KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Ich lebe prekär

(20.3.2007)

Seit meine beiden Kinder auf der Welt sind, lebe ich prekär. Und das ist schon eine ziemlich lange Zeit. Meine ältere Tochter wird 16 Jahre alt, meine jüngere ist gerade elf geworden.

Als gelernte Zahnarztassistentin mit geringem Verdienst sah ich nach Zwischenstationen im Gastgewerbe in der Grafikbranche eine Chance, die ich bei einer Zeitschrift im Hochglanzformat ergriffen habe. Dort habe ich ganz gut verdient. Doch bald darauf wurde ich schwanger. Die Hoffnung auf Vater-Mutter-Kind zerschlug sich noch während der Schwangerschaft, ich war Alleinerzieherin.

Nach zweijähriger Karenzzeit fing ich wieder im Grafikgewerbe an, doch nach der Behaltefrist, in welcher meine Mutter meine Tochter versorgte, wurde mir gekündigt. Ich war eine Zeitlang arbeitslos, machte AMS-Kurse, versorgte mein Kind, bis ich wieder schwanger wurde. Auch der Vater meines zweiten Kindes erwies sich als familienunfähig, dabei hatte ich immer von vielen Kindern geträumt.

Für mein erstes Kind musste ich gerichtlich um Unterhaltsvorschuss ansuchen, der Vater meines zweiten Kindes zahlt seit einiger Zeit überhaupt keine Alimente, also wird mir der Canossagang aufs Gericht wieder nicht erspart bleiben.

Ich brachte also meine beiden Kinder mit Hilfe meiner Eltern allein durch und fing nach Auslaufen der Karenzzeit und etlichen AMS-Wiedereinstieg­skursen bei einem Non-profit-Betrieb an.

Dort bin ich seit mehr als fünf Jahren für alles zuständig, was in so einem Verein zu machen ist: Büro-, Raum- und Seminarorgani­sation, EDV-Verwaltung, Mailaussendungen, Kasse, Klientenkontakt, Programmheftges­taltung und Aussendungen – eine Arbeit für drei und eine Bezahlung für eine halbe Arbeitskraft: Ich bekomme 8,23 Euro in der Stunde und muss mich im Sommer drei Monate arbeitslos melden. Das wird nicht für die Pension gerechnet.

Mein „Vorteil“ ist, dass ich bei einer offiziellen Arbeitszeit von 20 Wochenstunden in den Ferien nicht arbeiten muss, was mir bei der Kinderbetreuung sehr entgegen kommt. De facto arbeite ich aber sehr viel mehr, auch an den Wochenenden, wenn Seminare sind. Für die Mehrarbeit werden mir dann 9 Euro pro Stunde gezahlt.

Ich lebe „offiziell“ von rund 725 Euro im Monat plus Familienbeihilfe, spärlichen, das heißt 196-Euro-Alimenten – für meine zweite Tochter zahlt der Vater seit fast einem Jahr nichts – und einem mager entlohnten Nebenjob als Grafikerin. Einmal im Jahr bekomme ich zusätzlich einen Monatslohn als Weihnachts- und Urlaubsgeld.

Ohne die Hilfe meiner Eltern könnten meine Kinder keinen Schikurs, keine Schullandwoche oder keinen Urlaub machen, ich könnte das Klavier für meine kleine Tochter nicht zahlen, auch nicht den Computer für meine Ältere, die in der Schule ein Internetprojekt laufen hat, oder jetzt die 500 Euro Gas- und Stromnachzahlung oder die Reparatur für die Therme.

Ich könnte wahrscheinlich nicht einmal die ganzen Extraausgaben der Gymnasien finanzieren, welche meine Töchter besuchen, damit sie einmal bessere Berufschancen haben als ich.

Ich lebe prekär, ich lebe am Limit – finanziell, zeitlich, emotional. Ich habe das Gefühl, mir bleibt die Luft weg, ich schaffe es nicht. Das ist der Alltag von Alleinerziehe­rinnen: sich durchwurschteln, sich anstellen um Ermäßigungen, sich genieren für das Wenige, das man den Kindern geben kann – nicht nur finanziell, sondern auch vom Zeitnotwendigen her.

Um mein Leben zu finanzieren, müsste ich noch einen dritten Job annehmen – vielleicht Schneeschaufeln? Die Stadt Wien zahlt nachts von 22 bis 6 Uhr 5,73 und tags von 7 bis 15 Uhr 5,12 Euro in der Stunde.

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