KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

Mirko Messner: Abschlussrede des Sozialkonvents

Mirko Messner (Foto: Gisela Ortner)

(24.4.2013)

Im Grunde ist alles gesagt. Wir haben heute so viel gehört, dass es unmöglich ist, das alles auch nur ansatzweise zusammenzufassen. Darum nur einige wenige Gedanken zum Abschluss:

Der Sozial- oder Wohlfahrtsstatt ist keine Liste von Wohltaten, sondern ein System, das sich herausgebildet hat als geliebter oder ungeliebter Klassenkompromiss unter bestimmten historischen Bedingungen.

Der real ablaufende neoliberale Umbau ist spiegelverkehrt genausowenig eine Liste der Zerstörung der einen oder anderen sozialen Errungenschaft, sondern ein System, das ein klar definiertes Ziel hat: die Zerstörung des Sozialstaats. Durch immer mehr Umleitungen der Ergebnisse der gesellschaftlichen Arbeit von unten nach oben, durch die Unterwerfung möglichst aller Lebensbereiche unter die Verwertung durch die Mehrwertproduktion und den kapitalistischen Markt. Es handelt sich dabei um einen Systemwechsel innerhalb des kapitalistischen System, mit zerstörerischen Auswirkungen auf das Leben der Bevölkerungsmeh­rheiten und auf die Substanz der bürgerlichen Demokratie.

Anders, und weil es so wichtig ist, noch einmal gesagt: Was uns aus Norwegen, Slowenien und Griechenland berichtet wurde, und was wir aus Österreich kennen, unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht voneinander. Es unterscheidet sich im Grad und in den Formen der sozialen Grausamkeiten, es unterscheidet sich im Grad und in den Formen des Widerstands dagegen. Es ist für uns, es ist für alle, die darüber nachdenken, es ist für alle, die sozial, politisch und kulturell eine andere, humane Gesellschaft wollen, wichtig, diese Unterschiede zu sehen und gleichzeitig zu verstehen, das es sich dabei nicht um die Summe von Ähnlichkeiten handelt, sondern um weit mehr, um Nachhaltiges: Es ist ein riesiger, ein gewaltiger, ein gewalttätiger und systematischer Abriss- und Umbauprozess, über staatliche und kontinentale Grenzen hinweg.

Mario Draghi, als Präsident der Europäischen Zentralbank, hat das Ziel dieses Vorgangs für Europa unverhohlen benannt; er hat den Tod des europäischen Sozialstaats bzw. des europäischen Sozialstaatsmodells ausgerufen.

Wir sollten diesen Spruch von Mario Draghi in erster Linie nicht als Zustandsschil­derung, sondern als Absichtserklärung verstehen. Als Absichtserklärung freilich, die sich in der Austeritätspolitik der dominanten Kräfte in der EU niederschlägt, mit einschneidenden Folgen für Millionen Menschen. Diese Absichtserklärung rechnet offensichtliche nicht mit dem Widerstand der Bevölkerung. Aber den gibt es.

Es ist Voraussetzung jeglichen gesellschaftlichen Widerstands, dass Menschen sich im Kleinen wehren, vor Ort und in dem persönlichen Lebensbereich, in dem sie schikaniert werden, in dem sie durch verdeckte oder offene asoziale Maßnahmen dazu gezwungen werden, mehr und intensiver für weniger Lohn zu arbeiten, mehr und intensiver durch persönliches Engagement aufzufangen, was in Bereichen der Gesundheit, der Pflege, der Bildung, der Erziehung usw. seinem Schicksal, d. h. in hohem Maß dem persönlichen Einsatz der Frauen überlassen wird, weil soziale Errungenschaften reduziert, heruntergefahren oder niedergerissen werden. Es ist, wie gesagt, Voraussetzung jeglichen Widerstands, sich vor Ort dagegen zu wehren. Und es ist Voraussetzung für jeden dauerhaften Erfolg des sozialen Widerstands, dass er sich politisch organisiert, sich um politische Repräsentanz bemüht, mit dem Ziel, soziale und politische Kräfteverhältnisse zu ändern – vor Ort, in der Region und im Staat. Und in Europa sowie darüber hinaus.

Das Engagement der norwegischen Initiative für den Wohlfahrtsstaat, der Protest der slowenischen Jugend gegen die Korruptheit der politischen Klasse, der Kampf der griechischen Bevölkerung ums Überleben sind verschiedene Abschnitte in ein und derselben gesellschaftlichen Auseinandersetzung, deren Ausgang nur dann klar ist, wenn der Widerstand keine politischen Repräsentanz findet, und wenn auf die internationale politische Kooperation der Widerständigen verzichtet wird. An diesem Punkt sei in eigener Sache angemerkt: Weil wir eben das nicht wollen, weil wir mit unseren bescheidenen Kräften zum europaweiten Widerstand beitragen wollen, sind wir, ist die KPÖ Mitglied der Europäischen Linken, so wie unsere norwegischen, slowenischen und griechischen Freunde und Genossinnen.

