KOMMUNISTISCHE PARTEI ÖSTERREICHS

„Eines sagen wir euch gleich: Streik geht auch im Sozialbereich!“

(24.2.2018)

Interview mit Roman Gutsch, Betriebsratsobmann in der Caritas Socialis und Mitglied des Verhandlungsteams der Gewerkschaft bei den SWÖ-Kollektivvertrag­sverhandlungen.

Frage: In der Vorwoche gab es Donnerstag und Freitag Warnstreiks in den sozialwirtschaf­tlichen Betrieben in ganz Österreich. In unserem Land wird bekanntlich kaum gestreikt. Warum kommt es nun zu dem Arbeitskampf in deinem Bereich?

Es wurde nicht in allen Bundesländern gestreikt, aber in fast allen. In mehr als 60 Unternehmen und in mehr als 140 Betrieben bzw. betrieblichen Einheiten fanden 3stündige Warnstreiks statt. Entscheidend für die einstimmige Ablehnung des Angebots der Arbeitgeber in der ArbeitnehmerIn­nenkurie war, dass der private Sozial- und Pflegebereich Aufholbedarf gegenüber anderen Branchen hat und wir mit einem Abschluss im unteren Drittel der erzielten KV-Abschlüsse nicht zufrieden sein können. Mehr noch, zufrieden sein dürfen: Wir verhandeln das Gehalt und die Arbeitsbedingungen von vorwiegend teilzeitarbeitenden Frauen, die jene Dienstleistungen, die sie in ihrer täglichen Arbeit professionell und gut ausgebildet durchführen, sich im Bedarfsfall selbst kaum leisten können. Hinzu kommt, dass im Vorjahr beim KV-Abschluss unterjährige Verhandlungsgruppen zu den Themen Arbeitszeit und GuKG-Novelle vereinbart wurden. Im Vorjahr wurden also zwei große rahmenrechtliche Anliegen der ArbeitnehmerInnen vertagt, um etliche Verhandlungsrunden später ausgerichtet zu bekommen, dass es bei beiden Forderungen überhaupt kein Entgegenkommen geben wird. Das Entgegenkommen, das aufgrund der Demonstration am 23. Jänner und den betrieblichen Aktionen, durchgesetzt werden konnte, war einfach nicht ausreichend und, wie gesagt, für kein Kurienmitglied annehmbar. Damit waren die Weichen Richtung Warnstreik gestellt.

Die Forderungen der Beschäftigten beziehen sich auf Löhne, Besserstellung der Pflegeberufe und Arbeitszeitver­kürzung. Wie sehen die Forderungen im Konkreten aus?

Das Forderungspapier der ArbeitnehmerInnen geht über diese drei Hauptforderungen hinaus. Der Fokus liegt aber eindeutig bei diesen drei Hauptforderungen. Zum Gehalt: Wir fordern eine deutliche Reallohnsteigerung, sowohl der KV- als auch der Ist-Gehälter und für die alten Gehaltstabellen. Ein konkreter Prozentsatz wurde nicht genannt. Wir wollen 1500 € brutto auch für Transitmitarbe­iterInnen erreichen. Ferner eine deutliche Erhöhung der Lehrlingsentschädi­gungen, da unser KV in diesem Bereich weit unter dem ÖGJ-Beschluss von 700 € im ersten Lehrjahr liegt. Unserer Forderung nach einer Arbeitszeitver­kürzung auf 35-Wochenstunden bei vollen Lohn- und Personalausgleich, damit es zu keiner Arbeitsverdichtung kommt, die ohnehin schon sehr hoch ist, stehen Arbeitszeitfor­derungen der Arbeitgeber nach kürzeren Ruhezeiten und längeren Durchrechnungsze­iträumen gegenüber. Eine verkürzte Vollzeit ist der Gegenentwurf zu den niemals endenden Flexibilisierun­gswünschen der Arbeitgeber, die, weil sie kaum Vollzeitstellen anbieten, in der betrieblichen Realität die Arbeitszeit längst gekürzt haben. Allerdings ohne Lohnausgleich, um Teilzeitkräfte zu haben, die innerhalb langer Durchrechnungsze­iträume ohne stabilen Dienstplänen billig zur Verfügung stehen. Und letztlich geht es uns um eine vernünftige Abbildung der 2016 in Kraft getretenen Novelle des Gesundheits- und Krankenpflege­gesetzes im KV. Die Pflegeberufe – die Berufsgruppe der Pflegefachassis­tentInnen wurde neu geschaffen – haben mehr Verantwortung und Kompetenzen erhalten. Für diese Kompetenzerwe­iterung erwarten wir eine angemessene finanzielle Abgeltung, zumal die Länder in ihren eigenen Einrichtungen außerordentliche Erhöhungen durchführten. Es ist nicht einzusehen und hinzunehmen, dass im privaten Pflegebereich schlechter bezahlt wird.

