POSITIONEN & THEMEN
(20.5.2013)
Die meisten Menschen, die Unterstützung benötigen, wollen so lange wie möglich in ihrem gewohnten Umfeld bleiben. Derzeit werden noch rund 80 Prozent aller Pflegebedürftigen zu Hause betreut. Pflege wird oft zu einer Armutsfalle – sowohl für die Pflegebedürftigen selbst, als auch für die – in der Mehrzahl weiblichen – pflegenden Angehörigen. Diese werden von Erwerbsmöglichkeiten und damit auch dem Erwerb von Versicherungszeiten ferngehalten. Der Zukauf von professionellen privaten Pflegeleistungen übersteigt zum einen das zuerkannte Pflegegeld, zum anderen die finanziellen Ressourcen und Reserven der zu Pflegenden. (Der monetäre Wert der privat von Angehörigen geleisteten Pflege betrug 2011 rund 3 Mrd. .)
Mit Inkrafttreten des Pflegegeldreformgesetzes am 1.1.2012 übernahm die Pensionsversicherungsanstalt, also eine Bundeseinrichtung, die Zuständigkeit für die Pflegegelder, die zuvor Ländersache war. Die Volksanwaltschaft hielt in ihrem aktuellen Bericht vom 12. April 2013 (tränenreich) fest, dass es seither zu gesetzwidrigen Herabsetzungen der Pflegestufen gekommen ist. PflegegeldbezieherInnen haben plötzlich weniger Geld erhalten, obwohl sich an ihrem Pflegebedarf nichts geändert hat. Zusätzlich gibt es seit 2009 keinen Teuerungsausgleich.
Obwohl die Bevölkerung immer älter wird und wächst, werden Kassenplanstellen eingespart bzw. werden nicht mehr nachbesetzt. An den langen Wartezeiten für Termine wird der bestehende Fachärztemangel offensichtlich. Zusätzlich wird die Hälfte der HausärztInnen in den nächsten 10 Jahren in den Ruhestand treten, was vor allem im ländlichen Bereich noch größere Versorgungsprobleme mit sich bringen wird.
Besonders prekär ist die Versorgungslage bei der Kinder- und Jugendpsychiatrie: In diesem immer wichtiger werdenden Feld gab es 2011 österreichweit nur 19 FachärztInnen, die vorwiegend in Ambulanzen in den Ballungszentren tätig waren.
Wenn die Kassenordinationen weniger werden, sind die Versicherten gezwungen, fachärztliche Behandlung in den Spitalsambulanzen zu suchen, wo sie allzu oft auf völlig überlastetes Personal treffen.
In Zusammenhang mit dem 2012 beschlossenen Fiskalpakt auf europäischer Ebene werden nun restriktiven Budgetvorgaben auch im Gesundheitswesen umgesetzt. Im Gesetzesentwurf zur Gesundheitsreform, der nun dem Parlament vorliegt, werden die Gesundheitsausgaben fix an das Bruttoinlandsprodukt gebunden. Die Entscheidungsstrukturen werden so umgebaut, dass letztlich ein Durchgriffsrecht von Finanz- und Gesundheitsministerium etabliert wird. Die geplante Gesundheitsreform bringt statt einer Vereinfachung tatsächlich eine Verkomplizierung des Systems: Es werden zusätzlich eine Bundes- und neun Landeszielsteuerungskommissionen etabliert. Maßgebliche Partner im Sinne einer demokratischen Mitbestimmung wirkliche Patienten- und Ärztevertreter – sind darin allerdings nicht vorgesehen.
Als Kern der Gesundheitsreform wird uns ein sog. partnerschaftliches Zielsteuerungsmodell vorgegaukelt, das lediglich Kostendämpfungsmaßnahmen durchsetzen will. Mit schönfärberischen Wortkreationen sollen uns Einsparungen von 11 Milliarden Euro bis 2020 unterjubelt werden
Das Solidarprinzip als Grundlage der Sozialversicherungen verliert an Bedeutung. Dabei ist ein öffentliches Gesundheitssystem nach dem solidarischen Grundgedanken billiger und besser als ein privates, das beweist die Stellung des österreichischen Gesundheitssystems in den internationalen Rankings. Das Budget der Sozialversicherung fließt zu 97% (nur knapp 3% Verwaltungsaufwand) zurück in Leistungen für die Versicherten. Profit wird in der Sozialversicherung absichtlich und im Interesse der Versicherten keiner gemacht. Die Sozialversicherung ist der größte Non-Profit-Bereich Österreichs. Ihr Budget ist das zweitgrößte nach dem des Bundes. Das erweckt die Begehrlichkeit der privaten Gesundheitsanbieter und privaten Versicherer, die sich diesen Markt zugänglich machen wollen. Über die Defizitdebatte und mit den vordergründigen Argumenten steigender Bundeszuschüsse zum Gesundheitsbudget wird bewusst ein über Jahrzehnte effizient arbeitendes System sturmreif geschossen.
Es gibt KEINE Kosten-Explosion, sondern eine Einnahmen-Erosion.
Die Einnahmen der Krankenversicherungen hängen vor allem an den Löhnen und
Gehältern. Diese wachsen real deutlich schwächer als die gesamte
Wirtschaftsleistung. Zudem wurden seit 2007 tausende Menschen in die
Erwerbslosigkeit gedrängt, was naturgemäß die Einnahmen der sozialen Kassen
schmälert.
Wir fordern den Stopp und Rückbau bereits erfolgter Privatisierungsschritte im Gesundheitswesen!
Ein öffentliches, auf einer solidarischen Umverteilung basierendes System muss abgesichert werden! Es wird auch in Zukunft allen in Österreich lebenden Menschen eine Versorgung auf hohem Niveau ermöglichen.
Rudolf Gabriel
Allgemeinmediziner, KPÖ-Burgenland
Statement beim Sozialkonvent am
20. April 2013