POSITIONEN & THEMEN
(18.6.2013)
Es scheint so, daß Österreich angesichts der Tiefe der Krise in Südeuropa und in einigen Nachbarländern einen Sonderfall darstellt. Die Arbeitlosenrate (nach EU-Standard) beträgt wenig mehr als 4% während sie im EU-Duschschnitt 12% und in den südeuropäischen Ländern 25% und mehr beträgt. Das aktuelle Budgetdefizit betrug 2012 trotz der Bankenrettungspakete 2,5%, während es im EU-Durchschnitt um die 4% beträgt. Und nimmt man das durchschnittliche Haushaltsvermögen ist Österreich eines der reichsten Länder in der EU.
Noch nie gab es in der Zweiten Republik über 400.000 Arbeitslose. Und wählt man als Kennziffer nicht den EU-Index sondern den realistischeren österreichischen Standard (Arbeitslose im Verhältnis zu unselbstständig Erwerbstätigen und nicht zu allen Erwerbstätigen wie in der EU) dann kommen ‚wir‘ auch über 10 Prozent.
Hinter den (für die Finanzmärkte) so wichtigen guten Budgetziffern, stecken aber mehrere Belastungspakete, zuletzt das Herabdrücken der Pensionsanpassungen unter die Inflationsrate, Nulllohnrunden im öffentlichen Dienst und der erschwerte Zugang zum Pflegegeld.
Durchschnittswerte über die Vermögen pro Kopf oder Haushalt sind immer weniger aussagekräftig, denn je ungleicher die Vermögensverteilung wird, desto mehr wird mit Durchschnittswerten verschleiert als sichtbar gemacht. Nimmt man zu neun Habenichtsen einen Millionär dazu und bildet den Durchnitt, haben plötzlich alle zumindest statistisch ein Vermögen. Tatsächlich sind in Österreich nach Deutschland (nach einer Erhebung der Europäischen Zentralbank) die Vermögen am meisten ungleich verteilt.
Die Regierung nutzt die Tiefe der Krise in Südeuropa um in Österreich Panik zu verbreiten. Wenn wir nicht freiwillig sparen, sparen, sparen, ginge es uns so wie Griechenland. In Verbindung mit den Massenmedien erreicht sie damit eine Akzeptanz der Austeritätspolitik, die sie auch auf europäischer Ebene mitträgt, ja sogar einfordert (siehe Schuldenbremse, Fiskalpakt, Sixpack, Bankenrettungsschirm-ESM usw.).
Heute ist nur mehr von der Staatsschuldenkrise aber nicht mehr von der Wirtschafts- und Finanzkrise des Kapitalismus die Rede, wie eine kurze Zeit nach 2008. Auch das nach den 80er Jahren geläufige Wort vom neoliberalen Umbau der gesellschaften ist leiser geworden. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, daran zu erinnern, daß KPÖ und GLB politische und praktische Solidarität mit den britischen Bergarbeitern organisiert hat, die sich 1986 dem Thatcherismus entgegengestellt haben. Sie haben damals erkannt, daß dort nicht nur eine nationale Auseinandersetzung stattfindet, sondern eine Klassenschlacht europäischer Dimension geschlagen wird.
Die zentralen Wirkungen des neoliberalen Umbaus bestehen einerseits darin, daß in der Primärverteilung die Lohnquote am Volkseinkommen (also der nationalen Wertschöpfung) trotz wachsender Zahl der unselbständig Beschäftigten systematisch zurückgeht und damit die Profitquote systematisch steigt. Während in der Sekundärverteilung trotz wachsender Profite die Kapitalsteuern relativ sinken, während die Lohnsteuer u.a.Massensteuern rascher wachsen als die Löhne.
Die Profite konzentrieren sich mangels anderer Verwertungsmöglichkeiten immer stärker im Finanzbereich womit das Kartenhaus fiktiver Kapitalmassen immer weiter aufgestockt wird und die Labilität des ganzen Systems bis zu den schweren Krisen, die wir derzeit erleben, zunimmt. Es liegt damit auf der Hand wo unsere wirtschaftspolitischen Alternativen ansetzen.
Erstens: Umverteilung von oben nach unten. Dazu gehört eine offensive Lohnpolitik, die sich neben der Inflationsabgeltung zumindest an der realen Produktivitätsentwicklung orientiert, die seit Jahrzehnten systematisch nicht mehr abgegolten wird. Dazu gehören gesetzliche Mindestlöhne. Von sozialer Gerechtigkeit kann keine Rede sein, solange keine Vermögensteuer, Erbschaft- und Schenkungsteuer, höhere Körperschafts- und Grundsteuer für Großkonzerne und Großgrundbesitzer und ein progressives Einkommensteuersystem, das kleine und mittlere Einkommen ent- und Spitzeneinkommen stärker belastet und die Finanztransaktionssteuer eingeführt werden.
Warum reden jetzt Strache, Stronach und Co vom Schilling oder vom Austroeuro? Weil sie zwar den Namen der Währung aber nicht die Wirtschaftpolitik ändern wollen. Der Rechtpopulismus bietet daher keinen Ausweg.
Zweitens: Die Banken, Versicherungen, der gesamte Finanzsektor gehören in öffentliche Hand unter strengster Kontrolle der verschiedenen (zivil)gesellschaftlichen Einrichtungen. Solange keine radikale Änderung der Eigentumsverhältnisse in diesem Sektor stattfinden, ist alles Gerede von der Kontrolle und Regulierung der Finanzmärkte Schall und Rauch.
Drittens: Wir sind für die generelle Streichung der Staatsschulden, zumindest des Teils, der über einen gewissen Prozentsatz gemessen am BIP hinausgeht. Kleine Anleger können wie bei der Einlagesicherung geschützt werden. Wir sind auch für die Entschuldung der Kleinverdiener und sozial Schwächsten.
Viertens: Radikale Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden und Verkürzung des Normalarbeitstages auf 6 Stunden, natürlich bei vollem Lohnausgleich. Ich habe schon auf die Produktivitätsentwicklung hingewiesen. Diese ist seit der letzten generellen Arbeitszeitverkürzung auf 40 Stunden von vor vielen Jahrzehnten derart gewachsen, daß selbst diese Arbeitszeitverkürzung nur eine Teilabgeltung der Produktivitätssteigerung seither darstellen würde. Ein solch drastischer Schritt in der Verkürzung der Arbeitszeit könnte die Zahl der Arbeitlosen rasch halbieren. Außerdem wäre sie ein wichtiger Schritt um die Kluft zwischen Vollzeit- und Teilzeitarbeit zu verringern.
Fünftens: Wir unterstützen alles, was gegen die Prekarisierung der Arbeits- und Lebensverhältnisse gerichtet ist. Dazu gehört auch der Verbleib aller Bereiche der Daseinsvorsorge in öffentlicher Hand, sowie Kostenfreistellungen wie die Energiegrundsicherung und die Freifahrt in den öffentlichen Verkehrsmittel, nicht zuletzt auch aus ökologischen Gründen. All das können auch Schritte zu einem bedingungslosen Grundeinkommen sein.
Die Regierung, in welcher Zusammensetzung sie auch immer nach der
Nationalratswahl gebildet wird, wird nach dem Grundsatz handeln: was fordern die
Finanzmärkte oder was ist mit ihnen verträglich.
Unser Kriterium ist ein anderes: Mensch geht vor Profit. Das ist das
Einfache, das so schwer zu machen ist.
Michael Graber
Wirtschaftspolitischer Sprecher der KPÖ
Referat beim Sozialkonvent am 20. April 2013.