Wie viele Menschen sind in den Pflegeberufen beschäftigt und daher von den Verhandlungen betroffen?

Der SWÖ-Arbeitgeberverband hat rund 400 Mitgliedsor­ganisationen mit insgesamt knapp 60.000 Beschäftig­ten. Da der SWÖ-Kollektivvertrag – vormals BAGS-Kollektivvertrag – seit 2006 „gesatzt“ wird, sind von diesem Kollektivvertrag rund 100.000 Beschäftig­te betroffen. Satzung bedeutet, dass das Bundeseinigungsamt erklärt, dass dieser Kollektivvertrag für den gesamten privaten Sozial- und Gesundheitsbereich, die keinen eigenen Kollektivvertrag haben, Gültigkeit hat und nicht nur für die Mitgliedsorga­nisationen des SWÖ-Arbeitgeberver­bandes. In diesem Sinne ist der SWÖ-Kollektivvertrag der Leit-KV im Sozial- und Gesundheitsbereich, dem eben nicht nur Pflegeberufe angehören, sondern die ganze Palette sozialer und gesundheitlicher Dienste präventiver, betreuender oder rehabilitativer Ar­t.

Die Arbeitgeber in der Sozialwirtschaft sind in der Regel Vereine, die selbst wieder zum Teil von öffentlichen Subventionen abhängig sind. Ist da nicht eher die öffentliche Hand gefordert?

Ja, die öffentliche Hand ist gefordert und die Zivilgesellschaft, die sich im eigenen Interesse für eine ausreichende Finanzierung des Sozial- und Pflegebereichs stark machen soll. Die Arbeitgeber sollen sich aber nicht hinter unseren Protestmaßnahmen, die natürlich auch ein Signal an die Politik sind, verstecken. Der Warnstreik hat sich gegen die Arbeitgeber, deren Unterschrift auf dem KV-Abschlussprotokoll gebraucht wird, gerichtet und nicht gegen die Landesregierungen. Es liegt in der Verantwortung der Arbeitgeber, dass sie für ihre Dienstleistungen von der Politik entsprechende Tarife einfordern. Manche Geldgeber spalten die Arbeitgeber mit Projektförderungen, die zusätzlich zu den gewährten Tarifen ausbezahlt werden. Ein einheitliches, starkes Auftreten der Vereine wird damit untergraben. Letztlich stehen sie in Konkurrenz zueinander und die eigenen Kennzahlen werden dann höher bewertet als die finanzielle Ausstattung der gesamten Branche. Dennoch, die politische Dimension dieser Streikbewegung wird von uns gesehen und nach den Gehaltsverhan­dlungen legen wir sicher nicht die Hände in den Schoß. Aus meiner Sicht braucht es eine Vermögens- und Erbschaftssteuer, die nicht erst im Zuge der Abschaffung des Vermögensregresses, was viele Organisationen zusätzlich finanziell belasten wird, hätte kommen müssen. Uns ist auch bewusst, dass sich dieser Streik gegen Arbeitgeber richtet, die chronisch unterfinanziert und mehrheitlich nicht gewinnorientiert sind, die gesellschaftlich Wertvolles leisten und keine dicken Eigenkapitaldecken haben und keine Gewinne steuerschonend ins Ausland verschieben. Unsere Verantwortung gegenüber den KollegInnen, deren Lebenserhaltun­gskosten steigen und deren Belastbarkeit am Limit ist, dürfen wir aber aus dieser falschen Rücksicht nicht ablegen.

