POSITIONEN & THEMEN
(22.2.2016)
Als unverständlich bezeichnet Josef Stingl, Bundesvorsitzender der Fraktion Gewerkschaftlicher Linksblock im ÖGB (GLB), die Aversion mancher Spitzengewerkschafter gegen einen gesetzlichen Mindestlohn. So hatte jetzt der stellvertretende Bundesgeschäftsführer der Gewerkschaft GPA-djp, Alois Bachmeier, zur Forderung der Grünen nach einem gesetzlichen Mindestlohn von 1.700 Euro gemeint, man wolle dies in den Kollektivverträgen verankern und „einen gesetzlichen Mindestlohn braucht ein Land mit einer kollektivvertraglichen Abdeckung von 97 Prozent sicher nicht“.
Fakt ist, dass für viele Vollzeitbeschäftigte noch nicht einmal das Ziel
von 1.500 Euro brutto erreicht ist und bislang nur in der Metallbranche ein
Mindestlohn von 1.700 Euro gilt. Hingegen wurde kürzlich ein Kollektivvertrag
für die Taxi-Branche mit dürftigen 1.170 Euro Mindestlohn abgeschlossen:
„Natürlich können die Gewerkschaften stolz darauf sein, dass Österreich mit
97 Prozent KV-Abdeckung ein Spitzenreiter ist. Aber gleichzeitig muss in aller
Deutlichkeit auch festgestellt werden, dass sich die Gewerkschaften bei den
KV-Verhandlungen gerade auch in Hinblick auf die Mindestlöhne nicht mit Ruhm
bekleckert haben. Denn was hilft die KV-Abdeckung, wenn die Abschlüsse gemessen
an der Produktivitätsentwicklung einfach zu mager sind“ meint Stingl.
Zum Argument Bachmeiers, gesetzliche Mindestlöhne seien „Spielball der
Tagespolitik, wenn sie der Gestaltung durch die ArbeitnehmerInnen und
Arbeitgeber entzogen sind“ meint Stingl, dass gesetzliche Regelungen wie etwa
für den Urlaub oder die Arbeitszeit ebenso eine Frage politischer
Auseinandersetzungen sind wie Kollektivvertragsverhandlungen. Wenn aus
sozialpartnerschaftlicher Rücksicht „auf die Besonderheiten und
Herausforderungen der jeweiligen Branche“ (O-Ton Bachmeier) zu geringe
KV-Abschlüsse kampflos akzeptiert werden und die Gewerkschaften gerade bei den
Mindestlöhnen deutlich im Hintertreffen sind ist das kein Argument gegen einen
gesetzlichen Mindestlohn.
Ein gesetzlicher Mindestlohn wie er in vielen EU-Ländern bereits existiert ist
aus der Sicht des GLB daher keine Einschränkung der Lohnkompetenz der
Gewerkschaften, sondern im Gegenteil eine Unterstützung, weil damit Löhne
unter einem bestimmten Limit nicht mehr möglich wären. Ein gesetzlicher
Mindestlohn bedeutet auch keine Nivellierung nach unten, sondern sichert nur ab,
dass auch für schwächere Wirtschaftsbereiche angemessene Einkommen bezahlt
werden und deren Beschäftigte mit dem Einkommen leichter auskommen. Vor allem
ist er ist auch vor dem Hintergrund der seit Ende der 70er Jahre ständig
sinkenden Lohnquote und dem Stagnieren der Reallöhne in den letzten 15 Jahren
zu sehen.
„Wir LinksgewerkschafterInnen halten einen gesetzlichen Mindestlohn auch
dahingehend für wichtig, als derzeit mit dem Argument, dass zwischen der
bedarfsorientierten Mindestsicherung und den Niedriglöhnen eine zu geringe
Differenz bestehe und damit der Anreiz eine Arbeit anzunehmen nicht vorhanden
sei eine Kürzung bzw. Deckelung der Mindestsicherung forciert wird, die wir
ablehnen“ so Stingl. Der GLB fordert GPA-djp-Vorsitzenden Wolfgang Katzian,
der auch FSG-Chef und Nationalratsabgeordneter ist auf, sich auch durch eine
parlamentarische Initiative für einen gesetzlichen Mindestlohn stark zu
machen."