Aus den Statements unserer Aktivistinnen und Aktivisten – und wir hätten entschieden länger gebraucht, wenn noch andere aus anderen Bereichen zu Wort gekommen wären – war die Vielfalt unserer Verankerung in verschiedenen Bereichen des sozialen Widerstands zu ersehen. Aber, wer genau hingehört hat, konnte noch etwas anderes erkennen: reiht man die konkreten Forderungen aneinander, die Alternativen zum Sozialabbau, die in den Statements genannt wurden, dann ergeben sich daraus die Umrisse dessen, was wir, die KPÖ, als solidarische Gesellschaft bezeichnen – als Gegensatz zum neoliberalen Umbau, dessen Kern die Zerschlagung sozialer, vergesellschafteter solidarischer Systeme ist, die der Öffentlichkeit entzogen, die privatisiert und zur Verwertung freigegeben werden bzw. werden sollen. Dieser Begriff der Solidarität ist also für uns natürlich auch ein moralischer Appell – aber er ist vor allem Ausdruck der nüchternen politischen Erkenntnis, das gesellschaftliche Solidarität verteidigt und neu errungen werden muss. Sie ist Mittel und Ziel unseres politischen Handelns.

Es ist am Vormittag der Satz gefallen, dass sich zwischen Süd- und Nordeuropa ein neuer eiserner Vorhang senkt. Und die Schilderung des griechischen Referenten belegt das. Aber: an diesem Vorhang wird auch in Österreich gearbeitet; und zwar sowohl gegen den Süden Europas, als auch gegen das gesellschaftliche Unten hier vor Ort. Wenn die Zahl der Menschen zunimmt, die sich im Winter überlegen müssen, ob sie heizen oder essen wollen, dann ist das dieser Vorhang.

In diesem Sinne werden wir auch die kommende Wahlauseinander­setzung führen. Wir werden so deutlich wir können, eines klarstellen: Die KPÖ ist bei aller Bescheidenheit, die einer Ein-Prozent-Partei zusteht, in Österreich der Name des Widerstands; genauer, der politische Name des sozialen Widerstands, den es auch bei uns vielfältig gibt. Die KPÖ ist nicht »die Linke« in Österreich. Sie ist ein Teil der Linken, die viel breiter ist als die KPÖ. Aber, und auf dieses Aber kommt es hier an, sie ist derzeit die einzige bundesweit organisierte linke Kraft, die nicht darum kämpft, sich an der Verwaltung dieses Systems zu beteiligen, sondern die das System in Frage stellt und überall, wo sie kann, errungene soziale Rechte verteidigt und die Bemühungen um neue mitorganisiert. Und wem daran gelegen ist, auch in Österreich nicht nur zum Mandatstourismus innerhalb der politischen Landschaft beizutragen, sondern die politische Landschaft selbst zu verändern, also die tatsächlichen politischen Kräfteverhältnisse, wem an der Herausbildung einer breiten, pluralistischen, kämpferischen und modernen Linken gelegen ist, der oder die wird mir zustimmen und daran interessiert sein, die KPÖ bei den kommenden Wahlen zu stärken. Ob Mandate zwischen den im Parlament vertretenen Parteien und dem hin- und herwandern, wird erst dann wirklich interessant werden, wenn sie konfrontiert werden mit einer grundsätzlichen sozialen Opposition; mit einer Partei, die eine andere Sicht hat auf die Dinge des Lebens, der Gesellschaft. Aber nicht nur eine andere Sicht, sondern vor allem auch eine andere Praxis. Ob im steirischen Landtag, in Graz, in Wien, in Linz, ob in Krems oder in einer Reihe steirischer Gemeinden, ob in Personalvertre­tungen, Betriebsräten oder Initiativen: was diese Praxis der KPÖ auszeichnet, ist eines: ihre Glaubwürdigkeit. Und Glaubwürdigkeit ist eine wesentliche politisch-moralische Kategorie in Zeiten, in denen Soziales vor allem dann eine Rolle spielt, wenn die Vertreterinnen der politischen Klasse Krokodilstränen zerdrücken und Empörung spielen über unsoziale Zustände, die sie politisch selbst hervorgerufen haben – ob im Land oder auf europäischer Ebene.

Für 29. September werden 183 Arbeitsplätze fürs Parlament neu ausgeschrieben. Wir werden uns ersthaft für ein paar davon bewerben. Das wird zwar, wenn wir Erfolg dabei haben, die Arbeitslosigkeit nicht senken, aber diese Arbeitsplätze können dadurch mit Sinn, wie wir ihn verstehen, erfüllt werden.

In diesem Sinne – Danke den Genossinnen und Genossen, die ihr Statement vorbereitet haben, und danke allen Referentinnen und Referenten aus Österreich, Norwegen, Slowenien und Griechenland, Danke allen, dass ihr da wart.

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