Du bist in einem Betrieb mit hunderten MitarbeiterInnen in der mobilen Pflege tätig. Wie muss man sich da einen Streik vorstellen?

Die Vorstellung, wie in den mobilen Diensten gestreikt werden kann, war wenige Tage vor dem Warnstreik noch recht vage. Mehrmals korrigierten wir unser Konzept. Jetzt im Rückblick kann ich festhalten, dass der Slogan, den wir bei einer Kundgebung kurz vor der vierten Verhandlungsrunde vor unserem Betrieb riefen: „Eines sagen wir euch gleich: Streik geht auch im Sozialbereich!“, keine leere Worthülse ist. Die Warnstreiks waren auf drei Stunden und auf einzelne Betriebsteile beschränkt. Wir haben uns entschieden, ein interprofessi­onelles Team bestehend aus Heimhilfen, Pflegeassisten­tInnen und diplomierten Pflegepersonen zu bestreiken, welches für den Wiener Gemeindebezirk zuständig ist, in dem wir die Streikversammlung abhielten. Im Vorfeld wurde der Geschäftsführung angeboten an einem Dringlichkeitsplan, der die Notversorgung definiert, mitzuarbeiten. Wir streikten von 9:30 bis 12:30 Uhr, die Früheinsätze, die besonders sensibel und notwendig sind, wurden also alle durchgeführt. Bei einer Ausdehnung der Warnstreiks auf 6 Stunden ist davon auszugehen, dass trotz Streik einige KollegInnen Dienst machen müssen, da KlientInnen auf keinen Fall zu Schaden kommen dürfen. Besonders ermutigend war, dass Kolleginnen die frei hatten, aus Solidarität mit selbstgemachten Streikkuchen zur Streikversammlung kamen. Und da das persönliche Gespräch von Betriebsrat, Streikleitung und den KollegInnen untereinander für die Geschlossenheit beim Streik entscheidend ist, ist man in den mobilen Diensten, wo die KollegInnen alle alleine im Außendienst unterwegs sind, ganz schön gefordert.

Gibt es Solidarität aus anderen Bereichen der Gewerkschaft?

Das ist ein wunder Punkt. Seit mehr als einem Jahr führen wir die Kampagne zur Einführung der 35-Stundenwoche und in den Forderungspapieren anderer Branchen – Ausnahme bei den privaten Bildungseinrichtun­gen – spielt die 35-Stundenwoche, die vermutlich dieses Jahr beim ÖGB-Kongress erneut beschlossen wird, keine Rolle. Solidarische Lohnpolitik bedeutet für mich auch, dass jene, die in Wirtschaftszweigen mit hoher Produktivität arbeiten und entsprechend höhere Abschlüsse erzielten und erzielen werden, uns tatkräftig unterstützen. Das sehe ich nicht in dem gewünschten Ausmaß. Denn letztlich ist es der Sozial- und Gesundheitsbereich, der hohe Produktivität in anderen Wirtschaftsbe­reichen erst ermöglicht. Beispiel: Die Belastung als pflegender Angehöriger wird durch unsere Arbeit abgefedert. Das reduziert Fehlzeiten, erhält Arbeitsfähigkeit, führt zu höherer Produktivität und verringert gesellschaftliche Folgekosten. Auch daran erkennt man, dass sich unsere KollegInnen einen guten Abschluss mehr als verdienen. Sie schaffen gesellschaftlichen Mehrwert und daher soll auch ihre Arbeit mehr wert sein.

Danke für das Gespräch!

Redaktion www.kpoe.at


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