirklichkeit nicht standhalten. Arbeit ist auch nicht generell sinnvoll und
nützlich, sie kann auch destruktiv sein, wie etwa in der Rüstungsindustrie.
Einwände die unter sozialistischen Vorzeichen gemacht werden, dass auch
eine sozialistische Gesellschaft sich nur mittels Arbeit reproduzieren und sich
deshalb kein Grundeinkommen leisten könne, weshalb es auch unter
kapitalistischen Bedingungen abgelehnt werden müsse, hängen der Vorstellung
nach, Sozialismus bedürfe des Arbeitszwangs. Sozialismus beseitigt aber
zunächst das Privileg, auf Grund des Besitzes von Nichtarbeit leben zu
können.
Was gilt grundsätzlich zur Debatte über ein Grundeinkommen?
Im Artikel 25, Absatz 1 der UNO-Menschenrechtsdeklaration heißt es: Jeder
Mensch hat Anspruch auf eine Lebenshaltung, die seine und seiner Familie,
Gesundheit und Wohlbefinden, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung,
ärztliche Betreuung und der notwendigen Leistungen der sozialen Fürsorge
gewährleistet; er hat das Recht auf Sicherheit im Falle von Arbeitslosigkeit,
Krankheit, Invalidität, Verwitwung, Alter oder von anderweitigem Verlust seiner
Unterhaltsmittel durch unverschuldete Umstände. Davon abgeleitet gibt es
ein
elementares Recht auf Arbeit und Einkommen für alle Menschen das keineswegs an
Pflichten gebunden ist.
Demzufolge ist ein menschenwürdiges Leben und die Teilhabe am
gesellschaftlichen Reichtum ein elementares Menschenrecht. Wenn von
Gegenleistung und Pflichten die Rede ist, sind das unter kapitalistischen
Bedingungen immer Pflichten gegenüber dem Kapital als Eigentümer der
Produktionsmittel, dem die Lohnabhängigen nur ihre Arbeitskraft als Ware
entgegenhalten können. Die Lohnarbeit als solche schafft aber keine soziale
Sicherheit, diese wurde stets nur durch politische Kämpfe erreicht und wird
jetzt unter neoliberalen Bedingungen sukzessive wieder abgebaut.
Wie ein Grundeinkommen durchsetzen?
Das Kerngeschäft der Gewerkschaften ist der Kampf um höhere Löhne. Daher
will das Kapital unter den Bedingungen des neoliberalen Kapitalismus zur
Profitmaximierung den über hundert Jahren erkämpften Einfluss der
Gewerkschaften zurückdrängen. Die Forderung nach einem Grundeinkommen stärkt
dagegen die Gewerkschaften, deren Verhandlungsmacht durch wachsende
Arbeitslosigkeit und Prekarisierung geschwächt wird.
Ein Grundeinkommen ist kein fertiges Rezept, sondern eine Orientierung, zu
welcher ein entsprechender Diskussionsprozess, verbunden mit einer ideologischen
Auseinandersetzung mit der neoliberalen Marktlogik, notwendig ist. Bislang ist
das Wissen über die Bedeutung jedoch viel zuwenig verankert und daher noch
nicht mehrheitsfähig. Dieser Prozess beginnt mit einer entschiedenen
Zurückweisung von Lohndruck, Sozialabbau und Privatisierung der öffentlichen
Daseinsvorsorge und der Erhaltung und des Ausbaus sozialer Rechte und der
öffentlichen Grundversorgung.
In einer von einem gnadenlosen Standortwettbewerb des Kapitals bestimmten
globalisierten Welt werden einzelstaatliche Lösungen immer weniger möglich. So
wie die Abwehr der Angriffe auf soziale Errungenschaften zunehmend eine
verstärkte internationale Kooperation von Gewerkschaften, Sozialbewegungen und
Linksparteien erfordert, ist auch die Durchsetzung sozialer Rechte wie eines
Grundeinkommens in wachsendem Maße nur als internationale Bewegung möglich.
Die Debatte über ein bedingungsloses und existenzsicherndes Grundeinkommen ist
daher als Teil einer nationalen wie internationalen Bewegung zu verstehen.
Was kann ein Grundeinkommen nicht leisten?
Das kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftssystem basiert auf dem
Verhältnis zwischen Lohnarbeit und Kapital. Ein Grundeinkommen hebt die
kapitalistischen Eigentumsverhältnisse und das Verhältnis von Lohnarbeit und
Kapital nicht auf. Es stellt nur eine modifizierte und den heutigen
Entwicklungen angepasste Form der Umverteilung des in der Produktion
geschaffenen Mehrwerts dar.
Somit handelt es sich dabei um eine soziale Reform, ein Grundeinkommen allein
bedeutet noch keine revolutionäre Veränderung. Es gilt, was für jede soziale
Verbesserung gilt: In der Auseinandersetzung mit dem kapitalistischen System
können die Kräfte zu seiner Überwindung wachsen. Die grundsätzliche
Infragestellung des kapitalistischen Systems und das Ziel seiner Überwindung in
Richtung einer gerechteren Gesellschaft bleiben für die KPÖ unabhängig von
einem auch unter kapitalistischen Verhältnissen möglichen Grundeinkommen
aufrecht. Die Utopie einer anderen, sozial gerechteren Gesellschaft würde
jedoch durch ein Grundeinkommen einen wichtigen Impuls erhalten.