KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Kein Sommerloch

(25.7.2012)

Die Medien haben daran zu knabbern; andere hingegen sehnen es das ganze Jahr herbei: Ein ausgedehntes Sommerloch zum Ausspannen. Zwar werben die Reisebüros auch in der ostdeutschen Provinz mit Bildern von fernen Stränden. Vielen würde allerdings eine Zugfahrkarte an die Ostsee oder ein anderes schönes Fleckchen im Land schon reichen. Zwei Dinge benötigt man dafür jedoch mindestens: Frei von der Arbeit und ein bißchen was in der Urlaubskasse.

Sebastian (24, Name geändert) fehlt beides, seit er vor fünf Jahren sein Leben selbst in die Hand nahm. Damals war er in eine billige Wohnung in einer Kleinstadt nahe Magdeburg gezogen; schlug sich drei Jahre mit Ausbildungsbeihilfe und zusätzlicher Wochenendarbeit durch. Von 700 Euro bezahlte er alles: Miete, Essen, Fahrkarten. Aufstockung vom Jobcenter gab es nicht. »Die wollten mich wieder zu meinen Eltern zurückschicken, da habe ich den Antrag zurückgezogen«, erinnert er sich. Heute ist Sebastian Fachlagerist, aber besser geht es ihm nicht. »Ich dachte damals, wenn ich fertig bin, suche ich mir eine gute Arbeit und schaffe mir ein schönes Zuhause.« Pustekuchen: Zwei Jahre nach dem Abschluß lebt er immer noch mit alten, geschenkten Möbeln; neue sind nicht drin – Sebastian ist Leiharbeiter bei Randstad. Im Haldenslebener Sitz des Unternehmens Euroglas arbeitet er 40 Stunden pro Woche, »in Schichten und bei Hallentemperaturen von über 35 Grad«. Auf seinem Girokonto landen am Monatsende kaum 800 Euro, die Mehrarbeit dafür auf einem Überstundenkonto. Soziale Zulagen gibt es nicht. »In die meisten Firmen kommt man nur noch über Zeitarbeit rein«, ist er nach vielen Bewerbungen überzeugt. Von Urlaub kann er nur träumen. »Erstens reicht das Geld kaum, um zu leben und zur Arbeit zu fahren. Zweitens ist »frei machen« in den ersten Monaten nach jedem Wechsel des Arbeitsplatzes nicht gern gesehen«, erklärt er. Wechseln gehört zum Zeitarbeiterdasein, wie das Suchen nach ein paar Euro mehr. Derzeit visiert er eine Wolfsburger Personalleasin­gfirma an. »Da könnte ich etwa neun Euro verdienen.« Er weiß: »Wenn es klappt, gibt’s dieses Jahr kein Frei mehr.«

Aber nicht nur für Berufseinsteiger, sondern auch für erfahrene Beschäftigte ist Randstad oft die letzte Möglichkeit. Zum Beispiel für Brigitte (Name geändert). Die 52jährige aus dem Bördekreis verkaufte bis vor einem Jahr Backwaren – für keine sechs Euro in der Stunde. Doch mit dem Tod ihres Mannes verlor sie den Job. Seitdem packt und hebt sie im Hermes-Logistikzentrum Haldensleben schwere Pakete; acht Stunden in der Frühschicht, meist sechs in der Spätschicht. »Mit vielen Überstunden schaffe ich es auch mal auf über 700 Euro netto im Monat«, erklärt Brigitte und ergänzt: »Das ist nicht viel Geld. Aber mehr darf ich ohnehin nicht verdienen, sonst kürzen sie mir die Witwenrente.« Zum Leben reiche es, sagt sie. Große Sprünge wie Reisen könne sie damit aber nicht machen. Außerdem sei Urlaub nur erwünscht, »wenn im Betrieb gerade Flaute ist«.

Judith (42, Name geändert) kennt viele schlecht bezahlte »Sommerlochar­beiter«. Sie verkauft Würstchen für einen Euro in einem Magdeburger Imbiß. In der Nähe befinden sich Betriebe und eine Beschäftigungsge­sellschaft für Erwerbslose. »Wir haben auch andere Gerichte im Angebot«, stellt sie klar. »Aber die, die wenig verdienen – man kennt sich mittlerweile – bleiben beim Würstchen.« Die Geschichten, die sie hört, ähnelten einander: »Erst entlassen, dann von Leihfirmen für halben Lohn und oft zehn Tage weniger Jahresurlaub beschäftigt, den es aber nur gibt, wenn es dem Betrieb paßt.« Und mit einem Schuß Ironie räumt sie ein: »Meine Kunden und ich verstehen uns. Schließlich ist meine Lage nicht besser.«

Quelle:

Junge Welt

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